Protokoll der Sitzung vom 13.07.2000

:T1 Agrarbetrieben im Osten infol ge des schmerzlichen Anpassungs- und L1 instrukturieningsprozesses nicht ohne weiteres möglich war, in guten Jahren ausreichend Vorsorge für schlechte Jahre zu treffen. Unsere Agrarbetriebe haben auch im zehnten.lahr der "Neuzeit" größtenteils keine Rücklagen. Aber vielleicht kann Herr Platzeck, der neue Landesvorsitzende der SPD. helfen. dem ja ein guter Draht zum Bundeskanzler und Bundesvorsitzenden seiner Partei nachgesagt wird. Ich hätte also nichts dagegen, wenn Herr Platzeck. in Brandenburger Naturkatastrophen ja bestens erprobt. neben dem Stigma eines Deichgrafen auch das Stigma eines Bauernhelfers zu gebilligt bekäme.

(Beifall bei der PDS)

Das Vorbild für einen Nothilfefonds könnte die praktizierte Bund-Länder-Vereinbarung zur Bewältigung der Folgen der Jahrhundertdürrekatastrophe des Jahres 1992 sein. Damals hatte der Bund. übrigens noch CDUZSLI-FDP-re giert. insgesamt 200 Millionen DM bereitgestellt. davon Rh- das Land Brandenburg 83 Millionen DM. Sicher geht es diesmal nicht um solche hohen Summen. aber das damals angewandte und im Großen und Ganzen auch bewährte Prinzip sollte zur Debatte stehen.

Unabhängig davon. ob es gelin gt. den Bund mit ins Boot zu holen. erwartet die Fraktion der PDS hier und heute eine eindeutige Aussage der Landesregierung. Unsere Erwartung an die Landesregierung lautet. es sollte em Nothilfefonds von 40 Millionen DM eingesteht werden. Auf jeden Fall bedarf es zusätzlicher finanzieller Mittel. die - so viel kann ich nach monatelanger Beschäftigun g mit dem Haushalt des zuständigen Ministeriums einschätzen - durch das Fachministerium nicht bzw, nur in äußerst gerin gem Maße durch Umschichtung aufbringbar sind. Hier ist die Regierun g als Ganzes gefordert.

(Beifall bei der PDS)

Wer wie Sie. Frau Simon. in einem bisher nicht gekannten Ausmaß zum Mittel der globalen Minderausgabe gegriffen hat. sollte sich auch nicht scheuen. die genannten 40 Millionen DM im Interesse der Existenzsicherung der dürregeschädigten landwirtschaftlichen Untemehmen als eine weitere globale Minderausgabe einzustellen. und zwar in den Einzelplan 20.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen. da Brandenburg auch künftig immer wieder von Trockenheit heimgesucht werden wird. gilt es nicht nur Feuerwehr zu spielen, sondern auch Vorsorge zu betreiben. Deshalb bitte ich Sie. wie in Ziffer 4 unseres Antrages vorgesehen, die Landesregierung zu beauftragen. dass die im Haushalt 2000/2001 eingestellten Mittel für Wasserregulierungsmaßnahmen von Kürzungen zur Untersetzung der globalen Minderausgabe des MLUR ausgenommen werden.

Für wichtig halte ich es auch. dass die Landesregierun g eine aktive Rolle bei der auf Dnick des Bauernverbandes angelaufenen Diskussion uni eine Mehr g,efahrenversicherung der Pflanzen- und Tierproduktion spielt. zumal das Land Brandenburg aufgrund seiner Standort- und Klimabedingungen das Bundesland ist. das im langjährigen Durchschnitt am meisten unter Trockenperioden zu leiden hat. Dass der schrittweise Aufbau einer langfristig stabilen und gemeinsamen Notstandsvorsorge. die durch Beiträge der Landwirtschaftsbetriebe und aus Mitteln der EU. des Bundes und des Landes zu finanzieren wäre. sinn

voll und möglich ist. zeigen die Erfahrungen in Frankreich. Spanien und den USA. Diese sollten - auch mit Blick auf die WTO-Verhandlungen - ausgewertet werden.

(Beifall bei der PDS)

Wir waren einmal übereingekommen. dass wir die Ein gangsredebeiträge auf zehn Minuten beschränken. Wenn dies so nicht gewollt wird. müsste es noch einmal zu einer Verständigung zwischen den Fraktionen kommen. Die Beschränkung wurde ja in der Absicht festgelegt. eine Aktuelle Stunde möglichst lebendig zu gestalten. Dies nur als Hinweis.

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Wiebke. Er spricht für die SPD-Fraktion.

Dr. \\ ichke (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wasser ist das wahre Elixier unseres Lebens. wenn es zur rechten Zeit, am richtigen Ort und in ausreichender Menge verfügbar ist. Regen füllt die Wasserspeicher. hält unsere Äcker. Wiesen. Wälder. Weiden und Gärten feucht und macht sie damit fruchtbar, Bleibt der Regen aus. vertrocknen die Früchte. bäuerliche Arbeit - und nicht nur diese - wird zunichte gemacht. Wasser kann aber auch zur tödlichen Gewalt werden. wenn es in überreichem Maße vom Himmel füllt. zu Tale stürzt und unsere Felder. Wälder und Wiesen überflutet.

Mit beidem. meine Damen und Herren. haben wir in Brandenburg hinreichend Erfahrung. Zur Erinnerung: Die Dürre v erbrannte 1992 deutschlandu eit. auch in Brandenburg. die halbe Ernte. Jahre danach verhinderte übermäßi ge Frühjahrsnässe die Bestellung und Nutzung Hunderttausender Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche. Dann 1997 die Oderflut. Durch den solidarischen Einsatz Tausender Zivilisten und Soldaten konnten landwirtschaftliche Schäden auf wenige Unternehmen begrenzt werden. Und jetzt? Jetzt hatten wir die trockensten Vegetationsmonate - April bis Juni - seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Unsere Probleme bestehen offenbar nicht zuletzt in den jährlichen Durchschnittswerten von nur 55(1 min Niederschlagfrd und in überwiegend leichten und durchlässigen Böden. Aber unser Problem liegt hauptsächlich in der ungleichen jahreszeitlichen und jährlichen Verteilung des Wassers.

Diese nicht neue Erkenntnis. meine Damen und Herren, gebietet uns, mehr als bisher über Vorbeugung nachzudenken. anstatt immer nur über die Reparatur der Schäden zu reden.

(Beifall bei SPD und CDU)

Sicherlich, wenn dürrebedingte Insolvenzen größeren Ausmaßes ins Haus stehen, muss geholfen werden - schnell. unkompliziert und wirksam. So wurden zum Beispiel 1992 - die Kollegin Weh lan hat es bereits gesa gt - in einem Bund-Länder-Programm insgesamt 166 Millionen DM aufgebracht. Der Landesanteil von 50 "..› konnte übri gens schon damals nur in Solidarität aller Häuser aufgebracht werden. Ob das heute noch möglich ist?

Das zuständige Ministerium steht vor der Aufgabe. eine globale Minderausgabe - einschließlich der 10 Millionen DM aus der

1136 ans.11:12 firanderIbur2 - 3. Vvaillpenotie - l'Itmarproloki+11 3.1Q - 13. Juli 21100

Haushaltssperre - von sage und schreibe 52 Millionen DM aufzulösen. Daher muss ich Ihnen die Antwort auf die Frage nach der möglichen Kofinanziening schuldig bleiben.

Die eingeleiteten Maßnahmen der Landesregierung werden für eine Reihe von Betrieben ausreichen, den schwer betroffenen Betrieben jedoch kann damit nicht ausreichend geholfen werden. Deshalb hat Brandenburg an den Bundesminister appelliert. ein Programm analog zu dein von 1992 aufzulegen.

Frau Wehlan. Sie haben es gesagt: Die bisherigen Signale gehen Anlass zur Sorge. Sicher ist. dass wir auch künftig mit Dürre- und Nässeschäden konfrontiert sein werden. Wollen wir auch künftig am Prinzip flächendeckender Lande insehaft - auch auf Grenzertragsflächen - festhalten, Arbeitsplätze im ländlichen Raum sichern und die Kulturlandschaft kostengünstig pflegen. muss endlich Vorsorge zur Verhütung künftiger Schälen und zum Ausgleich akuter Einkommensverluste getroffen werden.

Zur Minimiening witterun gsabhäng i ger Schäden müssen wir unseren Wasserhaushalt besser in Ordnung halten als bisher. Fs reicht nicht aus. in trockenen Jahren nur von Wasser in der Landschaft zu reden und bei Nässe an die Schöpfwerke zu denken. Wir müssen unser größtes ökologisches Verbundsystem die 35 ON) km Fließgewässer - zur Rückhaltun g des Wassers befähigen und zum sicheren Abfluss ertüchtigen. Diese Aufgabe ist in Wahrheit wichtiger. als Großschutzgebiete kostenträchtigen Verwaltungen zu unterstellen oder Millionen für ehrgeizige Computerprogramme.Z11v ergeuden.

(Beifall hei der CDU)

Mir ist klar. dass wir Naturkatastrophen niemals verhindern können. und deshalb muss diese Vorsorge - auch zum Ausgleich dieser Schäden - getroffen werden. Deutschland hat im Gegensatz zu vielen anderen Ländern versäumt, gemeinsam mit den Landwirten Notstandsvorsor ge zu treffen. Deshalb bemühen sich Sachsen. Mecklenburg-Vorpommern. aber auch Brandenburg beim Bund. der EU und den R+V-Versicherungen - Ha gelversicherungen - uni einen Mehrgefahrenvorsorgefonds. Dieser Fonds soll. ähnl ich der Tierseuchenkasse, hälftig von den Landwirten und von der öffentlichen Hand gebildet werden.

Schon lange subventionieren andere Länder auf diese Weise ihre Landwirtschaft und stellen sich bei den WTO-Verhandlungen als Saubermänner des freien Wettbewerbs dar. Bei uns ist das alles noch Zukunftsmusik. die keinen einzigen Betrieb gegenwärtig rettet.

Wie ist die regionale Betroffenheit? Die Erbsen werden bekanntlich erst gezählt. wenn sie in der Scheune sind. Daher nimmt es nicht Wunder. dass die Schätzungen - Frau Wehlan sagte dies bereits - weit auseinander fallen. Sie liegen zwischen 300 Millionen DM - laut Landesregierung - und 500 Millionen DM - laut Bauernverband. Fest steht. dass das ganze Land schwer betroffen ist. Sicher ist auch. dass es regional in Abhängigkeit von Bodenwerten. Niederschlagsmengen und Anbaustrukturen große Unterschiede gibt. Den Niederschlagsdefiziten folgend müssten die Landkreise Teltow-Ehinung und DahmeSpreewald mit nur 54 Millimetern Regen in drei Monaten und extrem wenig Niederschlägen von 10 Millimetern bei glühender Hitze im Mai am schwersten betroffen sein.

Erfahrungsgemäß gibt es bei Sommergetreide und Sommerölfrüchten in solchen Situationen Totalausfälle. Diesmal sind aber auch Wintergetreide und Winterraps betroffen. Dazu kommen noch Qualitätsverluste und Trocknungskosten.

Auf dem Grünland und auf anderen Flächen ist ein ganzer Schnitt ausgefallen. sodass Futter zugekauft werden muss. Selbst bei Mais, Kartoffeln und Rüben bestehen Wasserdefizite. allerdings besteht bei größeren Regenfällen hier noch Hoffnung.

Die gegenwärti ge Situation kann für viele unserer Unternehmen, die weder Eigenkapital noch Eigentumsland haben, zum Selektionsmerkmal werden. Für ihre Betriebsmitteldarlehen haben sie ihre vertrocknete Ernte bereits verpfändet und selbst zinsverbilligte Kredite können daher von ihren Banken nicht vergehen werden. Es können diesen Betrieben also wirklich nur noch verlorene Zuschüsse helfen. Das ist eine hinzunehmende Tatsache.

Das Agrannmisteriuni hat das ihm derzeit Mögliche getan. Lassen Sie uns gemeinsam dafür einstehen, dass auch der Bund. die gesamte Landesregienmg und die Europäische Union nui die Verantwortung gehen!

Den Entschließungsantra g hat die Koalition federführend übernommen. Ihr obliegt es. ihn zu begründen.

Meine Damen und Herren. zu den aktuellen Zahlen wird mein Kollege Dietmar Woidke in seinem Beitrag sicherlich noch einiges sagen.

(Beifall bei SPD. CDU und PDS)

Das Wort geht an den Abgeordneten Claus. der für die DVUFraktion spricht.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! In der heutigen Aktuellen Stunde befassen wir uns mit Ernteausfällen. den Dürrefolgen sowie der Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe Brandenburgs.

In Mai und Juni hatten wir in Brandenburg die wenigsten Niederschläge seit Jahren. Woehenlange Trockenheit und extreme Hitze haben nicht nur zur Absenkung des Grundwasserspiegels geführt. sondern auch zu hohen Ernteausfällen. Ernteverluste gab es zum Beispiel bei Winterroggen von 30 bis 80 "io. hei Gerste von 30 bis 70 % und bei Weizen von 20 bis 40

Von der lang anhaltenden Trockenheit in diesem.lahr sind ebenso die Gärtnereien und Obstbauern im Land Brandenburg betroffen. Damit haben die Landwirte und Ohsthauem in Brandenburg nicht nur hohe Ernteausfälle, sondern auch mehr Kosten als in den vergangenen Jahren zu tragen.

Auch wenn man den finanziellen Verlust zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau bestimmen kann, liegt er dieses Jahr wie die Vorredner schon ausführten - zwischen 300 und 500 Millionen DM. Demzufolge werden einige A grarbetriebe den

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Verlust mir schwer oder gar nicht verkraften können und Konkurs anmelden müssen.

Meine Damen und Herren. hier ist vor allen Dingen die Politik gefragt. Rahmenbedin gungen für ein Überlebenskonzept zu schaffen. Aus diesem Grunde begrüßt die Fraktion der DIT die eingeleiteten Maßnahmen der Landesregierung zur Unterstützung der Landwirte in Brandenburg. zum Beispiel, die Zuschüsse für die Landwirtschaftsbetriebe in Höhe von 50 Millionen DM in diesem Jahr bereits Ende August auszuzahlen. Ebenso können zinsverbilli gt. e Kredite. die dieses Jahr die volle Laufzeit von neun Monaten haben. schon Ende Juli auf genommen werden. sodass die Landwirte ihre Felder für die Herbst- und Frühjahrsbestellung herrichten können.

Ebenso positiv zu erwähnen ist. dass es der Landesregierung gelungen ist. mit der EU eine Vereinbarung zu treffen. dass die Stilllegungsflächen in Brandenburg für die Versorgung der Viehbestände genutzt werden können.

Dies sind nur einige Beispiele dafür. wie sich die Landesregierung bemüht, die Schäden der Landwirtschaftsbetriebe so gering wie möglich zu halten.

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung sollte sich aber auch über die Einführung einer Pflanzen- und Tierproduktionsversicherung Gedanken machen. die von den Landwirtschaftsbetrieben, vom Bund und vom Land gemeinsam finanziert wird: denn dann könnte den Landwirten in einer weiteren Dürreperiode noch schneller und unkomplizierter geholfen werden.

Die bereits angelaufenen Hilfsmaßnahmen für die Landwirte im Land Brandenburg sind richtig und hilfreich und auch der Antrag der Fraktion der PDS auf Unterstützung für Landwirtschaftsbetriebe findet die Zustimmung der Fraktion der DVU. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an den Ab geordneten Helm. der für die CDUFraktion spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren? Der Situation entsprechend möchte ich meine Ausführungen mit folgendem Zitat beginnen:

"Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unseren Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Und so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert. dass wir keineswegs die Natur beherrschen,"