Protokoll der Sitzung vom 24.10.2001

Das Land Berlin, Herr Innenminister,

(Homeyer [CDU]: Das wird Ihnen nicht gelingen, Frau Kaiser-Nicht!)

hat Ihre damalige mutige Polizeireform bis heute noch nicht verdaut. Wir sind hier also alle gewarnt.

(Beifall bei der PDS - Minister Schönbohm: Aber bei der Kommunalreform, da haben wir heute Mehrheiten be- kommen!)

Das prägende Merkmal dieser Polizeireform besteht in der Schaffung der zwei flächengrößten und einwohnerstärksten

Polizeipräsidien der Bundesrepublik. Wie die geplante Entwicklung beim Landeskriminalamt belegt auch das einen Konzentrations- und Zentralisierungsprozess, den wir infrage stellen.

Im Gesetzentwurf sind zusätzliche Kosten in Höhe von 54 Millionen DM ausgewiesen. Nach unseren Berechnungen liegt der Bedarf wesentlich höher. So konnten z. B. die Kosten für den beabsichtigten Umzug der Fachhochschule der Polizei noch nicht einmal genau ausgewiesen werden. Nicht hinzugerechnet wurden auch die oft reformbedingten Erhöhungen bei den Umzugskosten und Trennungsgeldern. Das macht zusätzlich in den Jahren 2002 und 2003 8 Millionen DM aus. Erhebliche Summen müssen kurzfristig in den nächsten beiden Jahren für Investitionen bereitgestellt werden.

Dieser zusätzliche Aufwand ist vor dem Hintergrund der schwierigen Finanzsituation des Landes noch kritischer zu bewerten. Sie versprechen sich dafür künftig Einsparungen von 50 Millionen DM pro Jahr, die ab 2008 in voller Höhe realisiert sein sollen. Wir glauben nicht an Ihre Rechnung und stehen damit nicht allein.

(Homeyer [CDU]: Sie sollen nicht glauben, Sie sollen wissen!)

Die Einsparungen wollen Sie durch eine Reduzierung des Personals bei der Polizei um immerhin 725 Stellen finanzieren. Es soll also künftig fast ein Zehntel weniger Polizeibeschäftigte geben. Gleichzeitig versprechen Sie mehr Grün auf der Straße

(Minister Schönbohm: Richtig!)

und die Stärkung der kriminalpolizeilichen Sachbearbeitung. Das unterstützen wir ausdrücklich, gerade vor dem aktuellen Hintergrund.

Die PDS wird wie bisher konsequent darauf drängen, dass die Zahl der Revierpolizisten in den nächsten Jahren weiter erhöht wird. Sie sprechen selbst von 200 Stellen. Okay. Aber woher?

(Homeyer [CDU]: Das habt Ihr früher ganz anders gesagt, als wir das gefordert haben!)

- Ich habe nie etwas anderes gesagt, Herr Homeyer. - Wir fordern zudem, dass Revierpolizisten einen anderen Status erhalten, sodass sie tatsächlich in ihrem Revier tätig werden können und nicht ständig als „Auffüllgruppe” für andere Aufgaben eingesetzt werden.

Aber neben der sichtbaren Präsenz von Polizei in Uniform braucht es auch vernünftige Rahmenbedingungen für die ermittelnden Beamten. Die Kriminalpolizisten des Landes selbst warnen vor den Folgen Ihrer Reformpläne im Hinblick auf die Aufklärung von Organisierter, Wirtschafts- und schwerer Umweltkriminalität. Das konnte und musste Ihr Polizeiinspekteur am letzten Donnerstag zur Kenntnis nehmen.

Eines ist wirklich sicher: Solange die CDU das Innenressort hat, wird sie ständig und zum Teil plakativ zusätzliche Mittel für die innere Sicherheit fordern, völlig unabhängig von der aktuellen Sicherheitslage. Der Entwurf des Einzelplans 03 für die nächsten beiden Jahre war schon vor dem 11. September um 22 Millionen DM aufgestockt worden, während das Bildungs- und

Sozialressort erhebliche Einschnitte hinnehmen mussten - wie gesagt, schon vor dem 11. September.

(Minister Schönbohm: Wollen Sie mehr Polizei und weni- ger Geld? Oder was wollen Sie?)

Meine Damen und Herren! Mir scheint, in der Problembeschreibung zum Gesetzentwurf soll mit gewichtigen Worten die Fragwürdigkeit der ganzen Reform bemäntelt werden. Wozu müssen Sie alles durcheinander wirbeln, wenn Sie doch feststellen, dass Brandenburg über eine leistungsfähige, demokratische und bürgernahe Polizei verfügt?

(Zuruf des Abgeordneten Homeyer [CDU])

Sie schaffen doch mit der Tatsache, dass sich bis auf die Streifenpolizisten praktisch alle Dienstposteninhaber neu bewerben müssen, hauptsächlich Unruhe.

Ich frage auch nach den Kriterien für die Ausschreibung der Stellen der bisher für Brandenburg bewusst gewählten zivilen Polizeipräsidenten. Vielleicht wollen Sie diese doch zugunsten von Polizeiführern ersetzen. Wie gesagt, wir sind gespannt auf die Ausschreibungskriterien.

Wir haben Fragen nach der Auflösung des Präsidiums der Wasserschutzpolizei. Wir halten das in dem Bundesland mit den meisten schiffbaren Wasserstraßen für keine vernünftige Idee.

Wir sehen auch erheblichen Diskussionsbedarf bezüglich der Fachhochschule, zu ihrem gesetzlichen Status und zum Umzug. Es ist also noch vieles zu klären.

Widerspruch melden wir an zu den umfangreichen Aufgaben und Verlagerungen von den Präsidien auf das LKA.

Frau Abgeordnete, bitten kommen Sie zum Schluss Ihres Beitrages!

Jawohl, Herr Präsident. - Über all diese Fragen werden wir unter anderem im Innenausschuss noch zu reden haben. Die PDS-Fraktion wird eine Anhörung zu diesem Gesetzentwurf beantragen, um Sachverständigen und Betroffenen unmittelbar Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an den heutigen Jubilar. Er spricht für die SPDFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für diesen Anlass hätte es vielleicht ein dankenswerteres Thema gegeben - ich weiß es nicht.

Gestatten Sie mir, dass ich den Polizistinnen und Polizisten

gerade in diesen Tagen für ihren schweren Dienst unseren Dank, den Dank meiner Fraktion, ausspreche. Frau Kaiser-Nicht hat gerade auf die Anzahl Überstunden hingewiesen.

(Beifall bei SPD, CDU und vereinzelt bei der PDS)

Wer heute über ein Gesetz im Zusammenhang mit der Polizei spricht, der kommt natürlich um die aktuellen Fragen in Bezug auf den 11. September nicht herum. Da stellt sich ganz schnell die Frage nach der Anzahl und der Ausrüstung der Polizistinnen und Polizisten. Da stellt sich auch die Frage, ob man in solch einer Zeit eine Polizeireform verantworten kann. Auf einen Teil der Fragen hat die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten schon Bezug genommen.

Wenn ich bei dieser Regierungserklärung und Ihrer Erwiderung, Herr Bisky, bin, dann bezweifle ich - ich habe Sie jedenfalls so verstanden -, dass eine erhöhte Anzahl Revierpolizisten im Kampf gegen den Terrorismus entscheidend ist. Ich denke, Polizei muss da an einer anderen Stelle angesiedelt sein, sicherlich mehr im Bereich des Staatsschutzes und anderem.

Um es deutlich zu sagen: Wir betrachten die in der gestrigen Kabinettssitzung beschlossenen Ausgaben im Sicherheitsbereich, also auch im Bereich der Polizei, als ausreichend, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger nach jetzigem Ermessen zu gewährleisten. Ich warne ausdrücklich - das trifft auch auf die Polizeigewerkschaft zu - vor Überschriften derart, die Landesregierung würde die innere Sicherheit zugunsten anderer Probleme opfern.

Ich gehe davon aus: Wenn das so wäre, dann hätte der Innenminister im Kabinett nicht zugestimmt, aber mit solchen Überschriften schafft man ein Klima, das ohnehin verständliche vorhandene Ängste verstärkt. In einer solchen Situation sollte man sehr vorsichtig und verantwortungsbewusst mit Worten umgehen.

Die Frage, ob unter diesen Bedingungen die Polizeireform überhaupt möglich ist, muss mit einem klaren Ja beantwortet werden, denn Veränderungen in der Struktur bedeuten nicht zwangsläufig höhere Reibungsverluste bzw. das Chaos. Ein sozialer Personalabbau über Jahre hinweg bedeutet nicht zwangsläufig ein zusätzliches Sicherheitsrisiko. Aus diesem Grund stimmen wir der Überweisung des vorliegenden Gesetzentwurfes in den Ausschuss zu.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an den Abgeordneten Claus. Er spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Den Gesetzentwurf, so wie er jetzt vorliegt, lehnen wir ab. Die Überweisung an den Ausschuss für Inneres werden wir mittragen. Dabei haben gerade wir als DVU-Fraktion den möglichst umfassenden Verbrechensschutz unserer Bürgerinnen und Bürger im Auge.

Diesen sehen wir durch Ihr beabsichtigtes Reformwerk gefähr

det, Herr Innenminister Schönbohm. Wir sind ja dazu bereit, uns mit Ihnen jederzeit über Wege zur Verbesserung der Sicherheitslage und der Verbrechensbekämpfung in Brandenburg zu unterhalten.

Im Zusammenhang mit der von Ihnen beabsichtigten Polizeistrukturreform fehlen uns hierzu aber bis heute die erforderlichen sicherheitsrelevanten Daten zu den Auswirkungen dieses Reformwerkes.

Hieran änderten bis heute weder die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage noch das von Ihnen, Herr Innenminister Schönbohm, eingeholte Gutachten zum Beleg der Wirtschaftlichkeit irgendetwas. Die von uns im Innenausschuss beantragte öffentliche Anhörung wurde bekanntlich von der Ausschussmehrheit abgelehnt.

Nach wie vor gehen wir deshalb davon aus, dass bei Ihrem Reformwerk Sparerwägungen wegen der desolaten Haushaltslage Brandenburgs im Vordergrund standen bzw. noch stehen. Seit Ende des vergangenen Jahres wird bekanntlich sowohl seitens der betroffenen Polizisten als auch von Fachleuten nachhaltig Kritik an diesem Reformwerk der Landesregierung geäußert.

Die seitens der Landesregierung zu diesen Kritiken vorgebrachten Argumente sind nach wie vor nicht überzeugend. Insbesondere liegt uns bis heute kein gegenteiliges Fachgutachten zu den Auswirkungen des Reformvorhabens auf die innere Sicherheit des Landes vor.

Das Gutachten des Beraterunternehmens Mummert & Partner Hamburg deckt den Aspekt der inneren Sicherheit nicht ab und eignet sich selbst zum Beleg der Wirtschaftlichkeit der Reform allenfalls in Ausschnitten.

Auch in den Vorbemerkungen und in der Begründung zu Ihrem hier vorgelegten Gesetzentwurf ist wiederum mehr von Sparen als von Verbesserung der inneren Sicherheit die Rede. Frau Kaiser-Nicht sagte es bereits: Bis Ende 2007 wollen Sie 725 Polizeistellen streichen bzw. einsparen. Es soll auch nur noch zwei Polizeipräsidien geben.

Zugleich streben Sie eine flachere Hierarchie an, wollen die Bürgererwartung „Mehr Grün auf die Straße” erfüllen und beabsichtigen die Bündelung der Bekämpfung von Schwerkriminalität in einem Landeskriminalamt. Hieran schließt sich unsererseits eine ganze Reihe von Fragen an, welche bis heute nicht befriedigend beantwortet wurden.