Protokoll der Sitzung vom 09.04.2003

Solche Antworten müssten auch in der Regierungserklärung zu finden sein - Fehlanzeige! Es gab zwar im November 2002 allgemeine Absichtserklärungen zu Prioritäten und Strukturveränderungen - der Ministerpräsident sprach sogar von einem Umbau der Förderstrukturen -, aber dies alles ist aus damaliger wie aus heutiger Sicht nur noch Schall und Rauch.

Falls Sie Ihre politischen Erklärungen aber ernst meinen, dann müsste man dies zumindest in Haushaltsentwürfen wiederfinden; denn im Haushalt wird die Politik sehr konkret, manchmal auch nachprüfbar. Welche Zeichen setzen Sie aber mit diesem Nachtragshaushalt?

Erstens: Sie sind nicht in der Lage Analysen anzufertigen, die Lage richtig einzuschätzen oder Prognosen aufzustellen; denn wir haben bereits im Mai 2002 einen Nachtragshaushalt für 2003 gefordert. Wir wussten alle gemeinsam, dass sich die Steuereinnahmen nach unten entwickeln. Sie ignorierten dies, warteten ab und haben den Nachtragshaushalt jetzt, fast mitten im Jahr, in das Parlament eingebracht.

Mit hektischem Agieren wurde im Dezember 2002 noch ein Nachtragshaushalt für das laufende Jahr beschlossen, um die Nettokreditaufnahme „planmäßig“ zu erhöhen. Selbst Mitte Dezember haben Sie Ihr Ziel noch weit verfehlt - um 325,7 Millionen Euro! Der Nachtragshaushalt wurde mit heißer Nadel gestrickt und lag viel zu spät vor.

Zweitens: Selbst mit diesem Nachtragshaushalt, der eigentlich einem Schweizer Käse nahe kommt - ich will diesen Käse nicht beleidigen -, nämlich Loch an Loch, sind Sie nicht vorbereitet auf die Steuerschätzung im Mai, die LEG-Misere, die Flughafenrisiken - am Flughafen passiert nichts, aber die Kosten steigen -, den erhofften Bau einer Chipfabrik, die EU-Sanktionen, die Bahnverträge oder auch die Feuersozietätrisiken.

Die Bemerkung „Loch an Loch“ bezieht sich auch auf die globale Minderausgabe in Höhe von rund 144 Millionen Euro, dass heißt, diese Mittel sind nicht vorhanden, werden aber planmäßig ausgegeben. Im persönlichen Gespräch im Haushaltsausschuss war keiner der Ministerinnen und Minister in der Lage, konkrete Konzepte für die Untersetzung vorzulegen.

(Schippel [SPD]: Waren Sie in einem anderen Aus- schuss?)

- Herr Schippel, ich gehe davon aus, dass wir an den gleichen Sitzungen teilgenommen haben. Nennen Sie mir eine Antwort einer Ministerin oder eines Ministers, die konkret mit der globalen Minderausgabe zu tun hatte.

(Schippel [SPD]: Das ist Ihre subjektive Sicht! Sagen Sie mir, an welcher Stelle das nicht der Fall war!)

Drittens: An die Finanzministerin ist die Frage zu stellen, wie sie das Haushaltsdefizit für dieses Kalenderjahr einschätzt und ob sie beabsichtigt, auch in diesem Jahr von Haushaltssitzung zu Haushaltssitzung neue Zahlen zu verkünden.

Viertens: Ich habe bei den Haushaltsberatungen die Erfahrung gemacht, dass die Koalition mit ihren Einschätzungen und Vorschlägen, die Millionenbeträge betreffen, sehr großzügig ist. Ich verweise zum Beispiel auf die globale Minderausgabe von 143 934 000 Euro - wie soll dieses Loch gefüllt werden?

Andererseits soll eine globale Mehrausgabe folgen. Das ist etwas Neues. Diese dient der Verstärkung von Ausgaben in Höhe von 45 Millionen Euro. Falls Mehrkosten auftreten, hat man zumindest eine Reserve.

Aus dem Landwirtschaftshaushalt müssen 26 446 600 Euro Sanktionsgelder an die EU gezahlt werden.

Auf die Personalverstärkungsmittel bei der Finanzministerin sind wir heute bereits zu sprechen gekommen. Es sind nicht mehr 95 Millionen Euro wie im Jahre 2001, nicht mehr 176 Millionen Euro wie im Jahre 2002, auch nicht mehr 271 Millionen Euro wie ursprünglich für das Jahr 2003 geplant, sondern jetzt sollen es 290 700 000 Euro für 2003 sein.

Wenn wir nur dieses Geld nehmen würden, unter der Maßgabe, dass beim Personalabbau im Land nicht mit Tausenden von Stellen jongliert würde, sondern jedes Ministerium nur so viele Stellen abbaut, dass trotz Tariferhöhungen die Personalkosten konstant bleiben - vor dieser Herausforderung stehen Kommunen, Vereine, selbst Hochschulen und Institute -, und wenn das gelingen würde, könnten wir uns gemeinsam den sozialen Kahlschlag in unserem Lande ersparen. Sie aber sind dazu nicht bereit.

Bleiben wir bei den kleineren Millionenbeträgen.

Wenn die Finanzministerin bei der Position „Erwerb von unbebauten und bebauten Grundstücken“ auf Mittel in Höhe von 5 982 200 Euro verzichten kann, weil sie nach eigenen Angaben noch nicht weiß, was sie dafür erwerben will - sie sieht höchstens die Deckung der globalen Minderausgabe vor -, dann könnten wir gemeinsam beschließen: keine Kürzungen im Landesjugendplan. Das wären 2,4 Millionen Euro.

Frau Ministerin Richstein, hier liegt übrigens die Prävention, die Sie vorgestern auf Ihrer Pressekonferenz forderten. - Nun ist die Ministerin nicht da, ich möchte es aber zumindest gesagt haben.

(Beifall bei der PDS)

Keine Kürzungen bei den Musikschulen - das heißt, 0,5 Millionen Euro -, keine Kürzungen beim Landespflegegeld - das wären rund 0,9 Millionen Euro -, keine Kürzungen bei Zuwendungen an die Kommunen für Suchtkrankenhilfe - das wären 0,7 Millionen Euro - keine Kürzungen bei anerkannten Betreuungsvereinen - 0,66 Millionen Euro - und keine Kürzungen bei freien Trägern, vor allen Dingen für die Gleichstellungsarbeit das sind rund 0,5 Millionen Euro. Frau Ministerin, es würde sogar noch eine schlappe halbe Million Euro übrig bleiben, für die Sie dann noch irgendetwas kaufen könnten, wenn es denn notwendig wäre.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, ich will mit diesem Beispiel zumindest den Abgeordneten Herrn Bischoff und Herrn Lunacek entschieden widersprechen. Es ist falsch, wenn Sie behaupten: Was durch Umschichtungen zu erreichen war, haben wir erreicht. Wer mehr will, muss mehr Schulden machen. - Sie müssten die Starrheit Ihrer Koalition überwinden, Sie müssten eben nicht so arrogant sein und meinen: Was mir nicht einfällt, darf keinem einfallen. - Sie müssten die Briefe, die wir alle bekommen haben, die davon berichten, wie viele Maßnahmen der Jugendhilfe, wie viele Maßnahmen der gesundheitlichen Prävention und Betreuung und wie viele Projekte der sozialen Betreuung wegfallen und gekündigt werden müssen, wodurch in diesem Land auch ehrenamtliches Engagement infrage gestellt wird, auch ernst nehmen.

(Beifall bei der PDS)

Vielleicht denken Sie einmal daran, dass auch diese Betroffenen Sie vielleicht sozusagen mit Vertrauensvorschuss gewählt haben. Wenn Sie das verstehen könnten, würden Sie gegenüber der PDS-Fraktion nicht von Volksverdummung sprechen, sondern würden den Blick frei haben für den berechtigten Sinn vieler PDS-Deckungsvorschläge. Ab und zu ist es Ihnen übrigens gelungen. Viele Finanzierungsvorschläge der PDS in Haushaltsdebatten wurden von Ihnen bzw. von den Ministerien aufgegriffen, um globale Minderausgaben zu decken.

Ich möchte aber auch Ihre Bemühungen innerhalb der Haushaltsdebatte nicht unter den Tisch fallen lassen. Die Ergebnisse fallen allerdings sehr bescheiden aus. Ich weiß nicht, was Herr Bischoff alles zusammengezählt hat, um auf eine Summe von 50 Millionen Euro, die die Koalition umgeschichtet haben möchte, zu kommen. Lassen wir die EU-Strafe, die jetzt eingestellt werden musste, die Streichung von Investitionen für das Institut für Halbleiterphysik, die sich auch aus der Reduzierung der Bundeszuschüsse ergab, vielleicht auch die Zweckbindung der Schlüsselzuweisungen für soziale Dienste - denn hier ist kein Geld dazugekommen, Sie haben an dieser Stelle sozusagen nur den Zweck festgelegt - und die Veränderung des Spielbankengesetzes als Summe weg, weil es eigentlich nur die Deckungsmittel waren, dann kommen wir auf einen erheblichen Betrag, nämlich auf die Minderung der Streichungen bei freien Schulen - das sind rund eine halbe Million Euro -, die Min

derung der Streichungen beim Staatsorchester - das sind 110 000 Euro -, auf 50 % Minderung der Streichungen bei Musikschulen. Wenn man dann noch die kleineren Summen, zum Beispiel für den Bund der Vertriebenen, die freien Träger für die Frauenhäuser, die Gründungen von Schülerfirmen und die Verkehrserziehung, die uns übrigens sehr wichtig ist, dazu zählt, dann hat man die stolze Summe von 1 472 100 Euro. Nun will ich die 1,5 Millionen Euro für die Kleinkläranlagen, die Sie so wichtig finden, nicht unter den Tisch fallen lassen, obwohl es mir an der Stelle wichtiger wäre, wenn die anderen Summen im Haushalt stünden.

Ich kam also auf 2 972 100 Euro, eine Summe, die Sie verändern und die wirklich Einfluss auf das Leben der Brandenburgerinnen und Brandenburger hat. Ich meine, es findet zwar unsere Zustimmung, ist aber kein Betrag, um das soziale Netz zu erhalten, die Kommunen vor ihrem Bankrott zu retten und Bildungsrückstände aufzuholen.

(Beifall bei der PDS)

Ich bitte Sie deshalb: Feiern Sie sich also nicht so sehr, wie das vorhin schon angeklungen ist!

Ich will zum Schluss noch drei Bemerkungen machen.

Erstens: Die PDS-Fraktion hat sich in der gesamten Debatte auf drei Schwerpunkte für alternative Finanzierungsvorschläge konzentriert. Es ging zum einen um Jugend, Bildung und Betreuung. Zum anderen ging es um soziale Sicherung, Arbeitsmarktförderung und Notfinanzierung kommunaler Selbstverwaltung. Dazu gab es in den Haushaltsberatungen 38 Anträge in Höhe von 115 403 100 Euro. Zur Deckung dieser Vorschläge gab es 27 Anträge, die Sie leider nicht ernsthaft geprüft haben und die auch nicht beschlossen wurden.

(Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD])

Oder haben Sie ernsthafte Argumente gegen die Kürzung der Personalverstärkungsmittel, gegen die Absenkung der Mittel für den Kauf von Grundstücken? Könnten die „Lottogeschenke“ der Minister nicht einfach um 3 Millionen Euro reduziert werden? Muss die schicke Staatskanzlei immer noch mit 2 198 600 Euro um- oder ausgebaut werden? Müssen es 3,17 Millionen Euro für die Fachhochschule der Polizei, sozusagen als Jahresscheibe, in diesem Jahr sein, wenn es vielleicht die Absicht gibt, mit Berlin und Brandenburg ein gemeinsames Projekt zu starten? Weshalb noch so viel Geld für neue zentrale Abwasseranlagen?

Zweitens bezeichne ich deshalb diese Haushaltsdebatte als Farce, weil Sie sich hinter der Misswirtschaft in Millionenhöhe versteckt haben, um die Tausender für soziales ehrenamtliches Engagement feilschten und sie dann doch gestrichen haben und selbst die Meinung der Fachleute der eigenen Fraktion Sie nicht überzeugte und von Ihnen ignoriert wurde.

Drittens ist das Agieren der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen eine Bankrotterklärung des Landes, denn wer 15 Milliarden Euro Kredite für Investitionen aufgenommen hat und es gerade so schafft, 50 % der eigenen Ausgaben durch eigene Einnahmen zu decken, hat schlecht gewirtschaftet. Wer bereits 1 Milliarde Euro für einen Flughafen ausgegeben hat,

der nicht wirklich weiterentwickelt wurde, hat Millionen verschwendet. Wer keine Initiativen unternimmt, bundespolitische Rahmenbedingungen so zu verändern, dass das viele Geld, das es in Deutschland gibt, sozial gerechter verteilt wird, hat bundes- und landespolitisch versagt. Wem nichts anderes mehr einfällt, als bei Blinden zu sparen, ist bankrott.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, es rettet uns kein höhres Wesen - wir müssen es schon selber tun. - Aber das geht mit diesem Nachtragshaushalt nicht. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Schönen Dank, Frau Abgeordnete Osten. - Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zuerst über das Nachtragshaushaltsgesetz 2003 abstimmen. Zu diesem Gesetz gibt es eine Reihe von Änderungsanträgen, die ich zuerst aufrufe, ehe über die Beschlussempfehlung abgestimmt wird.

Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der PDS, der Ihnen in der Drucksache 3/5750 vorliegt und eine Erhöhung in Kapitel 05 020 beinhaltet, auf. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der PDS, der Ihnen in der Drucksache 3/5748 vorliegt und eine Erhöhung in den Kapiteln 05 050, 05 160, 06 810 und 10 020 beinhaltet, auf. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe den Änderungsantrag, Drucksache 3/5765, der Fraktionen der SPD und der CDU auf. Er beinhaltet Änderungen im Kapitel 05 060 Titel 684 30, und zwar das Einstellen eines neuen Titels mit einem Ansatz. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist diesem Änderungsantrag einstimmig zugestimmt worden.

Ich rufe den Änderungsantrag, Drucksache 3/5749, der Fraktion der PDS auf. Er beinhaltet Erhöhungen in den Kapiteln 05 300, 05 321 und 05 323. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der PDS, Drucksache 3/5751, auf. Er beinhaltet Erhöhungen im Kapitel 07 070. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe den Änderungsantrag, Drucksache 3/5756, der Fraktionen der SPD und der CDU auf. Er beinhaltet Ergänzungen des Haushaltsvermerks in Kapitel 07 080 Titel 684 65. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Änderungsantrag einstimmig angenommen worden.

Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der PDS, Drucksache 3/5752, zur Abstimmung auf. Er beinhaltet Erhöhungen in Kapitel 20 030. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der PDS, Drucksache 3/5753, zur Abstimmung auf. Er beinhaltet Reduzierungen in den Kapiteln 03 020, 20 020, 20 030, 20 610 und 20 650. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der PDS, Drucksache 3/5754, zur Abstimmung auf. Er beinhaltet Reduzierungen in den Kapiteln 08 050, 10 040, 15 101, 15 102, 15 103 und 20 610 sowie 20 630. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.