Protokoll der Sitzung vom 19.12.2002

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Herr Abgeordneter Schuldt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sprache ist Heimat. Das gilt sowohl für die hochdeutsche Sprache in ganz Deutschland als auch für die einzelnen regional spezifischen Dialekte. Dazu gehört auch die plattdeutsche oder niederdeutsche Sprache, welche allerdings anders als die meisten übrigen Dialekte sogar ein eigenes echtes Sprachidiom ist und nicht nur eine Abwandlung des Hochdeutschen.

Der Wechsel von der Einsprachigkeit zur Zweisprachigkeit des deutschen Nordens vollzog sich in drei Stufen. Dem radikalen Schreibsprachwechsel im 16. und 17. Jahrhundert folgte ein weitestgehender Wechsel auch der gesprochenen Sprache, vor allem im 19. und 20. Jahrhundert. Doch ging damit auch ein erneuter Aufstieg des Niederdeutschen zur Kultursprache einher. Bis heute hat man allerdings nur den Sprachverlust gesehen, der sich beim Übergang vom Niederdeutschen zum Hochdeutschen zeigt, nicht aber den Sprachgewinn, der in der Herausbildung des Niederdeutschen zu einer Zweitsprache neben dem Hochdeutschen liegt.

Solange die alleinige Meinung herrschte, in Deutschland zählt allein eine Sprache, nämlich die hochdeutsche, und die Bürger brauchten auch nur diese eine Sprache, war die Entwicklung vorgezeichnet. Die Menschen nahmen nach und nach das Hoch

deutsche an, was positiv zu beurteilen ist, aber für das heimische Niederdeutsch blieb am Ende nur der Gebrauch in der Familie, der Nachbarschaft und im Freundeskreis übrig.

Seitdem man im 19. Jahrhundert jedoch das Volk in seiner Sprache und Kultur neu zu entdecken begann, wandelten sich die Einstellungen zum Niederdeutschen. Erst Einzelne, dann ganze Vereine sahen in der Heimatsprache wieder einen besonderen Wert. Mit den Gedichten von Klaus Groth, „Quickborn“, und den großen Romanen von Fritz Reuter erreichte die niederdeutsche Literatur Mitte des 19. Jahrhunderts wieder eine herausragende Bedeutung. Von da an wurde das Niederdeutsche wieder zu einer anspruchsvollen Kultursprache und begann unaufhaltsam zu einer Regionalsprache des deutschen Nordens aufzusteigen. Dies galt auch in Brandenburg bis weit in die 50er und 60er Jahre hinein.

Obwohl seitens der damaligen SED-Machthaber das Niederdeutsche kulturell sträflichst vernachlässigt wurde, wurde es allein in Brandenburg zur Zeit der Wende immer noch von 15 000 Bürgerinnen und Bürgern gesprochen. Erst die StolpeRegierung brachte es fertig, dass die niederdeutsche Sprache in Brandenburg durch mehr oder weniger bewusste Nichtförderung heute nur noch von ca. 10 000 Brandenburgerinnen und Brandenburgern gesprochen wird. Die Zahl derjenigen, die sie verstehen, ist allerdings wesentlich größer. Es ist daher für unsere DVU-Fraktion, die wir uns als Patrioten verstehen, nur logisch, die Landesregierung unter Ihrer Führung, Herr Ministerpräsident Platzeck - ich sehe ihn jetzt nicht -, der Sie auch immer wieder die Identität und das Heimatbewusstsein der Brandenburgerinnen und Brandenburger betonen, endlich aufzufordern, Maßnahmen zu ergreifen, um die im Land noch existierenden niederdeutschen bzw. plattdeutschen Dialekte zu erhalten bzw. zu stärken.

Ich bedanke mich erst einmal für die Aufmerksamkeit, den Rest im zweiten Teil.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Schuldt. - Ich gebe das Wort für die Koalitionsfraktionen Herrn Abgeordneten Klein.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht nur auf dem Wege hierher, sondern schon vorher haben mich meine Kolleginnen und Kollegen, weil sie wussten, dass ich zu diesem Tagesordnungspunkt rede, gebeten, das in der Mundart zu tun. Sie bemerken den feinen Unterschied zu dem, was Herr Schuldt gesagt hat. Ich bin leider nicht in der Lage, in der Mundart zu sprechen. Ich könnte das aber schriftlich in der Lautschrift des Teuthonista machen, aber das würde Sie auch nicht begeistern.

Sie bemerken schon, der Antrag der DVU verführt mich fast dazu, die Debatte im Landtag zu einer Bildungsveranstaltung mutieren zu lassen. Ich werde dieser Versuchung mannhaft widerstehen, bitte aber um Vergebung, falls ich doch einmal während meiner Rede zu belehrend werden sollte.

Die Terminologie, der sich die DVU bedient, ist schon recht

verwirrend. Um dem Antrag zustimmen zu können, wäre größere Klarheit der Intention schon angebracht. Plattdeutsch, niederdeutsch, alles geht bei Herrn Schuldt quer durcheinander. Ich nehme ihm das auch nicht übel, aber wenn man so etwas einbringt, dann müsste man das alles schon genauer definieren.

(Zuruf des Abgeordneten Schuldt [DVU])

Obgleich es sogar im NDR, also dem Norddeutschen Rundfunk, die Sendung „Talk up platt“ gibt, muss man schon feststellen, dass das so genannte Plattdeutsch in der Sprachwissenschaft eigentlich überhaupt nicht vorkommt. Dort unterscheidet man nur die Begriffe - Sie merken, jetzt werde ich doch belehrend in der Abstufung Mundart, Dialekt, Umgangssprache, Hochsprache.

Worum geht es nun eigentlich? In Kenntnis dieser Sachlage versuche ich zu interpretieren, was die DVU möchte. Sie möchte den Versuch wagen, durch administrative Maßnahmen die Mundart zu erhalten. Gestern konnte ich der PDS-Fraktion gute Dramaturgie bescheinigen, der DVU bescheinige ich sie allerdings nicht. Ich an Ihrer Stelle hätte zu diesem Punkt Frau Fechner reden lassen, weil sie doch das Sachsen-Anhaltinische besser beherrscht als manch ein anderer hier.

Die Idee könnte man ja noch begrüßen. Sie geht aber von der völlig falschen Überlegung aus, dass man Sprache quasi durch Verordnung erhalten könnte. Das ist völlig abwegig, weil nämlich die Sprachentwicklung durch gesellschaftliche Entwicklungen bedingt ist. Wenn wir Ihrem Antrag folgten, schwämmen wir gegen den Strom. Dieses Bild macht deutlich, dass das auf Dauer unmöglich ist. Wir wollen diesen sinnlosen Versuch erst gar nicht starten und lehnen deshalb Ihren Antrag ab. Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Klein. Die Fraktion der PDS hat Redeverzicht angezeigt, ebenso die Landesregierung, sodass ich das Wort wieder der Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Schuldt, geben kann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn schi det nich verstahn daun, snaggen schi hie nich rüm. Det will ich hie mal seggen.

(Beifall bei der DVU)

Kultur und Tradition sind wichtige Grundlagen...

(Klein [SPD]: Herr Schuldt, Herr Bisky und ich kommen der Hochsprache am nächsten, Sie natürlich nicht!)

- Herr Klein, das ist ein Unterschied. Man muss sich einfach nur einmal damit befassen, was Kultur ist, wo sie beginnt und wo sie endet. Vielleicht kommen wir dann auf einen Level.

(Klein [SPD]: Diesen Wettstreit in der Sprachwissenschaft wollen wir nicht antreten!)

Kultur und Tradition - Sie gestatten, dass ich weiterrede - sind wichtige Grundlagen für die Identität der Brandenburgerinnen und Brandenburger und für die Identifizierung mit ihrem Land. Dazu gehören historisch gewachsene Dialekte wie die in weiten Teilen des Landes, insbesondere in den nördlichen Gebieten gesprochenen nieder- bzw. plattdeutschen Idiome.

Anstoß für unseren Antrag gab ein kulturpolitisch geradezu unglaublicher Vorgang in der Uckermark. Die seit kurz nach der Wende bestehende Forschungsstelle in den Räumlichkeiten des Dominikanerklosters in Prenzlau zur Erforschung des Uckermärker Platt, welche in den letzten drei Jahren als SAM-Stelle bei der Stadt Prenzlau eingestellt war, soll infolge Geldmangels am 01.01.2003 entfallen.

(Klein [SPD]: Überlegen Sie einmal, Herr Schuldt, wie lange es schon ein mecklenburgisches Wörterbuch gibt!)

Die Stadt Prenzlau wollte eine Vollzeitstelle schaffen. Die Gelder waren bereits bewilligt. Doch aufgrund der aktuellen desolaten Haushaltssituation, nicht zuletzt durch die immer geringer werdenden Landesmittel, ist die Stadt Prenzlau nicht mehr in der Lage, die Mitarbeiterin zu bezahlen, und will daher die Stelle streichen.

Dies ist kulturpolitisch deswegen besonders schlimm, da die Mitarbeiterin neben ihrer Forschungstätigkeit regelmäßig als Teil ihrer Tätigkeit Kinder und Jugendliche in der plattdeutschen Sprache unterrichtet.

Dieser Unterricht, meine Damen und Herren, welcher sich über Jahre hinweg bewährt hatte, soll nun wegfallen. Da der Stadt Prenzlau die finanziellen Mittel fehlen, sagte der Kulturamtsleiter klar und deutlich, dass jetzt das Land gefordert sei. Schließlich ist dieses auch für die Finanzmisere in Prenzlau nicht unwesentlich mitverantwortlich.

Meine Damen und Herren, nach der letzten Erhebung zur Situation des Niederdeutschen verfügen ca. 10 Millionen Menschen in den norddeutschen Bundesländern über sehr gute bzw. gute niederdeutsche Sprachkenntnisse. In allen Teilen tut sich etwas, was dem Niederdeutschen noch mehr Platz in der Gesellschaft verschaffen soll. In allen norddeutschen Bundesländern ist man dabei, das Niederdeutsche in den Lehrplänen der Schulen zu verankern und die Lehrerausbildung hinsichtlich Plattdeutsch voranzutreiben.

Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg haben ihre Landesverfassungen ins Plattdeutsche übersetzen lassen. SchleswigHolstein hat dem Niederdeutschen Schutz und Förderung in der Verfassung zuerkannt. Im Jahre 1993 gab es im Deutschen Bundestag sogar eine öffentlichkeitswirksame Große Anfrage, in der Politiker verschiedener Fraktionen von der Bundesregierung wissen wollten, wie es denn nun um die Aufnahme des Plattdeutschen in die Charta der Regional- oder Minderheitensprachen bestellt sei.

Die Bundesregierung antwortete wörtlich:

„Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Charta eine völkerrechtliche Basis zur Sicherung des Fortbestandes von kulturell bedeutsamen Minderheitensprachen in Europa. Für Niederdeutsch als eine schutzwürdige Regionalsprache sollte deren Fortbestand durch Maßnahmen auf Länderebene gewährleistet werden.“

Oder anders ausgedrückt: Alle tun etwas zur Erhaltung der plattdeutschen Sprache, nur Brandenburg tut wieder einmal nichts. Hier werden - im Gegenteil - die wenigen Stellen, die sich damit befassen, auch noch gestrichen. Dies ist nicht hinnehmbar und daher bitten wir Sie, auch wenn Herr Klein versucht hat, es ins Lächerliche zu ziehen, diesem Antrag zuzustimmen, denn das wäre ein Beitrag zur Kultur unseres Landes. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Schuldt.

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt angekommen und ich komme zur Abstimmung. Ich rufe zur Abstimmung die Drucksache 3/5203 der Fraktion der DVU auf. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 10 und rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Bundesfernstraßengesetz

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 3/5219

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der CDU. Herr Abgeordneter Schrey, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen zielt darauf ab, Erleichterungen, die wir beim Bau von Bundesstraßen gegenwärtig im Land Brandenburg bzw. in den neuen Bundesländern haben, auch über den bisher geplanten Zeitraum hinaus beizubehalten.

Während der Solidarpaktverhandlungen wurde die Infrastrukturlücke der neuen Länder aufgezeigt. Insbesondere die Lücke bei der Infrastruktur gegenüber dem alten Bundesgebiet wurde als Begründung für unsere Forderungen herangezogen.

Die Transferzahlungen, die wir mit dem Solidarpakt II erhalten, sind insbesondere zum Ausbau des bestehenden Infrastrukturnachteils einzusetzen. Die Regelungen in der geltenden Fassung des Bundesfernstraßengesetzes zielen darauf ab, dass die Bundesfernstraßen in den neuen Ländern schneller ausgebaut werden können. Statt eines Planfeststellungsbeschlusses genügen Plangenehmigungen.

Minister Meyer wird sicherlich noch die Zahlen nennen, die deutlich machen, welche Vorteile wir dadurch haben. Zeitersparnis bedeutet einen schnelleren Abbau der Infrastrukturlücke im Bereich der Bundesfernstraßen.

Meine Damen und Herren, die Regelung ist in das Bundesfernstraßengesetz aufgenommen worden, damit die Länder schnell die notwendigen Ausbau- und Aufbauarbeiten bei Bundesfernstraßen vornehmen können. Allerdings läuft die geltende Regelung 2006 aus. Wie bei der Verabschiedung des Solidarpaktes I hat man erstens angenommen, dass der infrastrukturelle Nachholbedarf kleiner ist, und zweitens, dass der Ausbau schneller geht.

Bei den Verhandlungen zum Solidarpakt II wurde der infrastrukturelle Nachholbedarf neu bewertet. Wie die Ergebnisse der Solidarpaktverhandlungen zeigen, wurde auch ein immenser Nachholbedarf anerkannt. Aufgrund dieser Ergebnisse gilt es, dass seitens der neuen Länder darauf gedrängt wird, dass die derzeitigen Regelungen des Bundesfernstraßengesetzes den neuen Erkenntnissen zum infrastrukturellen Nachholbedarf angepasst werden.