Protokoll der Sitzung vom 12.07.2000

dass der Schuldenstand der Brandenburger Kommunen insgesamt erheblich unter dem anderer Bundesländer liegt. Er betrug - so ist es in der Antwort zu Frage 9 nachzulesen - im Jahre 1998 1 353 DM je Einwohner und war damit seit dem Jahre 1992 durchgehend der niedrigste aller Bundesländer. Dies sollte, so finde ich. besondere Erwähnung finden.

Zum Vergleich: Der kommunale Schuldenstand lag in den neuen Bundesländern insgesamt durchschnittlich bei 2 184 DM je Einwohner. in den westdeutschen Bundesländern bei 2 143 DM je Einwohner.

Meine Damen und Herren! Leider hat sich die Frage stellende Fraktion lediglich nach den verschuldeten Gemeinden erkundet. Nur diese tauchen demnach in der Auflistung, die die Landesregierung erstellte, auf. Es fehlen die Kommunen, die es trotz aller Widrigkeiten -zum Teil durch glückliche Rahmenbedingungen. zum großen Teil jedoch durch enormes Engagement - sogar schafften - Vermögen aufzuhauen. Für Gemeinden. in denen länger andauernde Liquiditätsengpässe bestehen - das kann man eher:11'1111s in der Antwort zur Großen Anfrage nachlesen prüft die Landesregierung derzeit - wie das auch in den vergangenen Jahren der Fall gewesen ist -, inwieweit in diesen Einzelfällen eine Unterstützung gewährt werden kann, um Härtefälle lösen zu können. Ich bedanke mich bei Ihnen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich bedanke mich auch bei Ihnen, Herr Abgeordneter Homeyer. Das Wort geht jetzt an die Fraktion der PDS. Herrn Abgeordneten Sarrach.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Landesregierung beabsichtigt haben sollte, aussagekräftige und inhaltsreiche Antworten zur Verschuldungssituation der Kommunen zu geben, so hat sie leider versagt. Die Qualität der Beantwortung ist eine Zumutung. Mit den Antworten wird, sofern überhaupt inhaltliche Aussagen getroffen werden. mehr vernebelt als erhellt.

(Beifall bei der DVU)

Allerdings sind auch die seitens der DVU-Fraktion gestellten Fragen nicht geeignet, dass von der Regierung ein komplexes und vielschichtiges Bild der finanziellen Situation der Kommunen gezeichnet werden musste. Genau darauf kommt es aber aus der Sicht der PDS-Fraktion an.

Ich frage mich, wofür die Regierung den großen Zeitraum zur Beantwortung der Großen Anfrage in Anspruch nehmen musste. Das. was Sie vorgelegt haben, wäre auch in vier Wochen zu schaffen gewesen. Häufig haben Sie entweder keine detaillierten Aufschlüsselungen oder die Landesregierung hat anderweitig keine Kenntnis, worauf in vier Füllen verwiesen wird. Das soll ein Argument sein. dass die Fra gen nicht beantwortet werden können.

Weshalb nützen nun die gegebenen Antworten so wenig in der Sache? Die Gemeinden und die Gemeindeverbände haben in Brandenburg mit erheblichen Finanzproblemen zu kämpfen. An den Mehreinnahmen aus der Finanzreform von 1995 wurden die Kommunen nur unterproportional beteiligt. Durch das Steuersenkungsgesetz auf Bundesebene sollen sich in den Jahren von 2001 bis 2004 Steuerausfälle für die Kommunen von bundesweit 12,2 Milliarden DM ergeben. Oder mit anderen Worten: Während die Gemeinden nicht einmal 13 c!,a der gesamten Steuereinnahmen in der BRD erhalten, sollen sie mit ca. 18 (li› überproportional stark an den Einnahmeausfällen der öffentlichen Hand beteiligt werden. Für die Einschätzung der finanziellen Lage und der Handlungsfähigkeit der Brandenburger Kommunen ist der Schuldenstand nur ein Indiz neben vielen anderen Faktoren und Einflüssen, Die möglichemeise als moderat zu bezeichnende

Verschuldung ist somit kein Grund für Entwarnung und Verharmlosung der kommunalen Probleme.

Die kreisfreie Stadt Frankfurt hat beispielsweise 38 Millionen DM Schulden zu tilgen. Das sind nur 7 % Anteil an den Ausgaben des Gesamthaushaltes. Als Langzeitdefizit sind im Jahr 2000 116 Millionen DM aufgelaufen. darunter über 30 Millionen DM strukturelles Defizit. also die dauerhafte Disproportion von Einnahmen und Ausgaben. Hierbei kann nicht gerufen werden, dass die Haushaltsprobleme altein kommunal verschuldet seien. da jetzt einnahmeseitig wieder Einbrüche bei den Steuereinnahmen in Frankfurt verzeichnet werden müssen, nämlich 11.1.3 Millionen DM hei der Gewerbesteuer und 1.7 Millionen DM bei der Einkommensteuer.

Das sind die wirklichen Probleme. Das sind zum Beispiel die Folgen der Massenarbeitslosigkeit. Diese Probleme sind nicht durch Eingemeindungen nach Frankfurt lösbar.

Mit der in der Antwort angesprochenen Verschuldung der Kommunen - uni das deutlich zu machen - ist letztlich vor allem die kommunale Kreditaufnahme gemeint, die in der Regel die Finanzierung des Investitionsbedarfs ermöglicht. Dabei möchte ich von Beispielen. bei denen laufende Ausgaben dauerhaft mit Krediten finanziert werden. weil die Verwaltungshaushalte hohe Defizite aufweisen. absehen. Ich leite deshalb nicht die Einschätzung aus der Antwort ab. dass die erheblich unter dem Schuldenstand der anderen Bundesländer liegende Pro-KopfVerschuldung von 1353 DM in Brandenburg nur positiv und optimal bewertet werden muss.

Wenn die Kreditaufnahme das Maß für die Investitionstätigkeit ist, dann erklärt sich auch über den Schuldenstand, also die Kreditaufnahme. weshalb seit dem Jahre 1994 die kommunalen Investitionsausgaben in Brandenburg rückläufig sind. Zur Gewinnung eines objektiven Bildes gehört weiterhin festzustellen. dass dieser Schuldenstand erheblich streut und es hoffnungslos verschuldete Gemeinden nm Schulden in Höhe von 6 000 DM je Einwohner gibt. Das kann man nur mühsam aus der Antwort herausfiltern.

Nach der Auflistung von 987 Kommunen in der Antwort - das sind ca. zwei Drittel aller Kommunen - beträ gt bei 165 Gemeinden die Verschuldung mehr als 100 % der Ausgaben des Gesamthaushaltes. Die Gemeinde Altenhof int Landkreis Bamim ist mit fast 700 % aufgeführt. Allein 46 derart verschuldete Gemeinden liegen in der Uckemiark. Das macht deutlich. dass die steuerstärkeren Gemeinden im engeren Verflechtungsraum weniger verschuldet sind.

Soll der moderate Schuldenstand in Brandenburg ein Indiz dafür sein. dass die Kommunalaufsichten in zu vielen Fällen Kreditaufnahmen nicht genehmigen konnten. weil es sonst die Leistungskraft der Kommunen überstiegen hätte? Konnten die Kommunalaufsichten Kreditaufnahmen nicht genehmigen. weil die Haushaltswirtschaft in den Kommunen nicht geordnet war?

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung kommt zu dem Ergebnis. dass die Brandenburger Kommunen in der Summe das Instrument der Verschuldung nicht aus gereizt haben. denn die kommunalen Investitionen seien mit weniger als einem Fünftel über Kredite finanziert worden. Das hätte in der Drucksache beantwortet werden müssen.

Sind die Bedingungen in der kommunalen Haushaltswirtschaft so schlecht oder die Kommunalaufsicht und das Haushaltsrecht in Brandenburg zu restriktiv?

Ein Wort zur Kommunalaufsicht: In Frankfurt wurde ein Kredit über 4.5 Millionen DM für die Fertigstellung des Kleist-Forums nicht genehmigt. Jetzt muss dieses Geld aus dem Vermögenshaushalt zur Verfügung gestellt werden und geht zulasten der Brückensanierung oder des Straßenbaus.

Wenn es in der Antwort heißt. das rechtsaufsichtliche Instrumentanum sei ausreichend, ist aus kommunaler Sicht einigesan Kritik anzubringen. Zu oft wird die Grenze zwischen Rechtsaufsicht und Fachaufsicht überschritten und fließen Zweckmäßigkeitserwägungen ein.

Der Gemeinde Briesensec hätte es offensichtlich gut getan, vor Abschluss des Abwasserbetrei hervertrages rechtlich besser beraten worden zu sein. Damit bin ich beim Thema Abwasser. Es ist fast bewundernswert, wie Sie sich vor konkreten Antworten gedrückt haben und selbst diese Situation noch optimal und positiv darstellen. Leider fehlt mir die Zeit. dies auszuführen.

Ich schließe mit der Feststellung. dass unter diesen Rahmenbedingungen die Forderungen der kommunalen Spitzenverbände nach dem Einstieg in eine Reform der Kommunalfinanzierung und der Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer wirtschaftskraftbezogenen Kommunalsteuer nur unterstützt werden können. Die PDS-Fraktion hat dafür ihre Vorschläge unterbreitet. - Danke.

!Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Sarrach. - Die Landesregierung hat mir signalisiert. dass sie keinen Redebedarf sieht. Damit bin ich am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Ich kann feststellen, dass Sie die Antwort der Landesregierung in der Drucksache 3/1391 auf die Große Anfrage 6 der DVU zur Kenntnis genommen haben.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8 und rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Wegfall von Arbeitsplätzen im Land Brandenburg im Jahr 1999

Große Anfrage 8 der Fraktion der DVU

Drucksache 3/927

Antwort der Landesregierung

Drucksache 3/1377

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und erteile der Fraktion der DVU das Wort. Frau Abgeordnete Fechner. bitte schön!

nehmend auf unsere Große Anfrage zum Wegfall von Arbeitsplätzen im Lande und den darauf folgenden Antworten bzw. NichtAntworten ist eine Nachbetrachnmg unumgän glich. Daher erlaube ich mir, einige Dinge aus unserer Sicht hinzuzufügen und zu kommentieren.

Wie wir wieder einmal feststellen müssen, wird die Vielzahl unserer Fragen mit der Begründung. dass es hierzu keine statistischen Erfassungen gebe. nicht oder nicht ausreichend beantwortet. Doch dann. meine sehr geehrten Damen und Herren. sei die Frage erlaubt. wie man effektiv die Gründe der grassie-renden Arbeitslosigkeit bekämpfen will, wenn man deren Ursachen und deren Zusammenhänge untereinander nicht erfasst. Doch lassen Sie mich aus den wenigen uns zugesandten Daten folgende Schlüsse ziehen: Dem Arbeitsamt und der Landesregierun g ist es nicht möglich_ klare Angaben über die tatsächlich wegfallenden Arbeitsplätze zu täti gen. Doch über den Wegfall der Arbeitsplätze auf dem zweiten Arheitsmarkt weiß man Bescheid.

Die Zahl der Beschäftigten in ABM nahm um 5 700 und die Zahl der Beschäftigten in SAM um 15 400 gegenüber dem Vorjahresstand ab. Im kommenden Jahr wird Brandenburg 75 Millionen DM weniger Fördermittel aus der EU erhalten. Für die Kofinanzierung von ABM und SAM stehen im Jahr 2002 nur noch 21 Millionen DM bereit. In diesem Jahr sind es noch 45 Millionen DM. Zwar sei die Halbierung noch nicht festgeschrieben, aber wer den Verlauf der Geschichte kennt. weiß. dass es zwangsläufig dazu kommen wird. Was das für viele Menschen hier im Land bedeutet, dürfte jedem klar sein. nämlich. dass die Arbeitslosenquote weiter steigen wird.

Auch was die Gesamtanzahl der im Jahr 1999 tatsächlich neu geschaffenen Arbeitsplätze betrifft, hüllt sich die Regierung in Schweigen. Uns ist schon klar. dass die Regierung nicht präzise den personenbezogenen Berufsweg aller Menschen im Lande aufschlüsseln kann: dies wäre wohl auch nicht angemessen. Daher ziehen wir die Fakten zurate, die schon deshalb penibel erfasst werden. weil sie bare Einnahmen für den Staat bedeuten. Ich meine hier die Angaben zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Hier war im vergangenen Jahr mit einer Beschäftigungszahl von 804 800 ein glatter Verlust von 5 % gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen. Doch selbstverständlich bedeuten diese genannten Beschäftigungsfälle nicht, dass auch alle darin erfassten Beschäftigten vollständig ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Schon gar nicht heißt dies, dass es sich bei all diesen Fall zahlen um selbsttragende Arbeitsplätze handelt.

Rechnen wir einmal nach, was effektiv wirklich übrig bleibt: Insgesamt waren 1999 jahresdurchschnittlich 22 447 Personen in Arbeitsbeschaffungs- und 32 172 Personen in Stnikturanpassungsmaßnahmen beschäftigt. zusammen somit 54 619 Beschäftigte. Realerweise sind diese von den 804 800 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten abzuziehen. Verbleiben also noch 750 181 Beschäftigun gsverhältnisse mit Versicherungspflicht.

Weiterhin sind 58 889 Lehrlinge abzuziehen, die vom Lehrlingsentgelt in den allermeisten Fällen nicht ihre Ausgaben decken können, ohne auf die eine oder andere Weise Zuschüsse zum Lebensunterhalt zu erhalten. Somit bekommen wir eine Zahl von 691 292.

Ziehen wir nun noch die Kurzarbeiter mit nu! 1 Arbeitszeit sowie die so genannten 630-DM-Beschäftigten ab und stellen hierbei die 16- bis 60- bzw. 65-Jährigen bei den Männern in der Gesamt

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bezug

zahl von rund l 710 000 gegenüber, dann erhalten wir eine Beschäftigungsquote. die einem die Haare zu Berge stehen lässt. Sie beträgt sage und schreibe 38 %! Oder - anders gesagt - können 62 '3o der gesetzlich arbeitsfähigen Bevölkerung nicht die 100 % zur Abdeckung ihrer Ausgaben aus ei gener unhezuschusster Vollzeitarbeit abdecken.

Dass diese Zahlen in keiner Statistik auftauchen, ist aus Sicht der sozialpolitischen Dimension verständlich. Wenn wir daher von einer realen Arbeitslosigkeit von 50 ein in Brandenburg sprechen. liegen wir nahe hei der traurigen Real ität.

Der Regierung werden solche Zahlen nicht unbekannt sein. Doch was gibt das für ein Bi Id in der Öffentlichkeit, würde man diese Zahlen zugeben?

Welche infernalischen Zustände müssen unter diesen Umständen erst ausbrechen. wenn sich im Zuge der EU-Osterweiterung Millionen Billigstarbeitsuchender auf den Weg nach Deutschland begehen? Einer unserer Ablehnungsgründe gegen eine Osterweiterung unter den geplanten Umständen war gerade das ungelöste Problem der Massenarbeitslosigkeit.

Doch lassen Siemich auf die Zahlen der Regierung auf unsere Große Anfrage zurückkommen. In allen einzeln aufgegliederten Bereichen ist ein dramatischer Arbeitsplatzverlust zu verzeichnen - bis auf einen: Im Bereich der Kreditinstitute und Versicherungen ist eine Zunahme gegenüber dem Vorjahr um 100 Arbeitsplätze zu verzeichnen. Laut der Arbeitslosenstatistik für den Monat Juni ist die Zahl sogar auf 300 angestiegen. Ist hier etwa zwischen dem Anstieg der Angestellten in den Kreditinstituten eine Verbindung zu der galoppierenden privaten Haushaltsverschuldung der arbeitslosen oder ungenügend beschäftigten Bevölkerung zu erkennen?

Und noch eine Zahl ist bemerkenswert: Sagte man uns nicht im Bereich der Dienstleistungen geradezu goldene Beschäftigungszeiten voraus? Sollten die neuen Dienstleistungsarbeitsplätze nicht viele der weggebrochenen bisherigen Arbeitsplätze ersetzen? Das

genaue Gegenteil tritt ein. Gerade der Dienstleistungsbereich verzeichnete mit 7 800 verlorenen Arbeitsplätzen gegenüber dem Vorjahr eine traurige Bilanz.

Auch hat sich bis jetzt nicht die Hoffnung erfüllt. durch den Bau des Lausitzringes 1500 Arbeitsplätze zu schaffen. Bis jetzt sind es lediglich 30. Aber bis zur Eröffnung im August. also nächsten Monat. haben wir ja noch etwas Zeit. Vielleicht kommen noch einige Arbeitsplätze hinzu. Schön wäre es ja.

Die durch Fördennittel neu geschaffenen 5 40(1 Arbeitsplätze sind zwar hochlöblich. decken aher nicht einmal die weggebrochenen Arbeitsplätze eines Wirtschaftszweiges pro Jahr ab.

Der drastische Stellenabbau gerade im öffentlichen Dienst und im Rankensektor echt erst noch in eine verschärfte Phase.

Auffallend ist weiterhin. dass sich die Mehrzahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze auf die Speckgürtelkreise um Berlin konzentrieren. und das. obwohl gerade die ländlich geprägten Randkreise unter einem besonderen Arbeitsplatzverlust leiden. Hauptsächlich der Berliner Arbeitsmarkt rettet Brandenburg auch die Arbeitslosenstatistik. Anderenfalls müsste die Landesregierung rund 5% mehr Arbeitslose gegenüber ihrer jetzigen Statistik zugeben.