Protokoll der Sitzung vom 21.05.2003

Für die PDS steht außer Frage, dass diese Region - damit meine ich ausdrücklich auch die Mecklenburger Seite - mit einer zivilen Nutzung der Heide eine nachhaltige Entwicklungschance hat. Das Bombodrom würde nicht nur die Entwicklung des Tourismus in Rheinsberg und in den anderen Anrainergemeinden, sondern auch die touristische Infrastruktur rings um den Müritz-Nationalpark und die Mecklenburgische Seenplatte gefährden. Damit wird vieles, was die Bürgerinnen und Bürger in der Region mit viel Elan und Mühe aufgebaut haben, infrage gestellt. Nicht umsonst demonstrieren Bürgerinnen und Bürger der Region gegen das Bombodrom - und das seit mehr als zehn Jahren.

Es gibt sehr viele Argumente gegen dieses Vorhaben. Ich möchte Ihnen einige noch einmal näher bringen.

Erstens: Es geht um die wirtschaftliche Entwicklung der Region. Mit dem Verzicht der militärischen Nutzung besteht die Chance, in einer strukturschwachen Region eine nachhaltige und zukunftsorientierte Entwicklung zu befördern.

Zweitens: Seit mehr als zehn Jahren setzen sich Bürgerinnen und Bürger für eine zivile Nutzung des ehemaligen Bombo

droms ein. Das ist bürgerschaftliches Engagement, welches die Politik eigentlich immer fordert und fördert. Dafür unseren Respekt.

Drittens: Die Menschen haben in der Vergangenheit genug Belastungen durch Kampfflugzeuge ertragen müssen. Auch Bundeswehr- und NATO-Kampfflugzeuge machen Lärm, stürzen ab und verfehlen ihre Ziele.

Viertens geht es eben auch um Glaubwürdigkeit in der Politik. Denn die Geschichte des Kampfes gegen die militärische Nutzung der Heide ist auch die Geschichte von Versprechungen von Politikern. 1992 hieß es in einer von Herrn Struck - heute Verteidigungsminister - unterzeichneten Presseerklärung:

„Wenn die Bundeswehr diesen Platz tatsächlich weiternutzen wird, so wird sie damit gegen den von ihr selbst aufgestellten Grundsatz verstoßen, prinzipiell keine sowjetischen Übungsflächen zur Weiternutzung übernehmen zu wollen. Damit wird sie in den neuen Ländern den letzten Rest von Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung verlieren.“

Auf der 22. Protestwanderung am 06.08.1994 in Gadow erklärte der damalige SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Scharping vor 500 Demonstranten, im Falle eines Wahlsieges bei der Bundestagswahl werde dieser Truppenübungsplatz verschwinden.

Es gab auch einen Umweltminister, der an Aktionen der Bürgerinitiative teilnahm und davon sprach, dass es eines langen Atems bedürfe, bis die Heide endlich wieder zivil genutzt werden könnte.

Herr Ministerpräsident - er ist wieder nicht da -, die Bürgerinnen und Bürger haben einen langen Atem bewiesen, und das seit mehr als zehn Jahren. Nun haben Sie es in der Hand und ich appelliere erneut an Sie als Ministerpräsident, endlich ein klares Wort in Sachen Bombodrom zu sprechen. Nicht wenige Menschen, gerade im Umfeld der Kyritz-Ruppiner Heide, verbanden mit dem Ministerpräsidenten Platzeck einen politischen Aufbruch und eine Neupositionierung der Landesregierung, denn diese unterstützte das Anliegen einer zivilen Nutzung bisher unzureichend. Es ist also eine eindeutige Position nötig, damit die Bürgerinnen und Bürger wissen, woran sie sind.

Die PDS-Fraktion fordert an dieser Stelle den Verteidigungsminister wiederholt zu einem Kurswechsel auf, indem er sich vom Projekt Luft-Boden-Schießplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide verabschiedet und so den Weg für eine ungestörte Entwicklung dieser Region freimacht.

Von der Landesregierung und speziell vom Ministerpräsidenten erwarten wir, dass er diese Forderung unterstützt und sich klar für die zivile Nutzung ausspricht. Ich möchte ausdrücklich um Zustimmung für unseren Antrag werben, meine Damen und Herren.

Zum Schluss möchte ich Ihnen die Worte des Bundestagsabgeordneten Peter Danckert in Erinnerung rufen, der sagte, die SPD habe sich auf Bundesebene in der Opposition klar gegen die Wiederinbetriebnahme des Bombenabwurfplatzes ausgesprochen und dürfe in Regierungsverantwortung nicht das Gegenteil tun.

Aber auch Kollege Schulze sagte am 01.03.2001 in einer persönlichen Erklärung, er sei nicht bereit, einen Parteitagsbeschluss zum Bombodrom einfach so in den Skat zu drücken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie stimmen hier nicht nur über den vorliegenden Antrag, sondern auch über die Glaubwürdigkeit der Brandenburger SPD ab. - Ich danke sehr.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Domres und gebe das Wort an die Fraktion der SPD. Bitte, Herr Abgeordneter Schippel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Glaubwürdig ist eine Partei, wenn sie sich auf die Zwänge einstellt, die von außen kommen und die im Interesse der Bürger zu berücksichtigen sind.

(Zurufe von der PDS)

Ich komme aus einer Gegend, in der man in der Zeit vor 1990 keine Wäsche auf die Leine hängen konnte, in der man Fenster nicht öffnen konnte, weil Tag und Nacht das Kreischen der Kohlebagger zu hören war. Ich weiß also, was Belastung bedeutet, und ich weiß, dass die Menschen in der Kyritz-Ruppiner Heide ebenfalls gehofft haben, dass Belastungen, die sie bis dahin zu ertragen hatten, der Vergangenheit angehören würden.

Wir mussten ganz schnell erkennen, dass es Arbeitsplätze, dass es den Aufschwung in einer Region nicht geben kann ohne Belastungen. Ich erinnere gerade Sie von der PDS an die Diskussionen zu Horno. Auch das hat damit etwas zu tun. Ich kann nicht auf der einen Seite etwas haben wollen, ohne auf der anderen Seite eventuell Belastungen für Einzelne in Kauf nehmen zu müssen.

(Vietze [PDS]: Dann sollten Sie es nicht versprechen! - Weitere Zurufe von der PDS)

Ich verstehe ja die Aussage, die Herr Vietze am 3. September 1992 gemacht hat. Er äußerte sich damals zu einem Ziel. Er sei „für ein entmilitarisiertes Brandenburg“

(Beifall bei der PDS)

und er betrachte Brandenburg als „Insel in Deutschland“. Es ist schon erstaunlich, Herr Vietze, wie schnell sich Ihre Träume gewandelt haben. Den eben genannten Traum hätte ich jedenfalls gern mitgeträumt.

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

Auch in der damaligen Debatte wurde geäußert, dass die Landesregierung immer verpflichtet sei, die Interessen des Landes zu vertreten.

(Zuruf von der PDS: Ja, eben!)

Herr Homeyer hat das am 5. September 2002 ebenfalls noch einmal herausgestellt.

Kann aber „Interessen des Landes“ nicht bedeuten „Interesse für die Sicherheit der Bürger“? Gibt es nach den Terrorangriffen etwa nicht eine andere Situation in dieser Welt?

(Unruhe bei der PDS)

Ist zum Beispiel die Abwehr von Angriffen per Flugzeug denn nicht gegebenenfalls notwendig?

An die Bundeswehr hat in diesem Zusammenhang damals niemand gedacht, auch nicht die Personen, die Sie zitiert haben. Weder Platzeck noch Struck noch andere haben sich damals vorstellen können, dass die Bundeswehr mit Streitkräften, so wie jetzt in Afghanistan, den Frieden sichert,

(Unruhe bei der PDS)

dass die Bundeswehr in Jugoslawien zum Einsatz kommen würde.

(Unruhe bei den Besuchern)

Herr Abgeordneter Schippel, entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie unterbreche. - Werter Herr, Sie befinden sich auf der Besuchertribüne. Ich dulde in diesem Landtag keine Demonstration. Entweder setzen Sie sich wieder friedlich hin oder Sie verlassen den Saal! Haben Sie mich verstanden?! - Dann bitte ich Sie, wieder Platz zu nehmen oder den Saal zu verlassen.

Bitte schön, Herr Schippel.

Niemand konnte sich zu jenem Zeitpunkt vorstellen, dass so etwas wieder einmal nötig werden würde. Wir alle haben doch gedacht, dass nach dem Wegbrechen der großen Militärblöcke eine Bundeswehr in dieser Form nicht mehr gebraucht würde.

(Zurufe von der PDS)

Die Praxis hat aber etwas anderes gezeigt. Wir brauchen für diese Zwecke moderne, gut ausgerüstete und schnell verfügbare Einsatzkräfte.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Schippel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön, Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht.

Herr Schippel, sind Sie persönlich tatsächlich der Auffassung, dass die Einrichtung eines Bombenabwurfplatzes in der Ky

ritz-Ruppiner Heide eine angemessene Maßnahme zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist?

Ich persönlich bin der Auffassung, dass zur Bekämpfung des Terrorismus - das haben speziell Afghanistan und andere Ecken der Welt gezeigt - gegebenenfalls Flugzeuge gebraucht werden. Ich bin auch der Auffassung, dass Deutschland insgesamt einen Beitrag dazu leisten muss.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU - Unruhe bei der PDS)

In Deutschland gibt es nicht genügend Übungsplätze, sodass ein großer Teil der Ausbildung in anderen Staaten stattfinden muss, wobei auch dort nicht immer über unbewohntem Gebiet geübt werden kann. Internationale Zusammenarbeit - hierauf sind wir angewiesen, das kann kein Land mehr allein machen bedeutet, dass wir nicht einfach darauf vertrauen können, im Ausland üben zu können. Denken Sie dabei auch an die Eltern der Piloten, die dort eventuell zum Einsatz kommen. Die notwendige Sicherheit können diese Piloten nur durch praktisches Üben bekommen. Durch Computersimulation oder etwas anderes kann das nicht erreicht werden.