Protokoll der Sitzung vom 26.06.2002

Minister und Ministerpräsidenten sind erst im Amt, wenn sie den Eid vor dem Landtag geleistet haben. Der Artikel 88 unserer Landesverfassung sagt:

„Der Ministerpräsident und die Minister der Landesregierung leisten vor Übernahme der Geschäfte vor dem Landtag folgenden Eid:”

Ich bitte Sie nun, den Eid zu leisten.

Herr Platzeck:

Ich schwöre, dass ich meine ganze Kraft dem Wohle der Menschen des Landes Brandenburg widmen, ihren Nutzen mehren, Schaden von ihnen wenden, das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können unparteiisch verwalten, Verfassung und Gesetz wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen Jedermann üben werde, so wahr mir Gott helfe.

Herr Ministerpräsident, ich wünsche Ihnen viel Glück, eine glückliche Hand und gute Entscheidungen für die Brandenburgerinnen und Brandenburger und ich wünsche mir eine gute Zusammenarbeit zwischen Landesregierung und Parlament. Alles Gute!

(Starker Beifall bei SPD, CDU und PDS)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe auch jetzt nach dem Eid von dem, was ich gesagt habe, nichts zurückzunehmen. Aber ich werde an diesem Tag nicht von diesem Pult gehen, ohne - und das kommt aus tiefstem Herzen - meinem Vorgänger Manfred Stolpe Danke zu sagen für den großen Anteil, den er an der Neugründung und dem Aufbau unseres Landes hat. Es ist gesagt worden, Manfred Stolpe hinterlässt große Schuhe für seinen Nachfolger. Ich weiß seit wenigen Tagen, welche Rolle Schuhgrößen und Schuhe im Leben spielen können - aus anderem Grunde -, aber ich scheue mich überhaupt nicht zu sagen: Ja, so ist es. Mein Vorgänger Manfred Stolpe hinterlässt nicht nur große Schuhe, sondern sein

Nachfolger zu sein ist die Herausforderung an sich. Ich werde mich bemühen, ihr gerecht zu werden. - Danke schön.

(Starker Beifall bei SPD, CDU und PDS - Ministerprä- sident Platzeck werden Glückwünsche ausgesprochen sowie Blumen und Geschenke überreicht.)

Meine Herrschaften, ich bitte Sie, wieder Platz zu nehmen, wir haben noch zu arbeiten.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

2. Lesung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Schulgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/4148

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport

Drucksache 3/4498 einschließlich Neudruck des Korrekturblattes

Des Weiteren liegt dazu der Entschließungsantrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/4550 - vor.

Der Änderungsantrag zum Dritten Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Schulgesetzes - Drucksache 3/4525 - wurde durch den Antragsteller zurückgezogen.

(Unruhe im Saal - Glocke des Präsidenten)

Ich möchte die Nichtparlamentarier bitten, sich zu setzen oder den Saal zu verlassen.

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Frau Abgeordnete Siebke, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden heute erneut über eine Schulgesetzänderung entscheiden. Auf der Grundlage des Vergleichsvorschlags des Bundesverfassungsgerichts zur Regelung des Status des Religionsunterrichts in Brandenburger Schulen haben wir in den letzten Wochen den Gesetzentwurf der Landesregierung in den verschiedensten Gremien intensiv diskutiert und beraten.

Es wird nicht wirklich erstaunen, wenn ich an diesem Punkt feststelle, dass dieser Prozess für alle Beteiligten nicht einfach war; differierten die Meinungen der Fraktionen an verschiedenen Stellen doch recht stark.

Hilfreich für uns in diesem Prozess war, dass sich die Landesregierung bei der Erarbeitung der Gesetzesnovelle eng an den Vorschlag des Bundesverfassungsgerichts angelehnt hat. Auf

dieser Grundlage konnte insbesondere in den Koalitionsfraktionen ein Kompromiss erarbeitet werden, wobei wir meinen, dass sich die direkt und indirekt beteiligten Prozessparteien in diesem nun vorliegenden Gesetzentwurf mit ihren Ansichten wiederfinden können.

Der Gesetzentwurf ist ausgewogen und vernünftig. Er enthält Verbesserungen für den Religionsunterricht und er bestätigt - was für die SPD-Fraktion entscheidend ist - das integrative Unterrichtsfach Lebensgestaltung - Ethik - Religionskunde als reguläres, ordentliches Schulfach an Brandenburger Schulen.

Ich gehe davon aus, dass aufgrund der Haltung des Bundesverfassungsgerichts die Angriffe gegen das Fach LER beendet sein werden. Es gilt nun, alle Anstrengungen zu unternehmen, LER zeitnah in allen Brandenburger Schulen einzuführen.

Der Religionsunterricht bleibt in Verantwortung der Kirchen ein zusätzliches Angebot. Bisherige vertragliche Regelungen zum Religionsunterricht werden nunmehr gesetzlich fixiert sowie die Einordnung in den Stundenplan verbessert.

Auch die Stellung der Lehrkräfte im Religionsunterricht wurde gestärkt und die Möglichkeit der Benotung festgeschrieben.

Großzügige untergesetzliche Regelungen hinsichtlich der Bildung von Gruppen und deren Finanzierung bilden belastbare Grundlagen für die Kirchen und Religionsgemeinschaften, einen erfolgreichen Religionsunterricht anbieten zu können.

Die weiterhin enthaltene, nun allerdings eingeschränkte Abmeldemöglichkeit von dem ordentlichen Unterrichtsfach LER bleibt für uns ein schwerer Schritt, den wir für den Kompromiss aber getan haben.

Vom Bundesverfassungsgericht ist es ausdrücklich gewollt, dass Schülern und Schülerinnen die Möglichkeit eröffnet wird, an beiden Unterrichtsfächern teilzunehmen.

Die Abmeldung vom LER-Unterricht bedarf weiterhin eines aktiven Handelns. Die Teilnahme am Religionsunterricht allein genügt weiterhin nicht.

Dem Wunsch der Kirchen - neben der Entscheidung, ob im Religionsunterricht zensiert wird -, auch entscheiden zu können, ob die Zensur auf dem Zeugnis erscheinen soll, sind wir entgegengekommen. Es ist logisch und sollte Sache der Kirche sein, sich mit den Eltern zu einigen, wie in ihrem Unterrichtsangebot mit Zensuren verfahren werden soll. Da Religionsunterricht aber auch künftig in Brandenburg kein staatliches Unterrichtsfach sein wird, können diese Noten nicht versetzungs- und abschlussrelevant sein. Dies muss dem in staatlicher Verantwortung erteilten Unterricht vorbehalten bleiben.

Für das Zustandekommen dieser Gesetzesnovelle mussten wir uns alle bewegen. Wir mussten uns in Richtung eines vertretbaren Kompromisses bewegen. Die SPD-Fraktion hat das Ihrige getan. Sie hat es vor allem auch aus der Überzeugung heraus getan, dass damit der Streit beendet sein wird und eine dauerhafte Rechtssicherheit für LER und Religionsunterricht an Brandenburger Schulen geschaffen wird. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Große.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Bevor ich zur Gesetzesänderung Stellung nehme, gestatten Sie mir einige Vorbemerkungen. Da ich erst seit Beginn des letzten Jahres diesem Hohen Haus angehöre, ist mein Erfahrungsschatz mit derartigen Gesetzesänderungen noch nicht allzu groß.

Was sich allerdings in der vergangenen Woche im Bildungsausschuss abgespielt hat, kann wohl kaum Normalität des parlamentarischen Umgangs miteinander sein. Abgesehen davon, dass Einreichungsfristen offensichtlich nur für die Opposition gelten, vonseiten der Koalitionsfraktionen erst zu Beginn der Sitzung Änderungsanträge vorgelegt werden konnten, diese dann auch noch verändert werden mussten, war der zwischen ihnen bestehende Dissens oder, genauer gesagt, die Unkenntnis der SPD-Abgeordneten über Teile dieses Antrages kaum übersehbar.

(Beifall bei der PDS)

Unter einem solchen Vorgehen leidet nicht nur die Ausschussarbeit, sondern es fällt auch schwer, eine solche Kalamität nicht als Zeichen für den Zustand dieser Koalition zu werten.

(Beifall bei der PDS)

Doch nun zu den eigentlichen Sachfragen. Die PDS-Fraktion kann der von der Koalition vorgeschlagenen Gesetzesänderung nicht zustimmen. Unsere Argumente, die wir in der 1. Lesung vorgebracht haben, sind durch den inzwischen geführten Diskussionsprozess nicht entkräftet worden. Im Gegenteil: Sie sind vor allem durch die Anhörung im Bildungsausschuss bestätigt worden. Die Anhörung hat verdeutlicht, dass das Ziel der Klageführer bei allen Nuancen im Detail letztendlich darin besteht, den konfessionellen Religionsunterricht dem ordentlichen Lehrfach LER gleichzustellen. Eine solche Gleichstellung konnte vor dem Bundesverfassungsgericht, das LER als ordentliches Lehrfach in Brandenburg und als grundgesetzkonform und Religionsunterricht lediglich als nichtstaatliches zusätzliches Angebot bestätigt hat, nicht erreicht werden. Sie ist zwar auch im vorliegenden Gesetzentwurf nicht vorgesehen, dennoch sieht er aus unserer Sicht eine nicht vertretbare Aufwertung des nichtstaatlichen Religionsunterrichtes vor.

Die vorgesehene Gesetzesänderung macht nur dann einen Sinn, wenn sie die Rechtssicherheit für alle Beteiligten erhöht und den Rechtsfrieden im Land sichert. Von daher sollten rechtliche Grauzonen und Verordnungsspielräume so weit es geht ausgeschlossen werden.

Doch gerade in dieser Hinsicht versagt der vorliegende Entwurf. Es gehört meist zu den Wesensmerkmalen von Kompromissen - gerade bei diesem taten sich, wie wir wissen, die Koalitionsfraktionen sehr schwer -, dass Hintertüren offen gelassen werden, die dann jede Seite für sich zu nutzen sucht oder in ihrem Sinne interpretieren kann.

Solche Hintertüren oder Grauzonen bestehen unserer Meinung nach in Folgendem: Noten in einem nichtstaatlichen Angebot, auch wenn sie auf staatlichen Zeugnissen erscheinen, dürfen keinerlei Relevanz für die Versetzung sowie den Erwerb von Abschlüssen und Berechtigungen haben. Das heißt, der Gesetzgeber muss explizit ausschließen, dass im nichtstaatlichen Unterricht erteilte Noten für den Erwerb von Abschlüssen und Berechtigungen relevant sind.

Es kann nicht angehen, ein solch gravierendes Problem auf dem Wege einer Verordnung regeln zu wollen, selbst wenn das InKraft-Treten einer solchen auf die nächste Legislaturperiode verschoben werden soll. Eine Abmeldemöglichkeit von einem ordentlichen Lehrfach zugunsten eines nichtstaatlichen Angebotes wäre nach juristischem Sachverstand ein gravierender Verstoß gegen die staatliche Schulhoheit nach Artikel 7 Abs. 1 Grundgesetz.

Die Absicht der Landesregierung, die Abmeldemöglichkeit von LER nun gesetzlich dauerhaft festzuschreiben, ist auch deshalb als besonders kritikwürdig anzusehen, weil dies eine versteckte Entscheidung in Richtung Wahlpflichtbereich wäre.

Die flächendeckende Einführung des Faches LER wie auch die Ausbildung von LER-Lehrern erfolgte in den letzten Jahren mit dem Verweis auf die ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes mehr als halbherzig. Eine rechtlich abgesicherte Entwicklungsperspektive für das ordentliche Lehrfach LER - das ist unsere Hauptkritik an dem vorliegenden Gesetzentwurf - wäre spätestens jetzt fällig. Doch die Landesregierung entzieht sich jeder Verpflichtung zur weiteren zügigen Einführung von LER, indem sie den dafür vorgesehenen Paragraphen ersatzlos streicht.

Diese Grauzonen haben zur Folge, dass der Kompromiss, wie Frau Blechinger betonte, lediglich als eine Übergangslösung angesehen wird. Nach Herrn Fritsch hat die Landesregierung damit ihre Hausaufgaben gemacht. Sicher, was die Beendigung des laufenden Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht angeht, mag er Recht haben. Das Ende des Streits insgesamt ist damit aber wohl in weite Ferne gerückt.