Nun zu den Problemen: Es herrscht nach wie vor ein akuter Mangel an Lehrern mit einem sonderpädagogischen Abschluss. Umso unverständlicher ist es, dass auch unter diesen noch Kollegen mit befristeten Einstellungen sind. Dieser Mangel wird auch durch die gute Lehrer-Schüler-Relation nicht kompensiert. Insbesondere existiert diese Unterversorgung bei Sonderschulpädagogen für geistig Behinderte und für Sprachentwicklung sowie in Kombination mit einer Heilpraktikerausbildung. Dass für den Integrationsunterricht erheblich zu wenig qualifiziertes Personal vorhanden ist, schätzt selbst die Landesregierung als problematisch ein. Ebenso fehlt es an Fachkräften für Kinder mit Mehrfachbehinderungen. Eine Entspannung wird trotz sinkender Schülerzahlen kaum eintreten, da das Vorhalten von 30 Studienplätzen pro Kalenderjahr in Berlin und die Studienangebote im Rahmen der Weiterqualifizierung nicht ausreichen, zumal aufgrund der schlechteren Vergütungsbedingungen viele Absolventen gar nicht erst in Brandenburg anfangen.
Auch durch den Ausbau der flexiblen Eingangsstufe, deren integrativen Ansatz wir sehr begrüßen, wird es einen erhöhten Bedarf an sonderschulpädagogisch ausgebildeten Lehrern geben, wenn man der Vielfalt der Förderbedarfe gerecht werden will und um vor allem Spätfolgen nicht ausreichender Förderung zu vermeiden.
Völlig unzureichend aber ist die Ausstattung der Allgemeinen Förderschulen, der Schulen für geistig Behinderte sowie der Schulen mit Integrationsklassen mit Schulpsychologen. Dass in Brandenburg ein Schulpsychologe 10 000 Kinder betreut, ist gerade für behinderte Kinder, die häufig einen erhöhten Bedarf an psychologischer Betreuung haben, skandalös.
Ich erinnere hier noch einmal daran, dass zur Grundausstattung jeder finnischen Schule ein fest angestellter Schulpsychologe, dazu eine Logopädin und ein Beratungslehrer gehören. Davon trennen uns noch Welten. Auch die Ausstattung mit Schulsozialarbeitern ist völlig unzureichend. Bei aller Anerkennung solcher Selbsthilfeprojekte wie Peer Consulting, das heißt: Be
troffene beraten Betroffene - ein Ersatz für die professionelle psychologische Hilfe sind sie nicht; das wollen sie aber auch nicht sein.
Dass der Landesregierung keine Angaben zu weiterem pädagogischem und pflegerischem Personal vorliegen, ist uns unverständlich, zumal dieses Personal für Schüler mit Behinderungen eine wichtige Rolle im pädagogischen Prozess spielt. Hier hat offensichtlich eine gewisse Ressortengstirnigkeit dazu geführt, dass manche Fragen einfach nicht beantwortet wurden.
Bevor Frau Bednarsky auf weitere behindertenspezifische Aspekte eingehen wird, möchte ich der Landesregierung noch Folgendes mit auf den Weg geben: Die Standards müssen dort, wo sie gut sind, auch bei schlechter Kassenlage erhalten bleiben. Die Qualifizierung des Personals ist deutlich zu intensivieren. Die Landesregierung muss Sorge dafür tragen, dass das Netz der Förderschulen trotz sinkender Schülerzahlen nicht ausgedünnt wird, damit die ohnehin für diese Kinder schon weiten Wege nicht noch weiter werden. - Vielen Dank.
Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Große. - Ich erteile das Wort der Fraktion der SPD. Frau Abgeordnete Förster, bitte.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich begrüße sehr, dass wir uns anlässlich der Großen Anfrage der PDS mit der Thematik der Schulbildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen befassen und damit für die Anliegen, Bedürfnisse und Probleme der Qualifizierung und sozialpädagogischen Betreuung einer gesellschaftlichen Randgruppe, die nach meiner Ansicht nicht genug Unterstützung erfahren kann, sensibilisieren. Bei dieser Gruppe handelt es sich um Kinder und Jugendliche, denen durch den Besuch von Allgemeinen Förderschulen und Förderschulen für geistig Behinderte eine Teilhabe am gesellschaftlichen, weitestgehend selbstbestimmten Leben ermöglicht wird.
Ich weise im gleichen Atemzug aber mit Nachdruck die parteipolitische Instrumentalisierung dieser Gruppe von Schülerinnen und Schülern, die durch die im Vorspann der Großen Anfrage der PDS eingeflochtenen Unterstellungen unternommen wird, zurück.
Behinderte Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern, behinderte Kinder und Jugendliche werden von der Bildungsreform in Brandenburg nicht ausgeschlossen. Das geltende Recht, das Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes, wird durch das Schulgesetz nicht missachtet. Die Zahl von Verwaltungsgerichtsverfahren ohne Berücksichtigung des jeweils gefällten Urteils ist keinesfalls Indikator für eine verfehlte Schulpolitik. Dies unterstreicht beispielsweise auch die Antwort der Landesregierung auf die Frage 23 bezüglich verwaltungsrechtlicher Verfahren zur Finanzierung von Einzelfallhelfern.
59 Allgemeine Förderschulen. Im Schuljahr 2000/2001 gingen von diesen Schulen über 1 700 Schülerinnen und Schüler ab. Wir haben in Brandenburg 42 Förderschulen für geistig Behinderte mit über 3 000 Schülern. Zweifellos gibt es für die durch ihre Behinderung benachteiligten Kinder und Jugendlichen auch angesichts notwendiger Sparmodalitäten des brandenburgischen Landeshaushaltes Möglichkeiten und Notwendigkeiten bezüglich der Verbesserung der schulischen Qualifizierung und sozialpädagogischen Betreuung.
Die Arbeit der zuständigen Verwaltungsstellen wurde und wird von uns Parlamentariern begleitet. Die aktuelle Situation in Form eines Zwischenberichts zu dokumentieren, darin liegt der Verdienst der Großen Anfrage und der detaillierten Antworten der Landesregierung.
Bei der Bewertung der Situation und Arbeit der Förderschulen sowie der Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen sollten wir die Vergleichsindikatoren der Kultusministerkonferenz für Förderschulen heranziehen. Diese Quelle ist auch der PDS zugänglich. Hierbei - ich betone: in allen von der KMK allgemein für die Förderschulen erfassten Parametern - belegt Brandenburg im Vergleich der Bundesländer äußerst günstige Positionen. Hinsichtlich der Schülerzahlen pro Klasse liegt Brandenburg mit 7,7 Schülern analog der Länder BadenWürttemberg und Rheinland-Pfalz auf einem vorderen Platz. Bei erteilten Unterrichtsstunden pro Klasse erreicht Brandenburg einen Durchschnitt von 47,4 Stunden und liegt damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 39,5 Stunden.
Bei erteiltem Unterricht pro Lehrer erreicht Brandenburg nach Berlin, NRW und Sachsen mit 24 Stunden den vierten Platz. Im Bundesdurchschnitt erreichen hierbei die Klassen 23,8 Stunden. Bei der Schüler-Lehrer-Relation liegt Brandenburg mit 3,9 Schülern pro Lehrkraft gleichauf mit Baden-Württemberg an der Spitze des Bundesvergleichs. Der Bundesdurchschnitt beträgt 5,3 Schüler pro Lehrkraft.
Zwar sind dies zunächst abstrakte Daten. Natürlich gibt es aber auch Mängel hinsichtlich der Betreuung. Auf einige Mängel hat meine Kollegin von der PDS-Fraktion bereits hingewiesen. Aber konkret weisen diese Daten auf eine sehr gute Grundlage bzw. sehr gute Rahmenbedingungen für die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in den Förderschulen unseres Landes hin. Es handelt sich bei diesen Daten eindeutig um wichtige Stellschrauben, die wir als Parlamentarier mit unseren Beschlüssen zum Schulgesetz und zum Haushalt beeinflusst haben und weiterhin beeinflussen können.
An dieser Stelle möchte ich mich vor allem bei meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Sozialausschuss bedanken. Ich denke, es war sehr wichtig, dass gerade in die Förderschulen für geistig behinderte Kinder in den letzten Jahren sehr viel Investitionsmittel geflossen sind und dass diese Schulen eine neue Ausstattung, neue Gebäude erhalten haben. Wenn man unsere heutigen Schulen im Vergleich zu DDR-Zeiten sieht, kann man sagen: Es hat diesbezüglich eine enorme Entwicklung für unsere Kinder und Jugendlichen gegeben.
gänglichen Schließung einiger Förderschulen wird die flächendeckende Versorgung für Schülerinnen und Schüler mit Lernbehinderungen nicht beeinträchtigt.
Zweitens: Brandenburg nimmt hinsichtlich des gemeinsamen Unterrichts von behinderten und nicht behinderten Schülerinnen und Schülern mit einem Anteil von 20 % einen vorderen Platz ein. Damit ist eine wichtige Regelung des Schulgesetzes - der Vorrang des gemeinsamen Unterrichts - gut umgesetzt worden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung zur Verhinderung und Vorbeugung der Ausgrenzung von Behinderten.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Kolleginnen und Kollegen sowie den Mitarbeitern des Ministeriums und auch beim Minister für die engagierte und vorbildliche Arbeit bedanken. Bedanken möchte ich mich aber auch bei den Lehrkräften in den Förderschulen und Integrationsklassen, die mit oder ohne entsprechende Ausbildung arbeiten. Frau Große hat auf das Problem hingewiesen. Aus Zeitmangel kann ich darauf nicht umfänglich antworten. Wir alle wissen, dass viele Lehrkräfte aus DDR-Zeiten ihre engagierte Arbeit fortsetzten, keine weitere sonderpädagogische Ausbildung genießen konnten, aber trotzdem eine sehr gute Arbeit leisten.
Jugendliche mit Behinderungen werden nur durch intensive Förderung und Unterstützung ein selbstbestimmtes Leben, unabhängig von Sozialhilfe oder anderen staatlichen Unterstützungen, führen können. Dieses selbstbestimmte Leben braucht Unterstützung, und zwar von der frühzeitigen Förderung als Kleinkind bis hin zur Unterstützung bei der beruflichen Bildung oder auch bei der Beschäftigung in geschützten Werkstätten.
Wir Abgeordnete sollten bei allen Haushaltsbeschlüssen ausschussübergreifend daran denken; denn wir tun es für unsere Kinder und Jugendlichen. - Herzlichen Dank.
Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Förster, und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, Frau Abgeordnete Fechner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist immer wieder erfreulich zu hören, wie die Genossen der ehemaligen SED aus ihren Fehlern der Vergangenheit gelernt haben.
Wer selbst miterleben musste, wie Kinder aufgrund einer Behinderung in der DDR von gleichaltrigen und nicht behinderten Kindern isoliert und an eine Sonderschule abgeschoben wurden,
der wird sich schon wundern dürfen, wie stark sich die Genossen heute für die Integration von Schülern mit Behinderung in den normalen Schultag einsetzen.
Selbst wenn diesen Leistungsdruck zu DDR-Zeiten auch behinderte Schüler ungeachtet ihrer Behinderung zu spüren bekamen, hat in der modernen PDS der Wunsch nach integrativem und kooperativem Lernen Platz gemacht.
Freuen wir uns darüber! Gut zu wissen, dass heutzutage behinderte Menschen nicht mehr an den Rand der Gesellschaft abgeschoben werden, wenn sie nicht zum Produktionsprozess beitragen können. Auch in diesem Bereich ist glücklicherweise die DDR überwunden. Aber genug von der PDS, genug von der DDR.
Ich komme zur Großen Anfrage. Ausweislich der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der PDS ist Brandenburg mit 20,4 % Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht einer der Spitzenreiter, was die Integration von Schülern mit Behinderung in den normalen Schulalltag angeht. Das ist erfreulich zu hören.
Doch es stellt sich die Frage: Haben die Länder, in denen die Quoten wesentlich niedriger liegen, im deutschlandinternen Vergleich der PISA-Studie besser oder schlechter abgeschnitten als Brandenburg? Hat die Landesregierung daraus Schlüsse für ihre Bildungspolitik gezogen oder ist das auch eines der Tabuthemen, in denen ideologische Vorgaben und gesellschaftspolitische Träume wichtiger sind als Fakten?
Doch wieder zurück zur Großen Anfrage. Sie wird künftig eine wichtige Informationsquelle bei vielen Fragen rund um die Schulbildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Brandenburg sein. Sie informiert beispielsweise auch über die Dimensionen dieses Themas. Wir reden von fast 17 000 Schülern, die im vergangenen Schuljahr an Allgemeinen Förderschulen und an Förderschulen für geistig Behinderte sowie mit sonderpädagogischer Förderung im gemeinsamen Unterricht in Regelschulen unterrichtet wurden. Das sind mehr als 5 % der insgesamt rund 310 000 Schüler in Brandenburg.
Schüler, die an Förderschulen für Sehgeschädigte, Körperbehinderte oder Hörgeschädigte unterrichtet werden, sind darin noch nicht enthalten. Das ist ein erheblicher Anteil an Schülern in unserem Land, den man nicht ignorieren kann. In diesem Bereich entstehen natürlich auch hohe Kosten. Aber gerade hier können sich Sparmaßnahmen besonders negativ auswirken. Wir werden es erleben; denn auch die Belange von Menschen mit Behinderungen werden von diesem Nachtragshaushalt nicht verschont bleiben - aktuell, so melden die Arbeitsämter, 6 200 arbeitslose Behinderte im Land Brandenburg.
Wenn wir an der Schulbildung für Kinder mit Behinderung sparen, erschweren wir diesen Kindern den Zugang zum Arbeitsmarkt noch zusätzlich. Das bitte ich zu bedenken. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundgesetz, Landesverfassung und Brandenburger Schulgesetz verpflichten zu Recht zur Fürsorge für Menschen mit Behinderungen.
Die Große Anfrage der PDS zur Schulbildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen zielt im Wesentlichen in zwei Richtungen. Erstens: Wird im Land Brandenburg das Notwendige für Menschen mit Behinderungen im Bildungsbereich getan? Zweitens: Welche Auswirkungen wird der Schülerrückgang auf die Bildung von Schülern mit Behinderungen haben?
Zu Frage 1: Zweifelsohne ist im genannten Bereich seit der Wende viel Gutes und Vernünftiges entstanden. Schüler mit Behinderungen werden nach entsprechender Diagnose gesundheitlich betreut. Diese Betreuung ist wesentlich verbessert worden. Kinder mit geistigen Behinderungen werden Gott sei Dank nicht mehr als bildungsunfähig, Herr Sarrach, eingestuft und weggeschlossen. Behinderte gestalten heute das öffentliche Leben mit und das ist richtig.