Protokoll der Sitzung vom 25.10.2001

Wir sind davon überzeugt, dass dies tatsächlich Zukunftsinvestitionen sind, weil sie eben nicht in bloßes Kapital investieren, sondern in Erwerbstätigkeit und Humanressourcen. Darum ist dieses Programm Hauptgegenstand unserer Forderungen in den anstehenden Beratungen um den Doppelhaushalt 2002/2003. Das Geld, meine Damen und Herren, ist vorhanden, wie die immensen Investitionen in die innere Sicherheit und in das waghalsige Projekt Chipfabrik belegen.

(Kolbe [SPD]: Vielleicht sollten Sie einmal in den Haus- halt sehen! - Vogelsänger [SPD]: Ich lade Sie einmal nach Frankfurt ein!)

Die im Parlament beschlossene Bürgschaft von 74 Millionen DM übersteigt den gesamten Jahresetat zur Kofinanzierung öffentlich geförderter Beschäftigung um das Doppelte. Erzählen Sie uns also nicht wieder das Märchen von den leeren Kassen, die merkwürdigerweise immer nur im Bereich öffentlich geförderter Beschäftigung und im Sozialbereich leer sind. Konsolidierung nur zum Schein, Konsolidierung auf Kosten sozialer Gerechtigkeit - das ist mit der PDS nicht zu machen.

(Kolbe [SPD]: Mit der PDS ist überhaupt nichts zu ma- chen! Reden Sie lieber mit Frau Osten und erzählen hier nicht solchen Quatsch!)

Sozial gerechte Mittelumschichtungen sind notwendig. Auch die Option, für Beschäftigungsperspektiven über Neuverschuldung zu reden, die Minister Ziel gestern aufgemacht hat, ist aus meiner Sicht eine volkswirtschaftlich vernünftige und legitime.

Lassen Sie uns in Verantwortung für die von Arbeitslosigkeit betroffenen Brandenburgerinnen und Brandenburger gemeinsam den entsprechenden politischen Willen und Finanzierungswege finden! - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS - Kolbe [SPD]: Nieder mit der Chip- fabrik!)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Dr. Schröder. - Das Wort geht an die Fraktion der SPD, an den Abgeordneten Klein.

Zuvor möchte ich wieder Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Schüler des Goethe-Gymnasiums in Pritzwalk. Herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Klein, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eingangs ein Wort an die Antragstellerin: In den elf Jahren seit der Neugründung unseres Landes haben die Landesregierung, die SPD-Fraktion und ich persönlich keine größere Herausforderung gesehen als die Verbesserung der Wirtschaftslage und die Bewältigung der Probleme auf dem Arbeitsmarkt.

(Zuruf von der PDS)

Dem haben wir nicht alle, aber viele Aktivitäten untergeordnet.

(Beifall bei der SPD)

Mir wäre wirklich daran gelegen, dass wir uns ohne große Worthülsen und dramatisierende Formulierungen darüber unterhalten, was wir momentan leisten, und darüber, ob dies in der gegenwärtigen Situation, die selbstverständlich nicht einfach ist, angemessen ist.

Die aktuellen Zahlen sind in der Tat wenig ermutigend. Zum ersten Mal weist Brandenburg im ersten Halbjahr 2001 ein negatives Wirtschaftswachstum auf und die Lage auf dem Arbeitsmarkt stagniert seit längerem. Im September wurden in Brandenburg 227 000 Arbeitslose und eine Arbeitslosenquote von 18,3 % registriert. Für einen September ist das - absolut gesehen - ein Negativrekord. Die Arbeitslosenquote lag vor zwei Jahren allerdings schon etwas höher.

Die Bundesregierung hat seit 1998 viele Entscheidungen getroffen und Entwicklungen angestoßen, um die wirtschaftliche Entwicklung zu beleben und gleichzeitig die Menschen zu unterstützen, die besondere Probleme bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt haben. Mit dem Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit konnte bundesweit über 332 000 Jugendlichen geholfen werden.

Aktuell wird im Bundestag der Entwurf des Job-AQTIV-Gesetzes beraten, durch das in erster Linie Rahmenbedingungen und das Instrumentarium der Arbeitsförderung modernisiert bzw. erweitert werden sollen. Kernpunkte sind die Verbesserung der Arbeitsvermittlung, die Einführung von Eingliederungsvereinbarungen zwischen Arbeitslosen und dem Arbeitsamt als Regelfall, verbesserte Fördermöglichkeiten für VergabeABM und SAM für Ältere sowie eine stärkere Teilhabe von Frauen an Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung.

Gesondert möchte ich noch auf das neue Werkzeug der „Beschäftigung schaffenden Infrastruktur” hinweisen. Vor dem

Hintergrund eines insbesondere in den ostdeutschen Kommunen immer noch vorhandenen infrastrukturellen Nachholbedarfs soll es eine bessere Verzahnung von Struktur- und Arbeitsförderung geben.

Mit welchen wirtschaftspolitischen Schritten hat der Bund seit 1998 positive Akzente gesetzt, die letztlich auch in Brandenburg wirksam geworden sind?

Die Steuerreform - vorher jahrelang umkämpft, strittig und nie umgesetzt - entlastet die Unternehmen seit Jahresbeginn spürbar. Gerade Kleinunternehmen und Selbstständige profitieren hiervon. Die Letztgenannten sind für die Wirtschaft in Brandenburg charakteristisch und sollten uns deshalb als Gradmesser unserer Einschätzung von Wirtschaftspolitik dienen.

Die Senkung der Lohnnebenkosten ist gerade für den Mittelstand eine echte Erleichterung. Die Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung um über einen Prozentpunkt im Vergleich zum September 1998 hat die Unternehmen um mehr als 8 Milliarden DM im Jahr entlastet.

Direkt auf mittelständische Unternehmen beziehen sich folgende Punkte aus der bisherigen Arbeitsbilanz der Bundesregierung: Alle mittelstandsbezogenen Förderprogramme werden bei der Deutschen Ausgleichsbank zusammengezogen. Damit wird sie zu dem einen klar definierten Ansprechpartner für kleine und mittlere Unternehmen entwickelt.

Das ERP-Innovationsprogramm wurde um eine Beteiligungsvariante ergänzt, wodurch die Eigenkapitalbasis innovativer, wachstumsstarker Unternehmen verbreitert und deren Wettbewerbsfähigkeit mittel- bis langfristig gesichert werden konnten. Darüber hinaus stehen seitens des Bundes in diesem Jahr 15,8 Milliarden Euro zur günstigen Kreditfinanzierung zur Verfügung.

Ein anderer Sachverhalt: Seit 1998 wurden 42 neue Existenzgründerlehrstühle an deutschen Hochschulen eingerichtet, von denen 24 ihre Arbeit bereits aufgenommen haben. Mit 30 Millionen Euro fördert das Bundeswirtschaftsministerium in diesem Jahr die Teilnahme an Schulungen in Sachen Existenzgründung. Lassen Sie mich an dieser Stelle einfügen, dass die SPD-Landtagsfraktion Ende 2000/01 im ganzen Land Gesprächsforen zum Thema „Schule und Wirtschaft” veranstaltet hat, um Aspekten des Arbeitslebens schon vor der Berufsausbildung mehr Gewicht zu verleihen.

Mit seinem Konzept „Technologiepolitik - Wege zu Wachstum und Beschäftigung” hat das Bundeswirtschaftsministerium die bisherigen Förderprogramme in diesem Bereich gestrafft und mit neuen Initiativen unter den Leitlinien „Innovation”, „Forschungskooperation” und „technologische Beratung” zusammengefasst. Hierzu zählen unter anderem besondere Starthilfen für technologieorientierte Unternehmensgründungen in den neuen Ländern und das bereits erwähnte ERP-Innovationsprogramm zur zinsgünstigen Kreditfinanzierung von Innovationsvorhaben.

Im vergangenen Jahr konnte über das Programm „Beteiligungskapital für kleine Technologieunternehmen” mehr als 1 Milliarde Euro für rund 100 junge Technologieunternehmen mobilisiert werden.

Für die mittelfristige Sicherung des Fachkräftebedarfs - ein wichtiger Beitrag für eine positive wirtschaftliche Entwicklung ist eine qualitativ und quantitativ gute Berufsausbildung unverzichtbar. In den letzten drei Jahren wurden auf Bundesebene 61 Ausbildungsordnungen modernisiert und 21 neue Ausbildungsberufe eingerichtet. Neben der Berufsausbildung hat die Bundesregierung die Verordnung über gemeinsame Anforderungen in der Meisterprüfung des Handwerks modernisiert. Die bisher geltenden Regelungen stammten aus dem Jahre 1972.

Um die berufliche Weiterqualifizierung voranzubringen, soll die Novellierung der gesetzlichen Grundlage zum Meister-BAföG abgeschlossen werden, damit die Neuregelung Anfang kommenden Jahres in Kraft treten kann. Anwendungsbereich und Leistungsumfang sollen auf diesem Weg ausgeweitet werden.

Die Landesregierung und der Landtag leisten einen wichtigen Beitrag zur Berufsausbildung, indem sie jedes Jahr die Versorgung aller interessierten Jugendlichen mit einem Ausbildungsplatz sicherstellen. Leider hält sich beharrlich das Vorurteil, dass nicht jeder Jugendliche einen Ausbildungsplatz erhalten könne. So war es leider auch auf der gestrigen Kundgebung der GEW zu hören. Dieses Vorurteil ist umso bedauerlicher, weil aus dem Landeshaushalt jedes Jahr circa 123 Millionen DM in die Ausbildungsförderung fließen, Geld, mit dem wir den jungen Menschen einen besseren Start ins Berufsleben ermöglichen wollen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Minister Ziel hat in der gestrigen Fragestunde darauf hingewiesen, dass der Verbundausbildung hierbei größeres Gewicht beigemessen wird, weil sie für die brandenburgische Wirtschaftsstruktur ein besonders passfähiges Modell darstellt.

Um für die in den nächsten Jahren zahlreich anstehenden Betriebsübergaben an die nächste Generation günstige Rahmenbedingungen zu bieten, wurde mit der Steuerreform der Freibetrag für Betriebsveräußerungen von 60 000 auf 100 000 DM angehoben.

Durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen haben Handwerksunternehmen und kleinere Betriebe, die in großem Umfang Vorleistungen erbringen, jetzt bessere Möglichkeiten, die durch ausbleibende Rechnungsbegleichung verursachten, mitunter existenzbedrohenden Situationen abzuwenden.

Mit mehreren Aktivitäten fördert der Bund schließlich die Anpassung kleiner und mittelständischer Unternehmen an die veränderten Anforderungen der Informationsgesellschaft. 24 regionale E-Commerce-Kompetenzzentren, die Green-Card-Initiative zur Deckung des IT-Fachkräftebedarfs und die Werbung für mehr Ausbildungsplätze in dieser Branche möchte ich in diesem Zusammenhang erwähnen.

Auch beim Abbau bürokratischer Hemmnisse ist der Bund aktiv: Erleichterungen bei gewerblichen Auflagen, Genehmigungen und Verfahren gehören ebenso dazu wie der Arbeitsauftrag an eine Projektgruppe im Wirtschaftsministerium, einen diesbezüglichen Maßnahmenkatalog im Interesse von Existenzgründern und KMU zu erarbeiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe es eingangs bereits gesagt: Beiträge zur wirtschaftlichen Belebung und zum

spürbaren Abbau der Arbeitslosigkeit in Brandenburg zu leisten bleibt auf absehbare Zeit unsere wichtigste Aufgabe. Die außerhalb direkter politischer Einflussmöglichkeiten liegenden äußeren Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Monaten leider nicht verbessert. Die erwähnten Maßnahmen verdeutlichen aber, dass Bund und Land hierfür ihre ganze Kraft einsetzen. Leisten wir unseren Beitrag, dass dies in Zukunft so bleibt! - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Klein. - Das Wort geht an die Fraktion der DVU, an den Abgeordneten Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Pleiten im Land Brandenburg haben einen neuen Höchststand erreicht. Die Anzahl der eingeleiteten Insolvenzverfahren stieg gegenüber dem Vorjahr um 21 %. Die aktuellen Arbeitslosenzahlen werden von den Arbeitsmarktexperten des Landesarbeitsamtes im Kontext der Firmenzusammenbrüche gesehen. Danach gab es im Monat September 2001 in Brandenburg 227 296 Arbeitslose, also eine Quote von 18,3 % und somit 1 % mehr als im vorigen Jahr. Zu diesen offiziell zugegebenen Arbeitslosen kommt die verdeckte Arbeitslosigkeit. Im September waren allein 50 800 Brandenburgerinnen und Brandenburger Teilnehmer an Arbeitsförderungsmaßnahmen.

Diesen knapp 280 000 offenen oder verdeckten Arbeitslosen standen Ende September lächerliche 10 800 Stellenangebote in Brandenburg gegenüber. Beachtlich ist auch, dass von den in Brandenburg arbeitslos Gemeldeten fast 84 000 so genannte Langzeitarbeitslose sind, also Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind.

Nun noch ein Blick auf die Ausbildungsplatzsituation: Trotz alljährlicher Zusage des Arbeitsministers, jedem interessierten Jugendlichen einen Ausbildungsplatz anzubieten, sind auch in diesem Jahr nicht genügend Ausbildungsplätze vorhanden, um jedem Jugendlichen in Brandenburg einen betrieblichen Ausbildungsplatz zur Verfügung stellen zu können.

Zu den über 2 000 Jugendlichen in Brandenburg, die nach wie vor buchstäblich auf der Straße stehen - die Altfälle noch nicht einmal mitgerechnet -, kommen noch 2 460 Jugendliche in so genannten betriebsnahen Ausbildungsplätzen sowie 3 188 im so genannten Kooperativen Modell. Diese Jugendlichen können zwar eine mehr oder weniger praxisbezogene Berufsausbildung mit Abschluss erhalten, stehen danach aber auf der Straße - und das auch noch ohne Berufserfahrung.

Wenn wir uns die Wirtschaftspolitik dieser Landesregierung ansehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann stellen wir als DVU-Fraktion fest, dass Sie, Herr Minister Fürniß, eine Wirtschaftspolitik zugunsten der Großindustrie und zulasten der kleinen und mittelständischen Betriebe betreiben. Sosehr wir Ihre Bemühungen hinsichtlich der Chipfabrik in Frankfurt (Oder) oder der Ansiedlung von ORACLE in Potsdam und anderer Firmen begrüßen und Sie dabei unterstützen, müssen wir aber auch kritisieren, dass Sie die Unternehmen vergessen,

die die meisten Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze schaffen und hier die meisten Steuern zahlen, nämlich die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Oftmals brauchen diese Unternehmen nur eine verhältnismäßig kleine Unterstützungssumme in Höhe von 20 000 DM bis 100 000 DM, um aus ihrem Liquiditätsengpass befreit zu werden; zugleich würden aber vier bis zehn Arbeitsplätze gesichert.

Sehen wir uns den Haushaltsplan Ihres Ressorts an, so stellen wir fest: Für das Handwerksinvestitionsdarlehensprogramm keine müde Mark,

(Widerspruch bei der CDU)