Protokoll der Sitzung vom 24.01.2001

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die massiven Bevölkerungsverluste im äußeren Entwicklungsraum, insbesondere in den ehemaligen DDR-Aufbaustädten, haben dazu geführt, dass im Land Brandenburg derzeit schätzungsweise 150 000 Wohnungen leer stehen. Nach letzten Informationen gibt es auch Schätzungen von Berliner Seite. Es kommen

im Raum Berlin-Brandenburg noch einmal 100 000 Wohnungen hinzu. Das macht die Dramatik des Problems deutlich.

Die negativen Auswirkungen auf die betroffenen Städte und Gemeinden sind dramatisch. Leer stehende, verfallende und zugemauerte Altbauten beeinträchtigen das Stadtbild und auch das Image der Städte und Quartiere. Die Identifikation der Einwohner mit ihrer Stadt geht verloren. Die Ansiedlung neuer Unternehmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen werden erschwert. Weitere Abwanderungen werden wahrscheinlicher. Industrielle Wohngebiete drohen durch weitere Wegzü ge endgültig brachzuliegen. Der soziale Friede ist bedroht. meine Damen und Herren. darüber sind wir uns sicherlich einig.

Streit werden wir haben und konstruktiven Streit werden wir brauchen, uni dieses Problem lösen zu können. Der hohe Wohnungsleerstand erfordert einen umfassenden Stadtumbau. um die Innenstädte und Wohngebiete dem zurückgegangenen Wohnungsbedarf anzupassen. Hierfür ist die Unterstützung des Landes unverzichtbar. Für die Vermieter - die Wohnungsgesellschaften, die Wohnungsgenossenschaften - addieren sich die Einnahmeausfälle sowie die weiterlaufenden Aufwendungen für die Hausbewirtschaftung in Brandenburg auf fast 900 Millionen DM pro Jahr. Hinzu kommen bilanzielle Wertberichtigungen für dauerhaft urvermietbare Wohnungen. Diese Belastungen der Wohnungswirtschaft beruhen nicht auf untemelunerischen Fehlentscheidungen, sondern sind Folge der gesellschaftlichen Umbrüche. Bereits 30 Brandenburger Wohnungsunternehmen verfügen über einen Anteil leer stehender Wohnungen von mehr als 15 %. Sie sind damit berechtigt, die Härtefallregelung des Altschuldenhilfegesetzes in Anspruch zu nehmen, weil sie aufgrund der Leerstände als in ihrer Existenz gefährdet gelten.

Die Bundesregierung wird in den neuen Ländern bis zum Jahr 2010 im Rahmen der Härtefallregelung des Altschuldenhilfegesetzes rund 700 Millionen DM für die Entschuldung von Wohnungsunternehmen bereitstellen. Darüber hinaus hat die Expertenkommission gefordert, dass sich auch der Bund zu einem Drittel an den Kosten für den Abriss von circa 350 000 überzähligen Wohnungen beteiligen soll. Herr Wamick, darüber ist noch nicht entschieden. ihre Forderung, sich von dem EinDrittel-Modell zu verabschieden, hat natürlich einen gewissen Charme - wenn man das Geld des anderen ausgeben will. Was glauben Sie, was für Anträge von Kommunen und Städten bei uns eingingen, wenn wir sagen würden: Sagt nur, was ihr abgerissen haben wollt! Wir tun und bezahlen das. - Nein, eine Beteiligung ist meiner Meinung nach unumgänglich. Wir müssen dieses wohnungswirtschaftliche Problem auch als ein Problem des nachhaltigen Stadtumbaus ansehen. Städtebauliche Konzepte müssen von den Städten, von den Kommunen im Zusammenwirken mit den Genossenschaften und den Gesellschaften entwickelt werden.

Es ist notwendig, dass die Gesellschaften und die Genossenschaften an die Erarbeitung eines solchen gemeinsamen Konzepts herangehen. Wenn ich nämlich nur einem von beiden eine Abrissförderung in irgendeiner Fonn zugestehe, verändere ich dessen betriebswirtschaftliches Konzept zum Positiven und verschlechtere das betriebswirtschaftliche Konzept der anderen Gesellschaften oder Genossenschaften.

Schnelles Handeln wird von Ihnen zu Recht gefordert, aber ich

sage Ihnen: Dieses schnelle Handeln darf nicht einseitig auf einen Berechtigten ausgerichtet sein. Deshalb lehne ich solche Konzepte im Moment ab. Stattdessen fahren wir in die Städte. moderieren und versuchen hier ein gemeinsames Konzept zu entwickeln.

Von der Bundesregierung ist zu fordern, dass sie sich diesem Problem nicht entzieht. Weiterhin ist es im Interesse der ostdeutschen Städte unverzichtbar, dass die Förderung der Bildung von Wohneigentum im Bestand durch die Eigenheimzulage verbessert wird. Herr Schrey hat davon gesprochen. Wir werden aber nicht akzeptieren. dass die steuerliche Förderung des Wohnungsbaus in Ost und West zulasten der Familien in den neuen Ländern unterschiedlich ausgestaltet wird. Zur Umsetzung der Empfehlungen der Expertenkommission treffen sich die Länder erstmals am I. Februar 2001 mit dem Bund.

Die neuen Länder haben sich bereits bei einem Treffen in Erfurt auf gemeinsame Positionen verständigt. Ergänzend müssen wir als Land tätig werden. Das Kabinett wird sich voraussichtlich noch im Februar mit dem Bericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe auseinander setzen, die unter Federführung meines Hauses umfassend die Handlungsmöglichkeiten des Landes zur Unterstützung von Kommunen, Wohnungsunternehmen und privaten Eigentümern von vermietetem Wohnraum aufbereitet hat. Sicher werden wir uns dann über die tatsächlichen Finanzierungsmöglichkeiten in den mittelfristigen Haushaltsansätzen streiten müssen. Da es in der Tat - hier gebe ich Ihnen Recht ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, geht es uns alle an und ich freue mich auf die Diskussion. - Schönen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Minister Meyer. - Meine Damen und Herren, da ich die Rednerreihenfolge schöpferisch geändert habe. erteile ich jetzt der Fraktion der DVU. der Abgeordneten Frau Hessetbarth das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stimmen mit den auf Bundesebene zur Überwindung des Wohnungsleerstandes in den neuen Ländern geäußerten Absichten nicht überein. Brandenburg wird in der Tat unigehend eine eigene Strategie hierzu entwickeln müssen.

Allerdings lehnen wir den Antrag der PDS-Fraktion ebenso wie den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und CDU ab. Es besteht nachhaltiger Diskussionsbedarf, also werden wir nur einer Ausschussüberweisung zustimmen. Lassen Sie mich dies bitte erläutern.

Die DVU-Fraktion will, dass die im Land Brandenburg vorhandene Bausubstanz vorrangig im Sinne der Bürger und möglichst optimal genutzt wird. So berechtigt die im Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und CDU enthaltenen Einzelpunkte keine Schlechterstellung der Bevölkerung der neuen Bundesländer, verbesserte Förderung von Bestandserwerb, Beteiligung des Bundes an Abrissprogrammen und Abschreibemöglichkeiten auch für Ersterwerber von Sanierungsprojekten - auch sind,

fehlen uns als Fraktion hier doch ganz zentrale Punkte. Dem wiederum wird eher der Antrag der PDS-Fraktion gerecht. Ihm ist sicherlich nicht abzusprechen, dass er einige Gesichtspunkte in diesem Sinne enthält. Es sind hier zu nennen: Anstelle des landesweiten undifferenzierten Kreisens der Abrissbirne, öffentlich gefördert im Sinne des spiegelbildlichen Gießkannenprinzips. müssen Umbau und anderweitige Nutzung vorgehen. Modernisierung und Sanierung von Bestandsbauten müssen vorrangig gegenüber Neubauten öffentlich gefördert werden und es bedarf einer Umsteuerung von öffentlichen Fördermitteln.

Ansonsten halten wir diesen Antrag auch für nicht zur Überwindung des Wohnungsleerstandes geei gnet. Das erlaubt mir ein gemeinsames Eingehen auf beide Anträge.

Wir müssen anderen Nutzungsmöglichkeiten den Vorrang vor dem Plattmachen einräumen. Wir können hierbei aber nicht nur oder auch nicht nur vorrangig, wie es der PDS-Fraktion anscheinend vorschwebt., die großen Siedlungsgenossenschaften unterstützen. Prinzipiell sind alle Eigentümer von Mietwohnungen von der Situation im Land gleichermaßen betroffen.

In den Problemzonen - hierauf gehen beide Anträge nicht ein finden wir unterschiedliche Ursachen für den Wohnungsleerstand. Teilweise ist er auf mangelnde Attraktivität der Wohngegenden, teilweise auf die regional unterschiedlich hohe Arbeitslosigkeit und teilweise auf die verfehlte staatliche Förderpolitik vergangener Jahre zurückzuführen. Letztere führte bekanntlich zum Bauen "auf der grünen Wiese" und zum Ausbluten alter Ortskerne. Das kann und darf für die zukünftige öffentliche Förderung nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Einmal wird die staatliche Förderung räumlich auf die Problemzonen zu konzentrieren sein. Weiterhin wird dabei dem Erhalt der Ortskerne eine herausragende und vorrangige Bedeutung vor Maßnahmen in Siedlungen der Außenbereiche zukommen müssen. Es besteht gerade hieran ein besonderes landespolitisches Interesse, unter anderem auch im Zusammenhang mit der Tourismusförderung.

Zudem wird man Wohnimmobilien nicht einfach abreißen können, sofern der Leerstand erkennbar auf deren mangelnde Attraktivität zurückzuführen ist. Dort wird vorrangig die Attraktivität durch ganz unterschiedliche Maßnahmen zu steigern sein.

Schließlich kann es auch nicht angehen, bei regional hohem Leerstand aufgrund von Arbeitslosigkeit Gebäudesubstanz einfach platt zu machen. will man sich dort nicht sozusagen einer Spiralentwicklung nach unten ausgesetzt sehen. Es ist keine Lösung im Interesse der Menschen, Überwindung von Arbeitslosigkeit vornehmlich durch Fortzug zu betreiben. Wir benötigen dort zudem Wohnungsreserven; denn wo Arbeitsplätze entstehen sollen, bedarf es auch attraktiven Wohnraums.

Trotz alledem werden wir einem Vorrangprinzip ä la PDS-Fraktion - Wohnungszusammenlegung geht vor Umnutzung - nicht zustimmen. Die Unattraktivität großer Plattenbausicdlungen beruht in vielen Fällen darauf, dass sie zu sehr auf Wohnen ausgerichtet sind. Gerade dort wird eine Umnutzung, insbesondere in gewerbliche Flächen. helfen können.

Abschließend möchte ich unterstreichen: Die Möglichkeiten der

Wohnraumzusammenlegung können für Brandenburg zu einem Standortvorteil werden. Wir können insbesondere Familien mit Kindern durch öffentlich gefördertes Zusammenlegen mehr Wohnraum zu vernünftigen Preisen zur Verfügung stellen, sozusagen nach dem Mono: Jedem Kind sein eigenes Zimmer.

Außerdem sollte ein Mieter in gleicher Weise wie der Wohnungseigentümer öffentlich gefördert werden. wenn er in seiner Mietwohnung Sanierungsmaßnahmen durchführt. Auch hierdurch wird ja die Wohnqualität verbessert. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselharth. - Meine Damen und Herren, ich schließe damit die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 15 und wir kommen zur Abstimmung.

Ich rufe auf den Überweisungsantrag der PDS. der zum Inhalt hat, die Drucksache 3/2239 - Neudruck - an den Ausschuss für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgt. den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe die Drucksache 3)2239 zur direkten Abstimmung auf. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt. den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich rufe jetzt zur Abstimmung auf den Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU. Er liegt Ihnen in der Drucksache 32312 vor. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag mehrheitlich angenommen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 15. Ehe ich die Sitzung des Landtages schließe, möchte ich Sie noch daran erinnern. dass jetzt im Raum 306 ein parlamentarischer Abend mit der Landesrektorenkonferenz stattfindet und Sie die Gelegenheit haben, sich mit den Experten zur Wissenschaftspolitik auszutauschen.

Ich schließe die 29. Sitzung des Landtages Brandenburg und wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend.

Ende der Sitzung: 18.10 Uhr