Protokoll der Sitzung vom 27.08.2003

auf das Kalenderjahr die Betriebe die Steuer für die ersten drei Monate, also für die Zeit vom 01.10. bis 31.12., dem alten Kalenderjahr und die Steuer vom 01.01. bis 30.09. dem zweiten Kalenderjahr zurechnen.

Dieses Beispiel ist typisch für die Tendenz der Administration im Allgemeinen und der Steuerverwaltung im Besonderen, Aufgaben oder Teile hiervon aus der Behörde auszulagern und auf die Unternehmen bzw. gegebenenfalls auf deren steuerliche Berater abzuwälzen.

Unbestritten ist, dass der bürokratische Aufwand für die Unternehmen insbesondere im Hinblick auf die ständig versprochene, jedoch niemals erfolgte Steuervereinfachung im Bereich der vom Fiskus geforderten Aufgaben ein Maß erreicht hat, das keinesfalls mehr überschritten werden darf, da die äußerste Belastungsgrenze erreicht ist. Die von uns vorgeschlagene Regelung in diesem Bereich wäre zumindest ein kleiner Ansatz zur Steuervereinfachung und damit zur Entlastung insbesondere der kleinen und mittelständischen Betriebe.

Ich hoffe, dass nach den beiden von mir genannten Beispielen nun auch alle Mitglieder der Koalitionsfraktionen verstanden haben, worum es uns geht, und unserem vorliegenden Antrag zustimmen können, worum ich hier nochmals bitte. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth. - Wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und kommen zur Abstimmung.

Die Fraktion der DVU hat die Überweisung des Antrags Drucksache 3/6261 - zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen und an den Ausschuss für Wirtschaft - mitberatend - beantragt. Wer diesem Überweisungsantrag folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich lasse über den Antrag der Fraktion der DVU - Drucksache 3/6261 - in der Sache abstimmen. Wer dem Antrag in der Sache seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag auch in der Sache mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 12 und rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Ausrichtung der Strukturfondsförderpolitik

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/6276

Ich eröffne die Aussprache mit der erfreulichen Mitteilung, dass die Fraktion der PDS als einreichende Fraktion Redeverzicht angezeigt hat. Die weitere erfreuliche Mitteilung lautet, dass sich die Fraktionen der SPD, der DVU und der CDU sowie die Landesregierung diesem Redeverzicht angeschlossen ha

ben. Ich schließe also die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und wir kommen zur Abstimmung.

Die Fraktion der PDS hat beantragt, den Antrag - Drucksache 3/6276 - an den Ausschuss für Wirtschaft zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist einstimmig so beschlossen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 13 und rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Lehrerfortbildung

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/6280

Außerdem liegt Ihnen in der Drucksache 3/6323 hierzu ein Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU vor.

Ich eröffne die Aussprache - Sie glauben wohl nicht, dass auch zu diesem Tagesordnungspunkt Redeverzicht angezeigt worden ist - und gebe das Wort an Frau Abgeordnete Große.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich befürchtete schon, dass es diesem Antrag so ähnlich ergehen würde wie dem von mir heute Morgen in der Aktuellen Stunde erwähnten Antrag meiner Fraktion zur Vorlage einer Konzeption zur Weiterentwicklung der Ganztagsschulangebote, dass er also zurückgewiesen würde, und zwar mit der Begründung, dass die Landesregierung das alles schon plane oder dass das nur Verwaltungshandeln betreffe. Aber es gibt immer Überraschungen. Diesmal wird unser Antrag mit einem Entschließungsantrag geadelt, der im Wesentlichen unseren Intentionen folgt. Das lässt hoffen.

(Beifall bei der PDS)

Lassen Sie mich dennoch etwas zu den Gründen sagen, aus denen heraus wir diesen Antrag gestellt haben.

Den ersten Impuls für diesen Antrag gab ein Befund der PISAStudie, der für Deutschland einer der traurigsten ist: Von den 10 % der Schülerinnen und Schüler, die bezüglich der Lesekompetenz zur Risikogruppe gehören, weil sie noch nicht einmal die niedrigste Kompetenzstufe erreichten, wurde nur ein überaus geringer Anteil von etwa 5 % durch die Lehrerinnen und Lehrer als leseschwach diagnostiziert. Ähnliche Ergebnisse gab es bezüglich der mathematischen und der naturwissenschaftlichen Kompetenz. Es gibt also deutliche Defizite bei der diagnostischen Kompetenz von Lehrerinnen und Lehrern und damit dringenden Handlungsbedarf.

Der zweite Impuls für den Antrag entstand durch meine eigenen Erfahrungen in 25 Jahren Lehrerintätigkeit mit Fortbildung:

In der DDR sozialisierte Lehrerinnen und Lehrer hatten eine Fortbildungsverpflichtung im Rahmen eines Kurssystems. Alle

fünf Jahre mussten Blöcke von politischer, pädagogischer, psychologischer und fachwissenschaftlicher Fortbildung während der Ferien absolviert werden. Das wünsche ich mir so nicht zurück, weil kaum eigene Ansprüche erfüllt oder erkannte Defizite behoben werden konnten. Kontinuität und ein Quäntchen stärkere Pflicht täten aber vielleicht auch jetzt ganz gut.

Nach der Wende gab es nach meiner Wahrnehmung zunächst eine enorme Fortbildungslust bei den Lehrerinnen und Lehrern. Es gab neue Inhalte, Rahmenlehrpläne, Methoden, reformpädagogische Ansätze, eine neue Technik. Die Lehrerinnen und Lehrer haben sich diesem Umbruch zumeist positiv gestellt und es gab auch Anreize. Zum Beispiel mussten für die Verbeamtung 20 Stunden nachgewiesen werden. In diesem Zusammenhang sei auch einmal erwähnt, dass das Pädagogische Landesinstitut in jener Zeit Enormes geleistet hat.

Mittlerweile ist der Fortbildungsdrang vieler Kolleginnen und Kollegen doch etwas gebremst. Das hat zum einen mit der stärkeren Belastung der Lehrkräfte zu tun. Zum anderen sind die Rahmenbedingungen für die Fortbildung schwieriger geworden, und zwar zum Beispiel durch die Auflösung der dezentralen Außenstellen des PLIB oder durch bürokratische Anmeldeverfahren oder weil Unterrichtsausfälle wegen des zu knapp gestrickten Personalnetzes vermieden werden müssen. Auch die Fortbildung durch die Fachmoderatoren wurde wegen ständiger Umstrukturierungen immer weniger effektiv. Die verordneten 16 Stunden schulinterner Fortbildung werden oftmals nicht wirklich sinnvoll genutzt.

An den Schulen gibt es Lehrkräfte, die sich intensiv fortbilden, und solche, die träge sind. Dies hat keine Folgen für Bezüge oder für Aufstiegschancen. Umso mehr verdienen Kolleginnen und Kollegen Anerkennung, die sich aufgrund eines eigenen Anspruchs fortbilden. Davon gibt es glücklicherweise auch recht viele.

Diese Beschreibung der persönlichen Situation von Lehrerinnen und Lehrern erhebt nicht den Anspruch, repräsentativ zu sein. Eine gründliche Evaluation wäre hier dringend vonnöten. Eine solche fordern wir ja auch in unserem Antrag.

Der dritte Impuls für den Antrag erwuchs aus dem Jahresbericht 2002 des Pädagogischen Landesinstituts und dem aktuellen Programm des jetzigen, zusammengeführten LISUM:

Sicherlich sind 12 815 Fortbildungsstunden im Jahre 2002 bei 14 233 Teilnehmerinnen und Teilnehmern kein schlechtes Ergebnis. Betrachtet man aber die jeweiligen Anteile, bleiben Fragen offen. So wurden 51 % für die berufliche Bildung erbracht, 10 % für Führungskräftevorbereitung, nur 11 % für schulstufenspezifische und 10 % für Rahmenlehrplanimplementation.

Damit will ich in keiner Weise das Pädagogische Landesinstitut kritisieren, das mit der Curricula-Entwicklung, Modellversuchsbegleitung, Entwicklung von Vergleichsarbeiten, diagnostischen Tests, zentralen Prüfungen bei einer sehr begrenzten Mitarbeiterzahl wirklich überdimensional gefordert ist.

Im Programm des LISUM für August 2003 bis Februar 2004 finden sich interessante Fortbildungsangebote zur Schulentwicklung in den Fachwissenschaften für Führungskräfte und Mitwirkungsgremien sowie außerordentlich viele Angebote für die berufliche Bildung und die Medienpädagogik.

Leider gibt es keine sichtbaren Angebote - manches ist sicher integrierter Bestandteil - zu den so genannten Berufswissenschaften: Pädagogik, pädagogische Diagnostik, allgemeine Didaktik, Psychologie, Soziologie, Bildungsökonomie usw. Um diese aber müsste es nach und vor PISA verstärkt gehen.

Ich vergesse hier natürlich nicht, dass sich Lehrer selbstständig auch bei anderen Trägern und eben in der Schule selbst fortbilden. Es steht aber die Frage, ob das alles reicht, um den bestehenden und den künftigen Anforderungen zu genügen. Immerhin müssen wir den im System arbeitenden 24 960 Lehrern, deren Altersdurchschnitt bei 47 Jahren liegt, die Chance geben, aber eben auch von ihnen einfordern, sich diesen Anforderungen zu stellen.

Bisher ist die Fortbildung der Lehrkräfte im Schulgesetz in § 67 Abs. 3 wie folgt geregelt:

„Die Lehrkräfte aktualisieren ständig ihre Kenntnisse und Fähigkeiten und können auch in der unterrichtsfreien Zeit in angemessenem Umfang zu Fortbildungsmaßnahmen herangezogen werden.“

Im Referentenentwurf des Brandenburgischen Lehrerbildungsgesetzes, § 12 Abs. 2, heißt es dagegen schon:

„Die Lehrkräfte sind zur ständigen Fortbildung verpflichtet.“

Es muss also geklärt werden, ob die Verpflichtung zur Fortbildung, aber auch das Recht auf Fortbildung auf gesetzlich festere Füße gestellt werden muss, was durchaus ein Ergebnis der Debatte um die Grundsätze der Fortbildung sein könnte.

Dies würde aber bedeuten, dass ein fester Teil der Arbeitszeit der Lehrkräfte dafür zur Verfügung gestellt werden muss. In Schweden sind das zum Beispiel 8 Wochenstunden bei einer Unterrichtsverpflichtung von 20 Wochenstunden. In Finnland sind es 3 Wochen für jeden Lehrer pro Schuljahr. Daran gemessen sind die 16 Stunden schulinterne Fortbildung als einzige Verpflichtung wirklich wenig. Die Ergebnisse der beiden Länder bei PISA zeigen, dass es sich lohnt, in Fortbildung zu investieren.

Grundlage der Fortbildung müssen aus unserer Sicht Fortbildungskonzeptionen der Schulen sein, in denen die Anforderungen an Fortbildung verbindlich geregelt werden. Diese Konzeptionen müssen von den Erfordernissen der konkreten Schulentwicklung und den individuellen Bedürfnissen der Lehrkräfte ausgehen. Es muss darum gehen, auch und gerade bei Lehrern lebenslanges Lernen zu ermöglichen, sie dazu zu befähigen, sie zu ermutigen, sie wieder neugierig zu machen. Die Schulaufsicht muss in die Lage versetzt werden, den Fortbildungsprozess auf der Grundlage der Fortbildungskonzeption der Einzelschule inhaltlich und fachlich zu begleiten und die einzelnen Fortbildungskonzeptionen sinnvoll miteinander zu vernetzen.

Die Angebote aller Fortbildungseinrichtungen, zum Beispiel auch die der Berliner, sind aufeinander abzustimmen. Lehreraus- und -fortbildung müssen enger miteinander verzahnt werden. Die Fortbildung muss zunehmend professionsorientierende und professionserhaltende Inhalte umfassen, sollte sich aber nicht auf den engeren beruflichen Bereich beschränken. Auch

und gerade Lehrer brauchen neue Kenntnisse und Erfahrungen aus außerschulischen Bereichen.

Das Schulressourcenkonzept muss hinsichtlich der Fortbildungsbedarfe noch einmal überprüft werden. In den Grundsätzen zur Fortbildung sollte auch die Aufgabenverteilung und Aufgabenabschichtung zwischen allen an Lehrerfortbildung beteiligten Akteuren geregelt werden.

Minister Reiche schwärmt in der Presse häufig davon, das größte Unternehmen des Landes zu führen. Hinsichtlich der konzeptionellen Führung der Fortbildung seiner wichtigsten Mitarbeiter schwächelt der Unternehmer Reiche. Vielleicht bedürfte es hier einer richtig guten Fortbildung in einem anderen Unternehmen. Bis dahin aber können wir schon Vorlauf schaffen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke.

(Beifall bei der PDS)