„Die Europäische Union muss sich auf ihre eigentlichen Aufgaben besinnen, sich selbst begrenzen und davon absehen, alle Lebensbereiche gestalten zu wollen. Sie sollte in strikter Anwendung des Subsidiaritätsprinzips nur das regeln, was auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene nicht ausreichend verwirklicht werden kann. Die Aushöhlung der Gestaltungsmöglichkeiten der Länder und ihrer Parlamente muss ein Ende haben.“
Viel besser hätte es unsere DVU-Fraktion auch nicht formulieren können. Doch leider spricht die praktische EU-Politik der deutschen Regierung eine andere Sprache.
Im Beschluss der Landtagspräsidenten wurden vier Grundsätze formuliert. Für die DVU-Fraktion stellt sich nun in der Tat die Frage, was in den vergangenen 16 Monaten passiert ist. Staatssekretär Dr. Harms berichtete dem Europaausschuss im März dieses Jahres über eine mögliche zukünftige Ausgestaltung der Subsidiaritätskontrolle durch Landtag bzw. Landesregierung. Allerdings gab es wenig Konkretes. Dabei muss endlich gehandelt werden. Die Ministerpräsidenten wollen eine vorgezogene Einführung des Frühwarnsystems. Die Bundesregierung kann
Die beschlossenen Grundsätze können nur ein Grundgerüst sein, letztlich kommt es jedoch auf die praktische Ausgestaltung an. Ob die angesprochene Schaffung einer so genannten Europakammer ein Beitrag zur Lösung ist, darf eher bezweifelt werden, geht es doch hierbei um die Schaffung eines neuen Bürokratiemonsters.
Andererseits stellt sich die Frage, was der Landtag innerhalb der kurzen und starren Fristen leisten kann. Oder sollte es eventuell einen verfahrensleitenden Ausschuss geben?
Noch einmal die Forderung seitens der DVU-Fraktion: Es ist Zeit zum Handeln. Brandenburger Positionen müssen offensiv in Berlin und Brüssel durchgesetzt werden. Dem Antrag der Fraktionen von SPD und CDU stimmen wir deshalb zu.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sprechen viel über Subsidiaritätskontrolle, obgleich wir dieses Prinzip noch gar nicht haben. Wir haben es letztendlich erst, wenn wir auch einen europäischen Verfassungsvertrag haben. Deswegen darf man in diesem Kontext wohl sagen, dass der 1. Januar 2007 ein für uns sehr wichtiges politisches Datum ist. Am 01.01.2007 wird Deutschland die Ratspräsidentschaft für ein halbes Jahr innehaben. Ich habe sehr viel Hoffnung in die Bundesregierung und auch in Frau Angela Merkel, unsere Bundeskanzlerin, dass in dieser Zeit unter anderem der Prozess des europäischen Verfassungsvertrages vorangebracht wird - er soll ja bis 2009 abgeschlossen sein -, damit wir letztendlich wirklich das System der Subsidiaritätskontrolle haben.
Der 01.01.2007 ist aber auch aus einem anderen Grund ein wichtiges politisches Datum, weil dann die Föderalismusreform in Kraft tritt. Das ist deswegen wichtig, weil wir als Land unter anderem die Verhandlungsführung in den Beratungsgremien von Kommission und Rat im Bereich der Bildung, der Kultur und der Hochschule bekommen. Ebenso wird auch europäisches Recht direkt in Landesrecht umgesetzt, sofern die Gesetzgebungskompetenz ausschließlich bei den Ländern liegt.
Wir müssen auf dieses Datum natürlich vorbereitet sein. Deswegen legen wir Ihnen heute diesen Antrag vor, weil wir eben nicht nur in einem Schnellschussverfahren von der Landesregierung mit Informationen überschüttet werden wollen, sondern wohlvorbereitet sein wollen. Deswegen haben wir den Landtagspräsidenten auch gebeten, uns von den Bemühungen der anderen Länder zu berichten.
Wir müssen das Rad ja nicht immer neu erfinden, sondern können auch von den Erfahrungen anderer lernen.
- Die kurze Unterbrechung jetzt hat jedenfalls schon gereicht, um etwas mehr Ruhe einkehren zu lassen. Schönen Dank.
Weiterhin wollen wir darüber informiert werden, wie das Frühwarnsystem zwischen Bundesrat und Bundestag, zu dem auch schon der Kollege Bochow Ausführungen gemacht hat, ausgestaltet wird. Dabei möchten wir auch gern erfahren, wie wir nach den Vorstellungen der Landesregierung hieran beteiligt werden sollen. Ob wir den entsprechenden Empfehlungen dann folgen werden, steht auf einem anderen Blatt. Das werden wir im zuständigen Ausschuss und hier im Plenum sehr ausführlich diskutieren.
Auch ich muss dem Entschließungsantrag der Fraktion der PDS eine Absage erteilen; denn dort werden zum Teil Selbstverständlichkeiten formuliert. Heute schon steht es jedem Ausschuss frei, sich im Rahmen der Selbstbefassung mit den Grünund Weißbüchern der Europäischen Kommission zu beschäftigen, und natürlich darf jeder Ausschuss dann über den Landtag auch eigene Stellungnahmen verfassen, deren Umsetzung der Landesregierung anheimgestellt wird.
In dem zweiten Teil des Entschließungsantrags formulieren Sie meines Erachtens unnötige Informationspflichten. Sie arbeiten im Sonderausschuss zum Abbau von Normen und Standards immer so schön mit, hier aber drehen Sie das Ganze wieder um. Ich meine, dass damit dem Ganzen ein allzu starrer Rahmen aufgepfropft wird, wodurch die Landesregierung zu Informationen verpflichtet wird, die vielleicht gar nicht notwendig wären. Lassen Sie uns also den ersten vor dem zweiten Schritt tun, und zwar auch unter Berücksichtigung von Artikel 94 der Landesverfassung, in dem die Pflicht der Landesregierung zur Unterrichtung des Landtags schon festgelegt ist.
Wenn uns die Berichte der Landesregierung und auch des Landtagspräsidenten im Januar 2007 vorliegen, sollten wir darüber ausführlich diskutieren. - Vielen Dank.
Ich sehe die fragenden Blicke, die Sie auf mich hier oben richten. Ich kann das kurz erklären: Ich sitze hier oben, weil der
Kollege Präsident gerade ein Fernsehinterview gibt und die Kollegin Vizepräsidentin Stobrawa jetzt reden möchte. In einem solchen Fall, in dem sowohl der Präsident als auch die Vizepräsidentin an der Amtsausübung gehindert sind, sitzt hier oben als Vertreter der Vorsitzende der größten Fraktion.
Das Wort erhält jetzt für die Fraktion der Linkspartei.PDS die Landtagsvizepräsidentin, Frau Abgeordnete Stobrawa.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion - das möchte ich ausdrücklich sagen - begrüßt und unterstützt den Antrag der Koalitionsfraktionen, der, wie wir jetzt schon mehrfach gehört haben, vermittels der Vorlage diverser Berichte eines zum Ziel hat, nämlich die Diskussion im Landtag über die künftige Wahrnehmung der Subsidiaritätskontrolle durch dieses Parlament endlich in Gang zu bringen.
Andererseits meinen wir - das ist die einzige Nuance, in der wir uns eigentlich unterscheiden -, dass wir nicht erst im Februar 2007, sondern schon heute, am 25. Oktober 2006, damit anfangen sollten, hier sichtbare Schritte einzuleiten, um stärker als bisher in den Prozess der europäischen Gesetzgebung einzugreifen. Dazu haben wir mit unserem Entschließungsantrag fünf konkrete Maßnahmen vorgeschlagen.
Da ist zum Ersten die Selbstverpflichtung - die Selbstverpflichtung! - des Landtags, die so genannten Grünbücher und Weißbücher der Europäischen Kommission regelmäßig zum Gegenstand der Diskussion im Landtag zu machen. Mit diesen Büchern unterbreitet die Europäische Kommission in der Vorphase des Gesetzgebungsverfahrens ein Diskussionsangebot. Sie möchte auf diesem Wege regelmäßig erfahren, welche Sichten und Vorschläge nicht nur die Mitgliedsstaaten, sondern auch die breite europäische Öffentlichkeit - wir als Landtag sind ja Bestandteil dieser europäischen Öffentlichkeit - zu wichtigen Fragen der Politik der EU haben. Das war 2005 so beim Grünbuch zum demografischen Wandel. Das konnten wir nachvollziehen, als vor kurzem die Diskussion zur EU-Energiepolitik lief. Gerade vor einem Monat, am 26. September, erschien ein neues Grünbuch, nämlich das zu grenzüberschreitenden Gesundheitsdienstleistungen.
Wer aus diesem Hause möchte bestreiten, dass dies Themen sind, die uns in Brandenburg auf den Nägeln brennen? Damit meine ich ausdrücklich im Übrigen nicht nur die Mitglieder des Europaausschusses. Genau bei den Grün- und Weißbüchern sollten wir meiner Meinung nach sofort beginnen, und zwar nicht nur mit der Subsidiaritätskontrolle, sondern auch mit der konstruktiven Einmischung in den Prozess der europäischen Gesetzgebung.
Welche verheerenden Folgen die Nichtwahrnehmung von Aufgaben der Subsidiaritätskontrolle durch deutsche Parlamente haben kann, erleben wir bis heute in Bezug auf die Sparkassen. Deren besondere Rolle in Deutschland wurde gegenüber Brüssel eben nicht rechtzeitig signalisiert, obwohl es schon zum Amsterdamer Vertrag entsprechende Vereinbarungen zur Subsidiaritätskontrolle gab.
Einen zweiten Komplex aus unserem Entschließungsantrag möchte ich hervorheben. Zweifelsohne hat die neue Geschäftsordnung der Landesregierung einige wesentliche Veränderungen im Umgang der Landesregierung mit dem Parlament mit sich gebracht, die wir als Fraktion auch überhaupt nicht kleinreden wollen. Es folgt allerdings ein Aber. Ein Bereich zu dem Artikel 94 der Landesverfassung, der die frühzeitige und umfassende Unterrichtung des Landtags durch die Landesregierung fordert, bleibt dabei nämlich ausgespart, und zwar genau die Bundes- und Europaangelegenheiten. Mit unserem Entschließungsantrag regen wir lediglich an, in Brandenburg vorerst auf minimalem Niveau - nach den Berichten kann man weitere Festlegungen treffen - einfach verfassungspolitische Normalität herzustellen. Wir fordern den Landtag auf, das von der Landesregierung einzufordern, was in anderen Ländern, zum Beispiel in Bayern und Berlin, schon vor langer Zeit und in Sachsen-Anhalt vor kurzem eingeführt und üblich ist. Die Landesregierung soll den Landtag umgehend über eingehende Bundesratsdrucksachen mit europäischer Relevanz informieren. Ohne diese umgehende Information wird es weder den Koalitionsabgeordneten noch uns Oppositionsabgeordneten möglich sein, eine wirksame Kontrolle der Vereinbarkeit europäischen Rechts mit unserer Rechtsordnung im Lande auszuüben.
Angesichts von unzähligen Tischvorlagen in den Sitzungen des Europaausschusses, die dort nicht etwa die Ausnahme, sondern die Regel sind, kann von einer Beteiligung des Landtags an der Willensbildung des Landes Brandenburg in europapolitischen Fragestellungen zurzeit wohl wirklich nicht gesprochen werden.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, springen Sie einfach einmal über Ihren Schatten! Die Europäische Union wartet mit ihren Diskussionsprozessen nicht, bis Ihnen vielleicht in drei Monaten die geforderten Berichte vorliegen, zu denen Sie dann vielleicht zwei oder drei Monate später Maßnahmen festlegen, und zwar mit Sicherheit solche, die Ihrer Regierung keine zusätzliche Arbeit machen. Wir müssen aber nicht auf die genannten Berichte warten, ehe wir handeln. Dazu haben wir einen Vorschlag unterbreitet, der zum Beispiel in Sachsen-Anhalt unter einer CDU-FDP-Regierung eine breite Mehrheit im Landtag fand. - Ich bedanke mich ganz herzlich.
(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Bochow [SPD]: Das mit den Tischvorlagen im Europaausschuss nehmen Sie aber zurück!)
Das hat doch schon prima geklappt, denn es verblieb nur noch ein Rest von 15 Sekunden Redezeit. Vielen Dank, Frau Kollegin Stobrawa.
Als Letzte spricht zu diesem Tagesordnungspunkt die Landesregierung. Das Wort hat Staatssekretär Appel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat sich in der Brüsseler
Kabinettssitzung am 17. Oktober dieses Jahres mit dem Thema der Subsidiaritätskontrolle intensiv befasst und festgelegt, dass dieses Thema ein besonderes Länderanliegen an die deutsche Ratspräsidentschaft ist. Jede Aufgabe, deren Lösung auf nationaler bzw. auf regionaler Ebene sinnvoller ist als auf EUEbene, sollte auch auf dieser Stufe wahrgenommen werden.
Dieses Subsidiaritätsprinzip ist sicherlich nicht neu. Es gilt als allgemeines Handlungsprinzip seit der Vertragsrevision von Maastricht. Erst am letzten Freitag hat sich im Bundesrat der Ausschuss für Fragen der Europäischen Union mit dem 13. Bericht der Europäischen Kommission zu den Grundsätzen der Subsidiarität befasst.
Zusammen mit den Vertretern aller anderen Bundesländer mahnte Brandenburg wiederholt ein transparentes und durch die Kommission einheitlich anzuwendendes Prüfraster an. Es muss klar sein, in welcher Weise die Kommission dem Subsidiaritätsgedanken tatsächlich gerecht werden will. Der zurzeit auf Eis liegende - um es diplomatisch zu formulieren - Vertrag über eine Verfassung für Europa würde zur Verstärkung der Subsidiaritätskontrolle das so genannte Frühwarnsystem mit neuen Verfahrensrechten für die nationalen Parlamente einführen.