Protokoll der Sitzung vom 16.05.2001

Kommen wir zur Kernfrage: Was kostet es und wie ist es zu finanzieren? Wer ist in der Pflicht?

Die Verbände tun das, was sie tun müssen: Sie fordern Bund, Land, Kommunen auf, mehr als bisher angekündigt zu tun. Neu ist - darüber freue ich mich -, dass sie die Banken in die unternehmerischen Sanierungskonzepte einbeziehen, ein Gedanke, den ich bereits vor mehr als einem Jahr in die Welt gesetzt habe.

Aber eines möchte ich voranstellen: Der Bund hat sich im letzten Jahr bewegt. Nach § 6 des Altschuldenhilfe-Gesetzes, welches seit dem 01.01.2001 in Kraft ist, erfolgt eine Entlastung bei einer Quote von =/> 15 %, wenn eine Existenzgefährdung gegeben ist und wenn ein tragfähiges Sanierungskonzept vorliegt. Ein Wort zu den 15 %: Das ist eine untaugliche Quote, Fachleute wissen das. Habe ich mehr als 15 %, habe aber wenig saniert, brauche ich wenig Mittel für Zins und Tilgung. Habe ich unter 15 %, z. B. 13 %, und habe 90 % saniert, brauche ich mehr Mittel für Zins und Tilgung. Also ist diese Gesellschaft stärker gefährdet. Wir wissen das, also müssen wir noch dagegen kämpfen.

Ein zweites Wort an die reinen Marktwirtschaftler: Konkurse würden nicht zu einer Entschärfung des Problems beitragen. Wohnungen sind nicht wie ein altes Brötchen oder eine Schraube irgendwie absetzbar, sondern sie bleiben am Markt und sie kosten am Markt richtig Geld. Ich habe das vorgerechnet.

(Warnick [PDS]: Die Menschen bleiben auch da!)

- Die fehlen ja in den Wohnungen, Herr Warnick, aber das erkläre ich Ihnen noch.

Es besteht sogar die Gefahr, dass die Wohnungen nach Konkursen zu Dumpingpreisen angeboten werden und damit die verbliebenen Investitionsspielräume für Unternehmen vollends verloren gehen.

Zurück zum Bund. Mein Dank für das bisher Geleistete heißt nicht, dass das schon reicht. Das weiß auch der Kanzler und die ersten Signale sind zufrieden stellend. Das heißt aber auch, wir müssen uns im Land und in den Kommunen darauf einstellen, um schnell reagieren zu können.

Wir wissen: Wenn wir - Herr Dellmann hat es an Einzelbeispielen der Städte hochgerechnet - in circa acht Jahren 40 % zurückbauen, brauchen wir in diesem Zeitraum circa 500 bis 600 Millionen DM. Das heißt, in Summe aller Quellen sind jährlich circa 60 bis 80 Millionen DM notwendig. Gehe ich davon aus, dass der Bund circa 50 % finanzieren wird, wird es für Land und Kommunen ein Kraftakt, ihren, unseren Teil dazu beizutragen.

Noch ein Wort: Ein reines Abrissprogramm, wie von der BBU,

also vom Verband, gefordert und favorisiert wird, wird es bei uns nicht geben. Denn allein Abriss, in welcher Höhe auch immer - ich gehe zurzeit von 40 % aus -, löst das Problem nicht. Das MSWV will aus der Städtebauförderung auch kommunale Maßnahmen unterstützen, die darauf gerichtet sind, z. B. durch die Steigerung der Attraktivität der Stadt die weitere Abwanderung zu bremsen und die stadtstrukturellen Folgen der Abrissmaßnahmen aufzufangen.

Um diese Aufgaben zu meistern, meine Damen und Herren, brauchen wir keinen fraktionsübergreifenden Hickhack, sondern wir brauchen gemeinsam Kraft, wir brauchen die Bündelung aller Kräfte der Kommunen, des Landes und des Bundes und vor allen Dingen natürlich Ihre positive Begleitung. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Minister Meyer. - Ich gebe das Wort noch einmal an die Fraktion der PDS, Frau Abgeordnete Tack.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die positive Begleitung sei Ihnen zugesichert, Herr Minister, aber auch die kritische Begleitung.

Herr Vogelsänger hat uns heute eine überraschende Nachricht gesandt, er hat sich als Erfüllungsgehilfe von Erich Honecker bei der „Erfüllung des Wohnungsbauprogrammes” geoutet.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Man ist vor Überraschungen nicht gefeit.

(Zuruf des Abgeordneten Klein [SPD])

Herr Schrey, bedauerlicherweise scheint bei Ihnen nur noch das Langzeitgedächtnis zu funktionieren, da Sie die verfehlte Förderpolitik in den Jahren der Kohl-Regierung und deren Auswirkungen im Land Brandenburg völlig ausblenden.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, ich will in aller Kürze noch einmal darauf eingehen und unterstreichen, dass Stadtumbau eine Aufgabe ist, die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz erfahren muss, und dass demzufolge die notwendigen politischen Entscheidungen im engen Zusammenspiel von Kommune, Land und Bund zu treffen sind. Dazu sind seitens der Vorredner zahlreiche Ausführungen gemacht worden.

Die Stadt - das ist unsere feste Überzeugung - muss als ganzheitlicher Organismus begriffen und aus ganzheitlichen Ansätzen heraus entwickelt werden. Insbesondere die Innenstädte müssen ihre Zentrumsfunktionen wahrnehmen können, sie müssen wiederbelebt und funktionstüchtig gestaltet werden. In den Städten sollen Menschen leben, die gern dort leben, die gute und gesicherte Lebensqualität in diesen Städten erfahren, wozu Sie wissen es genau - zuallererst ein Arbeitsplatz zählt.

(Zuruf des Abgeordneten Bartsch [CDU])

Das heißt, unsere Städte gewinnen in dem Maße an neuer Attraktivität, wie sich ihre wirtschaftlichen Grundlagen verbessern.

Städtebauliche Ziele und Leitbilder sind zu überprüfen und neu zu bestimmen und man muss sich - auch dazu sind Ausführungen gemacht worden - mit Prozessen der Stagnation, der Schrumpfung und des Rückbaus vor Ort auseinander setzen. Bisherige Philosophien der Stadtentwicklungspolitik, die ausdrücklich auf Wachstum setzten, erweisen sich als unbrauchbar, führten zu Fehlentwicklungen, Abwanderung und letztlich zu Leerstand.

Stadtumbaukonzepte, die auf wirklich ehrlichen Entwicklungsprognosen basieren, müssen räumliche Schwerpunkte und Prioritäten für den Umbau setzen. In dieser breiten Aufgabenpalette brauchen die Städte Unterstützung und finanzielle Förderung seitens des Landes. Diese ist in großen Teilen durch das Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr gegeben und zugesichert. Sie brauchen aber auch die Unterstützung der anderen Ministerien durch eine intelligente Verknüpfung der Fördermöglichkeiten.

Die Städte müssen stärker als bisher mit ihren Umlandgemeinden kooperative Beziehungen eingehen, um gegenseitige Funktionsteilungen auch wirklich wahrnehmen zu können. In diesem Sinne unterstützen wir Ihre Forderung, Herr Minister, die Instrumente der Raumordnung stärker zu nutzen, aber nicht nur, um Wegzüge in die Umlandgemeinden zu verhindern, sondern um eine ausgewogene Entwicklung der Stadt mit ihrem Umland auf kooperativem Wege zu gestalten.

Die jetzige Eigenheimzulage hat den Charakter einer Dorfförderung und des Bauens auf der grünen Wiese, meine Damen und Herren, und beschleunigt darüber hinaus Stadtflucht, Stadtschrumpfung und auch Wohnungsleerstand. Die PDS hält eine Verbesserung der Konditionen, wie sie von der Bund-LänderArbeitsgruppe vorgeschlagen wird, nämlich den Erwerb von Wohnungen im innerstädtischen Altbau durch Selbstnutzer zu fördern, für sehr sinnvoll. Wir schlagen darüber hinaus vor, von den Milliarden, die für die Eigenheimzulage zur Verfügung stehen, die Mittel freizumachen, die für die Sanierung des Mietwohnungsbaus und für die Unterstützung der Wohnungsunternehmen in den Städten gebraucht werden.

Die PDS hält darüber hinaus weitere Schritte für notwendig, die ich - in aller Kürze - noch nennen will:

Die PDS-Fraktion fordert die Landesregierung auf, auf keine Mark aus der Bundes- und der EU-Förderung zu verzichten, sondern die Kofinanzierung und damit Arbeitsplätze und den notwendigen Entwicklungsschub in den Städten zu sichern.

Wir fordern darüber hinaus, die Vorbereitung voranzutreiben, damit endlich das Vergabegesetz des Landes in Kraft treten kann. Es ist nicht nur Sache des Wirtschaftsministers, sondern auch des Bauministers in seiner eigenen Interessenwahrnehmung, dass ein Aufschwung für das regionale Bauwesen zustande kommt.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Abgeordnete.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Wir fordern die Landesregierung auf, das kommunale Finanzausgleichsgesetz in Angriff zu nehmen; denn die Eingemeindung in die Städte wird die problematische Unterfinanzierung der Städte nicht lösen.

Wir fordern vom Bund die Wiederauflage einer Investitionspauschale in Höhe von mindestens 3 Milliarden DM, meine Damen und Herren, die ohne Kofinanzierung von Land und Bund gewährleistet werden soll. Sie soll für die Entwicklung städtischer Infrastruktur eingesetzt werden. Wir denken, auf die Pauschale...

Frau Abgeordnete Tack!

- Das ist mein allerletzter Satz; ich bedanke mich für Ihre Geduld.

... kann dann verzichtet werden, wenn die Vermögensteuer wieder eingeführt wird und den Kommunen zugute kommt.

Meine Damen und Herren, wir sind auf einem guten Weg, die Strategie des Stadtumbaus zu beginnen und fortzusetzen. Wir werden Ihre Versprechungen im Hinblick auf den Landeshaushalt einfordern und uns dafür einsetzen, dass sie eine Chance erhalten. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort erhält die Landesregierung. Herr Ministerpräsident Dr. Stolpe, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen hier über ein außerordentlich wichtiges Thema. Leerstand von Zehntausenden Wohnungen ist ein ökonomisches, ein wohnungspolitisches, aber auch ein sozialpsychologisches Problem erster Ordnung. Jeder hat es sicher schon bei den Reisen im Land erfahren: Der Wegzug der Nachbarn, leer werdende Häuser - sogar devastierte Häuser, wie wir alle sie erleben müssen werden als Anzeichen eines Zusammenbruchs gesellschaftlicher Strukturen empfunden und haben eine außerordentlich depressive Auswirkung.

Es ist zwingend geboten, diese große Herausforderung umfassend anzugehen. Dazu, meine Damen und Herren, gehört auch eine nüchterne Ursachenbetrachtung. Hauptbetroffen sind - das klang bei Kollegen Meyer schon an - Industriestandorte wie Schwedt, Guben, Cottbus, Lauchhammer, Wittenberge. Dort sind in DDR-Zeiten Industrien neu aufgebaut worden - das war richtig so -, gute Wohnungen vorgehalten und Arbeitskräfte aus der ganzen DDR angeworben worden. Zehntausende kamen zu uns nach Brandenburg. Von manchen dieser Talente leben wir heute noch, auch hier im Landtag. Die Städte haben damals zum Teil ihre Einwohnerzahlen verdoppelt.

Seit 1990 wurden diese Industriestandorte strukturell völlig verändert, zum Teil auch unter Verlust sämtlicher Industrieanlagen. Aber in den meisten Fällen ist es gelungen, die Industrieanlagen zu modernisieren. Die technologische Revolution hat sich durchgesetzt. Das heißt, die Computersteuerung hat die Produktionsprozesse erobert. Im Ergebnis macht an diesen Industriestandorten ein Mensch das, was früher sieben gemacht haben. Wir müssen nüchtern sehen, dass Standorte, die leistungsfähiger sind als sie in DDR-Zeiten waren, die stärker geworden sind, die international wettbewerbsfähig sind, die - zum Beispiel Schwedt, der Standort mit dem höchsten Bruttoinlandsprodukt in Ostdeutschland - mit weitaus weniger Arbeitskräften auskommen und weitaus weniger Wohnungen brauchen. Das ist die nüchterne Realität, mit der wir uns auseinander setzen müssen.

So ist es heute eine der wichtigsten Gemeinschaftsaufgaben von Kommunen, Land und Bund, sich auf die tatsächlichen Einwohnerzahlen der Städte in der Zukunft einzustellen. Das kann nur gelingen, wenn alle zusammenwirken, wenn neue Stadtentwicklungskonzepte, Perspektiven entwickelt werden und wenn parallel dazu die Sanierung, die Modernisierung, die Wohnumfeldverbesserung und nicht zuletzt die Rekonstruktion der Altstädte weiterlaufen. Die brandenburgische Landesregierung bemüht sich darum. Sie wird alle ihr eigenen Möglichkeiten einsetzen - es sind einige angedeutet worden, die wir auch mit überlegen - und sie gibt bei dieser Aufgabe in Ostdeutschland das Tempo an. Hartmut Meyer ist dabei ein geachteter, auch ein etwas gefürchteter Vorarbeiter auf Bundeslinie. Ich bekomme das immer mit, wenn ich versuche, ihm bei dieser zentralen Aufgabe unauffällig zu assistieren.

Meine Damen und Herren, es geht doch darum, dass die Menschen in Brandenburg erleben, dass hier etwas passiert, dass sie nicht auf die ferne Zukunft vertröstet werden, sondern an diesen Standorten erleben, dass sich die Bedingungen verbessern, dass sie sich hier wohl fühlen können. Wenn sie gern in Brandenburg leben, wenn - seien Sie ein bisschen optimistisch - die Einwohnerzahlen in Brandenburg als einzigem ostdeutschen Bundesland zunehmen und, wie mir die Kinderärzte bei einem Kongress gerade versichert haben, auch dieses Jahr ein schönes Jahr des Kindes wird, wird es uns gelingen, hier etwas voranzukommen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Ministerpräsident. - Ich erteile das Wort noch einmal der Fraktion der SPD. Frau Abgeordnete Müller, bitte.

Bevor Frau Müller am Rednerpult ist, möchte ich Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Schüler der 12. Klasse des Humboldt-Gymnasiums Potsdam. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Abgeordnete aus Guben, einer Stadt, die heute schon als Problemstadt Erwähnung fand, bin ich meiner Fraktion sehr dankbar für die Initiati