Protokoll der Sitzung vom 31.12.2000

Herr Minister Schönbohm, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht, im Folgenden von mir LDA genannt, gibt jährlich seinen Bericht heraus. Das ist eine Gelegenheit, ihm und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Arbeit zu danken, die sie geleistet haben.

Wenn wir einmal unterschiedlicher Meinung sind, hängt das auch mit den unterschiedlichen Aufgaben zusammen. Unterschiedliche Auffassungen sollte man aber nicht überhöhen. Die Zusammenarbeit zwischen uns und dem Landesbeauftragten ist vertrauensvoll, offen und vor allem ist es so: Wir treten frühzeitig in einen Dialog ein, bevor wichtige Entscheidungen fallen oder wichtige Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht werden. Das muss man einfach wissen. Wenn es so wäre, dass es keinen Bereich mehr gäbe, Herr Dr. Dix, bei dem wir unterschiedlicher Meinung sind, wäre ich Datenschutzbeauftragter und wir hätten keinen Innenminister, oder umgekehrt. Von daher wird immer ein gewisses Spannungsverhältnis bestehen zwischen dem Landesbeauftragten und dem Innenminister. Das ist nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Bereichen so. Aber wir können damit umgehen und ich meine, wir gehen verantwortungsvoll damit um.

Heute soll der Bericht für das Jahr 2000 abschließend beraten werden, obwohl bereits der Tätigkeitsbericht für das Jahr 2001 vorliegt. Dieser späte Zeitpunkt ist vor allem den Ereignissen

vom 11. September 2001 geschuldet; denn diese Ereignisse haben neue Herausforderungen an die Verwaltung gestellt, die auch datenschutzrechtlich begleitet werden mussten. Dazu hat der LDA in seinem Bericht für das Jahr 2001 Stellung genommen.

In seinem Bericht für das Jahr 2000 macht er Ausführungen zur allgemeinen Entwicklung des Datenschutzes sowie zu datenschutzrechtlichen Einzelfällen in der Verwaltung des Landes. Im Weiteren legt er seine Erfahrungen mit dem Akteneinsichtsrecht dar.

Im Berichtszeitraum konnten vom LDA keine groben Verstöße gegen die Bestimmungen des Datenschutzrechts festgestellt werden und darüber freue ich mich. Dies zeigt, dass es uns im Interesse der Bürgerinnen und Bürger gelungen ist, bei den Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung das Verständnis für die Belange des Datenschutzes weiter zu stärken.

Der Bericht wurde in verschiedenen Sitzungen des Innenausschusses diskutiert. Als Ergebnis dieser Sitzungen des Innenausschusses wurde eine Beschlussempfehlung formuliert, die unter anderem die Aufforderung an die Landesregierung enthält, dem Landtag bis zum 31. August 2002 einen Entwurf zur Änderung des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes vorzulegen. Dieser Aufforderung wird die Landesregierung unter Beachtung der in der Beschlussempfehlung festgelegten Maßgaben nachkommen.

Die Beschlussempfehlung enthält die Bitte des LDA, vor der Abgabe von Stellungnahmen zu Vorgängen in der Landesregierung dem betreffenden Mitglied der Landesregierung die Möglichkeit einzuräumen, eine Stellungnahme abzugeben. Gleichermaßen wird die Landesregierung den LDA vor dem Erlass von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, soweit sie die Verarbeitung von personenbezogenen Daten betreffen, beteiligen.

Zusammen mit der Stellungnahme hat das Ministerium des Innern als Aufsichtsbehörde nach § 38 Bundesdatenschutzgesetz dem Landtag ebenfalls einen Tätigkeitsbericht vorzulegen. Dieser Bericht liegt in der Landtagsdrucksache 3/2985 vor. Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herr Dr. Dix hatte sich in einem Brief mit einem Ansinnen an das Präsidium gewandt. Dieser Text hat etwas Stirnrunzeln erzeugt. Aber mit dem ausdrücklichen Hinweis von Frau KaiserNicht, doch noch einmal einige thematische Akzente zu setzen, die sich auf den Datenschutz im Landtag und auf die kommunale Sicht beziehen, erteile ich eigens zu diesem Zweck dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht das Wort. Bitte sehr, Herr Dr. Dix. Sie haben fünf Minuten Zeit, um das darzulegen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst bedanke ich mich für die freundlichen Worte, die aus Ihren Reihen gerade gefallen sind. Diese werde ich selbstver

ständlich auch an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitergeben.

Zu Ihren Fragen, Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht, ist Folgendes zu bemerken: Der Landesbeauftragte hatte in seinem Tätigkeitsbericht empfohlen - und schon vorher dem Ministerium des Innern eine entsprechende Empfehlung gegeben -, das Kommunalverfassungsrecht des Landes Brandenburg so zu prüfen, dass dessen Regelungen datenschutzrechtlich gewissermaßen angereichert werden, dass die notwendigen datenschutzrechtlichen Ergänzungen dort bereichsspezifisch vorgenommen werden. Der Staatssekretär im Ministerium des Innern hat während der Beratungen im Innenausschuss zugesichert, dass diese Empfehlung des Landesbeauftragten aufgegriffen wird und mit der Überprüfung der Bestimmungen des Kommunalverfassungsrechts bereits begonnen wurde. Ich gehe deshalb davon aus, dass uns in absehbarer Zeit ein entsprechender Entwurf zur Ergänzung des Kommunalverfassungsrechts zur Stellungnahme hoffentlich binnen angemessener Frist - zugeleitet wird.

Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich meine Empfehlung nachdrücklich erneuern, dass dieser Landtag unter Berücksichtigung seiner verfassungsrechtlichen Stellung und der Grundsätze des Datenschutzgesetzes eine Datenschutzordnung erlässt, die einen gleichwertigen Datenschutz im parlamentarischen Raum gewährleisten würde. Zehn Jahre nach dem In-Kraft-Treten des ersten Brandenburgischen Datenschutzgesetzes würde damit ein Auftrag erfüllt, den der Landtag bei Verabschiedung des Datenschutzgesetzes sich selbst erteilt hat. Ein solcher Schritt würde darüber hinaus auch die Stellung des Parlaments gegenüber der Landesregierung stärken, die eine Übermittlung von personenbezogenen Daten an den Landtag nicht mehr unter Hinweis auf dort fehlende Datenschutzvorkehrungen verweigern könnte. Natürlich wäre die Überprüfung der Einhaltung einer solchen Datenschutzordnung nicht Aufgabe des Landesbeauftragten, sondern die eines eigenen parlamentarischen Gremiums.

Lassen Sie mich abschließend noch eine Bemerkung zu dem dritten Punkt der Beschlussempfehlung machen, der mehrfach angesprochen worden ist. Dieser Punkt ist in der Beschlussvorlage, die Ihnen vorliegt, satztechnisch ebenfalls eingeordnet unter der Überschrift: „Die Landesregierung wird aufgefordert...”

Ich habe schon im Ausschuss darauf hingewiesen, dass die Landesregierung nicht dazu aufgefordert werden kann, den vom Landtag gewählten unabhängigen Landesbeauftragten zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen. Ich gehe allerdings davon aus, dass die Beschlussvorlage in diesem Punkt nur einen satztechnischen Fehler enthält.

Zu der an mich als Landesbeauftragten gerichteten Bitte als solcher möchte ich allerdings Folgendes bemerken: Ich habe durchaus Verständnis für diese Bitte. Wenn ich oder meine Mitarbeiter auf angebliche Missstände in meinem Aufgabengebiet hingewiesen werden, für die die Landesregierung oder eines ihrer Mitglieder verantwortlich wäre, so gibt der Landesbeauftragte der Landesregierung in aller Regel Gelegenheit zur Stellungnahme, bevor er sich zu diesem Vorfall öffentlich äußert. Es kann jedoch auch Situationen geben, die der unabhängige Landesbeauftragte für Datenschutz und Akteneinsicht öffentlich bewerten muss, bevor eine Stellungnahme der Landesregierung vorliegt. Dies werden regelmäßig Ausnahmesituationen

sein, insbesondere bei eindeutiger Sachlage. Ein Landesbeauftragter, der auch in solchen Situationen die Antwort auf Fragen der Öffentlichkeit ablehnen würde, bevor sich die Landesregierung geäußert hat, würde seiner Aufgabe als unabhängige Kontrollinstanz nicht gerecht. - Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS und vereinzelt bei der CDU)

Herr Dr. Dix, ich möchte Ihnen zu Ihrer letzten Bemerkung doch noch einmal in Erinnerung rufen, dass es im ersten Punkt der Beschlussempfehlung heißt, dass die Landesregierung aufgefordert wird, dafür Sorge zu tragen, dass Sie anzuhören seien - dem ist nicht zu widersprechen -; im zweiten Punkt, Ihnen Gelegenheit zu geben, in genügend langer Zeit dazu Stellung zu nehmen - auch dies ist nicht zu beanstanden. Insofern ist auch das Parlament in Bezug auf die Stellung des unabhängigen Landesbeauftragten gegenüber Regierung und Parlament in keiner Weise zu kritisieren.

Dies wollte ich noch einmal zu bedenken geben, weil es ausdrücklich zu diesen beiden Punkten, die hier von den Abgeordneten angefordert sind, eine Stellungnahme des Landesbeauftragten gab. Der andere Teil liegt schriftlich vor und ist geklärt.

Wir sind am Ende der Rednerliste und kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Innenausschusses in Drucksache 3/4031 folgen möchte, möge die Hand aufheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist die Beschlussempfehlung einstimmig angenommen.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 3 und rufe den Tageordnungspunkt 4 auf:

„Brandenburg als lebendiges Glied der Bundesrepublik Deutschland... in der Einen Welt” - zur Politik der Landesregierung auf dem Gebiet der (staatlichen und nichtstaatlichen) Entwicklungszusammenarbeit

Große Anfrage 36 der Fraktion der PDS

Drucksache 3/3557

Antwort der Landesregierung

Drucksache 3/3878

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der fragenden Fraktion. Frau Abgeordnete Wolff, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind nicht nur die fragende Fraktion, sondern auch jene, die schon die Antworten bekommen hat.

Es ist häufig geübte Praxis meiner Fraktion, von der Landesregierung mittels Großer Anfragen die Evaluierung der Umsetzung gesetzlicher Bestimmungen einzufordern. Heute steht also die Entwicklungszusammenarbeit auf der Tagesordnung.

In der Landesverfassung ist zu lesen, dass sich die Brandenburger ihre Verfassung in freier Entscheidung gegeben haben,

„... im Geiste der Traditionen von Recht, Toleranz und Solidarität in der Mark Brandenburg,... von dem Willen beseelt, die Würde... des Menschen zu sichern, das Gemeinschaftsleben in sozialer Gerechtigkeit zu ordnen, das Wohl aller zu fördern, Natur und Umwelt zu bewahren und zu schützen, und entschlossen, das Bundesland Brandenburg als lebendiges Glied der Bundesrepublik Deutschland in einem sich einigenden Europa und in der Einen Welt zu gestalten.”

Wie steht es um unsere Entwicklungspolitik zehn Jahre nach InKraft-Treten unserer Landesverfassung, gemessen am Maßstab eben dieser? Da ist zum einen nicht zu verkennen, dass einige Ministerien durchaus eine anerkennenswerte Arbeit leisteten und leisten.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Ich denke da an die Aussagen zur Großen Anfrage für den Bereich des MBJS, etwa zum entwicklungspolitischen Lernen, zu Schüler- und Jugendaustauschen, zur Lehrerfortbildung und zum Lehreraustausch oder auch zur Finanzierung von Ausrüstungsgütern für Projekte in Entwicklungsländern. Oder ich denke an das Landwirtschaftsministerium und seine nachgeordneten Einrichtungen. Molkereien in China wurden gebaut. Die Produktion von Milchprodukten in der KDVR, im Iran, in China, Sri Lanka und Ägypten wurde unterstützt. Fachkräfte wurden mit ausgebildet. In Forschungskooperation mit China wurde zur Restaurierung eines Stausees beigetragen.

Wenn ich hier nicht mehr nennen kann, liegt das nicht nur am begrenzten Zeitvolumen, sondern auch an der Oberflächlichkeit der Beantwortung einiger Fragen durch einzelne Ressorts. Manchen Antworten merkt man schon an, wie genervt Mitarbeiter und vielleicht selbst Minister von diesem normalen Arbeitsauftrag waren. Ich hätte mir durchaus vorstellen können, dass die Antworten aus dem Wirtschaftsministerium konkreter ausfallen. Gleiches trifft für das MSWV zu.

Außerdem bleibt festzustellen, dass die Regierung manches als Arbeitsprodukt der Ministerien verkauft, was doch wohl nur einen indirekten Bezug zu einer kohärenten Entwicklungspolitik hat. Wenn etwa Spezialisten aus einem Entwicklungsland in Deutschland Erfahrungen sammeln und dann auch in Brandenburg einige Stunden Gespräche führen, dann ist das doch wohl nicht immer - vielleicht sogar in den seltensten Fällen - Ergebnis einer zielgerichteten entwicklungspolitischen Orientierung innerhalb der Landesregierung.

Inwieweit muttersprachlicher Unterricht für Flüchtlingskinder in Brandenburg unter Entwicklungshilfe einzuordnen ist oder es sich dabei nicht um ganz normale Bildungsaufgaben des Landes gegenüber hier lebenden Ausländerinnen und Ausländern handelt, bleibt zunächst strittig. Gleiches trifft auf die wissenschaftlichen Kontakte der Universitäten und Hochschulen mit Entwicklungsländern zu.

Die Aufzählung solcher Beispiele könnte ich fortsetzen. Sie alle belegen für meine Fraktion, dass hinter den konkreten Maßnahmen, so wichtig sie im Einzelfall auch sind, kein Gesamtkonzept steht. Selbst die Leitlinien mit ihren von CDU und PDS 1999 kritisierten Schwächen werden durch die große Koalition nicht als solch eine Arbeitsgrundlage angenommen.

Auch wenn die Landesregierung nicht müde wird, das Gegenteil zu behaupten, sagen wir: Entwicklungspolitik wird nicht als Querschnittsaufgabe der Brandenburger Landesregierung betrachtet. Es gibt keine Kohärenz in Sachen Entwicklungspolitik. Denn das bedeutet mehr, als dass die einzelnen Bereiche etwas auf diesem Gebiet tun. Ich empfehle der Landesregierung, diesbezüglich noch einmal in Materialien der beiden entwicklungspolitischen Konferenzen oder auch der Agendakonferenz 1999 nachzulesen.

Ich will auch auf jene Seite der Brandenburger Entwicklungspolitik zu sprechen kommen, der der Landtag auf Vorschlag der Landesregierung im Dezember des vergangenen Jahres weitgehend das Wasser abgegraben hat; ich möchte einiges zu den entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen sagen. Das, was die über 200 entwicklungspolitisch engagierten Gruppen, Initiativen, Eine-Welt-Läden, Unternehmen und Institutionen in den letzten zwölf Jahren geleistet haben, ist aller Anerkennung wert. Frau Stobrawa hat dies am 12. Dezember des vergangenen Jahres bereits zum Ausdruck gebracht.

Lese ich aber die Antworten auf unsere Große Anfrage, dann habe ich erhebliche Zweifel, ob diese Regierung, die das Ehrenamt angeblich so hoch hält, es nicht vor allem als Einsparpotenzial für die eigene Haushaltskasse versteht. Wäre es anders, würde sie wahrscheinlich nicht so leichtfertig mit den Folgen der Mittelkürzung umgehen, welche sind: Auflösungserscheinungen bei den Nichtregierungsorganisationen sind greifbar und werden sich in den kommenden Monaten verstärken. Besonders schmerzlich ist das Wegbrechen solcher Projekte, die eine hoch qualifizierte Arbeit in der Dritten Welt mit in den Entwicklungsländern hoch geschätzten Effekten geleistet haben, zum Beispiel die Äthiopienhilfe Frankfurt (Oder).

Weggebrochen ist das Indien-Projekt des „Bruchbude e. V. Milmersdorf” und des Bildungsvereins Märkische Heimvolkshochschule e. V. Helenenaue. Fast alle kommunalen Partnerschaftsprojekte befinden sich in einer ernst zu nehmenden Existenzkrise.

Das entwicklungspolitische Plakat

(Die Rednerin hält ein Plakat hoch.)

- jetzt kommt es also; Herr Petke, das ist für Sie, weil Sie fragten, was ich dabei habe -, das Brandenburg zur Bundesausstellung erst nach externem Druck fertigte, spricht bezüglich der Wertschätzung der in Brandenburg beheimateten Nichtregierungsorganisationen Bände. Der „Solidaritätsdienst International e. V.”, dessen Projektarbeit auf dem Plakat abgebildet ist, leistet zwar unbestritten eine anerkannte Arbeit, aber sein Sitz befindet sich in Berlin. Hatte das Ministerium auf die Schnelle nur kein anderes Foto?

Der Grundaussage zu Frage 11.6 unserer Großen Anfrage ist zuzustimmen. Natürlich wird in der Regel nicht der Fortbestand einer Gruppe gefördert, sondern ein konkretes Projekt. Aber oh