Protokoll der Sitzung vom 23.01.2002

(Beifall bei der PDS)

Lassen Sie mich noch etwas zu den Antworten bezüglich der Ausbildungsverhältnisse sagen. Herr Senftleben, so weit liegen wir gar nicht auseinander. Ich denke, auch Sie könnten sich vorstellen, dass es besser wäre, wenn der märkische Jugendliche den märkischen Sand nicht mit einer maroden Schippe umschaufelt, sondern in einem modernen mittelständischen Betrieb in Brandenburg tätig wird, und dass Mobilitätsprämien gerade zur Schaffung solcher Arbeitsstellen besser genutzt werden.

(Beifall bei der PDS)

Die PDS bewertet die Aussagen hierzu als völlig unzureichend. Durch die alleinige Erfassung der Ausbildungsverhältnisse nach Kammerbezirken und Arbeitsamtsbereichen wird man der Intention des Fragestellers nicht gerecht. Vor allem aber bleibt die besondere Situation der Jugendlichen im ländlichen Raum im Nebelschleier, was wiederum eine gezielte Förderpolitik unmöglich macht.

Herr Senftleben, Sie haben in Ihrer Rede für unseren Entschließungsantrag im Grunde die besten Argumente geliefert. Ich weiß gar nicht, warum Sie jetzt noch ein so großes Problem haben, dem zuzustimmen. Ich möchte Sie zumindest ermuntern, das zu tun. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Große.

Ich frage die Landesregierung: Wünscht sie die restlichen drei Minuten noch in Anspruch zu nehmen? - Das ist nicht der Fall.

Dann schließe ich die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und stelle fest, dass Sie die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 29, die Ihnen in der Drucksache 3/3501 vorliegt, zur Kenntnis genommen haben.

Nach dieser Feststellung rufe ich den Entschließungsantrag der Fraktion der PDS, der Ihnen in der Drucksache 3/3803 vorliegt, zur Abstimmung auf. Zu diesem Entschließungsantrag wurde namentliche Abstimmung beantragt.

Meine Damen und Herren, Sie kennen das Prozedere. Ich bitte Sie herzlich, Ihr Votum laut und deutlich zu bekunden.

Ich eröffne die Abstimmung und bitte um das Verlesen der Namen.

(Namentliche Abstimmung)

Hatte einer der anwesenden Abgeordneten keine Möglichkeit, seine Stimme abzugeben? - Herr Dr. Knoblich!

(Die Abgeordneten Dr. Knoblich [SPD], Prof. Dr. Bisky und Christoffers [PDS] geben ihr Votum ab.)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Abstimmung und bitte um Auszählung.

Ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der PDS in der Drucksache 3/3803 bekannt. Dafür stimmten 19 Abgeordnete, dagegen stimmten 49 Abgeordnete. Damit ist der Entschließungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 3359)

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Die Entwicklung des sorbischen (wendischen) Bildungswesens und der Vermittlung von Kultur und Geschichte der Sorben (Wenden) in Brandenburger Schulen

Große Anfrage 30 der Fraktion der PDS

Drucksache 3/3104

Antwort der Landesregierung

Drucksache 3/3515

Dazu liegt Ihnen der Entschließungsantrag der Fraktion der PDS in der Drucksache 3/3803 vor.

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und erteile Herrn Dr. Trunschke von der Fraktion der PDS das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Über Sprache vermitteln sich nicht nur Geschichte, Kultur und Tradition; über die Sprache werden auch Zusammengehörigkeit und Identität vermittelt. Das gilt natürlich für jedes Volk. Für eine autochthone Minderheit wie die Sorben gilt das in besonderer Weise.

Für das Überleben der sorbischen Sprache sind nicht nur die Sorben selbst verantwortlich, sondern neben Sachsen und dem Bund auch das Land Brandenburg. Die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zum sorbischen (wendi- schen) Bildungswesen und zu deren Kultur zeigt, dass das Land Brandenburg auf diesem Gebiet durchaus einiges getan hat, um seiner Verantwortung gerecht zu werden; sie zeigt aber auch, dass wir dem tatsächlichen Anspruch noch längst nicht entsprechen.

Als Hauptproblem sehe ich dabei den grundlegenden Irrtum, dem die Landesregierung offenbar aufgesessen ist. Sowohl die frühere SPD-Alleinregierung als auch die jetzige Koalitionsregierung hoffen offenbar, Minderheitenpolitik in der Nähe des Nulltarifs zu bekommen. So hieß es schon 1994 in der Begründung zum Sorben-Wenden-Gesetz:

„Personalwirtschaftliche Kosten sind aus diesem Gesetz nicht zu erwarten. Auswirkungen auf Einnahmen und

Ausgaben des Landes sind noch nicht zu quantifizieren, werden sich aber im geringen Maße bewegen. Für die Förderung der sorbischen Kultur und Sprache sowie den Bereich der Bildung sind Haushaltsmittel in den Einzelplänen 05 und 06 eingestellt. Zusätzliche zu den dort vorgesehenen Ausgaben werden durch das Gesetz nicht entstehen.”

Das ist ein Irrtum und seit 1994 ist keine neue Einstellung der Landesregierung zu erkennen.

Um tatsächlich internationalen Standards und Verpflichtungen zu entsprechen und eine diesen angemessene Minderheitenpolitik zu gestalten, bedarf es sicherer und auskömmlicher Finanzmittel. Mit den Zuwendungen an die Stiftung für das sorbische Volk ist keinesfalls alles abgedeckt. Die Förderung der niedersorbischen Sprache durch unser Land muss mehr sein als nur die Förderung des Unterrichts in einer der Mehrheitsbevölkerung fremden Sprache.

Man kann es nicht oft genug betonen: Bei der Minderheitenpolitik geht es um die Sicherung von Menschenrechten. Menschenrechte sind bekanntlich nicht verhandelbar, sondern müssen umgesetzt werden. Dies muss demzufolge auch ausreichend finanziert werden.

Einige der Schwerpunkte in der Sorbenpolitik hat meine Fraktion in dem vorliegenden Entschließungsantrag zusammengefasst. Kollegin Große wird nachher auf einige Punkte eingehen. Ich möchte zu Punkt 5, zur Lehrerausbildung im Fach Sorbisch, noch etwas sagen.

Frau Ministerin Wanka, ich kann immer noch nicht so recht glauben, dass Sie ernsthaft annehmen, das Land Brandenburg könne sich mit 50 000 DM für eine halbe Stelle an der Leipziger Universität von der Verantwortung für eine qualifizierte Lehrerausbildung freikaufen. Eine halbe Stelle, um eine Sprache zu revitalisieren!

In der Antwort auf unsere entsprechende Frage innerhalb der Großen Anfrage teilen Sie lapidar mit, die Auffassung, dass das möglich sei, „gründet sich auf dem erreichten Verhandlungsstand mit der Staatsregierung des Freistaates Sachsen vor allem unter den Aspekten der Nachfrage, des Angebots und der Ressourcen der Universität Leipzig”. Ich frage: Wo bleibt der Bedarf in unserem Land? Wo bleibt die Qualität der Lehrerausbildung, die wir hier brauchen?

Offenbar wird seitens der Landesregierung auch nicht ausreichend gewürdigt, dass wir es, wenn wir über die sorbische Sprache reden, eigentlich mit zwei Sprachen zu tun haben. Das Niedersorbische, um das es im Land Brandenburg insbesondere geht, wurde in der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen ausdrücklich als selbstständige Minderheitensprache anerkannt.

Das von uns geforderte Konzept für die Ausbildung der Sorbischlehrer wollten Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, nicht. Als wir das damals beantragten, wurden wir auf den unmittelbar bevorstehenden Abschluss der Verhandlungen mit Sachsen vertröstet. Bis heute liegt mir aber nicht einmal der Entwurf einer Verwaltungsvereinbarung vor, obwohl doch seit mindestens eineinhalb Jahren verhandelt wird.

Dennoch wurde die Abwicklung der Ausbildung an der Universität Potsdam beschlossen. Sie, Frau Ministerin, haben ein Mittel aus der Hand gegeben, ohne einen Ersatz dafür schon sicher zu haben. Das verschlechtert nicht nur Ihre Verhandlungsposition gegenüber Sachsen, sondern gefährdet ohne Not die Vermittlung der niedersorbischen Sprache.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich wünschte mir, dass die Fraktion, die der PDS nicht einmal einen Stellvertreterplatz im parlamentarischen Beirat der Stiftung für das sorbische Volk zugebilligt hat, sich ebenso wie die PDS für die Interessen der Sorben engagiert.

(Beifall bei der PDS)

Ich hätte mir auch gewünscht, der Vorsitzende der Sorbenrates, Herr Konzack, hätte heute hier sprechen können. - Herr Präsident, vielleicht können Sie sich mittels Ihrer Autorität bei nächster Gelegenheit dafür stark machen, stärker als dieses Mal.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, begreifen wir die Sorben und das Sorbische nicht in erster Linie als Kostenfaktor, sondern vor allen Dingen als Bereicherung für uns alle, egal, ob wir Sorben oder Nichtsorben sind. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Trunschke. Ich muss allerdings feststellen: Über die Stärke des Präsidenten brauchen Sie nicht zu philosophieren. Außerdem gibt es eine Geschäftsordnung des Landtages.

(Klein [SPD]: Darüber wird ja nur abgestimmt! So ist das immer!)

Das Wort geht jetzt an die Fraktion der SPD, an Herrn Abgeordneten Dr. Woidke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach drei Jahren befasst sich der Landtag Brandenburg heute wieder mit einer Großen Anfrage zum Thema „Sorben in Brandenburg”. Zuletzt geschah dieses am 30. April des Jahres 1998. Damals lautete das Thema:

„Zur Umsetzung des Verfassungsanspruchs auf Schutz, Erhaltung und Pflege der nationalen Identität der Sorben (Wenden) ”