Das Besondere, meine Damen und Herren, am Lübecker Verfassungskonvent war, dass sich zum ersten Mal in der Verfassungsgeschichte Deutschlands die Präsidentinnen und Präsidenten sowie die Fraktionen der deutschen Landesparlamente gemeinsam zu Wort meldeten. Eine Bündelung dieser Kräfte über Partei- und Fraktionsgrenzen hinaus ist eine Legitimationsbasis, die es bisher nicht gab.
Meine Damen und Herren, während wir im Sinne des erfolgreich verlaufenen Lübecker Verfassungskonvents vom 31. März 2003 eine Stärkung der Landesparlamente durch Bündelung der Initiativen der Landesparlamente anstreben - ich erwähnte es bereits -, kann die PDS ihr obrigkeitsstaatliches Denken anscheinend nicht überwinden. Sie möchte heute darüber beschließen lassen, dass die Landesregierung über ihre Vorstellungen zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung sowie über den Beratungsstand der Bund-Länder-Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung berichtet.
Herr Vietze, es ist doch unsere Aufgabe, die Aufgabe des Parlaments, Ideen zu entwickeln und diese gemeinsam mit den anderen Landesparlamenten umzusetzen. Ich behaupte auch, die Ministerien können mit dem derzeitigen Zustand des Föderalismus weit besser leben als die Parlamente. Gerade deshalb haben wir ein weitaus höheres Interesse daran, die föderale Ordnung im Sinne eines Zuwachses an demokratischer Teilhabe durch eindeutige Zuständigkeiten und Gestaltungsmöglichkeiten zu reformieren.
Selbstverständlich wollen wir nicht an der Exekutive vorbei den Föderalismus reformieren. Das würde auch nicht funktionieren. Wir sollten und müssen unsere Interessen sogar gemeinsam mit der Ministerpräsidentenebene durchsetzen. Selbstverständlich wirken die Landesregierungen an den vor
bereitenden gemeinsamen Arbeitssitzungen mit. Selbstverständlich hat mit ihnen auch ein regelmäßiger Informationsaustausch stattzufinden und es ist eine inhaltlich weitestgehende Übereinstimmung anzustreben.
Aus diesem Grund wird derzeit von unseren Kollegen in Schleswig-Holstein eine Synopse erarbeitet, Herr Vietze, die die Positionen der Landtage sowie die von der Ministerpräsidentenkonferenz vom 27. März verabschiedeten Positionen miteinander vergleicht und in Verbindung bringt. Bezüglich der Bund-Länder-Kommission wurde parallel zur Lübecker Erklärung der deutschen Landesparlamente auch ein Beschluss zur Einsetzung einer Verhandlungskommission gefasst. Diese Verhandlungskommission soll die Forderungen der Landesparlamente nach außen vertreten und den Dialog mit der Bund-Länder-Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung sowie des europäischen Konvents aufnehmen.
Sie sehen, Herr Vietze, es ist alles auf einem guten Weg, die Kräfte werden gebündelt, so wie sich das gehört, und wir können im Augenblick in unserer Fraktion sowie in der Koalition nicht erkennen, dass Ihr Antrag sinnvoll dazu beitragen würde, diesen Prozess für Brandenburg zu beschleunigen und ihn noch besser auf den Weg zu bringen, als das bisher der Fall ist. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Grundstein zu den aktuellen Diskussionen um die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung wurde im Dezember 1998 mit dem Beschluss der Ministerpräsidenten auf ihrer Jahreskonferenz in Potsdam gelegt. Herr Vietze, Sie wissen das. Eine Zuspitzung hat die Auseinandersetzung durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im September 1999 erfahren. Das seinerzeitige Finanzausgleichsgesetz wurde gekippt.
Die damals beschlossenen Ansätze - und da kommen wir zu wesentlichen Punkten - zur Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern waren - um es vorsichtig auszudrücken - nicht im Interesse der Ostländer, auch nicht im Interesse ärmerer Westländer. Insofern ist der gesamte Prozess der Schritt-für-Schritt-Verhandlung von sehr unterschiedlichen Interessen der Länder einerseits und des Bundes gegenüber den Ländern andererseits geprägt. Nicht alle Interessen treten dabei offen zu Tage, vieles versteckt sich hinter langen Debatten, die wir erlebt haben, zu Arbeitsstrukturen und Zeitabläufen.
So erklärt sich, dass die Ministerpräsidenten auf ihrer letzten Konferenz am 27. März 2003 erstmalig inhaltlich zu den Fragen der Verteilung von Gesetzgebungskompetenzen sowie der Aufteilung und Ordnung der Finanzen zwischen Bund und Ländern Stellung bezogen. Über die wesentlichen Inhalte der beschlossenen Leitlinien hat der Innenminister gestern sehr ausführlich informiert. Im Kern geht es um mehr Gesetzgebungskompetenzen für die Länder und um eine klare Aufgabenabgrenzung zwischen Bund und Ländern sowie eine deutli
che Reduzierung der Mischfinanzierung, allerdings unter Beibehaltung der derzeitigen Finanzausstattung der Länder. Der Bund ist diesen Vorschlägen, wie Sie wissen, nicht nur vehement entgegengetreten, sondern hat sogar weitere Kompetenzen für sich beansprucht.
Diese Ausgangslage, Herr Vietze, zu Beginn der nunmehr erst einsetzenden Verhandlungen in dem von Vertretern des Bundes und der Länder gebildeten Lenkungsausschuss lassen eine schnelle Einigung auch bei bestem Willen nicht erwarten. Die Landesregierung, meine Damen und Herren, wird den Landtag auch weiterhin über Arbeitsschritte und Zwischenergebnisse auf dem Laufenden halten. - Ich bedanke mich.
Herzlichen Dank. - Wir sind am Ende der Rednerliste und ich beende die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer dem Antrag der PDS-Fraktion, der die Drucksachennummer 3/5857 trägt, folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie über die letzte Entwicklung in Sachen BBI informieren und Ihnen dazu einen Beschluss der Gesellschafterversammlung vom heutigen Tage zur Kenntnis geben, der da lautet:
„Die Gesellschafterversammlung der BBF ermächtigt auf Basis der Beschlussempfehlung des Aufsichtsrates der PPS vom 21. Mai“
„die Geschäftsführung der BBF in ihrer Funktion als Gesellschafter der PPS, die Geschäftsführung der PPS“
„zu ermächtigen, die diesem Beschluss als Anlage beigefügte Abwicklungsvereinbarung abzuschließen. Die Gesellschafter“
„erklären übereinstimmend, dass auch nach Beendigung des Privatisierungsverfahrens der Konsensbeschluss vom 28. Mai 1996 weiterhin ohne Einschränkungen gültig bleibt, wobei eine Privatisierung der BBF derzeit nicht umsetzbar erscheint. Dies gilt insbesondere für die zügige Fortführung des Planfeststellungsverfahrens für den Ausbau des Flughafens Schönefeld zum Flughafen Berlin Brandenburg International als Singlestandort und die Fortführung des Umsiedlungsverfahrens der Gemeinde Diepensee und von Teilen der Gemeinde Selchow auf Basis der bestehenden Umsiedlungsverträge sowie für die
Die drei Gesellschafter, Bund, Berlin und Brandenburg, haben dazu vor wenigen Minuten vor der Presse ausführlich Stellung genommen. Dieser Beschluss bedeutet im Klartext, dass die drei Gesellschafter am Konsensbeschluss festhalten, dass das laufende Planfeststellungsverfahren genau wie geplant fortgeführt und zügig zu Ende gebracht wird, genau wie die Umsiedlungsverfahren.
Das heißt aber auch - das hat der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Herr Tilo Braune, ganz klar bestätigt -: Die Planung der Schienenanbindung geht entsprechend den Planfeststellungsunterlagen weiter. An der Realisierung von Bundesfernstraßen im Umfeld des Flughafens - das sind die 96, die 96 a und die 113 n - wird ebenfalls weiter gearbeitet. Das vorhandene Flughafensystem - auch darauf haben wir uns heute verständigt und das wird auch morgen Gegenstand der Aufsichtsratssitzung der BBF sein - muss weiter optimiert und effizienter strukturiert werden, denn - das wissen Sie alle - es zeigt sich in Tegel, dass man ein solches Geschäft durchaus Gewinn bringend gestalten kann. Es zeigt sich an anderen Flughäfen, dass man es auch anders machen kann.
- Genau, Herr Freese, defizitär nämlich. - Damit ergibt sich unter anderem die Frage: Wie lange muss beispielsweise Tempelhof als belastende Größe in diesem System noch zwingend offen bleiben? Denn wir müssen die Ertragssituation des Unternehmens verbessern, um auch eine gute Basis für die finanzielle Belastung, die dann auf die Gesellschafter zukommt, zu haben. Denn - auch das will ich sagen - das, was wir da gemeinsam vorhaben, soll ja nicht ausschließlich von der öffentlichen Hand getragen werden, sondern im Gegenteil: Wir wollen, dass möglichst viel Ertrag aus der Flughafen Holding selbst fließt.
Ich wollte Sie darüber informieren. Sie werden alles Weitere Einzelheiten und Feinheiten -, denke ich, morgen noch in den Zeitungen lesen. Aber das ist der Kern dessen, was wir heute besprochen und beschlossen haben. - Herzlichen Dank.
Ich bedanke mich für die aktuelle Information. Nach dem Abschluss des Tagesordnungspunktes 6 folgt nun der Aufruf des Tagesordnungspunktes 7:
Die Landesregierung nimmt offensichtlich gelassen zur Kenntnis, dass dem Land die Jugend wegläuft. Allein im Jahr 2001 waren es 7 500 junge Leute, die ihr Glück außerhalb von Brandenburg suchen mussten, da sie hier keinerlei Perspektive für sich sahen. Auch gegenwärtig nimmt Brandenburg den Spitzenplatz hinsichtlich der Jugendarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik ein. Es wäre höchste Zeit, Maßnahmen zu ergreifen, um an dieser Situation grundlegend etwas zu ändern. Doch es passiert nichts. Im Gegenteil, durch ihren unbedachten Sparaktionismus verschlechtert die Landesregierung die Lebens- und Arbeitsbedingungen junger Menschen in diesem Land. Der neue Kinder- und Jugendbericht spricht eine sachliche, aber klare Sprache.
Demgegenüber gehört es zum guten Stil der PDS-Fraktion, meine Damen und Herren, Vorschläge zu unterbreiten, die neue kreative Wege weisen, ohne den Landeshaushalt mehr zu belasten. Das war und ist bei uns gute Tradition.
Diesem Grundsatz folgt unser Antrag auf Umgestaltung des 610-Stellen-Programms. Wir sind in der Lage, mit Notsituationen produktiv umzugehen. Drei Themenkomplexe sind für die von uns vorgeschlagene Umgestaltung zu berücksichtigen: erstens die reduzierte Förderung auf dem zweiten Arbeitsmarkt, zweitens das Schulressourcenkonzept der Landesregierung und drittens das 610-Stellen-Programm mit Blick auf den aktuellen Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung.
Zum ersten Komplex: Die rigorosen Pläne der Bundesregierung zur Umgestaltung des zweiten Arbeitsmarktes werden die Lage im Jugendfreizeitbereich zuspitzen. Die aktuelle Politik in Bund und Land ist besonders bedrohlich für den Bereich, der schon seit Jahren nicht nur permanent unterfinanziert ist, sondern der auch auf die Förderung über ABM und SAM angewiesen ist: die Jugendarbeit. Die Landesregierung hat bereits in den vergangenen Jahren weniger Geld für die Jugendarbeit zur Verfügung gestellt als andere Bundesländer. Die Einsparung im Nachtragshaushalt und der Wegfall von ABM- und SAM-Stellen werden kein entscheidender Beitrag zur Sanierung des Landeshaushalts sein, sie führen aber zwangsläufig zum Wegbrechen ganzer Strukturen, an deren Aufbau und Erhalt jahrelang mit viel Eifer und Engagement gearbeitet wurde. Ich möchte mich an dieser Stelle auch herzlich bei meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen bedanken, die genau diese Arbeit vor Ort leisten.
Das 610-Stellen-Programm für die Jugendarbeit haben Sie zwar mit Mühe und Not aus den Kürzungen herausgehalten, doch auch seine Perspektive ist mehr als unklar und unsicher. So sind entgegen der Antwort auf eine Anfrage meines Kollegen Domres Zuwendungen bis 2005 nicht bewilligt, Zuwendungsbescheide - wir hatten das Thema heute schon - auf September datiert und garniert wird das alles mit den Wirrnissen auf dem zweiten Arbeitsmarkt.
Im Kinder- und Jugendzentrum „Nordstern“ Frankfurt (Oder) wurde die Zahl der ABM-Stellen halbiert. Das Modellprojekt „Tropfen“ hat eine von vier beantragten ABM zur Verfügung. Der Jugendklub Wusterhausen hat zwar nach langer Zeit der Abstinenz wieder eine Stelle zur Verfügung, diese ist aber nur für acht Monate bewilligt worden.
Zum zweiten Komplex: Die Schulsozialarbeit sollte in den Bildungsbereich integriert werden. Das würde nicht nur rein rechnerisch, sondern auch aus verschiedenen anderen Gründen Sinn machen.
Zum einen hat die Landesregierung vor, die Zahl der Lehrerstellen mit dem Argument der sinkenden Schülerzahlen drastisch abzubauen - etwa 7 000 bis zum Jahr 2010. Vorstellbar wäre, anstelle von einzusparenden Lehrerinnen und Lehrern Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter einzustellen bzw. Lehrerinnen und Lehrern neue Berufschancen zu eröffnen.
Zum anderen wäre die laufende Diskussion zur Gestaltung der Ganztagsschule oder die Ausweitung der Ganztagsangebote eine Chance, die ganztägige Betreuung in die alleinige Verantwortung von Schule zu legen. Abgesehen davon, dass mit einem solchen Herangehen die Jugendarbeit gestärkt werden könnte, sehen wir darin eine echte Alternative zur bisherigen Praxis, die für alle Bundesländer gilt.
Auch in Brandenburg ist das Verhältnis zwischen Jugendamt und Schulamt überaus widersprüchlich, da sich beide oft nicht als gleichwertige Partner akzeptieren. Die Jugendhilfe möchte vom Schulbereich als gleichwertig anerkannt werden, sie will nicht Lückenbüßer oder Reparaturbetrieb sein, sie will nicht vereinnahmt und ausgenutzt werden. Die Kooperation von Jugendhilfe und Schule unterliegt ständig der Gefahr, dass die Schule für Starke Leistungen reklamiert, Jugendhilfe für Schwache - für Beziehung und Freizeit. Nicht umsonst hat die Kultus- und Jugendministerkonferenz angesichts der problematischen Kooperation von Schule und Jugendhilfe angemahnt, Strukturen, Ressourceneinsatz und Arbeitsweisen einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Ausgehend davon, was junge Menschen benötigen, müssen Besitzstände zur Disposition gestellt und Fragen der Zuständigkeit und Verantwortung als offen und gestaltbar angesehen werden.
Zum letzten und dritten Komplex, dem 610-Stellen-Programm: Die im aktuellen Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung zitierte Camino-Studie zur Evaluation des 610-StellenProgramms stellt 800 Stellen in diesem Bereich als wünschenswert dar und begründet das auch.