(Vietze [PDS]: Sozialdemokraten haben dem Gesetz zu- gestimmt und im Bundesrat mussten die alten Länder sich enthalten, weil die PDS dagegen war! Wir wollen bei der Wahrheit bleiben, auch in dieser Auseinandersetzung, Herr Minister!)
Wir haben nicht nur in der letzten Minute, sondern auch im gesamten Verfahren schon viel Zeit verschenkt. Der Hickhack, den wir in den vergangenen Monaten hatten, hat nicht gerade dazu beigetragen, das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in die Gesetzgebung zwischen Bundesrat und Bundestag zu stärken.
Auch in Brandenburg ist die Situation momentan sehr differenziert. Wir haben vorhin von Frau Schröder ein paar Beispiele von Kommunen gehört, wo es ganz gut läuft, auch Frankfurt will ich in diesem Zusammenhang durchaus noch mit anführen, wo sich eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Arbeitsamt und der Kommune anbahnt und man ganz zuversichtlich ist, dass man zum 01.01. des nächsten Jahres eine kompetente Leistungsgewährung hinbekommt.
Die Kommunen haben aber auch schon rechtzeitig auf die höhere Belastung hingewiesen, die durch Hartz IV auf sie zukommt. Ich habe in der vorletzten Runde angedeutet, dass wir selbst noch einmal ein Verfahren durchführen, bei dem wir die Kommunen anschreiben bzw. einige Kommunen angeschrieben und nachgefragt haben. Zwischenzeitlich hat der Bund das über die Länder getan. Es gab also eine konkrete Erhebung der Kosten. Diese liegt inzwischen vor und sie wurde auch ausgetauscht.
Aber ich will noch einmal ganz deutlich sagen: Frau Enkelmann, Sie sagen einfach, im nächsten Jahr bekämen 40 000 Menschen kein Geld mehr, obwohl Sie das so genau gar nicht sagen können.
Wir wissen jetzt ja alle nicht genau, worum es geht. Ich will Ihnen einmal einige Zahlen nennen, weil wir immer wieder vor der großen Unsicherheit stehen, wie sich das entwickelt.
Wir wissen doch nach wie vor nicht genau, wie viele Leute im nächsten Jahr aufgrund ihres noch vorhandenen Vermögens keine Leistung bekommen. Das wissen wir doch nicht. Das ist dieselbe Situation, die wir hatten, als wir am 01.01. vergangenen Jahres das Grundsicherungsgesetz umgesetzt haben. Da war auch nicht klar, inwieweit für die Leute im Altersheim oder in stationären Einrichtungen Grundsicherung gezahlt wird oder nicht. In dem Moment, in dem die Grundsicherung fließt, tritt eine Entlastung des Landes ein.
Ich möchte Ihnen jetzt ein paar Zahlen von Landkreisen nennen, die uns damals etwas gemeldet haben, wobei wir heute genau wissen, wie die Istzahl ist. Die Prignitz hat damals gesagt, sie werde mit 0,81 Millionen Euro belastet. Die heute feststellbare tatsächliche Belastung beträgt 0,24 Millionen Euro. OderSpree hat uns 5 Millionen Euro Belastung gemeldet. Tatsächlich eingetreten ist eine Belastung von 1,5 Millionen Euro. Die Uckermark hat uns 4,8 Millionen Euro gemeldet. Tatsächlich eingetreten sind 0,85 Millionen Euro. Barnim hat damals 3,8 Millionen Euro gemeldet. Tatsächliches Ist: 1,25 Millionen Euro. Dahme-Spreewald: 2,5 Millionen Euro. Tatsächlich: 0,85 Millionen Euro. Brandenburg an der Havel hat damals 1,7 Millionen Euro gemeldet. Tatsächliche Belastung heute 0,7 Millionen Euro.
Die Entlastung des Landes wurde von den Kommunen damals angegeben mit 30 Millionen Euro. Wir haben gesagt, dass es 20 Millionen Euro sein werden. Tatsächlich sind es jetzt 17 Millionen Euro.
Das waren damals dieselben Unklarheiten, die auch heute bestehen. Das möchte ich noch einmal so deutlich sagen. Deshalb plädiere ich ganz eindeutig für eine Revisionsklausel im Gesetz, bei der wir kurzfristig - „März“ steht im Vorschlag des BMWA -, das heißt im März des nächsten Jahres, prüfen, wie es tatsächlich aussieht. Damit kann eine Kommune auch im laufenden Haushaltsjahr noch eine Entlastung bekommen, wenn eine solche noch nicht gegeben ist. Ich glaube, eine bessere Lösung wird man in den nächsten Wochen und Monaten nicht finden.
Es bleibt übrigens bei dem Versprechen der Bundesregierung, um 2,5 Milliarden Euro zu entlasten. Angesichts dessen können Sie nicht sagen, dass das eine Belastung werde. Daran wird nicht gedeutelt, nicht gerüttelt, diese 2,5 Milliarden Euro als Entlastung stehen nach wie vor da und werden mit Sicherheit auch umgesetzt werden.
Wir haben noch einmal 100 Millionen Euro für das FAG im nächsten Jahr draufgelegt. Noch einmal: Wir werden die 190 Millionen Euro, die über den Bund an die Kommunen im Osten als Entlastung gegeben werden, durchreichen, werden da also keine klebrigen Finger haben. Diese 190 Millionen Euro werden Sie im FAG wiederfinden. Allerdings werden wir dabei das Geld verrechnen - dazu werden wir morgen früh noch eine Anfrage behandeln -, das wir über die Mehrwertsteuer einge
zahlt haben und das später über die SoBEZ wieder zurückkommt. Auch werden wir das mit der Wohngeldreform verrechnen; das ist klar. Das machen auch andere Länder so und das ist eine vernünftige Regelung.
Technisch ist das auch noch relativ offen. Personell wird das bei der Bundesanstalt mit Sicherheit nicht mit der Bordcrew gelöst werden können, werden neue Leute zusätzlich gebraucht. Auch da übrigens sind die Landkreise in Brandenburg sehr unterschiedlich aufgestellt. Es gibt Landkreise, die jetzt schon 24 professionelle Fallmanager haben, und es gibt Landkreise, die gar keinen haben. Das sind mitunter die, die am lautesten schreien, sie würden das gern allein machen. Das wundert mich dann natürlich in gewissem Sinne schon.
Sie haben dann noch gesagt, dass ASS ersatzlos gestrichen werden solle. Zurzeit liegt ein Entwurf des BMWA vor, der allerdings noch im Vermittlungsausschuss schlummert. Ich hoffe, dass dazu eine Einigung gefunden wird. Danach ist zunächst angedacht, dass die Arbeitsämter solche Projekte, wenn sie kommunal oder von Landesseite her laufen, bis zum März des nächsten Jahres weiterführen und dass man dann innerhalb der ARGE oder des Jobcenters schauen muss, was man macht. Auf jeden Fall werden diese Projekte nicht abrupt zum 31.12. abgebrochen, wenn die betreffende Verordnung so durch den Bundesrat geht und in Kraft treten kann.
Wir haben uns in der Landesregierung übrigens weitestgehend darauf verständigt - dieses Thema haben Sie auch angesprochen -, dass das, was wir an Leistungen zur Integration von Langzeitarbeitslosen bisher aufgebracht haben, auch im nächsten Jahr zur Verfügung stehen soll. Ich meine, dazu sollten wir auch wirklich stehen.
Sie haben des Weiteren angesprochen - das fand ich süß -, dass in Mecklenburg-Vorpommern 1 000 neue Jobs durch Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsmarktpolitik und der Strukturförderung entstanden seien. Mit Verlaub, Frau Enkelmann, schauen Sie sich doch bitte einmal an, wie die Arbeitsmarktpolitik in Brandenburg läuft. Ich würde sagen, wesentlich effizienter, weil wir nämlich durch unsere Verzahnungsprojekte erheblich mehr Jobs geschaffen haben.
Schauen Sie sich also einmal an, was bei den Landkreisen läuft, und zwar übrigens auch im Barnim, wunderbare Projekte, in denen Manager sind, die in den Landkreisen beschäftigt werden und die dafür sorgen, dass die Arbeitsmarktpolitik sehr eng verwoben wird mit dem, was ansonsten über Strukturpolitik läuft. Die Effekte sind hier bei uns dreimal so groß wie das, was Sie hier gesagt haben. Schauen Sie sich also gut an, was hier bei uns tatsächlich läuft.
Wie gesagt, durch das, was Frau Enkelmann gesagt hat, bin ich in gewisser Weise schon persönlich betroffen. Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass mir sehr wohl klar ist ich musste das nämlich schon einigen Freunden und Bekannten ausrechnen -, wie die Kürzungen im nächsten Jahr Men
schen ganz persönlich treffen werden. Das ist unbestritten: Es wird sehr hart und sehr schwierig sein, das den Menschen auch noch zu vermitteln. Auf die Kolleginnen und Kollegen, die bei den Arbeitsämtern arbeiten oder die in den Arbeitsgemeinschaften tätig sind, kommen da schwierige Zeiten zu, wenn sie das zu erklären haben und deutlich machen müssen, wie man damit leben soll. Ich gebe zu, dass es sehr schwierig sein wird, mit dem wenigen Geld auszukommen. Das ist unbestritten.
Was mich in der öffentlichen Diskussion mitunter noch stört, ist, dass sich viele Leute überhaupt nicht vorstellen können, was es bedeutet, in die Langzeitarbeitslosigkeit hineinzukommen, welches persönliche Schicksal das bedeutet, wenn man von heute auf morgen Arbeitslosenhilfeempfänger wird, und zwar auch als junger Mensch, oder sogar Sozialhilfeempfänger wird. Sie sagten in diesem Zusammenhang, Arbeitslosenhilfe werde vererbt. Diesen Effekt gibt es jetzt schon. Um dies zu vermeiden, haben wir extra noch einen Kinderzuschlag dazu verhandelt. Ich darf daran erinnern, dass das auch unsere Forderung war, den Kinderzuschlag von 140 Euro einzuführen, um genau zu verhindern, dass man wegen Kindern ins ALG II oder in die Sozialhilfe kommt. Genau das haben wir auch noch eingearbeitet. Deshalb bitte ich Sie darum, das nicht einfach zu vernachlässigen.
Ich möchte noch etwas ansprechen. Wir haben vor ein paar Jahren erlebt, dass das SGB IX etabliert werden sollte. Ich kann mich noch gut an Arbeitsminister Riester erinnern, der durch die Lande zog und sagte: Wir können es nicht länger hinnehmen, dass wir die behinderten Menschen vom Sozialamt zur Krankenkasse, zum Rentenversicherer, zum Arbeitsamt und zu wem auch immer schicken, bis sie endlich ihre Leistungen bekommen. - So war die Situation damals. Da hieß es: Wir müssen dafür sorgen, dass die behinderten Menschen die Leistungen aus einer Hand bekommen. - Dann fing der große Streit an: Die BA wollte nicht abgeben, die Sozialämter wollten nicht abgeben, die Krankenkassen sagten, sie gäben bloß soundso viel Geld aus. - Niemand wollte, dass diese Leistung irgendwohin transferiert wird, niemand wollte die Zuständigkeit abgeben. Da ist ein großer Tiger gesprungen und ein Bettvorleger gelandet. Die Menschen gehen nach wie vor in die so genannten Anlaufstellen und werden von dort aus von Pontius zu Pilatus geschickt. Wir haben also nichts erreicht. Jetzt sollten wir den Mut aufbringen, wenigstens diese beiden steuerfinanzierten Leistungen, Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe, zusammenzuführen. Ich will überhaupt nicht verleugnen, dass ich damit rechne, dass wir zum 1. Januar nächsten Jahres dabei mit Sicherheit Anlaufschwierigkeiten bekommen werden. Natürlich werden wir die bekommen. Aber wir müssen auch einmal da durch, können nicht länger zusehen, dass wir im Reformstau leben, sondern wir müssen weitermachen - bei all der Sorge für die betroffenen Menschen, die uns umtreiben sollte.
Ich danke Ihnen, Herr Minister Baaske. - Das Wort könnte jetzt noch einmal die Fraktion der SPD bekommen. Frau Abgeordnete Schröder, wünschen Sie das?
- Danke schön. Dann erhält das Wort noch einmal die Fraktion der PDS. Bitte, Herr Abgeordneter Christoffers.
- Wenn ich gleich nach der Worterteilung die Uhr in Gang gesetzt hätte, dann wäre Ihre Redezeit jetzt schon um.