Protokoll der Sitzung vom 06.03.2002

Aber auch in Brandenburg gibt es natürlich diese Leuchttürme. Ich denke zum Beispiel an MTU mit 440 Arbeitsplätzen. Das Ziel ist, bis zum Jahr 2010 dort 1 000 Arbeitsplätze zu erreichen. Es gibt dort ein neues Entwicklungszentrum mit 70 Ingenieuren. Also auch der Bereich Forschung und Entwicklung hat dort einen wesentlichen Standort gefunden.

Bei DaimlerChrysler stehen 1 250 Arbeitsplätze in Rede; 1 Milliarde DM ist dort investiert worden. Wenn der Vaneo so funktioniert, wie wir das gemeinsam hoffen, werden dort, wie ich glaube, zukünftig 50 000 Fahrzeuge im Jahr gebaut werden. Das ist doch tatsächlich ein Erfolg für das Land Brandenburg, den wir erreichen konnten,

(Beifall des Abgeordneten Vogelsänger [SPD])

und zwar ohne große politische Diskussionen.

PCK Schwedt, der gesamte Standort Schwedt, auch mit der Papierindustrie, ist ein Beispiel dafür, wie es durch erhebliches Engagement der Landesregierung gelungen ist, industrielle

Kerne zu stabilisieren. Ich meine, auch das sollten wir nicht vergessen.

BASF Schwarzheide ist das nächste Beispiel. Dort konnte mit einer Investitionssumme von 2 Milliarden seit 1990 ein Potenzial mit 2 254 Mitarbeitern - im Übrigen sind 200 Azubis dabei erhalten und weiterentwickelt werden. Das ist ein ganz moderner Standort geworden. Auch dort war das Land mit den Möglichkeiten, die die Landesregierung und das Wirtschafsministerium haben, natürlich vertreten.

Nicht die Frage “Leuchtturm oder Mittelstand?” sollte hier diskutiert werden. Aber wir sollten die Diskussion zu der Frage führen: Wie weiter mit den Fördermitteln, die wir noch zur Verfügung haben? Ich denke insbesondere an die GA-Mittel. Diesbezüglich ist im Land der Eindruck entstanden, dass sich das Land Brandenburg nur noch um die Leuchttürme kümmert. Dieser Eindruck ist erst einmal falsch, er darf auch nicht so stehen bleiben; wir müssen ihm deutlich entgegenwirken. Er entsteht nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung aufgrund der Presseberichterstattung. Vielmehr stelle ich auch in den vielen Gesprächen, die ich führe, immer wieder fest, dass viele Unternehmen den Eindruck haben, sie würden langsam vergessen, weil sie zu klein seien. Das darf nicht sein, weil nämlich 90 bis 95 % der Unternehmen klein sind.

Insofern werden wir zukünftig auch darüber nachdenken müssen, was wir mit den GA-Mitteln, die zur Verfügung stehen, machen. Es kann und darf nicht passieren, dass wir, weil erfolgreich Großprojekte angesiedelt werden, kein Geld mehr für den Mittelstand haben. Wenn das zum Schluss herauskommt, haben wir etwas falsch gemacht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Deswegen werden wir im Land Brandenburg über Prioritäten nachdenken müssen. Für mich ist die Priorität relativ klar: Wir müssen die kleinen und mittleren Unternehmen so stark fördern, wie es verantwortbar und denkbar ist. Denn wenn es wirklich bezüglich der Großprojekte so erfolgreich läuft, wie wir es vielleicht gemeinsam hoffen, dann gibt es für uns eine Chance, dies außerhalb der GA zu realisieren, und zwar über § 9 des Haushaltsgesetzes. Dieser Paragraph steht seit Jahren in diesem Gesetz, ist aber nie angewandt worden. Für ein strukturbestimmendes Projekt - wir reden hier über strukturbestimmende Projekte - muss es damit möglich sein, eine Förderung auch außerhalb des GA-Rahmens zu realisieren. Das sollten wir wirklich prüfen; denn wir können es uns vermutlich auch nicht erlauben, dass im Land Brandenburg solche Leuchttürme nicht zustande kommen. Wir werden Wege finden müssen, auch diese strukturbestimmenden Projekte im Land Brandenburg zu ermöglichen.

Jetzt noch einmal zurück zur Chipfabrik. Was wird dort für uns außerhalb der jetzt geführten Diskussion wichtig sein? Wir werden eine Gleichbehandlung nach außen deutlich machen müssen. Wir müssen deutlich machen, dass auch ein solches Projekt gegenüber den anderen Projekten, die wir im Land haben, gleich behandelt wird. Denn ein bisschen besteht die Gefahr, einen Schneidereffekt zu bekommen nach dem Motto: Man muss nur groß genug sein, dann wird man auf Teufel komm raus unterstützt; wenn man kleiner ist, wird man nicht mehr wahrgenommen.

Dieser Eindruck darf nicht entstehen, deswegen Gleichbehandlung. Deswegen werden wir bestimmte Dinge, die wir bei anderen als Maßstab anlegen, auch in diesem Fall als Maßstab anzulegen haben, wenn es um die Entscheidung geht. Die Entscheidung steht noch nicht heute an. Jetzt ist ein Verhandlungsauftrag an die ILB vergeben worden. Aber die ILB wird mit einem Verhandlungsergebnis kommen und dann wird die Entscheidung darüber anstehen, wie man mit diesem Ergebnis umgeht. Dann wird zum Beispiel auch die Frage der Wahrscheinlichkeit der Abnahme der Produkte eine Rolle spielen müssen.

Darüber hinaus gibt es zwei Eckpunkte, die ich noch erwähnen möchte. Es muss natürlich für das IHP förderunschädlich sein. Das IHP muss mit seiner Struktur erhalten bleiben und darf nicht gefährdet werden. Wir müssen als Land auch sicher sein, dass wir nicht in Nachschussverpflichtungen geraten, denn diese könnten bei einer solch großen Investition im Prinzip sehr schnell nicht mehr handelbar sein. Wir müssen also klare Rahmenbedingungen haben, wie weit es geht. Weiter geht es dann nicht. Was wir jetzt möglich gemacht haben, ist schon außerordentlich weit gehend.

Insofern will ich in aller Deutlichkeit sagen, dass die SPD-Fraktion die vom Kabinett verabschiedeten Kriterien für eine Beteiligung insgesamt und ausdrücklich unterstützt. Wir halten sie für absolut notwendig und halten es für sachgerecht,

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

in den Verhandlungen seitens der ILB abzusichern, was an Forderungskatalogen formuliert worden ist. Wir kennen sie nicht alle, aber wir kennen die wesentlichen Eckpfeiler. Diese konnten Sie auch schon der Presse entnehmen. Offensichtlich kursieren diese Papiere auch ein Stück weit.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Dr. Enkelmann [PDS])

Aber ich glaube, es ist wichtig, dass auch die Landesregierung - und damit die ILB - weiß, dass die Politik hinter diesen Rahmenbedingungen steht, die mit den Kriterien aufgestellt worden sind.

So weit aus der Sicht der SPD-Fraktion das, was meinen Teil angeht. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Müller. - Bevor ich Frau Hesselbarth für die Fraktion der DVU das Wort erteile, möchte ich wieder Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Gäste von der BBZ Wittenberge. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Bitte schön, Frau Hesselbarth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihr Wort in Gottes Ohr, Herr Müller, aber es war bisher so: Man kann für das Land

lebensnotwendige Projekte auch totreden. Man kann sie so schlechtreden, dass zum Schluss nichts mehr von ihnen übrig bleibt. Diesen Vorwurf müssen Sie, meine Damen und Herren von SPD und CDU und auch von der PDS, sich einfach gefallen lassen.

(Zuruf des Abgeordneten Bartsch [CDU])

Manchmal ist Reden eben Silber und Schweigen Gold.

(Frau Osten [PDS]: Dann schweigen Sie doch! - Heiter- keit)

- Nein, das ist nicht in meinem Sinne, Frau Tack.

(Lachen bei der PDS)

Scheitert das Projekt, gibt es noch mehr enttäuschte Menschen und eine weitere Investruine.

Zunächst zur Koalition. Es war schon ein starkes Stück, was sich Herr Kollege Bischoff am Donnerstag letzter Woche im Finanzausschuss geleistet hat. Hier geben wir der PDS-Fraktion ausnahmsweise durchaus Recht.

(Zuruf von der PDS: Nein, bitte nicht!)

Obwohl Herr Minister Dr. Fürniß mit einem großen Stab seines Hauses zur Finanzausschusssitzung erschienen war, beantragte Herr Kollege Bischoff in seiner bekannten Aussitzer- und Abwieglermentalität im Namen der Koalitionsfraktionen die Absetzung des Berichtes von der Tagesordnung. Dies, meine Damen und Herren von SPD und CDU, war nicht nur ein Affront gegenüber den gewählten Abgeordneten dieses Parlaments, sondern auch äußerst kontraproduktiv im Hinblick auf das Projekt Chipfabrik.

(Zuruf von der SPD: Demokratisch abgestimmt!)

Noch kontraproduktiver war allerdings das von Ihnen, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, aufgeführte Theater hinsichtlich der beantragten Sondersitzung. Wir können nur froh sein, dass es keine Sondersendung gibt.

Im Übrigen stimmt auch die Darstellung Ihres Leib- und Magenblattes “Neues Deutschland” vom 01.03.2002

(Zuruf von der PDS)

mit der Behauptung, die Berichterstattung der Landesregierung zur Chipfabrik im Haushalts- und Finanzausschuss sei bereits sechsmal verschoben worden, hinten und vorne nicht. Der Minister berichtete während der vorletzten Ausschusssitzung am 31. Januar zu diesem Thema. Frau Osten hat dies eben bestätigt.

Wenn man sich also dieses ganze Gezerre um die Chipfabrik einschließlich der Verzögerungstaktik von Teilen der SPD-Fraktion im Hinblick auf die Umwandlung der Landesbürgschaft von 38 Millionen Euro in eine Beteiligung des Landes an diesem Gesamtprojekt ansieht, könnte einem wirklich angst und bange werden.

Meine Damen und Herren, die Zeit drängt. Am 9. März sollen

die Verträge mit dem Hauptinvestor Dubai in Potsdam unterschrieben werden. Die Voraussetzungen hierfür kennen wir. Ein Verhandlungsauftrag an die ILB, wie er gestern erteilt wurde, reicht nicht aus; vielmehr muss das Geld endlich fließen.

Ist Ihnen, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, nicht geläufig, dass die anderen Anteilseigner ihre Anteile nur zeitgleich mit dem Land einzahlen werden? Wie lange wollen Sie eigentlich noch warten?

(Zuruf von der SPD: Das ist eine ganz neue Diskussion!)

Als Vertreterin der DVU-Fraktion fordere ich Sie, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank und von den Koalitionsfraktionen, auf: Handeln Sie endlich, bevor die Privatinvestoren abspringen.

Der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft verlangte in einer Pressemitteilung vom 23.02.2002 eine klare und eindeutige Entscheidung für die Chipfabrik in Frankfurt (Oder). Sein Hauptgeschäftsführer Dieter Kapell erklärte wörtlich:

“Die ständigen Verschiebungen von Entscheidungen sind die Mitglieder leid. Die immer wieder zu vernehmenden Querschüsse sind Schläge in das Gesicht derjenigen, die noch Optimismus besitzen und eine Aufbruchstimmung in der Region Frankfurt (Oder) mit der Großinvestition erwarten. Wir verlangen jetzt Führungsstärke und Entscheidungskraft für Brandenburg und für die Chipfabrik.”

Dem haben wir als DVU-Fraktion nichts hinzuzufügen. Also handeln Sie endlich. Lassen Sie vor allem die Träume der Brandenburger wahr werden, dass Arbeitsplätze entstehen. Aber passen Sie beim Wohnungsabriss auf, denn die Wohnungen für die Menschen werden wahrscheinlich noch gebraucht. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU - Lachen bei der SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth. - Ich erteile Herrn Abgeordneten Bartsch für die Fraktion der CDU das Wort.