Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

Sie, Herr Minister Ziel, spielen das alles in Ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage geschickt herunter. Was der Regierung dieses Landes vor allen Dingen fehlt, sind Mut und Bereitschaft zu notwendigen Sofortmaßnahmen, um die bestehende Misere zu beseitigen.

Wir als Fraktion der DVU fordern daher:

Die Stärken der Wirtschaft in Brandenburg müssen vermehrt als internationaler Werbefaktor eingesetzt werden. Wenn das nicht erfolgt, nutzt zum Beispiel auch der Bau einer Chipfabrik in Frankfurt (Oder) wenig.

(Karney [CDU]: Das ist ein Blödsinn, was Sie da erzäh- len!)

Die Werbung für unser Land muss sich vor allem auch auf das Potenzial und die Leistungsfähigkeit seiner Menschen beziehen. Die Menschen in Brandenburg haben einen gigantischen Strukturwandel bewältigt. Die starke Flexibilität gut ausgebildeter Fachkräfte, die sich auf neue Situationen schnell einstellen können, ist ein weiterer Standortvorteil.

Des Weiteren ist eine modernere, leistungsfähigere Bildungs- und Innovationspolitik nötig. Nur wer hier vorangeht, wem mehr einfällt als anderen, kann auf lange Sicht auch erfolgreich sein.

(Beifall bei der DVU)

Die Hochschulen in Brandenburg sind nicht so überlaufen wie die im Westen Deutschlands. Es gibt hier ein besseres Zahlenverhältnis von Lehrenden zu Lernenden als in den westlichen Bundesländern. Die Hochschulen sollten als besonderen Schwerpunkt den naturwissenschaftlich-technischen Bereich weiter ausbauen. Eine verbesserte Verzahnung mit regionalen Forschungseinrichtungen ist dringend notwendig.

Die zahlreichen Bildungsträger in Brandenburg müssen in engem Kontakt mit der heimischen Wirtschaft ihre Umschulungsbemühungen vor allen Dingen stärker auf den IT-Bereich, auf Dienstleistungen, auf Kooperationen mit Forschungsinstituten und auf das Stiefkind ihrer Wirtschaftspolitik, das mittelständische Handwerk, konzentrieren.

Eine wirkungsvolle und erfolgreiche Maßnahme ist die Schließung der Infrastrukturlücke vor allem im Verkehr und in der kommunalen Infrastruktur. Es ist sinnvoller, jetzt intensive Infrastrukturvorhaben zu finanzieren, als dauerhaft Sozialleistungen.

Durch die hohe Zahl der Insolvenzen in Brandenburg gibt es im

Vergleich zu den alten Ländern eine zu geringe Unternehmensdichte. Deshalb müssen in verstärktem Maße Anstrengungen bei Existenzgründungen unternommen werden, und zwar nicht punktuell, sondern flächendeckend, Herr Karney.

Bei den Bemühungen um die Ansiedlung von Industrie in Brandenburg ist auf eine verstärkte Verflechtung mit mittelständischen Unternehmen in der Region hinzuwirken. Ein isoliertes Silicon Valley wäre da nutzlos.

Alle Institutionen, die mit Orientierungs-, Arbeits- und Ausbildungsplätzen zu tun haben, müssen für potenzielle Abwanderer anschauliche Vergleichsrechnungen zu Lebenshaltungskosten, Mieten, kulturellen, schulischen und vorschulischen Angeboten bereithalten. Vor allem sollten sich aber die Mandatsträger dieses Hauses - unabhängig von ihrer politischen Couleur - als Lobby für Brandenburg verstehen und in entscheidenden Fragen zusammenarbeiten.

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schluss Ihres Beitrages.

Ich komme sofort zum Schluss. - Aber solange in diesem Land Postkommunisten, Blockflöten und Quertreiber die Geschicke der Politik bestimmen, werden auch unsere Jugendlichen weiterhin das Land verlassen, damit die alten Betonköpfe endlich wieder unter sich sind. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die Koalitionsfraktionen. Für sie spricht der Abgeordnete Klein.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beginne mit einer rhetorischen Frage, das heißt, ich möchte keine Antwort haben. Was haben wir in diesem Hohen Hause von einer Fraktion zu halten, die von „mitteldeutschen Unternehmen” spricht, wenn sie Brandenburger Betriebe meint?

(Beifall bei PDS und CDU)

Ich glaube, wir müssen einer solchen Fraktion die Kompetenz absprechen, sich an einer Diskussion zu beteiligen,

(Zuruf des Abgeordneten Schuldt [DVU])

in der es um die Lösung von politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen unserer Zeit geht. Sie schüren Sozialneid. Sie bringen Minderheiten in eine Rolle, in der sie Sündenböcke für all das sind, was in unserer Gesellschaft nicht so gelingt. Damit leisten Sie zu der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes, die uns am Herzen liegt, wahrlich keinen Beitrag.

Trotzdem möchte ich einiges zu Ihrer Großen Anfrage sagen, die die Landesregierung beantwortet hat. Normalerweise ist es ja so, dass man auf eine unqualifizierte Frage auch eine unqualifizierte Antwort bekommt. Da aber die Landesregierung aus höflichen Menschen besteht, hat sie sich auch bemüht, auf eine so unqualifizierte Große Anfrage trotzdem eine ordentliche Antwort zu geben.

Mit ihren Aussagen verdeutlicht die Landesregierung, dass sie sich der Auswirkungen von Beschäftigungs- und Bevölkerungsentwicklung wohl bewusst ist. Ein Beitrag zu einer sachgerechten Gestaltung der Rahmenbedingungen löst Informations- und Meinungsbildungsprozesse zur Thematik des Fachkräftebedarfes aus oder beteiligt sich an ihnen.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ja, bitte.

Bitte sehr, Frau Hesselbarth.

Herr Abgeordneter Klein, ist Ihnen bewusst, dass Sie eben das Ansehen Ihres eigenen Ministers geschädigt haben, denn ich habe nicht davon gesprochen, dass es unqualifizierte Antworten gegeben hat?

(Beifall bei der DVU)

Ist Ihnen aufgefallen, Frau Hesselbarth, dass ich auf Ihre unqualifizierte Rede hier überhaupt nicht reagiere, sondern einfach eine Rede halte?

Darüber hinaus wird die Problematik bei der Konzipierung von Fördermaßnahmen im Bereich der beruflichen Bildung und der Qualifizierung sowie der Existenzgründung berücksichtigt.

Abschließend möchte ich die Bedeutung von Toleranz und Weltoffenheit für die positive Entwicklung eines Wirtschaftsstandortes unterstreichen.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Um hier weiterhin positive Akzente setzen zu können, haben wir uns in den jüngsten Haushaltsberatungen dafür eingesetzt, dass das Land auch in Zukunft eine Grundfinanzierung für den seit 1992 angebotenen berufsbezogenen internationalen Jugendaustausch, an dem bereits über 5 000 Jugendliche und junge Erwachsene teilgenommen haben, zur Verfügung stellt. Im Fachausschuss wurde seitens des MASGF zugesagt, dass die für diesen Zweck erforderliche Summe in diesem Jahr im Bereich der Lottomittel reserviert werden wird. Diese positive Aussage scheint mir die richtige Schlussbemerkung zu diesem von Ihnen

beantragten Tagesordnungspunkt zu sein. - Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Dr. Schröder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein hohes Defizit an Arbeits- und Ausbildungsplätzen ist und bleibt der entscheidende Faktor, der die Abwanderung aus Brandenburg auslöst. Auch wenn die Bevölkerungsbilanz Brandenburgs auf den ersten Blick noch vergleichsweise gut aussieht, bleibt unverkennbar: In der Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen wird Brandenburg Jahr für Jahr von mehr Menschen verlassen, als zu uns kommen, während in anderen Altersgruppen per saldo und dank der Umzügler aus Berlin ins Umland die Bevölkerung noch wächst.

Mobilitätshilfen sind sicherlich nicht das ausschlaggebende Motiv für den Entschluss zur Abwanderung - dieser Einschätzung der Landesregierung kann ich zustimmen -, allerdings ist dann natürlich auch zu fragen, ob man auf sie nicht zugunsten anderer Förderinstrumente verzichten sollte. Ich meine ja; denn die Gelder wären vor Ort weit besser eingesetzt.

Ich habe bereits gestern in der Aktuellen Stunde zu den Lebensperspektiven Jugendlicher in Brandenburg auf den arbeitsmarktpolitischen Widerspruch zwischen dem Anreiz zur Abwanderung und dem prognostizierten Fachkräftemangel verwiesen. Auch hat meine Fraktion gestern darauf aufmerksam gemacht, dass wir das gegenwärtige Hauptproblem der Jugendarbeitslosigkeit an der zweiten Schwelle, also beim Übergang von der Ausbildung in ein erstes Beschäftigungsverhältnis, sehen. In diesem Bereich hat Brandenburg bisher nur außerordentlich bescheidene Aktivitäten entfaltet.

In der Antwort auf die Große Anfrage lässt die Landesregierung wissen, dass sie sich gegenüber den Arbeitsämtern dafür eingesetzt hat, die im Rahmen des Jugendsofortprogramms zur Verfügung stehenden Mittel möglichst effektiv an der zweiten Schwelle einzusetzen, dass sie aber eine weitergehende Landesinitiative gegenwärtig nicht als notwendig erachtet. Ich frage: Wann denn, wenn nicht jetzt, meine Damen und Herren?

Ich hoffe, dass die Landesregierung dieses Problem nicht bis zu dem Zeitpunkt des prognostizierten Fachkräftemangels aussitzen will. Zunächst wird sie nämlich an der aktuellen Arbeitslosenstatistik gemessen. Meine Fraktion hält die Zurückhaltung für falsch. Wir brauchen Initiativen, die über die derzeit bescheidenen Ansätze weit hinausgehen. Dass Sie unseren gestrigen Antrag auf Sofortmaßnahmen der Landesregierung an der zweiten Schwelle abgelehnt haben, das müssen Sie als Abgeordnete der Koalitionsparteien politisch verantworten und Sie müssen Ihre Politik der ruhigen Hand vor den jetzt Betroffenen rechtfertigen.

Wenigstens an ihren eigenen Ansprüchen sollte sich die Landesregierung endlich auch messen lassen, beispielsweise an der Aussage im Arbeitsmarktbericht 1999/2000, in dem es heißt:

„Eine präventive Arbeitsmarktpolitik hat heute schon dafür Sorge zu tragen, dass Strategien entwickelt und Maßnahmen initiiert werden, die geeignet sind, den erwarteten Facharbeitskräftebedarf in den brandenburgischen Unternehmen zu decken.”

Das schließt übrigens den Anspruch an die Unternehmen und Verbände ein, ihre Anforderungen zu bestimmen und zuallererst auch selbst Maßnahmen zur Realisierung dieser Anforderungen einzuleiten.

Der immer wieder diskutierte künftige Fachkräftemangel wird in etwa für das Jahr 2010 prognostiziert, aber selbst über den konkreten betrieblichen und branchenspezifischen Bedarf gibt es bisher auch nach Aussage des erwähnten Arbeitsmarktberichtes nur sehr vage Kenntnisse. Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, lässt sich präventive Arbeitsmarktpolitik sicherlich nicht gestalten. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Da die Landesregierung auf einen mündlichen Beitrag verzichtet hat, sind wir am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Damit ist die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 32 zur Kenntnis genommen.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 3 und rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Organisierte Kriminalität im Land Brandenburg