Protokoll der Sitzung vom 27.01.2000

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der Fraktion der SPD. Frau Abgeordnete Ziegler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass nach der gestrigen Sitzung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen endlich der Weg für die Verabschiedung des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2000 frei ist. Gestern haben die Kommunalpolitiker umfassend über inhaltliche Fragen, insbesondere zur Verteilungsgerechtigkeit, debattiert. Die Diskussion hat gezeigt, dass das Schaffen von Anreizen für mehr Eigenständigkeit der Gemeindefinanzpolitik in Zukunft mehr Bedeutung erhalten wird.

Eine umfassende Einzelfallgerechtigkeit ist über bisheri ge Bemessungsgrundlagen, wie wir wissen, nicht herzustellen. Für das Haushaltsjahr 2000 möchte ich aber feststellen. dass trotzdem etwas sehr Bemerkenswertes gelungen ist: Wir haben es in einem Atemzug geschafft, erstens den Kommunen die dringend notwendige Planungssicherheit zu geben und zweitens die Kommunen mit einer im Verhältnis zum Gesamthaushalt beachtlichen Finanzmasse aus dem kommunalen Finanzausgleich auszustatten. Drittens geschieht das alles ohne Vorgriff auf den Gesamthaushalt. Das ist wirklich ein gelungener Kompromiss, wie ich meine. Die investiven Zuweisungen aus dem Landeshaushalt können dann im Zusammenhang mit den eesamthaushaltswirtschaftlichen Notwendigkeiten in den Haushaltsberatungen eingehend verhandelt werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich besonders bei der Finanzministerin, Frau Dr. Wilma Simon, bedanken. Ihr ist es nach langen, unnachgiebigen Verhandlungen mit dem Bundesfinanzminister gelungen, eine umfassende Erweiterung der Zweckbestimmung des Investitionsförderungseesetzes Aufbau Ost zu erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Der Bundesfinanzminister hat auf ihr Drängen zugesagt, dass künftig alle Investitionen zur Sanierung öffentlicher Einrichtungen von Ländern und Gemeinden in das IFG einbezogen werden können. Damit würden künftig zum Beispiel Investitionen zur Sanierung von Schulgebäuden und von sozialen oder kulturellen Einrichtungen nach dem IFG förderfähig. Außerdem könnten Ersatzneubauten gefördert werden, wenn die Sanierung gegenüber einem Ersatzneubau unwirtschaftlich wäre. Diese von der Landesregierung erreichte Ausweitung der Fördermöglichkeiten wird ganz sicher zu einer deutlichen Entlastung der kommunalen Haushalte führen.

Meine Damen und Herren! Als Finanzpolitikerin halte ich natürlich die Finanzausstattung der Kommunen in Brandenburg - von einigen leider vorhandenen Ausnahmen abgesehen - im Ländervergleich fier komfortabel. Das beweist recht anschaulich der Schuldenstand je Einwohner. Mit 2 500 DM pro Einwohner liegt Brandenburg an der Spitze, aber nicht an der Spitze der höchsten Verschuldung. Brandenbure hat den geringsten Schuldenstand. Sachsens Gemeinden haben einen Schuldenstand von 3 200 DM pro Kopf, in Thüringen sind es sogar 3 600 DM pro Einwohner.

Als Finanzexpertin möchte ich Folgendes in Erinnerung rufen: Nach § 1 GFG tragen die Gemeinden die Kosten ihrer eigenen und der ihnen übertragenen Aufgaben, soweit nicht durch Gesetz anderes bestimmt ist, grundsätzlich selbst. Das ist der Grundsatz. Darüber hinaus erhalten sie vom Land Zuschüsse aufgrund des ihnen verfassungsmäßig zugesicherten Anspruchs auf eine angemessene Finanzausstattung.

Ich möchte Sie mit diesen Ausführungen nicht langweilen; es handelt sich um banale Grundsätze der kommunalen Finanzverfassung. Aber sie machen deutlich, dass das Land mit seinen Zuweisungen nicht federführend für die Finanzausstattung der Kommunen zuständig ist, wie so oft mit Selbstverständlichkeit behauptet wird. Das Land leistet aber einen Ausgleich. Ich kann

feststellen, dass das Land seiner Verpflichtung zum Ausgleich auch und vor allem in diesem Jahr nach gekommen ist - und das trotz angespannter Haushaltslage.

Meine Damen und Herren! Mein Rat: Genießen wir den jetzigen Zustand! Ab dem Jahr 2001 wird sich eini ges ändern. Wir können die Augen nicht davor verschließen, dass es künfti g erhebliche Veränderungen im Finanzgefüge insgesamt geben wird. Das betrifft zunächst die anstehende Neuordnung des Länderfinanzausgleichs, wie wir seit dem 11.11.1999 wissen. Aber es betrifft seit dem Urteil des Landesverfassunesgerichts zum Verfahren der Gemeinde Neulietzengöricke auch den kommunalen Finanzausgleich.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Abgeordnete?

Nein, danke. - In der Rechtsprechung verschiedener Landesverfassungsgerichte wird immer wieder die Abhängigkeit des Finanzierungsanspruchs der Gemeinden von den Staatsfinanzen hervorgehoben. Genau auf diesen Zusammenhang stützt sich auch das Urteil des brandenburgischen Verfassungsgerichts zu dem Verfahren der Gemeinde Neulietzengöricke.

Interessant erscheinen mir aber die Fragestellungen der mit dem Finanzausgleich befassten Gerichte zur Findung von Maßstäben für die Finanzkraft und Ermittlung der Bedürftigkeit von Gebietskörperschaften. Das Gericht sieht in der Einwohnerveredlung eine überkommene Methode der Bedarfsermittlung. Wir als Gesetzgeber wurden vom Gericht angehalten, an der Hauptansatzstaffel nur festzuhalten, wenn es eine nachvollziehbare und tragfähige Begründung dafür gibt.

Aus diesen rechtlichen Gründen hätte ich mir persönlich gewünscht, das neue GFG und das neue Kornrnunalfinanzausgleichsgesetz im Komplex mit der Gemeindeeebietsreform zu diskutieren. Die Debatten im nächsten Jahr werden sicherlich sehr spannend werden.

Aber zurück zum Jahr 2000. Ich bitte Sie, der Empfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen zu folgen und dem vorliegenden Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Ziegler. - Herr Abgeordneter Domres, Frau Abgeordnete Ziegler hatte eine Beantwortung von Fragen abgelehnt. Ich weiß nicht, ob Sie das bis dort hinten gehört haben. - Das Wort geht jetzt an die PDS-Fraktion. Frau Abgeordnete Osten.

Ehe Frau Osten hier ist, meine Damen und Herren, begrüße ich wieder Gäste im Landtag, und zwar die Gesamtschule 3 aus Groß Schacksdorf. - Bitte schön, Frau Abgeordnete Osten!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Frau Ziegler, ich denke, dass Schulden nicht immer der Seismograph von Wohlfühlen und Nicht-Wohl ffihlen sind.

(Frau Ziegler [SPD]: Ein wichtiger Maßstab!)

Weil diese Argumente immer wieder kommen: Es gibt durchaus Leute. denen es gut geht und die hohe Schulden haben. Manchmal denke ich sogar, dass es sich manche nicht leisten können und deshalb keine Schulden haben. Aber das können wir vielleicht ein anderes Mal bereden.

Liebe Damen und Herren der Regierungskoalition! Sie haben sich darauf geeinigt, mit dem Gemeindefinanzierungseesetz ihren Frieden zu machen und sich gegenseiti g zu loben, wie gut Sie doch sind. Sie sollten trotzdem zur Kenntnis nehmen. dass die PDS sehr wohl die Bewegung anerkennt, die sich seit dem Monat November vergangenen Jahres vollzogen hat. Sie müssen uns aber genauso zugestehen, dass wir mit aller Konsequenz auf die noch vorhandenen unübersehbaren Schwachpunkte des Gesetzes aufmerksam machen.

Ich finde es schon bemerkenswert. dass die Änderungsvorschläge der Koalition sich auf dieselben Punkte des Gemeindefinanzierungsgesetzes beziehen wie die Änderun gsanträge der PDS. Sie unterscheiden sich allerdings dadurch, dass Sie nach unserer Einschätzung lediglich Kosmetik machen und wir die Weichen etwas deutlicher stellen wollen. Dass Sie unsere Anträge ablehnen, überrascht uns nun kaum noch. Dass Sie diese Anträge aber so diskreditieren, wie Sie das gestern getan haben, kann ich nicht damit abtun. dass Sie damit Ihr schlechtes Gewissen beruhigen wollen. Sie haben genau wie ich - zumindest viele von Ihnen - die Anhörung der kommunalen Spitzenverbände. der Bürgermeister, Amtsdirektoren und Landräte im Innenausschuss miterlebt

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

und Sie müssten eigentlich wissen, dass unsere Anträge deren Probleme widerspiegeln. Dann seien Sie wenigstens so ehrlich zu sagen, dass Sie sich außerstande sehen, diese Probleme aufzugreifen und wirksame Lösungen zu finden.

(Zuruf von der PDS)

Sonst entsteht der Eindruck, dass Sie in der Koalition nicht gewillt sind, sich dieser Sorgen der Kommunen anzunehmen. Im Augenblick entsteht dieser Eindruck. Es gehört wohl auch zur Arroganz der Macht, dass es auch bei durchaus berechtigten Anträgen der Opposition keinerlei Bewegung in den Ausschüssen gibt und nur die Anträge der Koalition eine Chance auf Erfolg haben.

(Frau Ziegler [SPD]: Weil Sie keine Deckungsquelle nen- nen!)

- Frau Ziegler, das Thema Deckungsquelle haben wir gestern beredet. Solange es keinen Gesamthaushalt gibt, ist es eine schwierige Sache.

(Frau Ziegler [SPD]: Eben!)

Wir haben gemeinsam diesen Kompromiss getragen, jetzt sollten wir ihn uns nicht gegenseitig vorwerfen. Ich denke, das gehört zur Fairness.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Ich will noch eine Bemerkung zu § 26 des Gesetzes machen. Diese Festlegung zur privilegierten Förderung von amtsfreien Gemeinden und zur Durchsetzung einer Mindestgröße für Gemeindezusammenschließungen ignoriert den Willen der Betroffenen. Ich sage das hier so deutlich. In einer sehr gut besuchten Veranstaltung des kommunalpolitischen Forums am Wochenende konnten wir original erleben, dass es entschiedenen Widerstand gegen den Kurs zur Bildung von Großgemeinden gibt, vor allem in den Gemeinden, die berlinfern sind.

Strikt abgelehnt werden Mindestgrößen für Gemeindezusammenschlüsse. Sie aber wollen ungeachtet dieser Konstellation eine solche Entwicklung vorantreiben, indem Sie das wirksamste Mittel, nämlich den goldenen Zügel, in Verbindung mit einem Würgeholz zum Einsatz bringen. Sie sind immer weiter von den Grundsätzen entfernt. Ich denke, dass das besonders an den Innenminister geht. weil seine Glaubwürdigkeit da auf dem Spiel steht. Wir sind immer weiter von den Grundsätzen entfernt, mit denen sich Herr Schönbohm in der Diedersdorfer Resolution landesweit erklärt hat. Das haben die Bürgermeister und Amtsdirektoren. die zum grüßten Teil nichts mit der PDS zu tun haben, klar und deutlich zum Ausdruck gebracht.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Ich kündige an, dass wir natürlich nicht locker lassen werden, auch wenn unsere Anträge immer wieder abgelehnt werden. Wir werden darauf drängen, dass es eine grundsätzliche Diskussion in Vorbereitun g auf die Erarbeitung dieses Finanzausgleichsgesetzes für die Brandenburger Kommunen gibt. Wir sehen dieses Gesetz ab 2001 sogar als Chance für die Berücksichtigung der unübersehbaren Probleme in der Kommunalfinanzierung, deren Lösung immer wieder verschoben worden ist. Wir sehen es auch als Chance,

(Frau Ziegler [SPD]: Wir auch!)

obwohl Frau Ziegler diese Diskussion etwas düster, mit bösen Vorahnungen ankündigt.

(Frau Ziegler [SPD) : Ich habe dabei nur an Sie gedacht!)

Ich denke, wir werden uns gemeinsam in diese Diskussion begeben.

Ich habe eine letzte Bemerkung: Nachdem wir gestern sehr kritisch angemerkt hatten, dass es keine Quantifizierung von § 20 ff gibt, bei denen es um die Investitionssummen nach dem Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost ging, nachdem Herr Schönbohm aber dann sagte, es habe sich etwas getan, und nachdem die Antwort der Finanzministerin auf meine Anfrage heute ebenfalls in diese Richtung ging, habe ich folgende Bitte, weil manches in dieser Zeit bei einer vorläufigen Haushaltshrung am Parlament vorbeigeht: Seien Sie so nett und informieren Sie den Innenausschuss und den Haushaltsausschuss,

damit wir wissen, welche Möglichkeiten für Investitionen im Lande vorhanden sind. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen. Frau Abgeordnete Osten. - Das Wort geht an die Fraktion der CDU, Herrn Abgeordneten Lunacek.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns liegen die Beschlussempfehlung und der Bericht des Haushaltsausschusses vor. Der Haushaltsausschuss hat gestern Nachmittag mit sieben zu drei Stimmen dem Landtag empfohlen, dem Gemeindefinanzierungsgesetz 2000 seine Zustimmung zu erteilen. Damit hat das Parlament in einem Zeitraum von wenigen Wochen - in kürzest möglicher Zeit, wenn man den Sitzungsplan zugrunde legt - dieses Gemeindefinanzierungsgesetz beraten und mit entsprechenden Änderungen heute zur Abstimmung vorgelegt. Dass es möglich ist, das GFG bereits jetzt zu verabschieden, ist auch dem pragmatischen Handeln der Landesregierung zu verdanken. Das war zu Anfang nicht selbstverständlich. Deshalb möchte ich - auch im Sinne der Kommunen - der Landesregierung dafür herzlich danken.

Meine Damen und Herren, wir haben am 16. Dezember 1999 über die Sparmaßnahmen des Landes debattiert. In der Tat, jeder weiß inzwischen, dass es in den Haushalten 2000 und 2001 weniger Mittel geben wird die wir ausreichen können, und dass es zum Teil schwere Einschnitte geben muss.

In fast allen Bereichen werden wir im Jahr 2000 weniger Geld ausgeben können - mit der Ausnahme, dass die Städte, die Gemeinden und Landkreise in Brandenburg im Jahr 2000 mehr Geld vom Land erhalten werden. Das ist die Situation und das sollte auch entsprechend gewürdigt werden.

Nun wird oft gesagt, eine besondere Leistung sei das nicht, denn es gebe den Gleichmäßigkeitsgrundsatz. Der Gleichmäßigkeitsgrundsatz bedeutet, dass sich die zur Verfügung stehenden Mittel im Land und in den Kommunen gleichmäßig entwickeln sollen. Tun sie das nicht, gibt es über das GFG einen Ausgleich.

Dem Gleichmäßi gkeitsgrundsatz liegen aber lediglich die regulären Einnahmen zuerunde, also Steuereinnahmen, Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich usf. Dem Gleichmäßigkeitsgrundsatz liegen nicht die Einnahmen aus der Nettoneuverschuldung zugrunde. Ferner basiert der Gleichmäßi gkeitsgrundsatz auf dem Niveauverhältnis zwischen Land und Kommunen von Mitte der 90er Jahre. Damals wurde er ausgehandelt. Seitdem hat das Land die Nettoneuverschuldung drastisch gesenkt, hat also selbst weniger Mittel zur Verfügung. Dies wird beim Gleichmäßigkeitsgrundsatz nicht angerechnet.

Deshalb steht dem Landeshaushalt im Jahr 2000 im Verhältnis zum Vorjahr eine deutlich geringere Summe als den Kommunen zur Verfügung. Genau deshalb ist es keine Selbstverständlichkeit, dass das Gleichmäßigkeitsprinzip, das kein Naturgesetz