Protokoll der Sitzung vom 28.02.2001

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 84 der ingesamt 149 Paragraphen des Schulgesetzes sollen novelliert werden. Leider stehen mir nur fünf Minuten Redezeit zur Verfügung, sodass ich nicht auf alle Änderungen eingehen kann. Um es aber gleich vorweg zu sagen: Wir werden beide Anträge, den der Koalitionsfraktionen und den der PDS, ablehnen, obwohl wir mit vielen Neuerungen einverstanden sind, so zum Beispiel mit der Einführung von Rahmenlehrplänen und mit der Einführung von Prüfungen am Ende der 10. Klasse. Der Vorschlag von Herrn Minister Reiche, ein Zentralabitur einzuführen, um die Leistung eher vergleichbar zu machen, findet auch unsere Zustimmung, ebenso die Regelungen über die Schülerbeförderung und die Schulspeisung. Die Änderung des § 59, der den Wechsel von Gymnasiasten in die Realschule ermöglicht, wird von uns ebenfalls befürwortet. Die Überarbeitung der Versetzungskriterien nehmen wir wohlwollend zur Kenntnis.

Vorgesehen ist, dass künftig an der Grundschule ab Jahrgangsstufe 3 Schüler bei schlechten Leistungen sitzen bleiben können. Wir sind der Meinung, dass es generell an allen Schulen möglich sein sollte, bereits nach der 1. Klasse sitzen zu bleiben. Hier fordern wir eine Änderung. Bereits ab der Jahrgangsstufe 1 muss ein Sitzenbleiben generell erlaubt sein.

Ein weiterer Punkt, den wir noch für erörterungsbedürftig halten, ist der § 19, der das Angebot einer Fremdsprache ab der

3. Klasse beinhaltet. Generell begrüßen wir es, dass die Schüler die Möglichkeit erhalten, beizeiten eine Fremdsprache zu lernen. Die Begegnung mit einer fremden Sprache in der 3. Klasse trägt dem normalerweise zu erwartenden Entwicklungsstand zumindest deutschsprachiger Schüler durchaus Rechnung und fördert den Einstieg in die erste Fremdsprache sozusagen auf spielerischer Grundlage. Voraussetzung ist jedoch, dass die Vermittlung weiteren notwendigen Wissens hierdurch nicht beeinträchtigt wird, denn nicht alle Schüler konnten und werden in den ersten beiden Jahrgangsstufen ihre Grundkenntnisse beispielsweise in Mathematik und Deutsch festigen. Wir plädieren daher für die Einführung von Fremdsprachenklassen ähnlich denen der zu DDR-Zeiten existierenden so genannten R-Klassen.

Kritikwürdig erscheint uns auch der § 47, der das Sponsoring an Schulen erlaubt. Der originäre Aufgabenbereich einer Schule sollte es sein, Bildung zu vermitteln, nicht aber, das Konsumverhalten der Schüler durch Werbung zu beeinflussen. Das Sponsoring für eventuell vorhandene Schulsportmannschaften mit Sportbekleidung wird von uns akzeptiert. Es kann aber nicht sein, dass in den Schulfluren und eventuell sogar in den Klassenräumen Werbung von irgendwelchen Baufirmen, Getränkeund Textilherstellern oder diversen anderen Unternehmen aushängt.

Nun komme ich zu den einzuführenden Kopfnoten. Prinzipiell begrüßen wir die Einführung von Kopfnoten, aber nicht so, wie es vorgesehen ist. Komplizierter geht es ja wohl kaum noch! Wir fordern jedenfalls eine weniger komplizierte Bewertung, des, wie es so schön heißt, Arbeits- und Sozialverhaltens.

Zum Schluss möchte ich noch ganz kurz auf den Antrag der PDS-Fraktion eingehen. Die vorgeschlagene Änderung von § 4 Abs. 4 wird den anzustrebenden Zielen nicht gerecht. Sie ist einseitig, wirkt politisierend und konterkariert geradezu die bestehenden Sätze 1 und 2, die von Toleranz sprechen und sich gegen eine einseitige Beeinflussung wenden.

Die vorgeschlagene Änderung von § 7 Abs. 4 halten wir für überflüssig. Die Änderung von § 18 Abs. 3 Satz 1 lehnen wir ab, weil dies nicht zwingend gemacht werden kann, sondern auch die Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Änderung in § 91 wird insoweit abgelehnt, als die Schulkonferenz für den Bestand nicht ausschlaggebend sein kann. Hier spielen überörtliche und außerschulische Gesichtspunkte eine maßgebliche Rolle.

Die Änderung von § 94 erübrigt sich. Die Ergänzung von § 102 Abs. 1 Satz 3 findet unsere Zustimmung. Allerdings lehnen wir den Satz 4 ab, weil wir gegen die Gesamtschule als Regelschule sind.

Die Änderung von § 102 Abs. 4 Satz 2 wird ebenfalls von uns abgelehnt. Das kann nicht Aufgabe des Kreisschulrates werden.

Die Änderung von § 103 ist in der Tendenz begrüßenswert. Allerdings besteht bei den dort festgeschriebenen Zahlen Erörterungsbedarf.

Meine Damen und Herren, meine Redezeit neigt sich langsam dem Ende entgegen, eine Lampe leuchtet schon. Ich hoffe, es ist

klar geworden, warum wir beide hier vorliegende Anträge ablehnen werden. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Fechner. - Das Wort geht an die Fraktion der CDU, Frau Abgeordnete Hartfelder, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Große, ich möchte Ihnen erst einmal alles Gute zu Ihrer Jungfernrede sagen, die Sie heute im Landtag gehalten haben. Dennoch muss ich an einer Stelle noch etwas zu dem, was Sie gesagt haben, bemerken.

Einladende zu den „Schulratschlägen” des Ministers Reiche waren auch die Kreisschulbeiräte. Das heißt, sie waren in allen Landkreisen vom ersten bis zum letzten Tag involviert. Ich bin Mitglied des Landesschulbeirates. Auch der Landesschulbeirat hat sich zweimal mit den unterschiedlichen Gesetzentwürfen befasst, sodass die Mitwirkungsgremien sehr umfassend in die Erarbeitung der Gesetzesnovelle eingebunden gewesen sind.

Eine zweite Bemerkung: Sie sprachen über die Frage, die Ganztagsangebote dem Bedarf entsprechend zu entwickeln. Das finde ich in Ordnung. Aber im Gesetzentwurf Ihrer Partei steht „Bedürfnis”. Darüber, was Bedarf und was Bedürfnis beinhalten, muss man reden.

Dieser Gesetzentwurf ist ein Dokument eingelöster Versprechen, meine Damen und Herren. Wir reagieren damit auf Erwartungen von Eltern, von Schülern und Lehrern, denen wir insbesondere im Wahlkampf versprochen haben, das Bildungswesen dieses Landes zu verändern. Für uns war die Richtung der notwendigen Veränderung klar. Wir wollten den Leistungsgedanken stärken, die Schulzeit ohne Qualitätseinbußen verkürzen, Bildungsgänge flexibler gestalten, mehr Vergleichbarkeit und damit zugleich mehr Bildungsgerechtigkeit schaffen. Wir wollten deutlicher auf die Eignung und unterschiedliche Prägung von Schülern eingehen und nicht zuletzt einer größeren Verantwortung der Schulen Raum geben.

Die Koalitionspartner hatten angekündigt, eine Bildungs- und Wissensoffensive im Land Brandenburg zu starten, und haben sich dazu in der Koalitionsvereinbarung detaillierte Ziele gestellt. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird ein Stück dieser Arbeit sichtbar, die in den letzten Monaten geleistet worden ist, und wir kommen endlich aus der Phase der Ankündigung in die Phase der praktischen Politik. Ich gebe unumwunden zu: Ich freue mich über den Erfolg dieser Koalition.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben immer davon gesprochen, dass es darum geht, das Bildungswesen in Brandenburg im Interesse junger Menschen zukunftsfähig zu machen, insbesondere im Blick auf die Tatsache, dass sie sich mindestens einem europaweiten Wettbewerb stellen müssen. Ich denke, dieser Gesetzentwurf ist dazu ein wesentlicher Schritt.

Übrigens habe ich kürzlich mit einer gewissen Verblüffung einen Bericht über die Labour-Regierung gelesen, die in England vorhat, Bildung mit Charakter darzustellen. Wir sind anscheinend mit unserer Diskussion, die wir in der Koalition führen, in erstaunlicher Gesellschaft.

Mit der Novelle des Schulgesetzes wird der Weg frei, meine Damen und Herren, erstens für Leistungsprofilklassen, zweitens für mehr Verbindlichkeit im Unterricht durch Rahmenlehrpläne, drittens für die Leistungsdifferenzierung in den Klassen 5 und 6, viertens für die Einführung des Fremdsprachenunterrichts in Klasse 3, für Prüfungen in Klasse 10, für veränderte Versetzungsbestimmungen in der Grundschule und in der 7. und der 8. Klasse der Gesamtschule. Es wird die Diskussion über die Klassenstärken beendet. Über die Klassenstärken mit der Festschreibung der Zahl 30 in der Eingangsklasse 7 werden auch Gerichte zukünftig nicht mehr am Elternwillen und am Lehrerund Schulwillen vorbei entscheiden können und wir werden Schullaufbahnkorrekturen vornehmen können, indem wir Querversetzungen nach dem Willen der Schüler und Eltern möglich machen.

Meine Damen und Herren, wichtig ist mir, dass in § 52 im Zusammenhang mit den Grundschulgutachten eine Bildungsgangempfehlung sowie ein Test in der weiterführenden Schule vorgeschrieben werden und dass in § 52 die erforderliche Eignung als Voraussetzung für den Besuch eines Bildungsganges festgeschrieben wird.

Die Umsetzung anderer Punkte ist weiter fest verabredet und wird auf dem Verordnungsweg umgesetzt werden, wie z. B. das Zentralabitur ab dem Jahr 2005/2006.

Auf einen Umstand will ich an dieser Stelle aber noch hinweisen, weil ich ihn für besonders erfreulich halte. Die Koalitionspartner hatten vereinbart, bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts keine Änderungen am Status des Religionsunterrichts und des Faches LER vorzunehmen. Sie hatten aber auch verabredet, die Kirchen in ihrem Bemühen, das Angebot des Religionsunterrichts in den Schulen vorzustellen, aktiv zu unterstützen. Dieses Informationsrecht der Kirchen ist nunmehr in § 9 verankert.

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schluss Ihrer Rede!

Darüber hinaus gehören Religionslehrer gemäß § 85 zukünftig zur Lehrkräftekonferenz. Diese Verbesserung des Status der Religionslehrer ist deswegen für mich so besonders erfreulich, weil ich hier das Bemühen um einen kooperativeren Geist in der Frage erkennen kann, die in der Vergangenheit von schwersten Kontroversen geprägt war.

(Beifall bei der CDU)

Schönen Dank. - Wir sind am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Das Präsidium empfiehlt die Über

weisung des Gesetzentwurfs mit der Drucksachennummer 3/2371 - das ist der Entwurf der Landesregierung - an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Wer diesem Überweisungsansinnen folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf überwiesen worden.

Ich lasse abstimmen über den Antrag auf Überweisung des Gesetzentwurfs der PDS-Fraktion, Drucksache 3/2384, an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Wer dem folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist auch dieser Gesetzentwurf überwiesen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 4 und rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Fünftes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes

Gesetzentwurf des Präsidiums des Landtages

Drucksache 3/2419

1. Lesung

Da vereinbart wurde, auf eine Debatte zu verzichten, kommen wir zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung dieses Gesetzentwurfs an den Hauptausschuss. Wer dem folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf bei einer Stimmenthaltung überwiesen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Ziele und Ergebnisse der Naturschutzpolitik in Brandenburg

Große Anfrage 11 der Fraktion der PDS

Antwort der Landesregierung

Drucksache 3/2219

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Frau Dr. Enkelmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich meine Rede mit einem Zitat aus der Bibel beginnen.

(Frau Konzack [SPD]: Ach nein, das wollen wir nicht von Ihnen hören! - Zurufe von der CDU)

- Ich denke, ab und zu sollten Sie in die Bibel schauen. Wenigs

tens das sollten Sie der Opposition nicht allein überlassen. Also, in der Bibel steht:

„Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass der ihn bebaue und bewahre.”

Wird nicht in der heutigen Zeit allzu oft und zu einseitig auf das Bebauen und viel zu wenig auf das Bewahren gesetzt? Während sich noch im vergangenen Jahr die Mehrzahl der Abgeordneten von SPD und CDU dagegen ausgesprochen hatte, die Thematik Naturschutz auf die Tagesordnung zu setzen, hat der Alltag mit der ihm eigenen Dynamik für die notwendige Korrektur gesorgt.