Protokoll der Sitzung vom 27.06.2002

Herr Minister Ziel, das ist doch kein Konz.ept. Es fehlen jegliche Vorgaben für eine ergebnisorientierte Umsetzbarkeit. Wirklichkeit, Wunsch und Wille klaffen hier auseinander.

Natürlich haben wir in Deutschland - auch in Brandenburg erhebliche lntegrationsdefizite festzustellen. Hier besteht insbesondere Handlungs- und kein Diskussionsbedarf. Auch der Diskussion hierüber werden wir uns im Ausschuss nicht verschließen,

Bei der Erstellung entsprechender Konzepte werden wir uns allerdings von folgenden Grundgedanken leiten lassen:

Erstens: Deutschland ist kein Einwanderungsland. Deutschlands innerer Zusammenhalt und sozialer Frieden ist das Ergebnis nationalen Wertekonsenses. Dieser hat sich über Jahrhunderte hinweg entwickelt und seine Vollendung im Grundgesetz gefunden.

Zweitens: Deutschland hatte immer Zuwanderungen zu verzeichnen. Das wird auch in Zukunft so sein. Aber das darf nicht zu einer Verschiebung des Wertekonsenses unseres Landes führen. Dic Verfasstheit Deutschlands als freiheitlicher. demokratischer und sozialer Rechtsstaat darf hierdurch nicht beeinträchti gt werden.

Drittens: Zuwanderung und Integration müssen mit diesen Interessen in Einklang gebracht werden.

Zudem bewegen Sie sich auf unsicheren Tatsachengrundlagen. Folgendes ist hiermit auch nicht zu vereinbaren: Bundeskanzler

3956 I. uuirag Firandenhur,g - 3. Wahlperiode - Plenarprotokoll 3/59 - 27. Juni 2002

Schröder sagte im „Tagesspiegel - vom 12. Juni, dass das Zuwanderungsgesetz ein außerordentlich modernes Gesetz sei, das den Interessen von Ausländern und Wirtschaft gerecht werde. Unsere Nation besteht aber bekanntlich nicht nur aus Ausländern und Wirtschaft.

Viertens: Ein vernünfti ges Inte grationskonzept muss dreierlei leisten: die Folgen verfehlter Integrationspolitik der letzten rund 30 Jahre korrigieren, neu entstehende Integrationsdefizite verhindern, die realen Neuzuwanderungszahlen wegen der schwierigen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage auf das verfassungsrechtlich und wirtschaftlich gebotene Maß beschränken.

Ein solches Integrationskonzept hat erst dort anzusetzen, wo der - wenn auch nur zeitweilige - Inlandsaufenthalt beginnt. Darunter fallen keine Personen, die Abschiebehindernisse zurechenbar zu vertreten haben. Alles andere ist unserer finanziell gebeutelten Inlandshevölkerung weder zu vermitteln noch zuzumuten. Wir müssen aber auf die Akzeptanz unserer Bevölkerung abzielen. Akzeptanz ist immer die Vorstufe zu Toleranz. Das heißt, ohne die Akzeptanz werden Sie, meine Damen und Herren, Ihr Ziel - Toleranz in Brandenburg - meilenweit verfehlen. Da helfen auch die besten ideologischen Bewusstseinseinschartungen nicht, Herr Minister Ziel.

An dieser Stelle unterscheidet sich auch unsere Fraktion offenbar von Ihnen. Herr Minister Schönhohm, Wir können nicht nachvollziehen, dass Sie das Zuwanderungsgesetz im Bundesrat abgelehnt haben, aber das im selben Geist geschriebene Konzept hier mittragen wollen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall hei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Richstein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegt heute die Konzeption der Landesregierung zur Integration hleibeberechtigter Zuwanderer im Land Brandenburg vor. Dafür möchte ich mich auch im Namen meiner Fraktion bedanken.

Die Integration bleibeberechtigter Zuwanderer in Brandenburg wird natürlich auch sehr davon abhängen, wie die Zuwanderung auf Bundesebene überhaupt geregelt sein wird. Das Zuwanderun gsgesetz ist unterschrieben, ob es jedoch in Kraft treten wird, wird letztendlich das Verfassungsgericht entscheiden.

Die Umsetzung dieses Zuwanderungsgesetzes in den Ländern ist aber diesen in einigen Bereichen selbst überlassen. Auch hier entzieht sich der Bundesgesetzgeher wieder einmal seiner Verantwortung, wie er es schon so oft in dieser Legislaturperiode getan hat.

Meine Damen und !Jeffen, am 31.12.2000 hielten sich in Brandenburg 48 804 Ausländer auf. Das ist ein Anteil von gerade einmal 1,9 % an der Gesamtbevölkerung.

Die hierbei zu leistende Integrationsarbeit hält sich da auch noch für das Land Brandenburg in Grenzen, aber durch die zu erwartende Zuwanderung wird sich dieser Zustand höchstwahrscheinlich ändern. Sie kennen unsere Erwartungen und unsere Prognosen, dass die steigende Zuwanderung keine Arbeitsmigration sein wird, sondern gerade solche Menschen zu uns kommen werden. die einen erhöhten Integrationsbedarf haben.

Auch an dieser Stelle - Herr Kulmen ist schon auf die Kosten der Integration eingegangen - bürdet der Bund dem Land Aufgaben auf, ohne jedoch einen Kostenausgleich zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren. in dem Konzept ist angeführt, dass Inte grationsarbeit im Lande lange Zeit ein Schattendasein führte, aber nach eigenem Bekunden erkennt die Landesregierung, dass der Zuwandererintegration landespolitisch künftig deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Das stellt sie selbst unter vier Aspekte:

Erstens: Die demographische Entwicklung der Bundesrepublik zeigt auf, dass wir auf Einwanderung angewiesen sind. Dieser Zuwachs stellt uns vor die Aufgabe und bietet uns aber auch gleichzeitig die Chance, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Gewalt entgegenzutreten. Betrachtet man die Medienberichte und die fremdenfeindlichen Übergriffe über und in Brandenburg. so könnte sich der Eindruck aufdrängen, dass wir unter Überfremdung leiden. Aber darin liegt gerade das Problem. Dort, wo der Ausländeranteil gering ist, wie es nun einmal in Brandenburg der Fall ist, regiert Intoleranz. ist die Angst vor den Fremden, vor dem Unbekannten groß. In Gegenden mit einem hohen Ausländeranteil ist es genau entgegengesetzt. Man konnte es sehr gut in Berlin sehen, wo sich Kreuzberg und Friedrichshain mit einem hohen Ausländeranteil auf der einen Seite und einem geringen auf der anderen Seite gegenüberstanden.

Die bevorstehenden Aufgaben bedeuten aber auch, die Gesellschaft für die Integration von Zuwanderern zu sensibilisieren. Integration ist keine Einbahnstraße. in der nur an die Zuwanderer Anforderungen gestellt werden. Das Integrationsklima ist von uns selbst zu gestalten.

Im zweiten Aspekt stellt die Landesregierung zutreffend fest, dass trotz Neuzuwanderern die Arbeitsintegration weiterhin ungünstig ist sowie Sprach- und Motivationsdefizite ansteigen. Der Erfolg konkreter Ansätze ist sicherlich zu einem späteren Zeitpunkt zu überprüfen.

Drittens: Die Integrationsmodelle für Ausländer mit vorübergehendem Aufenthalt sind besonders diffizil. Wir sind uns darüber einig, dass Asylbewerber und Bürgerkrie gsflüchtlinge während ihres Aufenthaltes nicht gänzlich isoliert hier leben können. Aber bei unseren Integrationsbemühungen kann und darf nicht die Situation eintreten, dass durch eine Integration die geltenden Normen und Gesetze ad absurdum geführt und auf den Kopf gestellt werden. Wir leben nun einmal in einem Rechtsstaat und müssen die uns selbst gesetzten Grenzen auch respektieren und können diese nicht durch eine erfolgreiche Integration außer Acht lassen.

Viertens: Die Integrationsbemühungen sind zutreffend als Querschnittsaufgabe definiert. Jedoch geht mir dieser Aspekt nicht

weit genug. Die Verteilung ,.auf alle Verantwortungsebenen" und die Förderung insbesondere „kommunaler Beschäftigung mit der Integration" ist nur ein erster Schritt. Es ist eine Aufgabe jedes Einzelnen, die jeder in seiner Verantwortung wahrnehmen muss.

Zusammenfassend stellt dieses Konzept eine gute Handlungsanweisung mit einer durchdachten Schwerpunktsetzung auch für die vor Ort Tätigen dar.

Abschließend - wenn ich das noch anfügen darf -: Wenn die Landesregierung. wie geplant. eine Untersuchung zu der Situation der Zuwanderer in Brandenburg unter Berücksichtigung des Gender-mainstreaming-Ansatzes durchführt, bitte ich zu berücksichtigen. dass eine generelle Untersuchung zum gender mainstreaming noch aussteht. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU Lind SPD)

Ich danke auch. - Wir sind am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Damit ist das Konzept der Landesregierung in Drucksache 3/4391 zur Kenntnis gegeben worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8 und rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Zweiter Bericht der Landesregierung zur Umsetzung des Beschlusses des Landtages Brandenburg „Stabilisierung und Weiterentwicklung der Hochschulen im Land Brandenburg" vom 17. Mai 2001

Bericht der Landesregierung

Drucksache 3/4492

Des Weiteren liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der PDSFraktion in der Drucksache 3/4561 vor.

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitra g der Landesregierung. Frau Ministerin, bitte.

(Ministerin Prof. Dr. Wanka: Ich möchte gerne zum Schluss reden!)

- Zum Schluss? Das ist doch ein Bericht der Landesregierung. Derjenige, der berichtet, fängt doch auch an.

(Ministerin Prof. Dr. Wanka: Geht es nicht, dass ich zum Schluss rede?)

- Es gibt fünf Minuten als Bonus und fünf Minuten Redezeit.

(Zuruf von Ministerin Prof. Dr. Wanka)

- Die Landesregierung sollte sich in Zukunft eher erklären, damit wir die Rednerliste den Gepflogenheiten entsprechend abändern können.

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Herr Dr. Trunschke. bitte.

(Vietze1PDS1: Nein, nein! - Weitere Zurufe von der PDS)

Gut, dann rede ich jetzt. Ich wollte gern agieren und nicht den Bericht referieren.

Wir sind mit Parlamentsbeschluss vom letzten Jahr beauftragt worden, dein Ausschuss einen ausführlichen Bericht vorzulegen. Das ist im letzten Dezember geschehen. Dann sollte jährlich einmal vor der Sommerpause, also im Juni/ uli, im Plenum berichtet werden.

Wir haben uns darauf verständigt, dass es nicht sehr sinnvoll ist. in jedem Jahr einen kompletten Bericht über die Weiterentwicklung der Hochschulen zu präsentieren, sondern sich auf solche Bereiche zu beschränken, in denen Fortschritte zu verzeichnen sind. Der vorliegende Bericht konzentriert sich aus diesem Grund auf drei Schwerpunkte: zum Ersten auf die Studienplatzerweiterung. zum Zweiten auf den Punkt „leistungsorientierte Mittelvergabe an den Hochschulen - und zum Dritten auf die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft.

Gestatten Sie mir nun, die einzelnen Punkte - in unterschiedlicher Intensität - zu erläutern.

Zur Studienplatzerweiterung: lm Sommer letzten Jahres wurde im Kabinett beschlossen, dass die Hochschulen ausgebaut werden. Bereits im Haushalt 2002/2003 sollen 1 700 zusätzliche Studienplätze ein gerichtet werden. Dazu galt es, zuerst Überlegungen anzustellen, welches Verfahren zu wählen ist. Dies musste relativ schnell, eigentlich viel zu schnell. entschieden werden. Einerseits kann das so gehandhabt werden, dass das Ministerium einen Vorschlag macht. welche neuen Fächer die Hochschulen einzurichten haben, andererseits könnte eine Expertenkommission eingesetzt werden. die Empfehlungen ausspricht. Dies alles würde aber viel zu lange dauern.

Deshalb haben wir auf einen anderen Weg gesetzt: Wir sind von dem Potenzial. den Kompetenzen der Hochschulen ausgegangen und haben das Vorschlagsrecht für neue Studiengänge - nach genau definierten wettbewerhlichen Kriterien - hei den Hochschulen belassen. Die Hochschulen konnten also einreichen. welche Studiengänge sie neu etablieren möchten. Bedingung dafür war, dass das Landesinteresse nachgewiesen wurde. Wir haben eine Reihe von Studiengängen in Brandenburg, die zulassungshcschrtinkt sind, die aber sozusagen an jeder _Ecke - in der Bundesrepublik studiert werden können. Aus diesem Grund sollten solche Studiengänge nicht noch weiter ausgebaut werden. Das Landesinteresse war uns also besonders wichtig.