Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erkennen zunächst einmal an, dass die im Bericht enthaltenen Daten und Fakten Ausdruck der engagierten und harten Arbeit der Bäuerinnen und Bauern Brandenburgs sind. Dafür von der CDU-Fraktion ein herzlicher Dank an den Berufsstand und die Erarbeiter des Berichtes aus dem Ministerium.
Ich muss aber gleichzeitig anmerken, dass die Aktualität des Berichtes infrage zu stellen ist, denn in der Landwirtschaft ist ein Berichtsjahr kein Jahr. Wir sind es gewöhnt, in längeren Zeiträumen zu bilanzieren, um die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen. Es wäre angebracht, in Zukunft in einem Dreijahreszyklus - wenn wir das Gesetz ändern sollten - zu berichten, denn dann bekämen diese Zahlen mehr Wert.
Zweitens ist der Bericht inhaltlich im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Daten längst überholt. Hierbei hinken wir zwei Jahre hinterher. Wir erkennen das Bemühen der Landesverwaltung an, im Agrarbericht eine möglichst positive Tendenz der Entwicklung aufzeigen zu wollen. Es ist natürlich durchaus legitim, dass der Minister in seinem Vorwort die positiven Dinge der Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion voranstellt und hervorhebt. Dass dies aufgrund der äußeren Bedingungen, der natürlichen wie der politischen Rahmenbedingungen, immer schwerer fällt, ist allen Fachleuten bekannt. Das darf aber nicht dazu führen, die Augen vor den Realitäten zu verschließen und sich Dinge schönzureden, wie zum Beispiel die Tatsache, dass es im Vorwort heißt:
„In der landwirtschaftlichen Produktion selbst blieb die Zahl der Beschäftigten annähernd konstant.“
Wir beklagen die rückläufige Tendenz der Beschäftigung in der Landwirtschaft. Wir beklagen eine rückläufige Tendenz in der Ertragsentwicklung, bei der Abwanderung aus dem ländlichen Raum, insbesondere dem äußeren Entwicklungsraum, und wir weisen Abwanderungszahlen aus den ländlichen Räumen nach. Wir nehmen sie zur Kenntnis, ohne eine Antwort zu geben. Auch die gegenwärtige Situation und die Schadensermittlung - 180 Millionen bis 200 Millionen gegenwärtig, Herr Minister sind aus meiner Sicht geschönt, wobei wir alle Maßnahmen,
die Sie angeführt haben, voll unterstützen, nur lösen sie nicht das Problem, welches wir gegenwärtig haben.
Analysieren wir die Bilanz der letzten vier Jahre, dann ist bei allen Rechtsformen keine positive Ergebnisentwicklung festzustellen. Die steigenden Erlöse wurden durch Kostensteigerungen ausgeglichen. Die Kapitalrentabilität ist zum Teil rückläufig, Investitionen stagnieren bzw. sind rückläufig - eine Folge der natürlichen Rahmenbedingungen, andererseits aber auch Zeichen dafür, dass seitens des Berufsstandes eine erhebliche Verunsicherung über die Ausrichtung der Agrarpolitik generell und speziell in Deutschland besteht.
Wir als armes Land Brandenburg können diese Entwicklung nur begrenzt beeinflussen. Wo die Prioritäten gesetzt werden, wird an der Struktur der Haushaltsmittel für den Agrarbereich deutlich: 79 % aus der Europäischen Union, 13 % vom Bund und nur 8 % vom Land. Daran wird deutlich, dass das Land Brandenburg keine eigenständige Agrarpolitik mehr gestalten kann.
Wir stehen jetzt vor schwerwiegenden Entscheidungen in den Betrieben und in der Politik. Ohne ein Horrorszenario malen zu wollen, möchte ich nur darauf hinweisen, dass das System der Vorratswirtschaft in der Landwirtschaft aufgebraucht ist und nicht mehr funktioniert, dass nach BSE, Hochwasser, Dürre, absolutem Preistiefstand für alle tierischen Produkte infolge die Betriebe weitgehend ohne Reserven und damit nicht mehr kreditwürdig sind und auch Investitionen, um die Flucht nach vorn antreten zu können, kaum noch möglich werden.
Viele handeln nach der Devise: Durchhalten und Aushalten in Hoffnung auf Besserung! Viele werden aufhören, Insolvenzen werden jetzt auch in der Landwirtschaft zum Alltag gehören. Damit ist klar, dass aufgrund dieser Entwicklung die flächendeckende Landbewirtschaftung im Land Brandenburg nicht mehr aufrechterhalten werden kann - mit allen negativen Faktoren, die wir dabei kennen.
Der einzige Bereich, der stabilen Zuwachs aufweist, ist der Naturschutzbereich. Hier ist der Soll-Ist-Vergleich positiv, koste es, was es wolle. Ich muss mich schon fragen, ob Fakten wie Wirtschaftsentwicklung oder Finanzsituation dabei beachtet werden. Aus meiner Sicht werden sie eher ausgeblendet. Nach der gestrigen Äußerung von Staatssekretär Schmitz-Jersch, dass Bauern keine Naturschützer, sondern nur Naturnutzer sind und damit nicht Natur erhaltend wirken, wundert es mich auch nicht, dass der Naturschutz im Lande eine höhere Priorität als die Landbewirtschaftung genießt. Es wird vollkommen ausgeblendet, dass der Bauer durch die Bewirtschaftung der Flächen über Jahrtausende die Ernährung sichergestellt und diese Kulturlandschaft geschaffen hat und dies auch nur durch die Bewirtschaftung gesichert werden kann.
Es gäbe noch sehr viel zu berichten. Es gab auch in den einzelnen Diskussionen sehr viele Ansatzpunkte, auf die einzugehen es mir Spaß gemacht hätte. Insgesamt kann ich hier nur sagen: Der Bericht ist interessant, von der Zeit überholt, Herr Minister, und er gibt leider keine Antwort auf die Probleme, die wir gegenwärtig haben. - Vielen Dank.
Ich danke dem Abgeordneten Helm, beende die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und stelle fest, dass Sie den Bericht der Landesregierung in der Drucksache 3/5984 - Neudruck - zur Kenntnis genommen haben.
Antrag der „Volksinitiative nach § 76 BbgVerf - gegen Zwangseingemeindungen und für die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Volksinitiative gegen Zwangseingemeindungen und für die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung ist Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, lästig. Das ist an der Form des Umgangs mit den Vertretern der Volksinitiative in der Anhörung des Ausschusses für Inneres am 15. Mai abzulesen.
Anzuhörende waren im Innenausschuss schon immer besonderen Umgangsformen unterworfen. Aber diese Erfahrung ist offensichtlich immer noch zu toppen. Dem unbefangenen Leser empfehle ich daher das Protokoll dieser Sitzung. Es illustriert auch hervorragend beispielhaft die Versäumnisse und Fehler der Gemeindegebietsreform.
Lästig ist Ihnen von der Koalition diese Volksinitiative, weil die Sammlung von 40 000 Unterschriften in sechs Wochen eine beachtliche Leistung war, an der Sie am 5. März 2003 bei der Abstimmung über die sechs Gemeindegebietsreformgesetze vorbeigegangen waren. Die PDS-Fraktion bleibt bei ihrer Auffassung, dass das Gesetzgebungsverfahren mit Einreichung der Volksinitiative hätte unterbrochen werden müssen. Dies hätte der Respekt vor der Volksgesetzgebung geboten.
Deshalb stimmt die Fraktion der PDS auch heute gegen die Empfehlung des Hauptausschusses, mit der die Volksinitiative abgelehnt wird. Ich bin dennoch überzeugt, dass nun im zwingend nachfolgenden Volksbegehren auch die 80 000 Unterschriften geschafft werden, selbst wenn jetzt die Unterschriftsleistung mit größeren bürokratischen Hürden verbunden ist.
Im Ergebnis könnten wir alle nur deswegen demnächst vor einem großen gesetzgeberischen Scherbenhaufen stehen, weil sich die CDU/SPD-Regierung in Brandenburg in den Kopf gesetzt hatte, auf Biegen und Brechen, ohne Rücksicht auf Verluste und übereilt eine Gemeindegebietsreform durchzuführen, eine Reform, die wegen des damit verbundenen Zwanges in den betroffenen Gemeinden und der dortigen Bürgerschaft vehement abgelehnt wird.
munalen Verfassungsbeschwerden von Gemeinden deutlich, denn bei mehr als 200 vor dem Verfassungsgericht klagenden Gemeinden muss von einer Klagewelle gesprochen werden.
Die klagenden Gemeinden brauchen auch nicht entmutigt zu sein, weil das Landesverfassungsgericht am 19. Juni über die ersten Eilanträge von Gemeinden bezüglich des In-Kraft-Tretens der Reformgesetze ablehnend entschieden hat.
Im Falle der Gemeinde Waltersdorf im Amt Schönefeld und fünf weiteren Gemeinden hat das Gericht die Außervollzugsetzung des gesetzlichen Zwangszusammenschlusses abgelehnt, weil das Interesse des Landesgesetzgebers an einer landesweiten Kommunalwahl in der neuen Struktur die Interessen der Gemeinden an einem vorläufigen Fortbestand überwiege.
Gleichzeitig hat das Verfassungsgericht jedoch Vorkehrungen für die neue Großgemeinde bestimmt, um sicherzustellen, dass die zwangsaufgelöste Gemeinde im Falle des Erfolges ihrer Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache problemlos wieder zurückgegliedert werden kann. Dies betrifft insbesondere die Sicherung des Grundvermögens und die Transparenz bei der Aufstellung und Abwicklung des Haushalts.
Ja, die Gemeinden haben große Hoffnungen in diese ersten Entscheidungen des Verfassungsgerichts gesetzt. Doch bleibt es bei den weiteren Verfahren bei der Regel: Jeder Antrag wird vom Gericht gesondert bewertet und entschieden.
Gleichzeitig sieht das Verfassungsgericht, dass die Rechte der Gemeinden im Prozess der Gemeindegebietsreform durch Wohlverhaltensanordnungen geschützt werden müssen, und gibt den Gemeinden wenigstens in diesem Sinne Recht.
Außerdem stellt das Gericht deutlich heraus, dass anhand der Beschlüsse nicht die Erfolgsaussichten in der Hauptsache beurteilt werden können. Darauf kam es nämlich noch gar nicht an. Der Ausgang der weit mehr als 200 kommunalen Verfassungsbeschwerden ist daher noch immer völlig offen.
Ich fasse somit zusammen: Entweder scheitern die krass ungerechten Neugliederungen vor dem Verfassungsgericht, das, anders als der Innenausschuss, alle Einwände in jedem Fall auch tatsächlich einzeln prüfen wird, oder ein erfolgreicher Volksentscheid hebt Ihre Gesetze auf. Das kann eine mögliche Perspektive sein, die Sie von der Koalition provoziert haben, obwohl ein anderer Weg möglich war, ein Weg der Vernunft, der weitere Gemeindezusammenschlüsse den freiwilligen Entscheidungen vor Ort überlässt und Zwangsgesetze überflüssig macht. Die Volksinitiative hat genau diesen Weg vorgeschlagen. - Danke.
Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie alle erinnern sich daran, dass mitten in der Anhörung zur Gemeindegebietsreform am 3. März 2003 eine Volksinitiative
eine Unterschriftenliste mit insgesamt 36 248 Eintragungen dem Landtagspräsidenten übergeben hat, übrigens nicht 40 000, Herr Sarrach, wie Sie gesagt haben, obwohl die Zahl, die erreicht worden ist, natürlich toll ist.
Am 27. März 2003 wurde vom Landesabstimmungsleiter festgestellt, dass 31 718 Unterschriften keinerlei Mängel aufwiesen. Damit wurde die Volksinitiative zur weiteren Bearbeitung in den Hauptausschuss überwiesen. Der Hauptausschuss legte in seiner 52. Sitzung am 10. April 2003 fest, dass die förmlichen Voraussetzungen nach § 5 und § 6 des Volksabstimmungsgesetzes erfüllt sind und dass diese Volksinitiative zulässig ist.
Was wollte die Volksinitiative? Die Volksinitiative hatte vier Forderungen aufgestellt, und zwar: Die Gesetze eins bis sechs sollten zurückgewiesen werden. Zusammenschlüsse von Gemeinden sollten grundsätzlich nur freiwillig erfolgen. Der Landtag sollte die gesetzlichen Grundlagen schaffen, dass sich die Gemeinden nicht unter dem Druck der Leitlinien zusammenschließen müssen. Es wurde außerdem gefordert, die Amtsordnung in dem Sinne zu ändern, dass die Zahl von 500 Einwohnern je Gemeinde nicht die obere Begrenzung für die Zusammenschlüsse darstellen sollte.
Nachdem wir im Hauptausschuss festgestellt hatten, dass die förmlichen Voraussetzungen gegeben waren, wurde festgelegt, dass sich der für diese Dinge zuständige Ausschuss für Inneres weiterhin mit dieser Volksinitiative zu beschäftigen hat. Das passierte dann auch.
Am 15. Mai wurden die Vertreter der Volksinitiative, wie es erforderlich ist, nach Recht und Gesetz gehört. Die Vertreter der Volksinitiative vertraten in dieser Anhörung des Innenausschusses die Ansicht, dass die Hinweise der Gemeinden und der Bürgerinnen und Bürger, die dem Ministerium des Innern in den Anhörungen zur Vorbereitung der Gemeindegebietsreform gegeben worden sind, nicht in dem Maße berücksichtigt wurden, wie es sich gehört hätte. Nach Meinung der Volksinitiative hätte der Landtag die weitere Beratung zu dem Gesetz unterbrechen müssen.
Dieser Meinung der Volksinitiative konnte sich der Ausschuss für Inneres nicht anschließen und teilte dieses Votum dem Hauptausschuss mit. Der Hauptausschuss hat sich in seiner abschließenden Beratung am 11. Juni dieses Votum des Innenausschusses zu Eigen gemacht, welches hieß: Ablehnung der Volksinitiative - nicht förmlich, sondern inhaltlich.
Diese Beschlussempfehlung liegt heute vor und wir werden dieser Beschlussempfehlung des Hauptausschusses folgen. Vielen Dank.