Protokoll der Sitzung vom 24.09.2003

Auch junge Menschen weisen bereits gebrochene Lebensläufe auf. Seit 1990 haben hierzulande schon die meisten mit Arbeitslosigkeit nebst Folgen Bekanntschaft gemacht.

Das sind die Fakten, meine Damen und Herren. Da helfen weder Ausflüchte noch Ausreden, Schönrederei, Beschwichtigungen oder Hinweise, es sei ja etwas geplant. Wir wollen Fakten sehen.

Die Bereitschaft, für die Sicherung des Lebensstandards im Alter privat etwas zu tun, ist inzwischen groß. Bedenken der Menschen bestehen insofern - ich meine, mit Recht - gegen neue, von staatlicher Seite organisierte bürokratische Veranstaltungen wie etwa die so genannte Riester-Rente. Die Menschen vertrauen nicht mehr auf das, was vom Staat kommt. Zu viel ist ihnen in der Vergangenheit versprochen und dann doch nicht gehalten worden.

Viele betreiben deshalb eine Privatvorsorge für das Alter. Es handelt sich hierbei um Lebensversicherungen und andere Geldanlagen, die vielfach nach Art der Vertragsgestaltung den einzigen Zweck haben, der zusätzlichen Altersvorsorge oder der Sicherung des Lebensstandards zu dienen. Die DVU-Fraktion sieht dies unter den folgenden Voraussetzungen als gegeben an.

Erstens: Der Vertrag muss eine Mindestlaufzeit von zwölf Jahren haben, im Zusammenhang mit dem voraussichtlichen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zur Auszahlung kommen - hier haben wir das 62. Lebensjahr angenommen - und die Möglichkeit der Auszahlung in regelmäßigen Geldbeträgen nach Art einer Rente eröffnen.

Zweitens: Die Angemessenheit bemisst sich nach dem durchschnittlichen Lebensstandard während des Erwerbslebens. Hier halten wir es für zutreffend, in der Regel 80 % des Nettoeinkommens der letzten fünf Jahre anzusetzen, wobei gesetzliche Rente und private Vorsorge zusammengerechnet werden, soweit beide zusammentreffen. Grund: Auch Selbstständige müssen mit rund 20 % ihres Einkommens Vorsorge für ihr Alter treffen, was dann im Ruhestand entfällt. Bei Geringverdienern bietet die 80%-Grenze einen gewissen Puffer zur Höhe der Sozialhilfe.

Wir wollen nicht, dass diese Verträge letztlich Opfer der sozialen Verwerfungen in unserem Land werden. Sie müssen der Anrechnung auf Sozialleistungen insoweit entzogen werden. Nur so kann zusätzliche Altersarmut vermieden werden. Das ist Ziel unseres Antrags. Wenn im Bundesrat inzwischen so etwas oder Ähnliches geplant ist, umso besser! Wenn nicht, haben Sie es in der Hand.

Noch einmal: Hier ist der Gesetzgeber gefragt, meine Damen und Herren. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Wir sind am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.

Die Fraktion der DVU hat die Überweisung ihres Antrages Drucksache 3/6414 - an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen, der federführend sein soll, sowie an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen beantragt. Wer diesem Überweisungsansinnen zustimmt, möge die Hand aufhe

ben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Im Falle der Ablehnung steht die Abstimmung in der Sache an. Wer dem Antrag in der Sache folgt, möge die Hand aufheben. Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag in der Sache abgelehnt und ich schließe Tagesordnungspunkt 14.

Es folgt Tagesordnungspunkt 15:

Für eine ausreichende Unterstützung dürregeschädigter Brandenburger Agrarunternehmen

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/6415

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Frau Wehlan, bitte sehr.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ihnen liegt heute ein Antrag vor, der an die Bundesregierung appelliert, den bereits zugesagten Bundesanteil von 15 Millionen Euro für die Auflage eines Liquiditätshilfeprogramms Brandenburgs in Höhe von insgesamt 30 Millionen für Brandenburger Bäuerinnen und Bauern zu ermöglichen.

Am 15. September erklärte Frau Künast, dürregeschädigte und in ihrer Existenz gefährdete Landwirte erhielten Liquiditätshilfe. Der Bund werde bis zu 36 Millionen Euro für ein Bund-LänderHilfsprogramm bereitstellen. Das Programm werde von den Ländern durchgeführt und je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert. Insgesamt könnten den von Trockenheit und Hitze betroffenen Betrieben bis zu 72 Millionen Euro ausgezahlt werden.

Noch in der letzten Agrarausschusssitzung informierte der Staatssekretär: Bund und Land sind sich einig, Brandenburger Bauern können mit insgesamt 30 Millionen Euro rechnen.

Zwei Tage später dann die enttäuschende Nachricht: Der Bund zahlt für unsere Bauern nur 10 Millionen Euro, was mit einem 50%igen Landesanteil in gleicher Höhe 20 Millionen und eben nicht 30 Millionen Euro Dürrehilfe bedeuten würde. Dann wird durch die Sprecherin des Bundesfinanzministeriums gleich noch nachgelegt: Katastrophenhilfe sei grundsätzlich Ländersache, im Prinzip sei der Bund nicht verpflichtet, überhaupt etwas dazuzugeben.

Da sind wir anderer Meinung. In Zeiten unkalkulierbarer Notfälle ist Solidarität geboten und diese ist nicht einteilbar in Ebenenverantwortung, noch dazu, da die Bundesregierung durch jahrelange Untätigkeit Diskussionen zur Einführung einer Mehrgefahrenversicherung - sprich Notversicherung - verschleppt hat und keine Bereitschaft zeigte, sich diesem Thema ernsthaft zuzuwenden. Die Landwirte in Deutschland haben abgesehen von Hagel keine Möglichkeit, ihre pflanzlichen Produkte gegen Naturgewalten zu versichern. Das ist ein entscheidender Wettbewerbsnachteil auf dem EU- und Weltmarkt, bieten doch staatlich gestützte Versicherungsprogramme in den USA, in Kanada, Japan und EU-Ländern wie Spanien, Portu

gal, Griechenland, Italien und Österreich weitgehenden Schutz vor diesen Wetterunbilden. Wir sind davon überzeugt, dass Vorsorge billiger ist als die bisherige Praxis der unkalkulierbaren Schadensregulierung. Da die klimatischen und Wetterprognosen Brandenburg auch künftig keine Besserung bescheren, werden so oder so Schadensersatzleistungen fällig.

Die Frage ist nur, ob über ein Notprogramm - und damit unplanmäßig und unkalkulierbar - oder über eine Mehrgefahrenversicherung, bei der der landwirtschaftliche Betrieb, die öffentliche Hand, also Land und Bund, der Erstversicherer und der Rückversicherer in einem Boot sitzen. Egal, ob Dürre, Schweinepest oder Starkniederschlag, sind dann nicht mehr Herr Birthler und Frau Künast gefordert, sondern dann ist die Versicherungswirtschaft gefordert.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Reserven der Agrarunternehmen in Brandenburg sind weitgehend erschöpft: Nach drei ohnehin schwierigen Wirtschaftsjahren mit Frühsommertrockenheit im Jahr 2000, mit BSE-Krise im Jahr 2001, mit dem Jahrhunderthochwasser im Jahr 2002, der desaströsen Preisentwicklung bei Milch und Schwein nun diese Jahrhunderttrockenheit.

Viele Landwirte sind kaum in der Lage, Saatgut, Düngemittel und Futter zu kaufen, um wenigstens irgendwie weitermachen zu können. Diese Betriebe - und nur diese! - sollen durch Dürrehilfen unterstützt werden; denn es erhalten nur die Landwirte Hilfen, deren Erträge unter dem dreijährigen Mittelwert liegen. Ich hatte auf die Probleme der letzten drei Wirtschaftsjahre hingewiesen. Insofern ist das Erträgequorum schon Besorgnis erregend. Man muss faktisch den Kopf unter dem Arm tragen und hat noch nicht einmal dann die Gewähr, Dürrehilfen nutzen zu können.

Der Landesbauernverband hatte ein Hilfsprogramm in Höhe von 50 Millionen Euro gefordert. Angesichts der Gesamtschäden in der märkischen Landwirtschaft von über 250 Millionen Euro ist das keine überzogene Forderung, meine ich.

Neben den Ernteverlusten bei Getreide von regional bis zu 85 % bedroht enormer Futtermangel die Existenz unserer Viehbestände und damit der landwirtschaftlichen Betriebe. Mit einem einschneidenden Abbau von Arbeitsplätzen im ohnehin strukturschwachen ländlichen Raum muss gerechnet werden. Der dringende Appell des Landesbauernpräsidenten zur Futterhilfe liest sich für die Landwirtschaft und für den ländlichen Raum wie eine Katastrophenmeldung:

„Das Grünland ist braun und verdorrt. Der Mais sieht vielerorts nicht besser aus. Viele Betriebe verfütterten bereits die Wintervorräte. Futterreserven gibt es nicht mehr. Es muss massiv Grobfutter zugekauft und kostenintensiv über weite Strecken herantransportiert werden. Weniger Futter in schlechter Qualität führt zu einer Verringerung der Milchund Mastleistung. Etliche Betriebe denken bereits jetzt über eine Reduzierung der wertvollen Tierbestände nach.

Das, verehrte Kolleginnen und Kollegen, hätte schlimmste Folgen. Bereits jetzt ist Brandenburg eine der tierärmsten Regionen Europas.

Angesichts der Verlustprognosen von bis zu 80 % in einigen Regionen bei der wichtigsten Futterpflanze, dem Silomais,

wird sich die Situation noch verschlimmern. Betroffene Betriebe rechnen bereits heute mit mindestens 50 Millionen Euro für den Zukauf von Silage. Auch deshalb, Herr Minister: Unsere Unterstützung haben Sie, lassen Sie nicht locker bei Frau Künast!

Angesichts dieser Betroffenheit und dieser Zahlen ist die Zurückhaltung der Bundesregierung nicht zu akzeptieren. Ja, mehr noch, es sind eigentlich über unsere heutige Forderung hinaus weitere Signale notwendig. So sollte im Rahmen der Debatte um eine Reform der gemeinsamen EU-Agrarpolitik überlegt werden, wie mittel- und langfristige Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserhaushalts in Brandenburg gezielt unterstützt werden können. Herr Folgart, Landesbauernpräsident, hat selbst in die Diskussion gebracht zu überlegen, inwieweit die Modulationsmittel für die finanzielle Sicherstellung einer Notversicherung für Brandenburg und natürlich für Deutschland Nutzung finden könnten. Es böte sich im Zusammenhang mit der Modulation an, die Palette der Fördermöglichkeiten im Rahmen der ländlichen Entwicklung um diese Schwerpunkte zu erweitern und darüber hinaus im Rahmen der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe den Bundesanteil für derartige Fördermaßnahmen von 60 % auf 70 % anzuheben.

Welche Signale aber kommen von der Bundesregierung? Weitere Kürzungen für den Agrarhaushalt 2004 von über 400 Millionen Euro gegenüber 2003. Erneut soll bei der Agrarsozialpolitik, beim Agrardiesel und bei der Gemeinschaftsaufgabe gekürzt werden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sollten der Bundesregierung ein solches Agieren nicht zu leicht machen. Unterstützen Sie auch deshalb den Appell!

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD. Für sie spricht der Abgeordnete Kliesch.

(Klein [SPD]: Entschuldigung, Herr Präsident, wir ver- zichten auf einen Redebeitrag!)

- Gut. Dann geht das Wort an den Abgeordneten Claus. Er spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht ging es einigen von Ihnen genauso wie unserer DVU-Fraktion. Die ganze Zeit haben wir uns gefragt: Was hat eigentlich die Genossen von der PDS-Fraktion dazu bewogen, diesen Antrag zu stellen? Böse Zungen sprechen von einem Schaufensterantrag. Informationsmangel kann es nicht gewesen sein; denn in der letzten Sitzung des Ausschusses für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung wurde das Thema ausführlich erörtert und detailliert behandelt. Minister Birthler war anwesend, die Staatssekretäre waren anwesend. Sie haben genau erzählt, wie alles kommen wird.

Der Bund und die Landesregierung haben die Probleme erkannt und ihre Bereitschaft erklärt, einen Beitrag zur Finanzierung des Liquiditätshilfeprogramms Brandenburgs für die dürrebetroffenen Agrarunternehmen zu leisten. 15 Millionen Euro

Bundeszuschuss sind vorgesehen und das Land finanziert gegen, also ebenfalls 15 Millionen Euro. Zusammen sind das 30 Millionen Euro. Das waren die Aussagen des Ministeriums im Ausschuss. Diese haben Sie, meine Damen und Herren von der PDS, anscheinend nicht mitbekommen.

Die großen Probleme unserer brandenburgischen Landwirtschaft, der Gartenbaubetriebe und der Fischereiwirtschaft als Folge der Dürre des Sommers 2003 sind uns allen wohl bekannt. Große Reden sind hier nicht gefragt, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion. Ebenso helfen hier keine populistischen Anträge, sehr wohl aber unsere Verantwortung und unser Handeln. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Helm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war eigentlich so vorbereitet, dass ich meinen Redebeitrag für die Koalitionsfraktionen halte. Vielleicht hat das der Geschäftsführer Klein nicht durchgestellt. Aber nun zur Sache.

Frau Wehlan, Ihr Antrag hätte Berechtigung, wenn die Landesregierung und der Bund nicht reagiert hätten. Sie waren doch im Fachausschuss sicherlich Zeugin der Tatsache, dass wir rechtzeitig die Situation nachgefragt haben, dass Bericht erstattet wurde und auch mögliche Maßnahmen eingeleitet wurden. So hat das Parlament gehandelt - sicherlich viel effizienter, als das jetzt mit einer Resolution möglich wäre.

Die Forderung nach einem ausreichenden Anteil an der Liquiditätshilfe, wie im Antrag formuliert, ist weder durch das Land noch durch den Bund erfüllbar; es kann nur eine Hilfe zur Selbsthilfe sein, wenn ich die Schadenssumme von 250 bis 300 Millionen Euro der Liquiditätshilfe von 30 Millionen Euro gegenüberstelle. Damit ist auch der in Aussicht gestellte Schadensausgleich von 20 bis 30 % - je nach der Höhe des Ertragsausfalls - nicht ausfinanziert.

Als selbstständiger Landwirt weiß ich sicherlich mit am besten, in welcher Situation viele Betriebe jetzt sind. Ich will hier auch nicht auf die spezifische Situation in den Betrieben, die Auswirkungen auf die ländlichen Räume, die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt eingehen. Dafür reicht die Zeit heute überhaupt nicht. Aber ich weiß, was es für einen selbstständigen Landwirt heißt, mit seinem gesamten Eigentum für derartige Witterungskatastrophen zu haften. Es ist ein Unterschied, ob man nur mit dem Gesellschafteranteil oder mit dem gesamten Eigentum haftet.

Ich bin aber auch so weit Realist, um einzusehen, dass der größte Teil des Betriebsrisikos besonders auch im Katastrophenfall durch den unternehmerisch handelnden Landwirt selbst auszugleichen ist. Und, Frau Wehlan, es gibt bereits private Mehrgefahrenversicherungen; sie werden angeboten. Es ist aber zu überprüfen, inwieweit das Risiko mit dem Beitrag abgedeckt ist.