Protokoll der Sitzung vom 04.04.2001

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/2502

1. Lesung

Da vereinbart wurde, auf eine Debatte zu verzichten, kommen wir zur Abstimmung über die Empfehlung des Präsidiums, die Überweisung an den Hauptausschuss lautet. Wer dieser Empfehlung folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf überwiesen und Tagesordnungspunkt 4 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Bestattungsgesetz - BbgBestG)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/2535

1. Lesung

Auch hierzu wurde vereinbart, auf eine Debatte zu verzichten. Deswegen stimmen wir über die Überweisungsempfehlung an den Ausschuss für Inneres, der federführend sein soll, sowie an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen ab. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Dann ist so beschlossen und überwiesen. Ich schließe Tagesordnungspunkt 5.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Polizeistrukturreform

Große Anfrage 17 der Fraktion der DVU

Drucksache 3/2082

Antwort der Landesregierung

Drucksache 3/2498

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der fragenden Fraktion. Herr Abgeordneter Claus, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zur Polizeistrukturreform haben wir zur Kenntnis genommen - allerdings mit Entsetzen. Warum? Deshalb, weil die Antworten nach Art, Ausgestaltung und informativem Wert einmal mehr überdeutlich die Handschrift des Herrn Ministers tragen. Was heißt das? Die Antworten sind von vornherein darauf angelegt, allen auch nur denkbaren Kritikansätzen an diesem Reformwerk durch Nichtinformation, unzureichende Information, ja sogar Desinformationen zu begegnen. Eine öffentliche Expertenanhörung zu diesem Reformvorhaben hat bekanntlich bis heute nicht stattgefunden. Insbesondere helfen uns die Antworten der Landesregierung auf unsere Große Anfrage hier nicht weiter und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, exakt das ist von den Autoren gewollt. Ich beschränke mich hier auf einige Beispiele, Herr Minister:

Erstens zum Verweis auf das Gutachten des Beratungsunternehmens Mummert & Partner, Hamburg, in der Vorbemerkung sowie zu den Antworten 4 bis 6: Das Gutachten eignet sich zum Beleg von Wirtschaftlichkeit unseres Erachtens allenfalls in Ausschnitten. Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit ist eine „Gesamtschau” vonnöten, die sich aus mehreren Faktoren zusammensetzt: unmittelbare Kosten der Polizei, mittelbare Kosten durch ein Mehr oder Weniger an innerer Sicherheit und weitere mittelbare Kosten durch Auswirkungen auf sonstige Unternehmungen sowie den Arbeitsmarkt im Umfeld von Polizeistandorten.

Für Letzteres seien sozusagen als Paradebeispiele nur die Auswirkungen der beabsichtigten Schließung der Polizeischule in Basdorf genannt. Diese behandelt etwa ein Artikel im „Neuen Deutschland” vom 27. März 2001. Das Gutachten behandelt nur den ersten Gesichtspunkt; insbesondere auf Gesichtspunkte der inneren Sicherheit geht es nicht ein.

Zweitens: Ihren Antworten auf die Fragen 1 bis 3 entnehmen wir, dass dieses Reformvorhaben offenbar gänzlich am Parlament vorbei verwirklicht werden soll - ohne Anhörung, möglichst ohne Öffentlichkeit.

Drittens: Ihre Antwort auf unsere Frage 8, die verschiedentlich genannten 160 Millionen DM für die Durchführung der Reform seien nicht nachvollziehbar, entbehrt jeglicher Ausführungen, warum dies so sein soll, weshalb zugleich auch unsere zweite Teilfrage unbeantwortet bleibt. Auch Ihr Verweis auf die Antwort zur Frage 6 hilft hier nicht weiter; denn dort gestehen Sie ein, dass Sie offenbar selbst nicht wissen, was Sie tun. Sie sind augenscheinlich außerstande, auch nur einen Kostenrahmen zu nennen.

Viertens: In den Antworten zu unseren Fragen 18 bis 20 zur personellen Umstrukturierung wegen des Wegfalls von drei Polizeipräsidien in Eberswalde, Oranienburg und Cottbus bleiben Sie jede Auskunft schuldig, wie der von Ihnen anscheinend beabsichtigte Einsatz von bisher in den Präsidien eingesetzten Beamtinnen und Beamten in den zukünftigen Revieren vonstatten gehen soll. Die Beamtinnen und Beamten haben doch ganz offensichtlich, Herr Minister, unterschiedliche Qualifikationen - oder wollen Sie alle über einen Kamm scheren?

In Ihrer Antwort auf Frage 20 lassen Sie - ich sage es einmal so - die Katze erst richtig aus dem Sack. Sie wissen es selbst nicht; denn dort heißt es wörtlich:

„Eine detaillierte Aufschlüsselung des Personalbestandes nach Standorten etc. kann daher im gegenwärtigen Stadium des Reformprozesses nicht vorgelegt werden.”

Fünftens: Was schließlich unsere Fragen 10 bis 17 zu den Gesichtspunkten der inneren Sicherheit angeht, führen Ihre Antworten auch nicht weiter. Wir vermissen jegliche Ausführungen dazu, wie sich die Reduzierung auf die Polizeipräsidien Potsdam und Frankfurt (Oder) unter dem Gesichtspunkt, dass Brandenburg ein Flächenland ist, auf die Qualität der inneren Sicherheit im ganzen Land auswirken wird.

Unser Land Brandenburg besteht nicht nur aus dem inneren Verflechtungsraum. Wie im Gegenzug zu der Reduzierung von Präsidien unter dem Aspekt der inneren Sicherheit ein Ausgleich für den äußeren Entwicklungsraum, dem ja die heutigen Präsidien Cottbus und Oranienburg angehören - eines im Süden und eines im Norden unseres Landes -, erfolgen soll, bleibt unbeantwortet. Hier hilft auch Ihr Hinweis in der Antwort auf unsere Frage 16, eine Reduzierung der polizeilichen Präsenz vor Ort erfolge nicht, in keiner Weise weiter. Polizei ist nicht gleich Polizei.

Es kommt insoweit unter dem Gesichtspunkt ganz maßgeblich auf die Funktionalität sowie deren Zusammenspiel - Stichworte: Innerer Polizeidienst und Außendienst - an. Dazu sagen Sie schlicht und ergreifend nichts, Herr Minister Schönbohm.

Zumindest räumlich betrachtet, bedeutet die Reduzierung der Präsidien auf Potsdam und Frankfurt (Oder) doch wohl eine Konzentration. Hier bleibt nach wie vor der Eindruck bestehen, dass der „Äußere Entwicklungsraum” sicherheitspolitisch zu einem „Äußeren Unterentwicklungsraum” werden könnte.

Weiterhin wird in der Antwort zu Frage 16 schlichtweg behauptet, vor allem nach der Osterweiterung der EU sei es mit einem Grenzpräsidium besser möglich, das Grenzgebiet zu Polen polizeilich zu betreuen. Eine Koordination mit der polnischen Seite sei dann ebenfalls besser möglich.

Herr Minister, an dieser Stelle fällt mir die Frage ein: Gibt es in Cottbus oder in Oranienburg denn kein Telefon? Was erwarten Sie, wenn Sie schon den Gesichtspunkt der EU-Osterweiterung ins Feld führen, unter dem Aspekt der inneren Sicherheit eigentlich nach der Erweiterung im grenznahen Raum? Einen Anstieg oder ein Absinken von Kriminalität? Auch ein Hinweis darauf fehlt in Ihrer Antwort völlig. Ich gehe einmal davon aus: Sie wissen es selbst nicht so genau.

In Ihren Antworten auf unsere Fragen 17 und 18 verweisen Sie darauf, dass Sie mehr Kompetenzen nach unten verlagern wollen. Führbarkeits- und Effizienzdefizite ergäben sich daraus nicht. Es könne eigenverantwortlicher und bürgernäher als bisher gehandelt werden. Es stellt sich uns sogleich - abermals die Frage: Wieso?

Eines an dieser Stelle vorweg: Sofern Sie, Herr Minister Schönbohm, vorhaben - was Sie ja mehrfach betont haben -, „mehr

Polizei in Grün” auf die Straßen zu bringen, so sind wir von der DVU-Fraktion dem sicherlich nicht abgeneigt.

(Petke [CDU]: Da haben wir ja Glück gehabt!)

- Danke schön!

(Lachen bei der CDU)

Nur beachten Sie hierbei doch bitte eines, Herr Minister Schönbohm: Mehr Grün bedeutet nicht automatisch mehr Sicherheit. Der Bürger will nicht nur das subjektive Gefühl von mehr Sicherheit, sondern objektiv, das heißt substanziell, mehr Sicherheit, also mehr Kriminalitätsverhütung und mehr Kriminalitätsaufklärung. Das subjektive Sicherheitsgefühl allein hilft dem Bürger nicht weiter. Es hilft letztlich nur das Absenken des objektiven Gefährdungspotenzials für den Bürger durch Kriminalität.

Auch mit dem Stichwort „Eigenverantwortung” allein können wir in diesem Zusammenhang nichts anfangen. Sie müssen uns schon sagen, Herr Minister Schönbohm, welche konkreten Kompetenzen Sie nach unten verlagern wollen, welche Kompetenzen zukünftig ausschließlich bei den Polizeipräsidien verbleiben sollen, wie konkret Sie sich zukünftig die Führungsstruktur „unten” und „oben” vorstellen und wie in der Zukunft das Zusammenspiel dieser neu gestalteten Führungsebenen aussehen soll. Nur wenn wir das wissen, können wir beurteilen, ob oder inwieweit der Abbau von Polizeipräsidien unter dem Gesichtspunkt der inneren Sicherheit vertretbar ist.

Wollten oder konnten Sie uns das nicht beantworten, Herr Minister Schönbohm? Wenn ich mir Ihre Antwort auf unsere Frage 20 anschaue, drängt sich mir der Schluss auf, dass Sie das alles selbst noch nicht so genau wissen. Konkret: Sie selbst können auch darauf keine schlüssigen Antworten geben. Dort heißt es nämlich:

„Gegenwärtig werden Einzelheiten dieser Struktur erarbeitet.”

Ist dem aber so, dann frage ich mich allen Ernstes: Wie können Sie eigentlich schon zum jetzigen Zeitpunkt die zukünftige Zahl der Polizeipräsidien festlegen? Die Einzelheiten dieser Struktur und die Zahl der Polizeipräsidien bedingen einander, das heißt, die eine Frage lässt sich nicht ohne die andere beantworten.

Ich stelle anhand dieser Antworten fest: Sie selbst, Herr Minister Schönbohm, vermitteln den Eindruck, dass Sie, was die Auswirkungen Ihres Reformvorhabens angeht, auch nicht schlauer sind als wir. Das heißt aber: Jede Festlegung verbietet sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

Meine Redezeit ist fast zu Ende. Deshalb folgt nur noch eine kurze Bemerkung.

(Beifall des Abgeordneten Homeyer [CDU])

- Danke schön, Herr Homeyer!.

(Homeyer [CDU]: Bitte!)

Kritik gibt es auch aus Ihren eigenen Reihen, aus den Reihen

der CDU, wenn auch nicht von denen, die hier im Parlament sitzen.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.

- Einen kleinen Moment noch! - So erzählte Ihr Parteifreund Karsten Kuhl in den „Potsdamer Neuesten Nachrichten” vom 28. März 2001: „Es gibt in Brandenburg keine CDU, sondern nur einen General und verschreckte Soldaten.”