Protokoll der Sitzung vom 21.05.2003

Frau Kaiser-Nicht, damit das klar ist: Sie brauchen sich nicht zu bemühen; ich lasse keine Fragen zu, weil ich festgestellt habe, dass die Fragen, die Sie stellen, der Selbstdarstellung und nicht der Wissensgewinnung dienen. Wenn es Ihnen um Wissensgewinnung gehen würde, könnten Sie diese Fragen vorher stellen.

Ich wiederhole: Sie begehen einen Akt der Wirklichkeitsverweigerung, weil Sie nicht erkennen, wie wir damit umgehen, dass die Lage so ist, wie sie ist. Die Zeit des „Wünsch dir was“ ist zu Ende, auch für Sie.

(Zurufe von der PDS)

Jetzt versuchen Sie, darauf als Spesenritter durch die Lande zu reiten, und sagen: Die Koalition macht dieses, die Koalition macht jenes. Dieses Spesenrittertum lassen wir nicht mehr zu. Wir werden Sie messen an dem, wofür Sie eigentlich stehen.

(Beifall bei CDU und SPD - Widerspruch bei der PDS)

Heute haben wir nichts davon gehört, wofür Sie eigentlich stehen. Bisher habe ich nur gehört, wogegen Sie sind.

Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie keine Fragen zulassen?

Nein; denn die Fragen dienen der Selbstdarstellung. Es wurde von Dollar gesprochen, aber ich meine, wir reden über Euro und über das, was hier vor Ort ist. Darum weiß ich nicht, ob das etwas bringt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich möchte im Zusammenhang vortragen, Herr Präsident wenn die Kollegin das aushält.

Meine Damen und Herren, wir haben über die Reformkommission der Bundesregierung gesprochen. Heute können Sie zum Beispiel in der „Süddeutschen Zeitung“ lesen, dass in dieser Reformkommission unterschiedliche Auffassungen bestehen. Hans Eichel sagt, in dieser Reformkommission könnten 1,6 Milliarden Euro für die Kommunen lockergemacht werden. Andere Mitglieder dieser Reformkommission sagen, es müssten 6 Milliarden Euro sein. Die Entscheidung darüber muss die Bundesregierung im Ergebnis des Diskussionsprozesses treffen. Dann, Herr Kollege Schippel, sind wir im Bundesrat gefordert. Wir werden jeder Entscheidung zustimmen, die die Kommunen in eine bessere Lage versetzt, ihre Aufgaben zu lösen. Denn wir sind entschiedene Anhänger der kommunalen Selbstverwaltung. Da gehen unsere Meinungen gar nicht auseinander. Das möchte ich noch einmal in aller Klarheit sagen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Wie es um die kommunale Gewerbesteuer steht, das wird im Augenblick diskutiert. Auch dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen, nicht nur zwischen den Parteien, sondern auch innerhalb der Parteien. Darum ist es wichtig, dass dieses Thema endlich einmal systematisch aufgearbeitet wird. Aber wir können nicht darauf hoffen und warten, bis Geld wie Manna vom Himmel fällt. Wir wissen, die Finanzlage ist schwierig. Darum müssen wir überprüfen, in welchen Bereichen wir Standards und Vorgaben haben, die auf Dauer nicht mehr zu bezahlen sind.

Die Möglichkeiten, die wir haben, sind, entweder die Neuverschuldung zu erhöhen oder Aufgaben zu verändern und damit die Ausgaben zu reduzieren. Wir haben uns für den schwierigen Weg entschieden. Wir wollen Aufgaben verändern und damit Ausgaben reduzieren und nicht auf dem Weg des süßen Giftes voranschreiten, die Staatsverschuldung weiter zu erhöhen.

Das Gesetz, das wir heute behandeln und zu dem wir und die Opposition leider unterschiedlicher Meinung sind, ist der Einstieg in eine Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben.

(Zuruf von der PDS: Sie wollen gar keine Gemeinsam- keit!)

Wir wollen, dass die Kommunen selbst entscheiden können, ob sie ihre Handlungsräume erweitern. Sie müssen manche Aufgaben nicht mehr erledigen, es sei denn, es gibt eine Wirtschaftspolitik, die richtig Geld in die Kassen bringt.

Natürlich müssen auch die Landkreise und die Kommunen ihren Beitrag zum Sparen leisten. Ich habe von der PDS bisher immer gehört, sie brauchten keinen Beitrag dazu zu leisten. Sie müssen ihren Beitrag leisten; anders geht es nicht.

(Widerspruch bei der PDS)

- Dann fragen Sie einmal Frau Osten, wie sie dann den Haushalt hinkriegt.

Darum haben wir gesagt: Der Weg, den wir vorschlagen, ist die Reduzierung von Vorgaben, die Erhöhung der Selbstständigkeit und der Verantwortung vor Ort. Das ist manchmal schwierig.

Über die Regelungen ist im Einzelnen diskutiert worden. Darum möchte ich noch einige Bemerkungen zum Gesetzgebungsverfahren machen. Den einen geht die Standardreduzierung nicht weit genug - das sind Personen und Interessenverbände - und den anderen geht sie zu weit. Wir müssen also darüber sprechen, was das eigentlich bedeutet.

Weil Sie, Frau Faderl, die Bemerkung mit dem Dollar gemacht haben, möchte ich noch einen Punkt ansprechen. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass wir von der deutschen Sprache als von unserer Muttersprache sprechen? Das ist so, weil die Mütter den Kindern das Sprechen beibringen. Von daher haben die Mütter eine ganz besondere Funktion. Das möchte ich nur in Erinnerung rufen. Über das andere können wir noch einmal strittig diskutieren.

Aus dem, was ich eben dargestellt habe, ergibt sich, dass der eingeschlagene Weg selbstverständlich das Ergebnis von Kompromissen ist. Es kann doch niemand sagen: „Das wird so durchgesetzt!“, sondern es ist das Ergebnis von Kompromissen. Dieser Weg kann nicht so ganz falsch sein. Ich achte die Sorgen, die wegen Veränderungen bei der Kita auftreten; denn man muss sich von dem verabschieden, was einem wichtig war. Aber die Frage ist, wie die Alternativen sind. Wir müssen die Alternativen erläutern und uns die Frage stellen: Können wir uns mehr leisten als andere Bundesländer, obwohl wir wirtschaftlich schwächer sind und weniger Steuereinnahmen pro Kopf der Bevölkerung haben?

Wir haben vor diesem Hintergrund die Dinge im Einzelnen erörtert. Es geht bei der heutigen Finanzlage schlichtweg darum, ob wir noch einen Leistungsstandard halten können, der über den der anderen Bundesländer hinausgeht. Das betrifft Kita und Schülertransport.

Der Vorwurf, der zum Teil erhoben wird, lautet: Das Land Brandenburg hat in den 90er Jahren die Standards erhöht, und jetzt sollen sie zurückgeführt werden. Dieser Vorwurf ist berechtigt. Die Standards sind erhöht worden zu einem Zeitpunkt, als wir noch von anderen wirtschaftlichen Wachstumszahlen ausgingen und glaubten, dies auf Dauer durchhalten zu können. Manche optimistische Annahme hat sich nicht erfüllt. Wollen Sie es als Vorwurf formulieren, dass man die Lage 1995/96 optimistischer gesehen hat? Jetzt ist es doch unsere

gemeinsame Aufgabe, realistisch an die Sache heranzugehen und zu fragen, was wir uns noch leisten können. Das müssen wir den Bürgern erklären. Sie brauchen das nicht zu tun, weil Sie das nicht wollen. Von daher gesehen müssen wir auch sagen: Ja, das muss geändert werden, und das werden wir ändern. Aus diesem Grunde fällt diese Veränderung unterschiedlich schwer. Wenn sich etwas verändert, dann muss ich doch meinen Mitbürgern erklären, warum das so ist und wie wir die Perspektive eröffnen, wieder auf einen Gesundungspfad zu kommen.

Es geht also um ein Gesamtsystem. Deshalb möchte ich auf einige Einwände eingehen, die gerade auch von Ihnen, Herr Domres, genannt wurden. Sie haben den Vorwurf erhoben, dass die Einsparungen nicht genau beziffert würden. Das ist richtig, sie können nicht genau beziffert werden. Warum können sie nicht genau beziffert werden? Weil die Kommunen vor Ort entscheiden, wie stringent sie die Möglichkeiten nutzen, die dieses Gesetz einräumt. Es ist völlig klar, dass in diesem Jahr diese Einsparsumme nicht erbracht werden kann. Es wäre töricht, das anzunehmen. Das ist unstrittig.

Es ist des Weiteren klar, dass es im nächsten Jahr von den Kommunen und Landkreisen abhängt, welche Maßnahmen sie umsetzen, um Einsparungen zu erreichen. Das hängt von den jeweiligen Entscheidungen ab. Dort sind die Kreistage und die jeweiligen kommunalen Vertretungen gefragt. Wir wissen nicht, ob die Kommunen von all dem Gebrauch machen. Das ist ihre Entscheidung. Darum haben wir die kommunale Selbstverwaltung.

Lassen Sie mich als Beispiel die Schülerfahrtkostenerstattung nennen. Aufgrund § 112 Schulgesetz werden die Landkreise und kreisfreien Städte in eigener Zuständigkeit und nach den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten regeln, in welchem Umfang und nach welchen Kriterien sie sich an den Fahrtkosten der Schülerinnen und Schüler beteiligen. Einsparumfänge können sehr unterschiedlich sein. Das ist Sache der Landkreise, und da gehört die Entscheidung auch hin. Es geht nicht an, dass Sie immer sagen: Wir sind die Verfechter der kommunalen Selbstverwaltung, aber wir wollen alles zentral regeln. - Sie müssen sich entscheiden, was Sie wollen. Wir wollen das regeln, was gesetzlich notwendig ist, um im Lande eine Vergleichbarkeit zu erhalten. Aber die Landkreise und Kommunen haben das Recht, die Dinge für sich selbst zu entscheiden. Wenn Sie das nicht wollen, sollten Sie sagen, dass Sie die alten Bezirksverwaltungen wieder haben möchten. Das ist ein Unterschied. Sagen Sie uns nur, was Sie meinen!

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der PDS)

Wir setzen darauf, dass die Kreistage und Stadtverordnetenversammlungen selbst entscheiden.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Sie schieben die Verantwor- tung ab!)

- Was wollen Sie? Sie wollen mich abschieben? Das wäre ja mal ein Beitrag, aber ich bekäme Kirchenasyl, weil ich noch Kirchensteuer zahle. Aber das ist eine andere Sache.

Weder der Bildungsminister noch ich können im Landtag heute im Einzelnen ausführen, wie sich die kommunalen Gremien entscheiden. Ich weiß, dass diese Entscheidungsprozesse vor

Ort nicht einfach sind. Ich weiß, dass diese Entscheidungsprozesse im Vorgriff auf die Kommunalwahlen auch genutzt werden, um das Holz zu spitzen und Dinge anzusprechen. Wir werden es aber immer wieder auf den Punkt zurückführen: Wir müssen davon ausgehen, dass wir nur das anschaffen können, was wir bezahlen können. Der Brandenburger ist ein erdverbundener Mensch, der aus seiner eigenen Lebenserfahrung weiß, dass man auf Dauer nicht mehr ausgeben kann, als man hat. Das müssen wir den Bürgern erklären. Ich versichere Ihnen: Wenn Sie nicht mitmachen, werden Sie damit auf die Nase fallen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Wir wollen damit deutlich machen, dass der von uns vorgeschlagene Weg der der kommunalen Selbstverwaltung und Selbstverantwortung ist. Der Dialog findet zwischen den Bürgern vor Ort und den Kommunen statt. Es ist Aufgabe der gewählten Vertreter, daran mitzuwirken.

Wir sind uns dessen bewusst, dass sich die Einsparungen nicht in einer Zahl darstellen lassen. Nach der Landesverfassung sind wir aber gehalten - darauf ist schon hingewiesen worden -, durch einen kommunalen Finanzausgleich für eine Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen, die sie befähigt, sowohl ihre pflichtigen Aufgaben als auch ein Mindestmaß an Aufgaben der freiwilligen Selbstverwaltung zu erfüllen.

(Zuruf von der PDS: Das tun Sie aber nicht!)

Ob die Kommunen dazu in der Lage sind, muss vom Land evaluiert werden. Wir werden diese Evaluierung vornehmen. Aus diesem Grunde schlagen die Koalitionsfraktionen mit dem neuen Artikel 10 a des vorliegenden Gesetzentwurfs eine Ergänzung des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2002/2003 vor. Das Land wird damit gesetzlich verpflichtet, „die Angemessenheit der Verbundmasse zu überprüfen“. Die Prüfung umfasst auch die im Jahre 2003 um 140 Millionen Euro verminderte Verbundmasse. Dazu werden wir einen Bericht vorlegen.

(Zuruf des Abgeordneten Domres [PDS])

- Herr Domres, haben Sie es immer noch nicht begriffen? Die kommunale Selbstverwaltung zeichnet sich dadurch aus, dass Entscheidungen vor Ort getroffen werden. Wir haben festzustellen, ob die zur Verfügung gestellten Mittel ausreichen, um die pflichtigen Aufgaben und ein Mindestmaß an freiwilligen Aufgaben zu erfüllen. Um nichts anderes geht es. Das kann doch nicht so schwer sein! Ich bin davon ausgegangen, dass Sie Mitglied einer kommunalen Vertretung sind; zumindest erheben Sie den Anspruch.

Meine Damen und Herren, die neue Regelung stellt sicher, dass in diesem Zusammenhang die Angemessenheit der durch das Haushaltsstrukturgesetz gekürzten Mittel überprüft wird; dies wird erst im Symmetriebericht 2007 vorgetragen.

(Zuruf des Abgeordneten Domres [PDS])

- Dann hätten Sie einen sachkundigen Beitrag leisten können. Herr Domres, ich will nicht zitieren, was Sie gesagt haben; denn dann bekäme ich einen Ordnungsruf. Die von Ihnen in der Presse verwendeten Injurien gehören nicht in dieses hohe Haus. Ich kann dazu nur sagen: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Einige sagen mir unter vier Augen, es müsse viel mehr geschehen, aber es dürfe keiner merken. Das ist nicht möglich. Wir müssen das Vorhaben gemeinsam durchtragen. Ich bin optimistisch, dass wir dies den Bürgerinnen und Bürgern erklären können.

Die Zuweisungskürzungen des Haushaltsstrukturgesetzes 2003 müssen auch durch Einsparungen vor Ort aufgefangen werden. Wir arbeiten weiterhin am Projekt „Entlastung der Kommunen“ und überprüfen Entlastungsmöglichkeiten aller Ressorts durch die noch immer bestehende Arbeitsgruppe des Innenministeriums, des Finanzministeriums und der Staatskanzlei.

Letzter Punkt. Mit der Änderung von § 1 Abs. 2 Kita-Gesetz wird klargestellt, dass alternative Betreuungsformen, die in das Gesetz neu aufgenommen wurden, keine zusätzlichen Belastungen für die Kommunen darstellen, die sie verpflichten würden, diese Betreuungsformen auf Wunsch der Eltern zur Verfügung zu stellen. Eine zusätzliche Belastung ist nachdrücklich abzulehnen. Deshalb ist die Formulierung gewählt worden, dass der Betreuungsanspruch, so er besteht, durch alternative Betreuungsformen, zum Beispiel Spielkreise oder integrierte Ganztagsangebote, erfüllt werden kann, aber nicht muss.

Mit der beantragten Änderung von § 112 Abs. 1 Schulgesetz soll geregelt werden, dass die Landkreise und kreisfreien Städte als Träger der Schülerbeförderung eine angemessene Elternbeteiligung sicherzustellen haben. Dieser Beitrag dient der Entlastung der Landkreise und kreisfreien Städte. Durch die Formulierung „angemessene Elternbeteiligung“ verbleibt weiterhin ein Entscheidungsspielraum, der nach den jeweiligen Gegebenheiten ausgefüllt werden kann, das heißt, die Entscheidung wird wiederum vor Ort getroffen.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Er ist als Einstieg zur Bewältigung der Veränderungsnotwendigkeit zu sehen und stellt keinen Schlusspunkt dar.