Protokoll der Sitzung vom 05.03.2003

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Der Ausschuss verweigerte sich mehrheitlich auch allen beantragten Ortsbesichtigungen. Die den Gemeinden eingeräumten Fristen zwischen Einladung und mündlicher Anhörung vor dem Ausschuss waren regelmäßig zu kurz bemessen. Vielfach konnten Gemeinden daher nicht mündlich, sondern nur noch schriftlich angehört werden. Darin sehen wir jedoch einen Bruch mit dem vom Ausschuss beschlossenen Verfahren zur mündlichen Anhörung der Gemeinden. Insgesamt wurde also das Anhörungsrecht widersprüchlich gehandhabt.

Der Ausschuss für Inneres hat des Weiteren in unzulässiger Weise versucht, das Anhörungsrecht der Gemeinden in eine Mitwirkungspflicht zur Beseitigung von Fehlern und Auslassungen im Gesetzentwurf zu verkehren. Es ist jedoch nicht die Aufgabe der betroffenen Gemeinden, zur rechtlichen Absicherung des Gesetzgebers beizutragen; es ist nicht Sache der betroffenen Gemeinden, letztlich die gegen ihren Willen vorgenommene Neugliederung zu begründen.

(Homeyer [CDU]: Sagen Sie: Wo haben Sie Ihr Staats- examen gemacht?)

Angesichts doppelt und dreifach eingereichter Beschlussvorlagen der Koalition im Ausschuss manifestiert sich schließlich ebenfalls, dass die Gesetzentwürfe nicht mit der nötigen Sorgfalt und Übersicht behandelt wurden. Es herrschte bei der Koalition „Tonnen-Ideologie“.

Schon allein diese von mir angesprochenen Verfahrensprobleme können vor dem Verfassungsgericht zur Aufhebung der gesetzlichen Regelung führen.

Ich möchte ferner anmerken: Es war ein unmöglicher Zustand, dass in der letzten Anhörung der Ämter Oberspreewald und Lieberose der Innenausschuss während der Anhörung der Bürgermeister nicht mehr beschlussfähig war, weil die Vertreter von SPD und CDU im Saal fehlten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS - Schippel [SPD]: Was?)

Das Wort geht jetzt an die die SPD-Fraktion. Es spricht der Abgeordnete Schippel.

(Klein [SPD]: Sage als Erstes was dazu! Das kann nicht unwidersprochen bleiben!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Sarrach, ich weiß nicht, in welchem Ausschuss Sie waren.

(Zuruf von der PDS: In dem, in dem auch Sie gesessen haben!)

Mit Ihren Behauptungen hier haben Sie sich als ernst zu nehmender Gesprächspartner disqualifiziert.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ihre Darstellung hat mit der Wirklichkeit überhaupt nichts zu tun.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Das stimmt überhaupt nicht! - Anhaltende Zurufe von der PDS)

- Herr Präsident, ich darf Sie bitten.

(Glocke des Präsidenten - Klein [SPD]: Du hast doch das Mikrofon! Hau doch mal richtig rein!)

- Ich bin es gewöhnt, Damen ausreden zu lassen, aber das Gekreische kann ich nicht vertragen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Dem bisher Gesagten konnten Sie entnehmen, dass es sich wohl um die umfangreichste Reform in dieser Legislaturperiode handelt.

(Zurufe von der PDS - Glocke des Präsidenten)

Meine Herrschaften, ich verstehe ja, dass eine lange Diskussion manchmal auch ein bisschen auf die Nerven geht. Wir sollten aber wieder zu uns finden, sowohl die Redner als auch diejenigen, die im Plenarsaal sitzen. - Danke schön.

Aus diesem Grunde haben wir sehr bewusst in der vorigen Legislaturperiode die Enquetekommission gebildet, um diese Diskussion nämlich auf eine breite Grundlage zu stellen. Wir haben gleichzeitig das Ergebnis unserer Arbeit und unsere Auffassungen in dem Abschlussbericht rechtzeitig vor den Landtagswahlen jedem Interessierten zugänglich gemacht. Das lassen wir uns von niemandem mit dem Argument fehlender Kraft der SPD für diese Reform vor 1999 zerreden. Es erfordert mehr Kraft, Mut und Ehrlichkeit, den Menschen vorher, vor der Wahl, zu sagen, dass es zu derartigen Veränderungen kommen

wird, als hinterher eigene Aussagen zu korrigieren. Nachdem ich Ihre Reden, Herr Sarrach, hier gehört habe, habe ich den Eindruck, dass Sie heute Ihre Auffassungen von damals in einer Art und Weise korrigieren, die nicht mehr feierlich ist.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wenn ich Ihre Darstellung, was die Anhörungen des Ausschusses vor Ort und Ähnliches betrifft, hier höre, dann muss ich sagen: Ich habe Sie in Fehrbellin vermisst. Ich war da. Wo waren Sie?

(Beifall bei SPD und CDU)

Bei dem Fünften Gesetz gab es nach der Anhörung sechs Veränderungen. In Bezug auf den engeren Verflechtungsraum betrifft das zum Beispiel den Bereich des Amtes Spreenhagen. Das ist ein Beispiel dafür, dass wir Sozialdemokraten zu Veränderungen in der Sache bereit waren, wenn die Leitlinien dies zuließen. Bei Spreenhagen sind dies die Besiedlungsdichte, die territoriale Ausdehnung und die Entwicklungsmöglichkeiten des Amtes, die so eben nicht mit denen anderer Ämter im Verflechtungsraum vergleichbar sind. Das war für uns ausschlaggebend, den Gesetzentwurf zu ändern. Wir haben dabei keine Rücksicht auf anders lautende Auffassungen unserer politischen Akteure vor Ort, zum Beispiel Bundestagsabgeordnete, genommen. Für uns gab es kein parteipolitisches Kalkül oder die so genannte Gesichtswahrung. Wir haben rein sachlich entschieden.

(Beifall bei SPD und CDU - Klein [SPD]: So sind wir!)

Ein Punkt, bei dem wir Sorge haben, betrifft den Bereich Hönow-Hoppegarten. Aufgrund des § 9 der Gemeindeordnung, der bei Zusammenschlüssen primär gemeinsame Gemeindegrenzen fordert, hat die SPD-Fraktion hier eine Gesetzesänderung vorgeschlagen, da bekanntermaßen sogar eine Landesgrenze zwischen beiden Gemeinden verläuft. Des Weiteren sprachen sich in der Anhörung die ehrenamtlichen Bürgermeister im Auftrag ihrer Gemeindevertretungen und die durchgeführten Bürgerentscheide für die Selbstständigkeit beider Gemeinden aus. Aus diesen Gründen wollten wir die Gesetzesänderung.

(Zuruf von der PDS: Wollten?)

Weshalb unser Koalitionspartner dort nicht folgen konnte diese Lösung wäre leitliniengerecht -, liegt in seiner Auffassung, aber letzten Endes auch in seiner Verantwortung. Wir wollten an dieser Stelle das Fünfte Gesetz nicht scheitern lassen, zumal den Gemeinden der Rechtsweg offen steht. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Herr Abgeordneter, es besteht noch der Wunsch nach einer Frage.

(Zuruf von der PDS: Warum nicht, Herr Schippel?)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Claus.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für das Fünfte Gesetz gilt das, was ich zu Beginn meiner Rede zum Vierten Gesetz gesagt habe, entsprechend. Auch dieser Gesetzentwurf enthält eine Fülle von Neugliederungssachverhalten, die im Ausschuss für Inneres differenziert behandelt wurden. Auch hier war die Haltung meiner DVU-Fraktion zu den einzelnen Neugliederungssachverhalten im Ausschuss unterschiedlich. Sie reichte von Ablehnung über Enthaltung bis zur Zustimmung. Da dieses Fünfte Gesetz aber heute im Plenum insgesamt zur Abstimmung gestellt wird, können wir auch hier nur mit Nein stimmen.

Allerdings haben wir zu § 7 des vorliegenden Gesetzentwurfs, der das Amt Hoppegarten betrifft, und zu § 11, der das Amt Rüdersdorf betrifft, einen Änderungsantrag eingebracht, den wir hier heute im Plenum zur Abstimmung stellen. Aus Sicht der DVU-Fraktion kranken diese beiden Neugliederungsvorschläge der Landesregierung erkennbar wiederum daran - die Mehrheit des Ausschusses folgte dem -, dass leitliniengerechte Neugliederungsalternativen übersehen werden, die dem Bürgerwillen vor Ort entsprechen: Die Gemeinde Hönow kann aufgrund ihrer Einwohnerzahl und Entwicklung sowie ihrer Leistungskraft leitliniengerecht eine selbstständige Gemeinde bilden. Die Gemeinden Hennickendorf, Herzfelde und Lichtenow des bisherigen Amtes Rüdersdorf können leitliniengerecht eine eigene amtsfreie Gemeinde - unabhängig von Rüderdorf - bilden.

Dem steht letztlich auch nicht entgegen, dass nach den Leitlinien durch die Reform möglichst keine neuen Verwaltungseinheiten gebildet werden sollen. In den Leitlinien ist lediglich von „sollen“ die Rede. Das verbietet es nach Ansicht der DVUFraktion, dieses „sollen“ zum unumstößlichen Dogma zu erklären. Es handelt sich hierbei nur um einen Aspekt der Leitlinien, der in die Abwägung einfließen muss.

Zudem verfällt die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres zur Gemeinde Hönow gemäß Antrag Nr. 117 auf der Seite 3 erkennbar wiederum in den Irrtum, dass der Gemeinde eine Darlegungslast aufzubürden ist, obwohl dies nach den Ergebnissen der Expertenanhörung nicht zutrifft. Dort heißt es wörtlich:

„Gründe, die eine vom Gesetzgeber abweichende Neugliederung vorzugswürdig erscheinen lassen, sind nicht erkennbar.“

Es sind hier keine vorzugswürdigen Gründe erforderlich, sondern Gründe, welche exakt die Neugliederung nach den Vorstellungen der Landesregierung notwendig machen und keine leitliniengerechte Alternative zulassen. Sonst kann man einer Gemeinde nicht gegen ihren Willen die Selbstständigkeit nehmen. In beiden Fällen, insbesondere aber im Fall von Hönow, das noch nicht einmal gemeinsame Grenzen mit Hoppegarten hat, bestehen keine ausgeprägten Verflechtungsstrukturen im Fall Hönow zu Hoppegarten und bei den drei Gemeinden des Amtes Rüdersdorf zu Rüdersdorf. In beiden Fällen sind unterschiedliche Siedlungsstrukturen festzustellen: Hönow etwa ist sozusagen eine Wohngemeinde mit Ausrichtung auf Berlin, während Hoppegarten durch Gewerbegebiete geprägt wird.

Im Fall der Gemeinde Hennickendorf besteht wiederum eine stärker ausgeprägte Ausrichtung auf Strausberg als auf Rüdersdorf. Lichtenow hat wiederum keine gemeinsame Grenze zu Rüdersdorf. Die im Amt Rüdersdorf durch die Zementindustrie bestehenden Gemeinsamkeiten sind nach der Wende, nach der Wiedervereinigung, entfallen.

Schließlich ist Hönow auch nicht nur über Hoppegarten durch die S-Bahn an Berlin angebunden. Hönow hat einen eigenen U-Bahnhof und zudem eine mindestens gleichwertige S-BahnAnbindung über Ahrensfelde. Auch insoweit sind die Feststellungen in der Beschlussempfehlung der Ausschussmehrheit verfehlt.

Dies alles führt bei sachgerechter Abwägung zu dem Ergebnis, dass die Gründe für die Selbstständigkeit Hönows und die Bildung der neuen amtsfreien Gemeinde aus den drei Gemeinden des Amtes Rüdersdorf den Leitlinien entsprechen und mindestens gleichrangig zu den von der Landesregierung angeführten Gründen sind. Unter diesen Umständen muss der Bürgerwille entscheidend sein.

Gänzlich abzulehnen ist auch § 8, der die Eingliederung der Gemeinde Wölsickendorf-Wollenberg in die Gemeinde Höhenland vorsieht. Hier besteht schon aufgrund der Entfernungen erkennbar keine Verflechtungsbeziehung. Die Gemeinde hat die nach den Leitlinien erforderliche Einwohnerzahl von 500, sie ist ausreichend leistungsstark, und auch aus Sicht der Gemeinde Höhenland ist für die Eingliederung keine Notwendigkeit vorhanden.

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss Ihres Beitrags. Sie überziehen permanent.

Ja, Herr Präsident, ich komme zum Schluss meines Redebeitrags. - Offenbar war bei der Landesregierung hier einmal mehr der Wunsch der Vater des Gedankens. Ich hoffe, dass dies nicht so bleiben wird. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)