Herr Präsident! Meine sehr verehrten Daunen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten Sie den Entwurf zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes. Darum freue ich mich. dazu einige wenige einführende Bemerkungen machen zu können. Der Entwurf liegt Ihnen ja vor.
Die Gewährleistung der inneren Sicherheit ist ein herausragendes Rechtsgut. Ich glaube. darüber sind wir uns einig. Die grantigesetzlieh abgesicherte Freiheit des Einzelnen kann sich nur auf der Basis tatsächlicher Sicherheit entfalten. und damit dient Sicherheit auch der persönlichen Freiheit.
Sicherheit. Recht. Freiheit und Toleranz gehören zusammen. Aus der Gewährleistung der Sicherheit seiner Bevölkerung leitet auch der Staat eine wesentliche Rechtfertigung ab.
All dieses hat das Verfassungsgericht unseres Landes in seiner Entscheidung zum Polizeigesetz vorn 30. Juni 1999 festgestellt. Daraus ergibt sich auch die Aufforderung an den Gesetzgeber. der Polizei stets ein in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht optimales Instrumentarium zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben an die Hand zu geben.
Mit der Novellierung des Brandenburgischen Polizeigesetzes wird unser Land über ein modernes - wenn nicht das modernste - Polizeigesetz ni Deutschland verfügen und damit einen wichtigen Schritt zur weiteren Stärkung der inneren Sicherheit gehen.
Das Verfassun gsgericht hat verfassungsrechtliche Maßgaben und Klarstellungen formuliert. die künftig bei der Alm endung des Gesetzes durch die Polizei und gegebenenfalls für die gerichtliche Überprüfung polizeilicher Maßnahmen zu beachten sind.
Obvs ohl die Berücksichtigung dieser Maßgaben in der polizeil ichen Praxis nie in Frage stand. ist es gleichwohl aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit angezeigt, diese Maßgaben in entsprechender Form in den Gesetzestext aufzunehmen.
Das Aufenthaltsverbot wird der Polizei künftig die Möglichkeit an die Hand geben. einem potenziellen Straftäter für längstens drei Monate zu untersagen. einen bestimmten Bereich oder ein Gebiet zu betreten. wenn zu befürchten ist. dass er dort Straftaten verüben wird. Mögliche Anwendungsgebiete für diese Aufenthaltsverbote sind vor allem die Bekämpfun g der offenen Drogenszene. die Verhinderung illegaler Autorennen oder die Bekämpfung des illegalen Zigarettenhandels.
Durch ein Verbot. sich an bevorzugten Sammelorten mit Öffentlichkeitswirksamkeit aufzuhalten. kann der Begehung entsprechender Straftaten entgegengewirkt werden. Ein weiterer Anwendungsbereich ist nicht zuletzt die Verhinderung von Zusammenkünften gewaltbereiter. der extremistischen Szene zuzuordnender Personen in der Öffentlichkeit.
Bei der vorgesehenen Befugnis zur Videoüberwachung öffenthch zugänglicher Straßen und Plätze handelt es sich um eine offene und nicht um eine verdeckte oder heimliche Videoaufnahme zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten. die nicht an der Person eines potenziellen Straftäters ansetzt. sondern an bestimmten öffentlich zugänglichen Örtlichkeiten.
Die bislang geführte Diskussion um die Novellierung des Brandenburgischen Polizeigesetzes hat sich leider im Wesentlichen am Thema der Videoüberwachung festgemacht. Die Entscheidung der Landesregierung für die Videoüberwachung ist das Ergebnis einer intensiven Diskussion uni das Für und Wider dieser Befugnis.
Hierbei haben wir auch die einstimmige Empfehlung der Innenministerkonferenz des Bundes und der Länder zu dem Thema ausgewertet. die Möglichkeit der Videoüberwachung im Rahmen der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung zu nutzen.
Ich möchte daran erinnern, dass dieses parteiübergreifend von allen Fraktionen der Länder getragen wurde. So hat z. B. das Bundesland Hessen ein solches Gesetz erlassen, aber auch das Bundesland Sachsen-Anhalt und das Bundesland NordrheinWestfalen. Das macht deutlich, dass dies eine Frage ist, die wir mehr vom Sachverhalt her sehen und nicht zur parteipolitischen Auseinandersetzung nutzen sollten.
Meine Damen und Herren. an der Wirksamkeit der Videoüberwachung bestehen keine Zweifel. Hierüber gibt es eine Vielzahl von Untersuchungen. die wir vermutlich dann im Ausschuss diskutieren werden. Die Erfahrungen mit der Videoüberwachung im In- und Ausland haben gezeigt. dass Kriminalität an videoüberwachten Orten zum Teil um mehr als die Hälfte zu
rückgeht. Sie wird damit nicht abgeschafft. sie wird aber an öffentlich zugänglichen Plätzen reduziert.
Die bislang vorliegenden Ergebnisse einer erst kürzlich veranlassten Umfrage in anderen Bundesländern mit vergleichbarer Befugnis lassen eindeutig den Schluss zu. dass sieh die Durchfühning von Videoüberwachun gsmaßnahmen bewährt hat. Die Maßnahmen unterstützen die Präsenz der Polizei vor Ort. Wir wollen nicht Video statt Polizei. wir wollen Video und Polizei. Nur aus dieser Kombination heraus ist es zu erklären.
Der Wirksamkeit der Videoüberwachung kann auch nicht tut dein Hirns eis auf mög liche Verdrängungseffekte begegnet werden. Die Bedenken gegen Missbrauch sind im Einzelnen erörtert und vorgetragen worden. Von daher gesehen haben wir im Gesetzentwurf einen Teil dieser Bedenken aufgenommen. Ich möchte als Wichtigstes nennen: Aufgrund der in der Diskussion vorgetragenen Bedenken zur Videoüberwachun g wurden ein Anordnungsvorbehalt für Videoüberwachung durch das Ministerium des Innern. eine Regelung zur Berichtspflicht an den Landtag und die Befristung der Gülti g keit der Befugnisse auf zunächst sechs Jahre eingeführt. Wichtig dabei ist, dass wir anfangen und dann aus den Erfahrungen lernen können.
Die Einfüllnirin eines Anordnungsvorbehalts führt dazu. dass die Polizeipräsidenten die Plätze benennen und Vorschläge machen. Das Innenministerium hat dann zu entscheiden und den Innenausschuss des Landtages darüber zu unterrichten. Es wird also auch dieses in enger Abstimmung nm dem Landtag geschehen.
Zudem ist eine Berichtspflicht zur Evaluierung der Videomaßnahmen vorgesehen. Ich denke, das wird auch zeigen. wo wir Erfolg haben und wo wir besser werden müssen.
Auf die Kostenfrage möchte ich jetzt nicht eingehern denn das wird später erörtert werden. Ich will nur darauf hinweisen: Alle Erfahrungen zeigen, dass es sich rechnet. Zum Beispiel in Leipzi g. wo dieses seit längerer Zeit gemacht wird. gibt es eine große Zustimmung der Bevölkerung.
Im Rahmen der Diskussion des Gesetzes in den Ausschüssen werden wir Orte nennen, an denen wir uns Videoüberwachung vorstellen können. Nach der Verabschiedung werden wir dieses dann sehr konkret machen.
Der letzte Punkt. auf den ich ganz kurz eingehen möchte. ist die eindeutige und klare Regelung des so genannten finalen Rettungsschusses, die wichtig ist, damit die Polizei Klarheit hat. unter welchen Bedingungen sie die Waffe einsetzen kann. uni letztendlich auch zu töten. uni Leben zu retten. Dies ist eine schwierige Frage. die lange diskutiert wurde.
Ich habe als Innensenator von Berlin eine Situation erlebt, wo ein Geiselnehmer ein Kind im Alter von drei Jahren in seiner Gewalt hatte und gesagt hat: Wenn nicht das und das geschieht. bringe ich das Mädchen um. - Die Polizei stand vor der Frage. unter welchen Bedingungen geschlossen werden kann.
Wenn man als verantwortlicher Politiker mit den Polizisten darüber redet, wann man was machen kann, stellt man fest. wie schwieri g dies ist. Von daher gesehen bin ich dankbar, dass wir uns auch in der Landesregierung nach intensiven Diskussionen
wir sind da nicht alle einer Meinung, das muss man bei dieser Frage auch nicht - in der Abwägung der Verantwortung entschieden haben. diesen Vorschlag zu machen. Für mich als Innenminister ist die auch ein Gebot der Fürsorge gegenüber den Polizeibeamten. die wir nicht alleine lassen können und sollten.
Meine Damen und Herren. mit diesem Gesetz machen wir deutlieb: unser kehrhafter Rechtsstaa t wird weiterentwickelt, wir
Gegentendenzen in bestimmten Bereichen. Aber. meine Damen und Herren. die Gesamtentwicklung irn Kriminalitätsbereich unterliegt keinen dnimatisehen ne gativen Veränderungen. die einen so gravierenden Eingriff in die bestehende Gesetzeslage begründen könnten_ und die Polizei arbeitet erfolgreich.
Sie arbeitet sogar so erfol greich, dass der Innenminister ihr eine Strukturveränderung zumutet. die viel kostet und 1.+ eilig bringt
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat die Gelegenheit heim Schopfe und die Novellierung zum Anlass genommen, um eine weitere drastische Verschärfun g des Polizeirechts über die parlamentarischen Hürden zu bringen. Niemanden wird es verwundern. dass wir einer Sicherheitspolitik unsere Zustimmung verweigern. die die Sicherheitslage durch immer weiter gesteigerte Eingriffsmöglichkeiten der Polizei in von Verfassung~ wegen geschützte Grundrechte zu beherrschen vorgibt. Eingriff in das Grundrecht auf Leben Stichwort finaler Rettungsschuss -.. Eingriff in das Gnindrecle auf Datenschutz - Stichwort Videoüberwachung -. Eingriff in das Grundrecht auf Freizügigkeit - Stichwort Aufenthaltsverbot das sind Ihre Antworten und das nennt sich dann modern.
Wenn es tun Grundrechte geht. sind wir verpflichtet. zehn Mal zu messen, bevor wir einmal schneiden. Sonst wird die Verfassung zur Makulatur.
Ist denn die Videoüberwachung geeignet. wenn die angenommene Absicht einer Straftat wie zum Beispiel Drogen dealen oder Randalieren die tatsächliche Ausführung derselben an einem anderen Ort nicht verhindert? Ist denn dieser Grundrechtseingriff erforderlich, wenn ohne diesen Ein griff mit Präsenz von Polizei und Ordnungsbehörden der gleiche Erfolg realisiert werden kann? Ist denn dieser Grundrechtseingriff angemessen, wenn die Befugnisregelung die gesamte Bandbreite sämtlicher Sindtatbestände erfasst? Wenn diese Fragen nicht gestellt und in aller Ernsthaftigkeit geprüft werden, meine Damen und Herren, dann begeben wir uns auf einen Weg. wo Grundrechte Gefahr laufen. zur Manövriermasse von politischein Aktionismus zu werden.
Der innenminister verkündet einen erfreulichen, zum Teil sogar drastischen Rückgang von Straftaten in Deliktberc..ichen, die die Bevölkerung in besonderem Maße bedrücken - hei Diebstahl. zum Beispiel Kfz-Diebstahl um 19 bei gefährlichen und schweren Körperverletzungen um mehr als 15 9,0. bei Raubstraftaten tun 12 (1u. Er lobt das Steigen der Aufklärungsquoten. Wir sind jetzt bei beachtlichen 55.4 %. Ich weiß, es gibt auch
und die dazu führen wird. dass die Polizei geraume Zeit mit sich selbst beschäftigt sein wird. Das kann für die Sicherheitslage nicht besonders ersprießlich sein. Grundrechtseinschränkungen als Medizin ge gen das Verbrechen. meine Damen Lind Herren. diesen Holzweg dürfen Sie alleine gehen.
Im Übrigen darf ich noch auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen. Diese Novellierung ist ausgelöst worden durch die Normenkontrollklage der PDS. Infol ge dieser Klage hat das Verfassungsgericht Maßgaben festgelegt und für Klarstellungen
gesorgt. Jetzt kommt es im parlamentarischen Verfahren zunächst einmal darauf an. dass wir prüfen. ob diese Maßgaben und Klarstellungen - und wir begrüßen das, Herr Minister, dass Sie das im Gesetz unmittelbar verankern wollen - des Verfassungsgerichts wirklich exakt umgesetzt werden. Und hier. Herr Minister. formuliere ich Bedenken und weise Ihre Fachleute darauf hin. dass sie einen Begriff der polizeilichen Gefahr verwenden. der dem eindeutig widerspricht. den das Verfassungsgericht in seinem Urteil bestimmt hat.
Es gibt weitere Punkte - es ist jetzt nicht möglich. diese in Einzelheiten zu erläutern -, an denen der Entwurf nicht nur in der Formulierung. sondern inhaltlich von den Maßgaben und Klarstellungen des Landesverfassungsgenchts abweicht.
Ich frage hier auch. ob Sie es sich wirklich leisten können. das Urteil des Landesverfassungsgerieles Meeklenburg-Vorpoinmerns vom Mai 2000 zu ignorieren, wo eine Auslegun g von Artikel 13 des Grundgesetzes vorgenommen worden ist.