Protokoll der Sitzung vom 12.07.2000

( Proteste bei SPD, CDU und PDS)

Bevor ich auf den hier in Rede stehenden § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes eingehe, noch einige Worte zur Entstehung dieses Gesetzes.

(Zuruf von der PDS: Verschonen Sie uns bitte mit Ihren Reden!)

Anfang der 90er Jahre sah sich Deutschland einer sehr schnell wachsenden Zahl von Asylbewerbern ausgesetzt. Im Jahre 1988 lag die Zahl noch bei etwa 103 000. Der Flöhepunkt wurde im Jahre 1992 erreicht, als 438 (100 Asylbewerber nach Deutschland strömten. Es war höchste Zeit, als der Bundesgesetzgeber am 1)6.12.1992 den so genannten Asylkompromiss fand. Diese Reaktion wäre aber mit Sicherheit ausgeblieben. wenn nicht zuvor rechte Parteien wie die Deutsche Volksunion und die Republikaner Wahlerfolge erzielt hätten.

(Zuruf von der PDS: Sagen Sie doch, dass Sie das Asylrecht gar nicht wollen! - Weitere Zurufe von der PDS)

Im Zuge des Asylkompromisses wurde der § 120 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz eingeführt. Gleichzeiti g wurde am 30. Juni 1993 das erste Asylbewerberleistungsgesetz verkündet.

(Zuruf von der PDS)

Während der Beratungen des Bundestages wurde seinerzeit auch geprüft. ob eine Absenkung mit Vorschriften des Grundgesetzes vereinbar ist. Man könnte dabei denken an eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips...

Ich bitte Sie, zum Schluss Ihrer Rede zu kommen!

Ich habe zehn Minuten Redezeit!

0 ja. entschuldigen Sie!

Man könnte dabei an eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips. an eine unzulässige Diskriminierung oder an eine Verletzung der persönlichen Handlungsfreiheit sowie des Gebotes, die Menschenwürde zu achten und zu schützen. denken.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Achten Sie die Menschen- würde?)

Jetzt für die Kollegen der PDS: Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 25. September t 998 festgestellt. dass die Leistungsabsenkung im Vergleich zur Sozialhilfe nicht gegen das Sozialstaatsprinzip oder den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Kaiser-Nicht [PDS]) In * 2 sah das Gesetz "Leistungen in besonderen Fällen" vor. In der Novellierung vorn 5. August 1997 wurde eine Stichtagsregelung eingeführt. Das Bundessozialhilfegesetz findet Anwendung. wenn sich der Leistungsberechtigte seit dem 1. Juni 1997 insgesamt 36 Monate im Geltungsbereich des Gesetzes aufgehalten hat. Das heißt mit anderen Worten: Ein Asylbewerber. der es geschafft hat. sein Asylverfahren über diesen Zeitraum in die Länge zu ziehen - wie auch immer, ganz besonders beliebt ist der Triel( mit den verschwundenen Ausweispapieren -, wird belohnt. indem er nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz und nicht nach dem Asylbe- werberleistungsgesetz erhält. Im Asylbewerberleistungseesetz ist eine eigenständige gesetz- liche Regelung des Mindestunterhalts während des asylrecht- lichen Verfahrens geschaffen worden. Die Leistun gen nach die- sem Gesetz liegen etwa 20 bis 25 'V. unterhalb der Regelsätze der Sozialhilfe. Was die Bestimmung des Existenzminimums anbetrifft. hat der Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum. Die im Asylbewerberleistungsgesetz geregelten Leistungen berühren den Kern des verfassungsrechtlichen Existenzminimums nicht. Da es keine verfassungsrechtlichen Hindernisse gibt oder gar interna- tionalem Recht nicht widersprochen wird, ist es durchaus zulässig, § 2 des Asylbewerherleistungs g,esetzes zu streichen. Ich will Ihnen natürlich auch die Argumente des Bundesgesetz- gebers nicht vorenthalten. Er ging davon aus. dass bei einem längeren Aufenthalt. dessen Beendigung noch nicht feststeht, nicht mehr auf einen geringeren Bedarf abgestellt werden kann. Es sollten jene Bedürfnisse anerkannt werden, die auf eine Anglei- chung an die im Umfeld anzutreffenden Lebensverhälmisse und auf eine bessere Integration gerichtet sind. Ich verweise hier auf die Bundestagsdrucksache 12/5008, Seite 15. (Zuruf von der PDS: Vielen Dank auch?) (Zuruf von der PDS: Das finden Sie gut. was?)

Der Gesetzgeber hat damit den Zweck verfolgt, angebliche Asylbewerber. also Scheinasylanten, davon abzuhalten, allein aus wirtschaftlichen Gründen einzureisen. Ferner sollten leistungsrechtliche Anreize für einen weiteren Verbleib abgelehnter Asylbewerber beseitigt werden.

(Zuruf von der PDS: Wollen Sie die verhungern lassen. oder was?)

Die Frage. ob die zu gewährende Hilfe als Geld- oder Sachleistung zu erbringen ist, wurde dahin gehend entschieden, dass die Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes Anwendung finden.

Frau Abgeordnete. lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schulze zu?

Ja. bitte. Herr Schulze!

Frau Fechner. glauben Sie. dass angesichts der Art und Weise, wie Sie hier Ihre Argumentation vortragen, ernsthaft die Überzeugung entsteht, dass Sie im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sprechen?

Ich stehe hier, um die Interessen der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes zu vertreten. Angesichts dessen. dass für das Jahr 2001 fiir Asylbewerber und Aussiedler Kosten in Höhe von mehr als 124 Millionen DM veranschlagt werden und auf der anderen Seite im Bereich der Kitas 25 Millionen DM gekürzt werden, denke ich schon. dass ich die Interessen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes wahrnehme.

(Beifall bei der DVU)

Stehen Sie für eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Schulze zur Verfügung?

Nein. Hören Sie aufmerksam zu; vielleicht erübrigt sich dann Ihre Frage.

Ich komme wieder darauf zu sprechen. dass im Hinblick auf die Frage. ob die zu gewährende Hilfe als Geld- oder Sachleistung zu erbringen ist, die Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes gelten. Das bedeutet eine freie Gestaltung im Rahmen der Bedarfsdeckung. Somit kommen im Regelfall nur Geldleistungen in Betracht.

Der höhere Bedarf ist nach der inzwischen abgelaufenen Frist von drei Jahren seit dem 1. Juni 2000 anzuerkennen. Sofern humanitäre. rechtliche oder persönliche Gründe oder das öffentliche Interesse entgegenstehen, können nach dem Wortlaut des Gesetzes aufenthaltsbeendende Maßnahmen und die Ausreise nicht erfolgen.

Ob nun die genannten Gründe oder das öffentliche Interesse vorliegen, bedarf einer umfassenden Einzelfallprüfung, die aber angesichts der heuti gen Belastung der Behörden und Gerichte kaum noch möglich ist.

Im Übrigen ist man meist auf die Angaben der Betroffenen angewiesen, die oft falsch sind, da die Leistungserschleichung das Motiv ist. Wem es gelingt, mit allerlei Tricks und unter juristischer Anleitung den in § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes genannten Zeitraum zu überwinden, ist besser gestellt als andere Asylbewerber. Im Übrigen lehnt die Deutsche Volksunion auch die durch dieses Gesetz beabsichtigte Verfestigung des Aufenthaltsstatus ab. Denn die Verhältnisse in den Heimatländern können sich jederzeit ändern.

Frau Abgeordnete. es besteht noch einmal das Anliegen einer Zwischenfrage seitens Herrn Schulze.

Diesem Anliegen möchte ich nicht nachkommen: denn ich bin gleich mit meiner Rede fertig.

(Beifall hei SPD und PDS)

Weiterhin sind wir der Auffassung. dass einem weiteren Zustrom von Ausländern be gegnet werden muss.

(Pfui! bei der PDS)

Jedes Land schützt seine eigenen Interessen. Das gilt sogar für die klassischen Einwanderungsländer. Bekanntlich haben die USA und Kanada - uni nur zwei Beispiele zu nennen - besonders hohe Hürden aufgebaut, um die Zuwanderun g wirksam zu bremsen.

Fällt der Leistungsanreiz nach dem Bundessozialhilfegesetz weg. so wi rd sich mancher Leistungsempfänger überlegen, ob er noch länger in der Bundesrepublik verweilt. Auch wenn jetzt der Einwand kommen sollte: "Was stört uns die ganze Problematik? Brandenburg ist davon ja wenig betroffen", so möchte ich Folgendes entgegnen: Die Länder haben im Bundesrat auch eine bundesweite Verpflichtung. Im Bundestag hat sich die CSULandesgruppe dafür eingesetzt. die zeitliche Befristung der Sozialhilfeabsenkung aus dem Asylbewerberleistungsgesetz zu streichen. Auch wenn der Bundesrat eine entsprechende Gesetzesinitiative des Landes Hessen bereits abgelehnt hat. kann dies fier das Bundesland Brandenburg keine Veranlassung sein, in dieser Frage erneut mit anderen Bundesländern zu verhandeln, uni neue Mehrheiten im Bundesrat zu finden.

(Schippe) 'SPD]: Da werden wir nicht fragen!)

Schließlich haben wir inzwischen eine neue Koalition in Brandenburg. Es dürfte auch im Interesse unseres Justizministers, Herrn Schelter, sein - er stammt bekanntlich aus der CSU die Initiative seiner Parteifreunde aus Bayern zu unterstützen.

Bedauerlich ist, dass die Landesregierung noch nicht einmal weiß, welche zusätzlichen Leistungen ah dem 1, Juni 2000 für Leistungsempfänger. die unter § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes fallen, zu erbringen sind. Ich verweise hier auf die Antwort auf die Kleine Anfrage des DVU-Abgeordneten Werner Fimeburg vom 29. Mai 2000.

Die Landesregierung weiß auch nicht, wie viele Leistungsempfänger die Voraussetzung des § 2 erfüllen. Wie sollen dann entsprechende Beträge korrekt in den Haushaltsplänen vermerkt werden? Der DVU-Abgeordnete Sigmar-Peter Schuldt hat in Bezug auf die Asylbewerbeninterkünfte in Rathenow bei der Regierung nachgefragt.

Frau Abgeordnete, ich bitte, zum Schluss Ihrer Rede zu kommen!

Ich kann doch noch eine Minute sprechen.

Sehen Sie nicht. dass das rote Signal blinkt? - Ich bitte Sie. zum Schluss Ihrer Rede zu kommen!

(I3eifall hei der PDS)

Sollen etwa demnächst auch noch ausländische Straftäter in den Genuss besonderer Leistungen gemäß § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes kommen? Es ist an der Zeit.

Frau Abgeordnete. es ist an der Zeit aufzuhören.

dass wir in der Ausländerfrage umdenken und nunmehr den Anfang machen, indem wir die Streichung des § 2 beschließen. Ich danke.

(Beifall bei der DVU)

Zunächst möchte ich unsere Gäste begrüßen: Es handelt sich um Mitglieder des Kurssystems aus Strausberg. Herzlich willkommen!

(Beifall )

Zudem begrüße ich unsere jungen Gäste aus Rohr in Bayern. Herzlich willkommen in Brandenburg!