Protokoll der Sitzung vom 15.11.2000

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Herr Schönbohin möchte - um mit seinen Worten zu sprechen mehr Indianer und weniger Häuptlinge haben. Er möchte also mehr Polizeipräsenz auf den Straßen und weniger Schreibtischpolizisten. Dieses Anliegen findet auch die Zustimmung der Deutschen Volksunion.

Aber wie viele Straßenpolizisten wird es unter dem Strich zusätzlich geben? Von den wegfallenden 925 Stellen der Verwaltung werden ganze 20(1 davon zur Verstärkun g der Revierpolizisten zur Verfügung zestellt werden. 725 Stellen werden also komplett wegfallen - und das bei einem ständigen Ansteigen der Kriminalität.

Das Polizeipräsidium in Cottbus wird auch der Sparwut unserer Landesregierung zum Opfer fallen. Wäre es nicht sinnvoller. das Präsidium in Cottbus zu erhalten, schon aufgr und seiner geographischen Lage? Unlogisch erscheint uns auch. wie man einen größeren Präsidialbereich zugunsten eines kleineren aufgeben kann.

Es ist mittlerweile die sechste Behörde in Cottbus. die seit der Wende schließen muss. Was das für die Bewohner im Süden Brandenburgs bedeutet, das mag sich jeder selbst vor Augen halten. Denn ein Behördenstandort bedeutet Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft. Und das ist gerade für den Süden Brandenburgs mit seiner hohen Arbeitslosenquote sehr wichtig.

Was bringt diese Reform den Bürgern Brandenburgs? Unter anderem bringt sie den Verlust von 725 Arbeitsplätzen. Zwar soll es zu keiner Entlassung von Bediensteten kommen. aber die frei werdenden Stellen beim fristgemäßen Ausscheiden von Bediensteten werden nicht mehr besetzt.

Das heißt, über 70(1 Arbeitsstellen fallen weg. Wir haben offiziell fast 280 000 Menschen im Land Brandenburg. die nur in befristeten Maßnahmen eine Beschäfti gung gefunden haben bzw. die arbeitslos sind. Und was macht unsere Landesregierung? Sie rationalisiert vorhandene Arbeitsstellen einfach weg. Herr Ziel mag zwar der Meinung sein - jedenfalls war es so der Presse zu entnehmen -. dass wir im Jahr 2005 einen Arbeitskräftemangel haben werden, aber dieser Zeitpunkt erscheint uns doch als sehr verfrüht. Momentan sollte doch alles dafür getan werden - jedenfalls solange sich die Lage auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht gravierend verbessert hat -. die vorhandenen Arbeitsplätze zu erhalten.

Die geplanten Einspareffekte durch die Polizeistrukturreform sind nach Aussage des Innenministeriums erst nach dem Jahr 2007 zu erwarten. Die Kosten. die damit verbunden sind, fallen aber jetzt an. Doch im Moment braucht das Land Brandenburg jede Mark. um Arbeitsplätze zu schaffen bzw. zu erhalten.

Meine Damen und Herren. um es noch einmal deutlich zu sagen: Die Fraktion der Deutschen Volksunion in diesem Landtag begrüßt jegliches Reformvorhaben, allerdings nicht. wenn es zulasten der inneren Sicherheit geht und jetzt vorhandene Arbeitsplätze ersatzlos wegfallen. Denn noch haben wir den Zeitpunkt nicht erreicht. an dem aufgrund der demographischen Entwicklung in unserem Land für fast jeden ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht. - Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit.

Das Wort geht an die Landesregierung. Herr Minister Schönhohm, bitte!

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jede Reform kostet Geld. das ist unstrittig. Um Geld einzusparen. muss man erst einmal Geld ausgeben. Das ist in der Wirtschaft so. das ist auch in der Verwaltung so.

Weiter: Es muss zu strukturellen Einspaningen kommen. Auf

grund der Kürze der Zeit kann ich nicht im Einzelnen erläutern. was das ist. Aber jeder. der sich damit befasst hat. weiß. dass strukturelle Einsparungen auch eine Reduzierung der Personalkosten und der Verwaltungskosten sind.

Zum Zweiten zu dem. was Sie. Herr Prof. Schumann. hier angesprochen haben, zur Zahl der Polizeipräsidien. nur damit keine Mär entsteht: Sie haben richtig dargestellt. was Vorschlag der Kommission war. Ich habe diese Vorschläge mit den Polizeipräsidenten erörtert. die Sie alle kennen. Sie können sie auch alle befragen. und ich weiß. dass Sie das auch tun. Im Gespräch mit den Polizeipräsidenten haben diese bis auf einen gesagt: Wenn Sie die Entscheidun g für zwei Präsidien treffen - es ist machbar und durchsetzbar.

Ich habe dann im Kabinett den Vorschlag zwei oder drei Präsidien gemacht und habe Vor- und Nachteile abgewogen. Sie kennen die Kabinettsvorlage. Ich habe dargestellt, was welche Auswirkungen hat. und habe gesagt: Ich votiere für zwei Präsidien.

Die erste Besprechung war am 12. September, die zweite Besprechung mit Beschlussfassung am 19. September. Zwischen dem 12. und dem 19. September lagen sieben Tage, und es war kein Ritt über den Bodensee oder mit dem Panzerkreuzer wie heute Morgen - _Aurora- hieß der vielleicht, ich weiß es nicht.

(Zuruf von der PDS)

- Herr Abgeordneter, ich nehme es sofort zurück. Aurora ist die Morgenröte. Also es war kein Ritt in die Morgenröte. sondern eine Diskussion um die Frage. über die man sich ernsthaft auseinander gesetzt hat. Dann kam dieser Beschluss.

Ich möchte weiter. damit kein Missverständnis entsteht. Herr Kollege Schippel, sehr deutlich sagen: Das Amt der Polizeipräsidenten bzw. Polizeipräsidentinnen wird beibehalten. Bei der Diskussion, die ich vor einem Jahr mit den Polizeipräsidenten über dieses Thema hatte. ist noch einmal sehr klar geworden. welche Bedeutung das für Brandenburg hat. Denn es hätte theoretisch auch andere Lösungsmodelle gegeben.

Von Anfang an haben wir die Lösung ausgeschlossen, zu sagen. dass dies zu ändern ist. Wenn es heute in einem Pressebericht etwas anders steht. dann mag das auf Äußeningen eines meiner Mitarbeiter zurückzuführen sein. es entspricht aber keiner Vorgabe und wird auch nicht zu einer Veränderung rühren.

(Beifall bei der DVU) Ein weiterer Punkt: Thema Beirat Verwaltungsoptimierung. Es

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ist richtig. das Kabinett hat gerade einen Beschluss gefasst. Der Beirat Verwaltungsoptimierung hat sich damit befasst und gesagt. dass er dies nicht akzeptiert. Das geschah im Beisein der Vertreter der Gewerkschaften.

Nach dem Erlass ist es so. dass über die Bedenken im Kabinett noch einmal beraten wird. Das Kabinen muss dann nochmals entscheiden.

Zum Thema Akzeptanz und Motivation möchte ich nur so viel

sagen: Da Sie sich offensichtlich alle schon sehr sachkundig informiert haben - unterhalten Sie sich einmal mit den Beamten auf den Wachen! Die Mitarbeiter auf den Wachen sagen: Wenn eine Veränderun g kommt. die dazu führt. dass unsere Wache erhalten bleibt. dass wir mehr Revierpolizisten bekommen und weniger Verwaltungsaufwand haben, dann ist das ein wichtiger Fortschritt. - In diesem Bereich haben wir noch eine Menge zu tun. Darauf gehe ich noch ein.

(Beifall hei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich muss noch einmal m Erinnerun g rufen. wo wir eigentlich stehen und wie die Voraussetzungen waren. Damit das einmal klar ist: Ich habe die Lage nicht erfunden. Ich will sagen. wie die Lage war, die ich vorfand. als ich das Amt anzetreten habe.

In den Koalitionsverhandlungen war schon deutlich. dass bei der Polizei drastisch abgebaut werden soll. Es waren für 1999 777 kw-Vennerke ausgebracht. Insgesamt sollten für das Jahr 2000 844 kn-Vermerke erbracht werden. Das bedeutet. es hätte flickenteppichmäßig gespart werden müssen. Wir haben uns in der Koalitionsvereinbarung auf eine Tiefenprüfung und eine grundsätzliche strukurelle Überprüfung verständigt und die Einsparung ausgesetzt. Dies haben wir durchgeführt.

Das Ergebnis dieser Überprüfungen kennen Sie. Darüber ist lange diskutiert worden. Eine Sache war klar: Es gellt um die Frage. ob wir flick-enteppichartig. rasenmähermäßig an die Sache herangehen nach dem Motto: Die Zahl der Polizeipräsidien bleibt erhalten. die Zahl der Schutzbereiche unverändert -, oder ob wir sagen: Wir wollen die Chance nutzen. nach einem erfolgreichen Aufbau der Brandenburger Polizei die Konsequenzen zu ziehen, damit wir jetzt einen Umbau vornehmen können.

Und ich möchte ausdrücklich sagen. was hier schon festgestellt wurde: Der Aufbau der Polizei in der Demokratie von der Volkspolizei zur Polizei des Landes Brandenburg ist doch ein Erfolg, Den will ich keineswegs infrage stellen. Ich sage nur: Zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir überlegen. oh wir uns noch alles leisten können. was wir uns am Anfang leisten mussten. oh wir nicht mit dem Geld. das wir haben. mehr erreichen können und ob wir nicht auch unseren Sparbeitrag zum Landeshaushalt leisten können. Das ist die Frage - um die es geht.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Ich brauche die Eckpunkte der Reform nicht mehr zu nennen. sie sind Ihnen bekannt. Aber worum geht es denn? Es geht darum. dass wir die Kernpunkte. die hier schon genannt wurden - Bür gerorientierung. Wirtschaftlichkeit. Strafrune der Arbeitsabläufe und Mitarbeiterorientierung -. in dieser Frage zusammenfassen wollen. Und nachdem die

Umgliederung der Polizei ab geschlossen ist. geht es jetzt um die

Fra ge: Wie können wir Sicherheitsmanagement weiterentwickeln?

Durch die bürgernahe Organisation ist sicherzustellen. dass die Polizei des Landes die öffentliche Sicherheit und Ordnung dauerhaft und auf hohem Niveau gewährleisten kann. Darüber sind wir uns alle einig. Und wo wird denn nun die Sicherheit produziert? Sie wird von den Kolleginnen und Kollegen produziert. die auf der Straße sind. von denen. die sozusagen zu Hause diese Straftaten abarbeiten. Ich lade den Innenausschuss ein: Lassen Sie uns doch einmal einen Schutzbereich. eine Wache und ein Präsidium und von mir aus auch das Ministerium besuchen! Unterhalten Sie sich mit den Mitarbeitern darüber. was wir ändern müssen! Wir müssen eine zentral istisch geführte Polizei auch dadurch ändern. dass wir ihr mehr Entscheidungsspielraum vor Ort einräumen.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe mir das angesehen. Ich lade die Abgeordneten des Innenausschusses wirklich ein: Kommen Sie einmal mit!

Ich möchte die Mentalitäten verändern. Ich möchte. dass der Schutzbereichsleiter mehr Verantwortung bekommt. vor Ort für seinen Bereich entscheidet. Ich hoffe. dass alle daran mitarbeiten.

Meine Damen und Herren. wenn sich die technischen Möglichkeiten, die Fühningsmittel im Sinne der Infonnationstechnologie verändert haben, dann muss ich überlegen. ob ich in der Struktur darauf reagiere. Gehen Sie doch mal zum MercedesWerk in Marienfelde! Das Werk hat 25 % der Mitarbeiter abgebaut und die Produktion um 35 ' 1.0 erhöht. Also muss ich überlegen. wie ich mich danach orientiere. wo eigentlich die Sicherheit produziert wird. Das ist der Bezugspunkt. Das ist das. was vor Ort geschieht. Darauf wollen wir reagieren.

Darum wollen wir diese Veränderung vornehmen. Wenn wir im Rahmen der Diskussion feststellen. dass diese Veränderun g zu weit geht. dann lasst uns darüber diskutieren. wie wir es richtig umsetzen können! Das soll jetzt die Projekt gruppe machen. Darauf komme ich noch ganz kurz zu sprechen.

Wenn wir uns vornehmen. dies zu tun. dann war mir vollkommen klar. dass die Entscheidung für zwei Polizeipräsidien für mich die schwierigere ist. Ich hätte ein viel besseres Leben. wenn ich gesagt hätte: Wir machen drei Präsidien -. und alle wären einverstanden. Ich mache das doch nicht. uni Streit zu haben. Ich mache mir auch den Kopf darüber heiß: Was ist das Beste für Brandenburg? Das nehmen Sie mir bitte ab. Ich mache mir auch den Kopf darüber heiß: Wie kann ich erreichen. dass wir für Brandenburg Lösungen bekommen, und wie kann ich einen Beitrag dazu leisten. dass wir es in der Landesregierung mit dem Thema Haushaltskonsolidierung ernst nehmen? Der bequeme Weg ist nicht immer der erfol g reiche Weg, darüber muss man sich im Klaren sein.

(Beifall hei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Ziel habe ich beschrieben. Aber ich möchte einige wenige Punkte im Zusammenhang mit dem Fall Schmöke! nennen. Mitgeschrieben bei..ORB Aktuell-: Die Moderatorin wirft fol

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gende Frage auf: Sicher. die Polizisten konnten bei der Großsuche nicht jeden' der 1601) Hinweise sofort nachgehen. Doch das wirft auch Fra gen für die Zukunft auf.

Dr. Andreas Beinig. Vorsitzender des Hauptpersonalrates. antwortet auf diese Frage wie folgt: Es ist natürlich die spannende Frage. da die Polizei nach unserer Einschätzung an der Leistungsgrenze angelangt ist. wie der Innenminister in Zukunft mit 700 Beschäftigten weniger. die er bei der Polizei abzubauen plant, solche gefährlichen Situationen beherrschen möchte.

Ich sage mit aller Klarheit: Es wird keine Einsatzhundertschaft der Polizei reduziert. Diese behalten wir. Wir bauen Verwaltungshierarchien ab. die wir so nicht mehr benöti gen. Weil wir mehr Vertrauen in die Entscheidungen vor Ort haben, wird weniger zentral geführt und weni ger zentral kontrolliert.

(Beifall bei CDU und SPD)

Damit sparen wir Personal ein. Vertrauen Sie mit wis gemeinsam der Polizei! Trauen Sie der Polizei nicht zu. dass einer vor Ort entscheiden kann. wie er seine Kräfte einsetzt? Braucht er dazu einen Präsidenten oder braucht er dazu ein Ministerium? Das braucht er nicht.