Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

wieder klarmachen. was Sie mit den Hochschulen wollen. Wenn Sie wirklich begriffen haben. dass Brandenburg hervorragende Hochschulen braucht wie der Mensch Luft zum Atmen, wenn Sie verstehen. dass Brandenburg darauf unier keinen Umständen verzichten kann. dann werden Sie auch das Geld dazu finden. so wie Sie es für den Großflu ghafen. den Lausitzring. die Brandenburgtage. für die BUGA oder für irgendeinen Straßenbau gefunden haben.

Herr Niekisch. ich stimme Ihnen zu: Mittelfristig müssen die Ausgaben fürdie Hochschulen verdoppelt werden - keine Frage. Im Unterschied zu Ihnen. Herr Niekisch. würde ich aber in dieser Auffassung von meiner Fraktion unterstützt.

( Beifall bei der PDS)

Allerdings will ich noch hinzufügen: Die Holzhammermethode. mit der Sie vorgehen. schadet eher. und mit Ihren Finanzierungsvorschlägen reißen Sie hinten wieder ein, was Sie ■ om für die Wissensgesellschaft aufbauen wollen.

( Beifall der Abgeordneten Frau Konzack [SPD])

Doch ich frage Sie. Herr Ministerpräsident - und damit komme ich zu unseren Vorschlägen -. warum sagen Sie nicht: Wir haben jetzt eine Steuerschätzung mit erheblichen Mehreinnahmen für das Land und das Geld nehmen wir und gehen es. so schmerzlich das auch ist. den Hochschulen. damit ein Ruck durch das Land in Richtung Wissensgesellschaft geht?

(Zunif des Abgeordneten Dr. Hackel [CDU])

Oder. Herr Ministerpräsident. warum rufen Sie keine _Stiftung Wissensgesellschaft Brandenburg -. ins Leben? Sie haben doch das Talent. die Menschen davon zu überzeugen. dass künftig Wohlstand nur noch der haben wird. der über Wissen verfügt und es anwendet, und dass das für den Einzelnen und seine Kinder ebenso gilt wie für ein Land vi te Brandenburg. Sie haben doch das Talent. Bürgerinnen und Bür ger sowie Unternehmen zu überzeugen. Geld in eine solche Stiftung zu geben.

Ein dritter Vorschlag: Lassen Sie uns gemeinsam konsequent die Möglichkeit nutzen. Mittel der Europäischen Union aus dem EFRE-Programm für die Hochschulen umzuwidmen.

Frau Ministerin Wanka. Sie haben eine schöne, aber auch eine sehr anstrengende Aufgabe übernommen. Ich wünsche ihnen dazu viel Kraft und viel Erfol g. Dass diese Aktuelle Stunde so kurz nach Ihrem Amtsantritt stattfindet. heißt nicht, dass wir die üblichen 100 Tage Schonfrist nicht respektieren. sondem heißt. dass das Problem auf den Nägeln brennt und dass wir das Thema eben nicht nur als Ihre Aufgabe ansehen. sondern es für uns in entscheidender Hinsicht eine Frage der Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten ist.

(Beifall bei der PDS)

Will Ministerpräsident Stolpe das Ruder herumreißen oder lässt er es auf die Schließung von Hochschulen ankommen? Fine entscheidende Frage dieser Aktuellen Stunde ist: Sind Sie. Herr Ministerpräsident. noch in der Lage. umzusteuern_ oder sind Sie es nicht mehr? Nehmen Sie die Wissensgesellschaft an oder nicht?

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Natürlich ist es auch eine Frage nach unserer eigenen Verantwortung als Parlament, denn den Haushalt beschließen schließlich wir und nicht die Regierung. Die PDS-Fraktion ist jedenfalls bereit. mit Ihnen. Frau Ministerin Wanka. an einem Strang zu ziehen - auch am selben Ende des Stranges -. wenn es darum geht. die Potenzen der Hochschulen Rh- das Land in vollem Umfang zur Geltung zu bringen und die Herausforderungen der Wissensgesellschaft anzunehmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall hei der PDS)

Ich danke dem Ab geordneten Dr. Trunschke und gebe das Wort an die Fraktion der SPD. Frau Abgeordnete Müller.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die PDS-Fraktion gibt uns nm ihrer beantragten Aktuellen Stunde Gelegenheit. das im Hochschulbereich Geleistete zu würdigen. Das hat sich im Redebeitrag des Kollegen Tmnschke leider nicht so widergespiegelt.

( Dr. Trunschke [PDS]: Wir wussten. dass Sie das tun würden!)

Sie gibl uns auch Gelegenheit, kritisch mit Unzulänglichkeiten umzugehen und Aussagen zur weiteren politischen Schwerpunktsetzung zu treffen. Der Zeitpunkt für die Aussprache zum Thema _Stand und Perspektiven der brandenburgischen Hochschulen- ist gut gewählt und trifft die SPD-Fraktion nicht unvorbereitet. In unserer Klausursitzung Ende Oktober stand gerade dieses Thema im Mittelpunkt der Beratung. Da wir den Rat und die Hinweise von Experten für unverzichtbar halten, haben wir ztitiei profilierte Vertreter der Hochschulen. Frau Prof. Kleine. designierte Präsidentin der Fachhochschule Potsdam. und Herrn Prof. Siegmund. Präsident der HTL! Conbus. gebeten. das Thema aus ihrer Sicht zu beleuchten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sehr anschaulichen und beeindruckenden Beispiele haben wesentlich dazu beigetra gen. den hochschulpolitischen Kurs der SPD-Fraktion für den nächsten Zeitraum abzustecken.

Der Zeitpunkt für die Aussprache ist auch deshalb günstig. weil Frau Ministerin Prof. Wanka als ausgewiesene Kennerin der Hochschullandschaft am ehesten vorgesehene Lösungen für schwelende Probleme beurteilen kann. Das wird. so hoffe ich. entscheidend die künftige Arbeit im Ausschuss für Wissenschaft. Forschung und Kultur prägen und uns sinnvolle und nöti ge Kompromisse finden lassen.

Wie nicht anders zu erwarten und zu hören war. ist die Bewertung der Sachlage durch die Opposition eine völlig andere und wir dürfen gesparms sein. mit welchem Augenmaß und vor allem mit welchem Realitätssinn sie sich an den wirklich zukunftsweisenden Diskussionen beteili gen wird.

Es ist erst knapp zehn Jahre her, dass mit der kompletten Neugründung der brandenburgischen Hochschullandschaft begonnen wurde. Heute besitzt das Land Brandenburg mit seinen drei

Universitäten. den fünf Fachhochschulen und der Hochschule für Film und Fernsehen weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte und renommierte Hochschulen. Darauf können wir stolz sein und das muss hier auch einmal gesagt werden.

Klar erkennbare Profile und unterschiedliche Konzepte unterscheiden unsere Hochschulen deutlich von den Berliner Massenuniversitäten. Es war nur konsequent. das Hochschulwesen auf die Erfordernisse der Wissens- und Infonnationsgesellschaft zuzuschneiden. Dabei fand der wirtschaftliche und gesellschaftliche Auf- und Umbau des Landes Berücksichti gung in anwendungsorientierten Studiengängen an den Fachhochschulen.

Brandenburg ist als Studienstandort begehrt. Über 30 000 Studierende haben sich im Wintersemester 2000.'2001 eingeschrieben, im Jahr 1990-91 waren es lediglich etwa 5 500. Über die Hälfte der. jetzt Studierenden sind junge Frauen. etwa 10 % sind auständische Studenten. Seit Jahren hat Brandenburg den prozentual höchsten Zuwachs an Studienanfän gern unter allen Bundesländern. Nicht nur gute Studien- und Lehrbedingungen locken, sondern auch die Nähe zu zahlreichen Forschungseinrichtungen wie dein Frankfurter Institut für Halbletterphysik oder dem Potsdamer Geoforschimeszentnim.

Die Universität Potsdam baut derzeit das Hasso-Plattner-Institut als Ausbildun gszentrum für Softwarespezialisten auf. Eine Denkfabrik auf der grünen Wiese entsteht in Golm bei Potsdam. Dort siedeln sich neben Instituten der Potsdamer Universität vier außeruni i versitäre Forschungseinnchtungen der Max-PlanckGesellschaft und der Fraunhofer Gesellschaft an. Im Jahr 2003 werden dort rund 3 000 Menschen tätig sein.

Unsere Hochschulen sind nicht nur zu einer festen Größe für Forscher und Wissenschaftler geworden, sondern auch für Unternehmen. Hochschulen stellen einen Standortfaktor für die Stabilisierung bestehender und die Ansiedlung neuer Unternehmen dar. Sie sind Motor für die Herausbildung eines neuen innovativen Mittelstandes. Durch die Verknüpfung mit den Unternehmen der Region sind unsere Hochschulen zum unverzichtbaren Bestandteil des regionalen Wirtschaftsgeftiges geworden.

(Beifall des Ab geordneten Bischoff [SPD])

Schließlich kommen die Forschungstäti gkeiten der Hochschulen und die der Hochschulabsolventen unmittelbar den Unternehinen der Region zugute und stabilisieren den Arbeitsmarkt. Besonders kleine und mittlere Unternehmen profitieren zunehmend vom Know-how- und den Forschun gskapazitäten der Hochschulinstitute. Über Diplomarbeiten und Dissertationen sowie über Forschungs- und Entwicklungsaufträge werden konkrete Problemstellungen aufgegriffen und Lösungsvorschläge entwickelt.

In den meisten Regionen gehören Hochschulen zu den größten Arbeitgebern. Beispielsweise ist die BTU der dritt größte Arbeitgeber in Cottbus. Allein 250 Beschäftigte der BTU werden über Dhttmittelprojekte finanziert. 800 weitere Arbeitsplätze entstanden in der Region nur aus einem einzigen Grund: Die Unternehmen profitieren von der BTU. Diese 1 050 zusätzlichen Beschäftigten bewirken durch ihren privaten Konsum und ihre Tätigkeit einen Beschäftigungseffekt von 2 625 zusätzlichen Arbeitsplätzen.

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Aber nicht nur die Angestellten der Hochschulen erzeugen durch ihren privaten Konsum eine winschafthche Belebung der Region. auch die Studenten tragen dazu hei: Wissenschaftlich ermittelt wurde. dass 10 000 Studierende durch ihre Ausgaben einen Beschäftigungseffekt von 272 Arbeitsplätzen erzielen. Das ergibt auf das gesamte Land hochgerechnet über S00 Arbeitsplätze. Die Investitionen des Landes in Hochschulen sind daher keineswegs als bloße konsumlive Ausgaben zu betrachten - sie sind Wirtschaftsförderung im besten Sinne.

Meine Damen und Herren? Winschaft und Industrie benötigen gut ausgebildete Hochschulabsolventen und profitieren in besonderem Maße von der Forschung an den Hochschulen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle die Wirtschaft und die Verbände auffordern. verstärkt für die Entwicklung der Hochschulen im Land Brandenburg mit Sorge zu trauen. Durch vielfältige Kooperationen. durch die Finanziening von Hochschulinstituten. Professoren- bzw. Mitarbeiterstellen oder der Geräteausstattung der Labore sowie durch die Vergabe von Forschungsund Entwicklungsaufträgen an Hochschulen müssen Wirtschaftsunternehmen vermein/ ihrer Verantwortung gerecht werden. Gleichzeitig. meine ich, sollte die Landesregierung prüfen. wie die Förderung der anwendun gsbezogenen Forschung an den Hochschulen als Bestandteil der regionalen Wirtschaftsförderung zu realisieren ist.

In den vergan genen Jahren wurden Schutt für Schritt die materiellen Bedin gungen an den Hochschulen verbessert. Labore. Seminarräume und Bibliotheken wurden optimal hergerichtet und mit neuester Informationstechnologie ausgestattet. Nun gilt es. diese Einrichtungen für Lehre und Forschung zu nutzen und den Studierenden einen praxisnahen Umgang mit neuester Technologie zu vermitteln. Es darf nicht sein, dass Labore nach einem halben Semester geschlossen werden, da der Ansatz für Betriebskosten im Hochschulhaushalt erschöpft ist. Beispiele dafür gibt es.

(Dr. Trunschke [PDS]: Tun Sie etwas dagegen!)

Es kann auch nicht sein, dass Studenten ihr Studium an einer Brandenburger Hochschule abbrechen. uni in einem anderen Bundesland weiter zu studieren, da Seminare, die der Studienplan zwingend vorschreibt. mangels Personalstellen nicht angeboten werden. Auch dafür gibt es Beispiele.

(Dr. Trunschke [PDS]: Was tun Sie denn dagegen?)

Hochschulen sind Meilensteine auf dem Weg in die Wissensund Informationsgesellschaft. Die Nachfrage nach Arbeitskräften mit Hochschulabschluss wird weiter steigen. Jeder dritte Arbeitnehmer wird künftig einen Hochschulabschluss haben. ja haben müssen. um überhaupt eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen. Deshalb bin ich der Meinung. dass die Bildungsoffensive der Landesregierung auf den Hochschulbereich ausgedehnt werden muss.

Die Zahl der Schülerinnen und Schüler. die unmittelbar nach Beendigung der Schule ein Studium be ginnen. muss deutlich erhöht werden. Dazu müssen die weiterführenden Schulen im Land den Jugendlichen die notwendigen Kompetenzen zur Aufnahme eines Studiums vermitteln und verstärkt Informationen über Studienmöglichkeiten bereitstellen.

Meine Damen und Herren. ich möchte aber auch unsere Hochschulen ganz deutlich in die Pflicht nehmen. Diese müssen sich offensi■ der Konkurrenz um wissenschaftliches Personal. um Studierende und uni öffentliche und private Finanzmittel für Forschungs- und Entwicklungsaufträ ge stellen. Sie können sich langfristig nämlich nur behaupten. wenn sie ihr Profil schärfen. sich stärker mit außeruniversitären Einrichtungen und Wirtschaftsunternehmen vernetzen und lE1 Forschung und Lehre Marktnischen ausloten und besetzen.

Die Hochschulen sind angehalten. Anwendun gsorientierung und Praxisbezug konsequent auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes und der Unternehmen der Region auszurichten sowie ihre Forschungsergebnisse marktgerecht zu verwerten. Gleichzeitig müssen sie das Studium und die Studienabschlüsse modularisieren und internationalisieren sowie durch die Entwicklung neuer innovativer Studiengänge Studierende aus dem In- und Ausland gewinnen.

Ein weiteres zukunfts- und gewinnträchtiges Betätigungsfeld der Hochschulen möchte ich ansprechen: den Weiter- und Fortbildungsmarkt. Hier sollten die Hochschulen verstärkt auftreten und entsprechende Angebote - auch für den nichtuniversitären benifspraktischen Bereich - unterbreiten. Kooperationsmö glichkeiten mit außeruniversitären Partnern bieten sich geradezu an.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Erkenntnis über den Stellenwert einer intakten Hochschullandschaft für die Entwicklung unseres Landes in Richtung Wissens- und Informationsgesellschaft sind nichts wert. wenn wir nicht auch zu der Einsicht gelangen. dass sie langfristige Planungssicherheit benötigen. um erfol greich arbeiten zu können. Der Horizont einer Legislaturperiode greift da zu kurz. Da es im Interesse unseres Landes keine Alternative zum Kurs der Stabilisierung und Stärkung der Hochschulen gibt. haben wir die entscheidende Voraussetzung zu schaffen, nämlich die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügun g zu stellen. Es gilt die schlichte Formel: Wer A sagt. muss auch B sagen. Hier. liebe Kolleginnen und Kollegen. lie gt es dann schließlich in unserer Hand. im zukünftigen Landeshaushalt die Prioritäten neu zu setzen und das Zusammenspiel von Wissenschaft und Wirtschaft noch enger zu gestalten. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen. Frau Abgeordnete Müller. und gebe jetzt das Wort an die Fraktion der DVLI. an die Abgeordnete Fechner.

Frau Fechner (DU):

Hen- Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Fraktion der Deutschen Volksunion in diesem Landtag begrüßen wir ausdrücklich die heutige Diskussion über den Stand und die Perspektiven der brandenburgischen Hochschulen.

Die Hochschulen des Landes Brandenbur g spielen eine entscheidende Rolle für die Zukunftsfähigkeit des Landes. Das Potenzial unserer Universitäten und Fachhochschulen kann nur voll zur Geltung kommen. wenn es gelingt. folgende Probleme zu lösen:

151t< Landtag Brandenhurt: - 11 ahlperiode - Pienarpmtokoll 3 2 - \ (s■ember 21.100

Die Zusammenarbeit der Hochschulen mit der Wirtschaft muss besser koordiniert und auf Schwerpunktaufgaben konzentriert werden. Die tv irtschafts fördernde Wirkung der Hochschulen kann wesentlich gestärkt werden. wenn sich die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Hochschultypen von der Universität über die Fachhochschule bis hin zur Berufsakademie verbessert.