Protokoll der Sitzung vom 12.07.2001

Unter den Bürgern Brandenburgs wächst unterdessen die Skepsis, ob der von der Landesregierung in Potsam und von der in Berlin vereinbarte Fahrplan zur Fusion beider Länder noch zu halten ist. Die derzeitige Berliner Finanzkrise lässt das zweifelhaft erscheinen.

So legte der neue rot-grüne Übergangssenat in Berlin kürzlich seinen wegen der Krise der Berliner Bankgesellschaft notwendig gewordenen Nachtragshalt mit einer Nettokrediterhöhung von 3,7 Milliarden DM vor. Die Ermächtigung zur Kreditaufnahme steigt von bisher ca. 5,8 Milliarden DM auf nunmehr 9,5 Milliarden DM. Davon bleibt dem Berliner Landeshaushalt jedoch keine einzige Mark, da die komplette Neuverschuldung plus zusätzlicher Mittel zur Erhöhung der Kapitalausstattung der Bankgesellschaft Berlin notwendig ist. Hierfür ist nach gegenwärtigem Stand eine Kapitalerhöhung um 3,9 Milliarden DM erforderlich, wozu zusätzlich 2 Milliarden DM aufgrund der Absenkung des Ansatzes für die Vermögensaktivierungen kommen. Es sind also 6 Milliarden DM zusätzliche Schulden.

Dafür sollen im Rahmen des Nachtragshaushalts Mehrausgaben und Mindereinnahmen mit einem Gesamtvolumen - einschließlich Nachschiebeliste - von 790 Millionen DM durch Deckungsvorschläge in entsprechender Höhe ausgeglichen werden.

Die mittelfristige Finanzplanung für das Jahr 2002 sieht bei den Berliner Bezirken - um einige Beispiele zu nennen - Einsparungen bei der Sozialhilfe und anderen Sozialleistungen von ca. 140 Millionen DM sowie Einsparungen bei den Investitionen von ca. 42 Millionen DM vor. Ein Ende der Berliner Finanzkrise ist nicht in Sicht. Ob angesichts solcher Zahlen, meine

Damen und Herren, sowie aufgrund der instabilen politischen Verhältnisse in Berlin mit einer möglichen Regierungsübernahme durch den Kommunisten Gregor Gysi eine Fusion in absehbarer Zeit überhaupt möglich ist, wagen wir als DVUFraktion - sosehr wir eine Fusion grundsätzlich begrüßen - zu bezweifeln.

(Frau Osten [PDS]: Zweifeln Sie ruhig, wir haben nichts dagegen!)

Herr Ministerpräsident Dr. Stolpe! Sie erklärten in Ihrer Regierungserklärung am 24. November 1999:

„Vordringliche Aufgabe ist es, Vertrauen bei der Bevölkerung zu schaffen und die eingeleiteten Haushaltskonsolidierungen beider Länder konsequent fortzuführen. Ist dies gelungen, kann über weitere Schritte zügig entschieden werden.”

Als Vertreterin der DVU-Fraktion erkläre ich Ihnen, dass von einer Haushaltskonsolidierung sowohl in Berlin als auch in Brandenburg mit seiner unsoliden Haushaltspolitik mit von Jahr zu Jahr steigenden Deckungslücken nicht die Rede sein kann und das Vertrauen der Bevölkerung inzwischen an einem Tiefpunkt angelangt ist. Die Übernahme der Berliner Schulden durch Brandenburg würde nach einer Fusion zu einem endgültigen finanziellen Aus des neuen Bundeslandes führen.

Darüber hinaus lässt die neue rot-grüne Berliner Übergangsregierung ebenso wie die Aussicht auf eine Regierungsübernahme der PDS im Herbst dieses Jahres wichtige gemeinsame Zukunftsprojekte zweifelhaft erscheinen. Neben beispielsweise der Biotechnologie ist dies vor allem das gemeinsame Projekt des Großflughafens BBI in Schönefeld. Durch den Regierungswechsel verzögert sich bereits jetzt die Privatisierung der BBF, welche eigentlich bereits im Juni hätte über die Bühne gehen sollen. So erklärt der Flughafenplanungssprecher Burkhard Kieker:

„Unterschriftsreife Verträge werden wir im Herbst vorlegen können. In Brandenburg haben wir gar keine Bedenken. Aber der Berliner Übergangssenat würde sowieso nichts unterschreiben.”

Das werde erst ein neu gewählter Senat tun. Doch da haben wir, sollte der PDS in Berlin wirklich eine Regierungsbeteiligung direkt oder indirekt gelingen, mehr als große Zweifel.

Aus all den genannten Gründen und weil die Volksabstimmung über die geplante Fusion bereits im Jahr 2006 stattfinden soll und weil mit den Auswirkungen der Berliner Finanzkrise bis weit über dieses Jahr hinaus gerechnet wird, soll die Landesregierung Bericht erstatten, so wie wir es in unserem Antrag formuliert haben.

Im Sinne der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft unseres Landes bitte ich Sie, meine Damen und Herren aller hier vertretenen Fraktionen, um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.

Alternativ beantrage ich die Überweisung unseres Antrages an

den Ausschuss für Haushalt und Finanzen, federführend, sowie mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth. - Ich gebe das Wort an Herrn Abgeordneten Klein. Er spricht für die Koalitionsfraktionen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie in so vielen Situationen und in fast unzähligen Anträgen erweckt die DVU-Fraktion wieder einmal den Anschein, als ginge es ihr um die Sorgen und Nöte der Bevölkerung Brandenburgs. In Wirklichkeit kommt der Antrag zu spät und ist völlig unnütz. Er kommt zu spät, denn im Zuge der Kampagne für die Länderfusion ist in unzähligen Publikationen und in Veranstaltungen, auf denen Abgeordnete der 2. Legislaturperiode und Vertreter der Administration aufgetreten sind, über die Chancen und Risiken der Vereinigung beider Länder eindeutig aufgeklärt worden. Warum also, frage ich Sie, meine Damen und Herren der DVU-Fraktion, sollen wir Kapazitäten der Landesregierung für einen unnötigen Bericht binden?

Ihr Hinweis auf die Berliner Finanzsituation ist völlig unnötig, weil im Falle einer geplanten Vereinigung beider Länder natürlich die unterschiedlichen Finanzlagen berücksichtigt worden wären. Das war auch im alten Neugliederungsstaatsvertrag so geregelt.

(Dr. Wiebke [SPD]: Richtig!)

Deshalb lehnen wir Ihren Antrag, meine Damen und Herren der DVU-Fraktion, ab.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Klein. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der PDS. Frau Abgeordnete Osten, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der DVU-Fraktion! Wenn ich Sie so reden höre, dann bin ich ganz froh, dass keine der demokratischen Parteien in Berlin oder in Brandenburg Zukunftsprojekte mit Ihnen machen möchte.

(Zuruf des Abgeordneten Claus [DVU])

Meine Fraktion sieht auch keine Notwendigkeit, den von der DVU-Fraktion beantragten Beschluss zu fassen. Am 16. Mai hat meine Fraktion eine Große Anfrage zur nachhaltigen Entwick

lung der Regionen Berlin und Brandenburg und der Reform des Föderalismus an die Landesregierung eingereicht.

Ein wesentlicher Teil der Fragen bezieht sich genau auf die künftige finanzielle Basis der Regionen. Wir sind optimistisch, dass diese Große Anfrage ordentlich beantwortet wird. Dann haben wir eine Grundlage für die weitere Diskussion. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Osten. - Das Wort geht an die Landesregierung. Wünschen Sie hierzu das Wort? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Wir kommen zur Abstimmung.

Von der Fraktion der DVU wurde beantragt, die Drucksache 3/2988 an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen - federführend - sowie mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zur direkten Abstimmung über den Antrag. Wer dem Antrag in Drucksache 3/2988 seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8 und rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Bundesratsinitiative zur Schaffung eines Straftatbestandes des Verunstaltens im Strafgesetzbuch

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 3/2989

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion. Frau Abgeordnete Fechner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits vor einem Jahr brachten wir einen Antrag zur Bekämpfung der GraffitiSchmierereien hier im Plenum ein. Die Landesregierung wurde damals aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der das Verunstalten durch Graffiti als Ordnungswidrigkeit einstuft. Damals wurde der Antrag von allen hier vertretenen Fraktionen abgelehnt. Der Redner der PDS, Herr Hammer, führte damals in seiner einminütigen Rede an, dass man in der Stadt Frankfurt qualitativ so hochwertige Werke habe, dass man sagen könne: So etwas findet man nicht einmal in Paris. Er sagte wörtlich:

„Wir können mit den Sprayern selbst über die schwarzen Schafe reden.”

Besonders ergebnisreich waren die Gespräche anscheinend nicht, denn die Anzahl der Schmierereien hat nicht ab-, sondern zugenommen. Aber die Haltung der PDS zu diesem Thema scheint ja bekannt zu sein und auch allgemein verständlich. Wenn man sich einmal die Schmierereien ansieht, ist sehr oft das alternative A der mitunter militanten Antifa vertreten. Wir wissen auch aus Pressemitteilungen der letzten Wochen, welche Kontakte Sie zur Antifa haben.

Auch die CDU lehnte unseren Antrag ab. Herr Homeyer als Sprecher der Koalitionsfraktionen sagte damals:

„Wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen, weil er überflüssig ist. Die Regierung handelt und wird demnächst in diesem Haus eine Initiative vorlegen, wodurch dieses Problem eingedämmt werden soll.”

Was hat sich seitdem getan? Das Problem steht nach wie vor und es wurde - entgegen der Behauptung von Herrn Homeyer nicht eingedämmt.

Im Juli vergangenen Jahres fragte ich während der Fragestunde die Landesregierung, welche konkreten Maßnahmen sie seit dem Einbringen unseres Antrages ergriffen habe. Herr Minister Schelter erklärte damals unter anderem, dass das Ministerium der Justiz und für Europaangelegenheiten die Initiative zur bußgeldgerichtlichen Ahndung von Graffiti-Schmierereien zügig vorangetrieben habe.

Weiterhin sagte Minister Schelter, dass sein Haus einen Entwurf eines Landesordnungswidrigkeitengesetzes erarbeitet, in dem eine Vorschrift enthalten ist, die das Verunstalten von baulichen Anlagen, öffentlichen Verkehrsmitteln und Kraftwagen unter Bußgeldandrohung stellt. - Das war im Juli vergangenen Jahres, also vor einem Jahr.

Der erwähnte Entwurf liegt zwar seit kurzer Zeit vor, aber er wurde im Kabinett wegen juristischer Bedenken abgelehnt.

Was wird nun? Ein auf Änderung des Strafgesetzbuches abzielender Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag scheiterte an Rot-Grün. Die Initiative von Herrn Minister Schelter zur bußgeldrechtlichen Ahndung von GraffitiSchmierereien im Land Brandenburg verlief buchstäblich im Sande. Konkret: Die Koalitionspartner waren sich wieder einmal nicht einig.

Dazu Ingo Decker, Sprecher der SPD-Fraktion:

(Widerspruch bei der SPD)

„Das muss erst einmal in das Strafgesetzbuch.”