Protokoll der Sitzung vom 16.10.2008

(Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])

Allerdings - jetzt kommt es - sind sie bislang nur zu einem kleinen Teil in Kraft. Von jenen 12 Maßnahmen, die direkt die berufliche Weiterbildung betreffen, sind erst drei oder vier konkret umgesetzt.

Wir werden bis zur Berichterstattung an den Landtag prüfen, inwieweit die Bundesmaßnahmen unsere Landesaktivitäten unterstützen.

Vor allem sage ich: Brandenburg verfolgt bereits seit Jahren eine aktive Fachkräftestrategie. Wir haben seit 2007 einen konkreten Maßnahmeplan über die Weiterbildung hinaus entwickelt. Damit sind wir auch ein Stück weiter als der Bund.

Unser Plan umfasst derzeit 107 Maßnahmen. Die Partner des Landesarbeitskreises Fachkräftesicherung haben im Rahmen dieses Plans schon 180 Millionen Euro eingesetzt. - Das zu den Ausführungen der DVU!

Dadurch wurden und werden ca. 120 000 Fachkräfte oder potenzielle Fachkräfte orientiert, aus- und weitergebildet. Das wirklich Hervorragende ist, dass sich ca. 3 500 Unternehmen unseres Landes daran beteiligt haben.

Meine Damen und Herren, seit Jahren erkunden wir in unserem Betriebspanel auch den Qualifizierungsstand der Beschäftigten. Die Erhebung 2007 stellte fest, dass sich die Weiterbildungsaktivitäten der Brandenburger Betriebe zwar erhöht haben, aber immer noch unter dem Durchschnitt Ostdeutschlands liegen. Da gilt es noch Reserven zu erschließen. Die betrieblichen Weiterbildungsaktivitäten müssen deutlich verstärkt werden.

Vor allem aber muss der Anteil der ungelernten und der wenig qualifizierten Beschäftigten an der Weiterbildung erhöht werden.

Ich möchte positiv anmerken, dass Frauen mehr an der Weiterbildung partizipieren als Männer.

Auch für Brandenburg gilt der allgemeine Trend: Je mehr Beschäftigte, desto aktiver ist das Unternehmen in der Weiterbildung. Hier stoßen wir wieder an die Grenzen der Kleinteiligkeit unserer Wirtschaft.

Die Arbeitsmarktpolitik des Landes und die Arbeitsmarktpolitik des Bundes sind schwerpunktmäßig aufeinander abgestimmt. Jede verfolgt ihre ganz bestimmten Aufgaben. Unser Bemühen auf dem Feld der beruflichen Qualifizierung ist es, die Potenziale der Beschäftigten und so mehr und mehr die Kompetenzen der Unternehmen zu entwickeln. Dagegen orientieren sich die Arbeitsagenturen und die Träger der Grundsicherung darauf, die Potenziale der Arbeitslosen zu stärken. Dieses Vorgehen muss richtigerweise gut aufeinander abgestimmt sein, damit wir keine Doppelförderung vornehmen und - mit Blick auf die begrenzten ESF- und die begrenzten Landesmittel - Synergieeffekte erzielt werden können.

Sie wissen, dass mein Haus die Strategie der wirtschaftsnahen Qualifizierung verfolgt. Neben der beruflichen Erstausbildung unterstützen wir seit Jahren die Kompetenzentwicklung in kleinen und mittleren Unternehmen. Gerade in diesen können weitere Beschäftigungsreserven erschlossen werden, wenn Kompetenzen und Reserven zielgerichtet herausgelockt werden. Erforderlich ist die passgenaue und bedarfsgerechte Qualifizierung der Beschäftigten und des Managements; denn das Wissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist die wichtigste Ressource des Unternehmens.

Unsere betriebliche Förderung umfasst beispielsweise die Richtlinie zur Förderung der Kompetenzentwicklung durch Qualifizierung und die Weiterbildungsdatenbank, die wirklich für mehr Transparenz in der beruflichen Weiterbildung sorgt.

Die 17 300 Bildungsmaßnahmen von rund 500 Bildungsunternehmen an ca. 1 400 Veranstaltungsorten sind nicht so leicht zu übersehen. Das ist ein sehr großes Angebot.

Ich nenne weitere Aktivitäten: Wir haben ein gemeinsames Suchportal mit Berlin geschaffen. Wir haben Regionalbüros für Fachkräftesicherung eingerichtet und ein Fachkräfteinformationssystem entwickelt. Wir unterstützen das Projekt „Einstiegszeit für Jugendliche“ und fördern die bedarfsgerechte Qualifizierung junger Leute für den Job. Schließlich verweise ich auf die Initiative „Junge Leute machen sich selbstständig“ für Jugendliche unter 25 Jahre.

Es gibt also eine ganze Menge. Ich möchte mich nicht so sehr über das Berichtswesen auslassen, darüber befindet ja der Landtag. Aber der Antrag macht sehr wohl Sinn, Herr Görke, weil verschiedene Maßnahmenpakete daraufhin durchforstet werden sollten, ob sie nicht zu qualifizieren sind, ob Reserven, möglicherweise auch Doppelstrategien vorhanden sind. Ich hoffe, dass wir durch die parlamentarische Diskussion, die ein Bericht vor oder nach der Veröffentlichung hervorruft, neue Impulse seitens des Landtages bekommen. Es geht uns vor allem um eine bessere regionale Vernetzung der Weiterbildungsangebote und darum, mehr Ältere einzubeziehen. Damit können wir mithelfen, die Arbeitslosensituation in unserem Land weiter zu verbessern. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Herzlichen Dank, Frau Ministerin. - Wir kommen damit zur Abstimmung. Ihnen liegt der Antrag in der Drucksache 4/6801 vor. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einigen Stimmenthaltungen ist diesem Antrag entsprochen worden. Er ist somit angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Berufliche Erstausbildung als Beitrag zur Fachkräftesicherung in Brandenburg

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 4/6802

Ich eröffne die Aussprache. Frau Abgeordnete Dr. Schröder erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Brandenburger Landtag hält doch immer wieder Überraschungen bereit: Da verweigert sich die Opposition der aktiven Mitarbeit bei den Themen Weiterbildung und Erstausbildung. Wenn aber die Opposition bei diesen Themen zunehmend zum Totalausfall wird, dann übernehmen wir die Aufgabe gern.

(Zwischenrufe bei der Fraktion DIE LINKE)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Thema: Vor wenigen Tagen legte die Bundesagentur für Arbeit unter der Überschrift „Erstmals seit sieben Jahren mehr unbesetzte Ausbildungsplätze als unversorgte Bewerber“ ihre Bilanz über das Berufsberatungsjahr 2007/2008 vor. Hauptgründe sind das gute konjunkturelle Umfeld und die Entlastung durch demografische Veränderungen, sprich: Rückgang der Bewerberzahl. Allerdings gibt es beträchtliche Unterschiede zwischen Ost und West. Die Lage in Ostdeutschland ist erstens durch eine relativ starke Zunahme gemeldeter betrieblicher Ausbildungsstellen gekennzeichnet. Zweitens gibt es beträchtlich weniger außerbetriebliche Ausbildungsangebote. Drittens verzeichnen wir seit mehreren Jahren einen Rückgang der Bewerberzahlen.

Zur Situation in Brandenburg: Im Laufe des zurückliegenden Berichtsjahres meldeten sich bei den Brandenburger Arbeitsagenturen 21 065 Jugendliche als Bewerber, denen 17 953 Ausbildungsstellen angeboten werden konnten, davon 56 % betriebliche und 44 % außerbetriebliche Stellen. Am Beginn des neuen Ausbildungsjahres 2008/2009 haben wir 770 unversorgte Bewerber bei einem Bestand an 562 noch unbesetzten Ausbildungsstellen.

Meine Damen und Herren, noch vor einigen Jahren waren wir von einer solchen Bilanz am Ausbildungsmarkt weit, weit entfernt. Auf der Politik lastete Jahr für Jahr erheblicher Druck, wenigstens rein rechnerisch die Lücke zu schließen. Erhebliche Mittel fließen nach wie vor in staatliche Förderprogramme zur Berufsausbildung. Im vergangenen Jahr lagen die Gesamtausgaben in Brandenburg bei 55 Millionen Euro. Der Finanzplan des Landes sieht für das Jahr 2011 vor, rund 27 Millionen Euro zu verausgaben. Wir haben es hier also schon in sehr naher Zukunft mit einer prognostizierten Halbierung der Fördermittel zu tun, was vor allem auf absehbar sinkende Förderfälle im rückläufigen Ausbildungsprogramm Ost zurückzuführen ist.

Wenn sich die Lage jetzt rein quantitativ entspannt und der Druck auf die Politik hinsichtlich des klassischen Lückenschlusses nachlässt, dann bedeutet das keineswegs, dass wir das Thema ad acta legen könnten. Es entstehen neue politische Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Ich sehe insbesondere drei Schwerpunkte in der strategischen Ausrichtung künftiger Landesausbildungspolitik:

Erstens geht es um eine bessere Konzentration auf die Matchingprozesse. Wie können wir bei zurückgehenden Zahlen Angebot und Nachfrage am Ausbildungsmarkt noch effektiver zusammenführen? Dies berührt auf der einen Seite die Frage nach der Ausbildungsreife der Bewerber: Mit welchem Stand kommen Jugendliche von den Schulen? Auf der anderen Seite geht es darum, welche Anforderungen die Unternehmen an ihre künftigen Auszubildenden stellen. Das alles ist unter dem Gesichtspunkt eines zunehmenden bundesweiten Konkurrenzkampfes um gut ausgebildete Fachkräfte zu bewerten. Können wir also - das ist eine entscheidende Frage - Brandenburger Jugendliche dafür begeistern, hier im Land qualifizierte Angebote anzunehmen? Insbesondere meine Fraktion hat unter anderem im Rahmen der Kampagne „Schule - Wirtschaft“ immer wieder auf diese Zusammenhänge hingewiesen.

Der zweite Schwerpunkt umfasst eine stärkere Konzentration auf die Qualität von staatlichen Ausbildungs- und Qualifizierungsangeboten. Wo stehen die Jugendlichen nach den Maßnahmen? Überspringen sie die erste Schwelle? Überspringen

sie dann auch die zweite Schwelle? Ist es wirklich effektiv, was mit Steuergeldern finanziert wird? Diese und noch viele andere Fragen müssen wir unbedingt noch genauer beantworten.

Dritter Schwerpunkt: Wir brauchen eine stärkere Konzentration auf das Problem der Altbewerber, also auf die Jugendlichen, die schon länger als ein Jahr nach einem Ausbildungsplatz suchen. Im letzten Berichtsjahr waren 57,8 % der Bewerber sogenannte Altbewerber. Noch im Jahr 2000 lag dieser Anteil bei etwa 44 %. Wir sehen also, dass mit dem Rückgang der Bewerberzahl dieses Problem in der Tendenz der letzten Jahre steigt. Insbesondere den jungen Leuten, die schon mehrere Schleifen gedreht haben und immer älter werden, was am Ausbildungsmarkt auch einen Nachteil bedeutet, müssen wir helfen. Der Bund hat hierzu einen Ausbildungsbonus beschlossen, der - laut Planung - bis zum Jahre 2010 rund 100 000 Ausbildungsplätze schaffen soll.

Meine Damen und Herren! Angesichts eines wachsenden Fachkräftebedarfs, von dem schon im vorherigen Antrag die Rede war, kann sich weder Politik noch Wirtschaft leisten, hinzunehmen, wenn Jugendliche nach Beendigung ihrer Schulzeit nicht am Ausbildungsmarkt und später am Arbeitsmarkt ankommen. Mit den drei genannten Schwerpunkten unseres heutigen Antrags wollen wir Anstöße geben, vor allem die Qualität beruflicher Erstausbildung als Beitrag zur Fachkräftesicherung im Land Brandenburg zu verbessern. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Frau Abgeordnete Bednarsky.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich den Ausführungen meines Fraktionskollegen Herrn Görke zum vorhergehenden Antrag nahtlos anschließen. Wir gehen von Folgendem aus: Wenn wir uns als Abgeordnete ein Bild über die Situation sowie über die Wirksamkeit von Förderprogrammen machen wollen, dann gelangen wir erheblich schneller und effektiver zum Ziel, wenn wir uns mit den Akteuren der beruflichen Erstausbildung an einen Tisch setzen und deren Erfahrungen und Vorschläge diskutieren.

(Vereinzelt Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Im Übrigen gibt es eine Hand voll INNOPUNKT-Kampagnen, die sich aus den verschiedenen Blickwinkeln mit dem Zugang zur Erstausbildung befassen. Ich nenne die INNNOPUNKTKampagne 11, die unter anderem das Ziel verfolgt, Instrumente zur Unterstützung von Unternehmen zu entwickeln, die Jugendliche mit schlechten Startchancen qualifizieren. Die entsprechenden Abschlussberichte gründlich und kritisch zu diskutieren brächte uns weiter als ein neuer Bericht der Landesregierung.

Meine Damen und Herren, wenn die Landesregierung über die Wirkung ihrer eigenen Aktivitäten berichten soll, dann kennen wir doch jetzt schon das Ergebnis: Sie sind toll und alternativlos.

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Bitte schön.

Frau Kollegin Bednarsky, es geht uns um detaillierte Informationen über die Gruppe der Altbewerber, die - ich hoffe, diesbezüglich stimmen Sie mir zu - eine Schwerpunktgruppe unter den jugendlichen Stellensuchenden ist. Solche detaillierten Informationen liegen bisher nicht vor. Wir wissen nur, dass von dieser Gruppe ein sehr differenziertes Bild zu zeichnen ist.

Wenn Sie mehr wissen, nennen Sie mir bitte eine Quelle, aus der wir im Detail Kenntnisse über Brandenburger Altbewerber erlangen. Nennen Sie mir ebenfalls Quellen, in denen wir detaillierte Ausführungen über einzelne Förderprogramme im Land Brandenburg zur Berufsausbildung finden - ich halte es für sehr wichtig, dass wir die Qualität von Programmen viel stärker hinterfragen -, die tatsächlich mit Übergangsstudien und Angaben zur weiteren Entwicklung der Teilnehmer an Ausbildungsgängen aufwarten. Ich bitte Sie darum, diese Quellen konkret zu nennen.

Frau Dr. Schröder, ich war mit meinem Beitrag noch nicht ganz fertig. Vielmehr wollte ich noch aufzeigen, an welchen Stellen Quellen zu finden sind.

Zudem gehe ich davon aus, dass es zu den von Ihnen abgefragten sozialen Schwerpunkten ohnehin keine nachfolgenden Studien gibt, aus denen man etwas schlussfolgern könnte, was die Altbewerber betrifft. Lassen Sie mich bitte zu meiner Rede zurückkommen. Möglicherweise wird dann deutlicher, wie wir das sehen.

Meine Damen und Herren, wenn die Landesregierung über die Wirkung ihrer eigenen Aktivitäten berichten soll - ich wiederhole mich -, sind wir daran gewöhnt, dass dann jeweils die Aussage kommt: Es ist alles toll und alternativlos. - Vieles von dem, was Sie sich berichten lassen wollen, gibt es unserer Meinung nach bereits.

Über die sogenannten Altbewerber führt die Bundesagentur eine länderbezogene Statistik. Darin finden Sie auch Angaben zu Alter, Geschlecht und Schulabschluss. Sie wollen gemäß Ihrem Antrag zusätzlich den sozialen Hintergrund der Bewerber erfahren - was immer damit gemeint sein soll. Den weist die Bundesagentur nicht aus. Ich bezweifle allerdings, dass die Landesregierung dazu Daten beibringen kann. Mit anderen Worten: Der Antrag rennt hier schlichtweg offene Türen ein.

Die Probleme, denen die Absolventen der allgemeinen Förderschulen gegenüberstehen, sind bekannt. Sie müssen nicht berichtet, sondern gelöst werden. Absolventen allgemeiner Förderschulen müssten einen richtigen Schulabschluss bekommen, der tatsächlich anerkannt wird. Gegenwärtig müssen sie sich um einen Ausbildungsplatz bewerben, ohne einen Schulabschluss zu haben. Dadurch sind ihre Chancen gleich null.

Noch vernünftiger wäre es, den gemeinsamen Unterricht auszuweiten und Förderschulen abzubauen. Das ginge aber nur mit entsprechendem Personal. Deshalb: Integrationsklassen müssten kleiner sein. Zudem müssten für sie Sonderpädagogen zur Verfügung stehen.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich - Frau Dr. Schröder, diesbezüglich stimme ich Ihnen zu - werden wir uns der Diskussion über Ergebnisse des Berichts nicht verweigern; denn ich gehe davon aus - schließlich besitzen Sie die Mehrheit -, dass Sie die Aufforderungen zur Vorlage des Berichts heute beschließen wollen. Voraussetzung für eine konstruktive Debatte ist - neben der termingerechten Vorlage durch die Landesregierung; darauf legen wir Wert - der Wille der Koalition, eine solche Debatte auch zuzulassen. - Vielen Dank.