Protokoll der Sitzung vom 31.08.2011

Denn Sie wollen keine Orientierung der Politik nach sozialen Grundsätzen. Sie wollen die Schulden bei denselben Leuten abladen, bei denen Sie schon beim Schuldenmachen eine Menge sozialer Probleme angehäuft haben. Dafür sind wir allerdings nicht gewählt worden.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wir stehen im Widerspruch zu Ihrer gnadenlosen Finanzpolitik im Bund, wo Spekulanten mit Rettungsschirmen ausgestattet werden und Sie Bankengewinne sichern.

(Lachen bei der FDP)

So viel zu „Privat“.

Frau Kollegin Dr. Ludwig, ich habe Ihr Hohelied auf das Private gehört - mit Musik kenne ich mich aus -, und da gab es eine Menge Dissonanzen. Das müssen Sie mir einmal erklären: Sie wollen private Gewinne sichern, aber Sie wollen öffentliche Rettungsschirme finanzieren. Sie wollen, dass sich private Schulen völlig frei entwickeln können, wie sie es wollen, aber die öffentliche Hand trägt alle Kosten. Erklären Sie mir bitte: Was haben Sie gegen den Mindestlohn? Den Schuss haben Sie immer noch nicht gehört. Sie wollen, dass die Leute für private Firmen arbeiten, aber der Staat soll den Lohn aufstocken. Was stimmt da noch?

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Deswegen unterscheidet sich der Anspruch des Finanzministers bzw. der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen von Ihrem Anspruch.

Einig ist sich die Koalition bei den Eckdaten, die hier vorgestellt wurden. Uns kommt es bei diesem Haushalt vor allem auf Folgendes an:

Erstens: Wir folgen den verabredeten Schwerpunkten im Koalitionsvertrag. Wir sind verlässlich, es bleibt bei den Vereinbarungen.

Zweitens: Es geht uns darum, den Menschen im Land Lebenschancen zu eröffnen. Politik muss sie ermöglichen. Darin sind wir uns einig, darin sind wir verlässlich und transparent - auch mit diesem Haushaltsentwurf.

Drittens: Die Bereiche Bildung, Soziales und Wissenschaft sind als Markenzeichen bzw. als Prioritäten deutlich erkennbar. Es gibt keine Kürzungen in Sozialleistungsgesetzen.

Viertens: Für uns gilt der Maßstab der Nachhaltigkeit im umfassenden Sinne. Wenn Sie denn bei diesem Haushalt einmal in die Tiefe gegangen wären, Frau Kollegin Ludwig, dann könnten Sie das auch erkennen. Ob es Ihnen passt - wie gesagt -, das ist mir wurscht.

Dieser Haushalt vollbringt keine Wunder, es muss ein strukturelles Defizit von rund 0,25 Milliarden Euro bewältigt werden. Damit beginnt ein schwieriger Umbau, auch die bisher noch günstige konjunkturelle Lage und die zu erwartenden Steuereinnahmen ersparen diesen nicht. Das Defizit bleibt und es bliebe, selbst wenn wir Ihrem Galopp „schneller, höher, weiter“ bei der Entschuldung folgten, was wir nicht tun, immer noch bei 170 Millionen Euro - also finanzielle Risiken allerorten. Deshalb sagen wir: Eine strenge Haushaltsdisziplin ist erkennbar. Wir bleiben bei der Rückführung der Nettoneuverschuldung auf null bis zum Jahr 2014, und wir finden uns eben nicht mit der Überschuldung ab, Herr Kollege Büttner. Wir behalten bei schwierigen Entscheidungen unsere Courage, unseren Mut und soziales Augenmaß. Daran sollen Sie uns messen. Daran sollen uns die Wählerinnen und Wähler, die Brandenburgerinnen und Brandenburger messen.

Ihre eigene Finanzpolitik der letzten zehn Jahre haben Sie offensichtlich vergessen, Frau Kollegin Ludwig, auch was die Nettoneuverschuldung angeht. Deswegen dürfen Sie sich noch einmal erinnern - das Kurzzeitgedächtnis dürfte ja funktionieren. In der mittelfristigen Finanzplanung war für diesen Haushalt ursprünglich eine Nettoneuverschuldung in Höhe von 340 Millionen Euro geplant; wir sind jetzt bei 270 Millionen Euro. Nun sagen Sie mir einmal, inwiefern da ein Konsolidierungswille nicht erkennbar ist. Die Presse bescheinigte Ihnen ja in den letzten Tagen Kunstflug. Ich sage Ihnen: Angesichts so großen Nichterkennens sind Sie - zumindest finanzpolitisch auf einem Blindflug.

(Beifall DIE LINKE)

Sie verlangen vom Finanzminister, der eine politische Haushaltsrede gehalten hat, sich nicht auf internationale und bundesweite Zusammenhänge zu konzentrieren. Ein Unding! Ein Unding, wenn es um Haushalts- und Finanzpolitik geht.

Insofern, meine Damen und Herren von der Opposition, bin ich sehr erstaunt, wie abgehoben und selbstvergessen Sie hier agieren. Sie sind mutig gewesen, was harte Anschuldigungen anging - das habe ich erkannt -, aber nicht mutig bezüglich eigener Vorschläge. Deswegen frage ich Sie: Wie hätten Sie es denn gern? Einerseits wollen Sie glauben machen, dass der Finanzminister zu dumm sei, Geld zu finden, andererseits werfen Sie ihm vor, er werfe das Geld mit beiden Händen zum Fenster hinaus. Ich sage Ihnen: Das ist plumpe Polemik. Es geht Ihnen nicht ums Geld an sich. Es geht Ihnen einfach darum, wofür wir Geld ausgeben. Da haben wir andere Grundsätze, und denen bleiben wir treu.

Zum Abbau der Verschuldung habe ich bereits gesprochen. Da ist unser Weg seriös. Alle anderen ostdeutschen Flächenländer nehmen schon ab 2012 keine neuen Kredite mehr auf - das ist wahr -, aber jetzt sehen wir uns einmal an, zu welchen Bedingungen sie das tun. Wenn wir bei Augenmaß und Konsequenz bleiben, werden wir den Thüringer Weg eben nicht gehen, der es auf Kosten der Kommunen organisiert. Hier wird beim Finanzausgleichsgesetz um 25 % gekürzt, dasselbe geschieht in Sachsen-Anhalt. Dort hat man bereits seit Ende 2009 die Landeszuweisungen an die Kommunen um 300 Millionen Euro verringert, in diesem Jahr erneut um 12 bis 13 Millionen Euro. Man geht in die Schlüsselzuweisungen: minus 120 Millionen Euro. Dazu sagen wir Ihnen: Hier kann man nicht nur vom Landeshaushalt reden, hier muss man von den finanziellen Folgen für das Land reden. Da, meine ich, ist der von uns vorgeschlagene Weg seriös, verlässlich und geht, wie gesagt, nicht auf Kosten der Kommunen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Herr Kollege Büttner - danke übrigens für die soziale Fürsorge um meine Nerven, das ist überflüssig; aber man merkt es, Sie lernen das auch noch. Sie haben sich heute aufs Rufen verlegt, wahrscheinlich weil wir überhören oder vergessen sollen, was die Steuerpolitik auf Bundesebene macht. Die Länder haben vom Bund von 2009 bis 2011 31 Milliarden Euro weniger und die Kommunen 5,7 Milliarden Euro weniger bekommen. Sie wollen Steuern senken und die öffentlichen Haushalte noch leerer machen. Dann ist gestalterisch gar nichts mehr drin. Was in Gottes Namen wollen Sie denn noch gestalten, wenn Sie nur noch die Finanzierung abbauen?

Das Land Brandenburg plant alldem gegenüber eine Erhöhung der Schlüsselzuweisungen für die Gemeinden und kreisfreien Städte um 120 Millionen Euro, für die Landkreise um über 46 Millionen Euro. Wir nennen das nicht Verschwendung, sondern vernünftigen, nachhaltigen Umgang auch mit Kommunalfinanzen. Denn das Wirtschaften vonseiten der Landesregierung auf Kosten der Kommunen wäre ein Wirtschaften von der linken Tasche in die rechte Tasche. Dann wären am Ende die Probleme nicht geringer. Es geht uns um aufgabenbezogene Finanzierung, nicht um ein Sparen und Kürzen, koste es, was es wolle.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Im Übrigen - darf ich nur nebenbei bemerken -: Es gibt auch westdeutsche Bundesländer, auch in verschiedenen politischen Farbspielen, die sich weiter in Größenordnungen verschulden. Nordrhein-Westfalen ist dabei Spitzenreiter. Das toleriert dort

auch die Linke, weil es offenbar in Nordrhein-Westfalen Gründe gibt, sich so zu entscheiden. Das hat man dort gemeinsam in der Hand. Deswegen ist die Frage: Keine Neuverschuldung? Oder Neuverschuldung ja, wenn Sie das machen? Oder ist Neuverschuldung okay, wenn Sie dann sagen, wofür? Ich sage Ihnen: Allein die Neuverschuldung ist nicht der Maßstab, sondern für uns sind soziale Belange als Maßstab in der Politik beizubehalten, und dafür ist dieser Haushalt ein Beleg.

(Beifall DIE LINKE)

Wir werden künftig weniger Einnahmen von Bund und EU haben. Deshalb unterstützen auch wir von hier aus die Forderung nach einer grundlegenden Steuerreform.

Gerecht, innovativ und zukunftsfähig - das ist heute in vielen Zusammenhängen immer wieder genannt worden. Dazu sage ich: Zukunftsfähig, gerecht und mutig? Die Bundesregierung kürzt beispielsweise 7 % in den Programmen gegen Rechtsradikalismus. Ich weiß nicht, wo da Demokratie gestärkt wird, ich weiß nicht, wo das zukunftsfähig ist; aber man macht es halt. Solche Art Wege werden wir in Brandenburg gar nicht erst ausprobieren.

Frau Ludwig wollte übrigens in den Bereich der Justiz schauen. Was den Haushalt betraf, blieb es bei dieser Ankündigung; vielleicht gucken Sie noch einmal hinein. Wir sind sehr froh, dass mit dem Haushaltsentwurf im Einzelplan 04 jetzt auch der Gesetzentwurf zur Neuordnung der Amts- und Arbeitsgerichte seine Realisierung erfahren kann. Die jahrelange Hängeparty und Unsicherheit um die Gerichtsstandorte ist beendet.

(Beifall DIE LINKE)

Nun können wir konstruktiv herangehen. Schade - mich hätte ein Lob an den Justizminister aus Ihrem Mund durchaus gefreut.

Verehrte Abgeordnete, wir alle in diesem Saal sind uns einig, dass gute Bildung einer der wesentlichen Schlüssel zur Zukunft ist. Worin wir aber offenbar unterschiedlicher Meinung sind, das ist das Verständnis davon, was gute Bildung ist, was dazu gehört und vor allem wie sie politisch zu organisieren ist.

Der Einzelplan 05 wurde hier schon ausführlich dargestellt. Insgesamt steht 2012 mehr Geld zur Verfügung. Die Tarifanpassungen für die Beamten des Landes sind übernommen worden. Das ist ein positiver Fakt. Er schlägt auch finanziell zu Buche, natürlich. Na klar wäre es klasse, die Rücklagen des MBJS im System zu belassen; wem sagen Sie das?! Aber an dieser Stelle schließt sich doch der Kreis: Die Rücklagen werden im Augenblick nicht für eine bessere Ausstattung der Schulen wirksam. Wir haben uns zur Haushaltskonsolidierung bekannt, und die Opposition sagt: Gucken Sie mal genauer hin! Nun machen wir das, und nun ist es auch schon wieder falsch.

Frau Ludwig, Ihre aufgeregte Kürzungsrhetorik beim Thema Bildung ist unangemessen. Es geht eben nicht um Kürzungen im Kita-Bereich, nicht bei der Unterrichtsversorgung. Es gibt zusätzliche Lehrereinstellungen in diesem Jahr. Sozialfonds, Schüler-BAFöG, alles das wird den Berechtigten zugutekommen. Auch die Musikschulfinanzierung ist in dem Rahmen, den sie jetzt hat, stabil.

Wir streiten uns darüber, wie die privat geführten, die freien Schulen finanziert werden sollen. Ich finde, man muss sich

streiten, denn hier hat die Bildungspolitik der letzten zwei Jahrzehnte - unter verschiedenen Farbgebungen, das möchte ich betonen - eine sehr widersprüchliche Realität hervorgebracht. Sie selbst haben sie beschrieben. Warum ist es denn so, dass immer mehr Eltern ihre Kinder in freie Schulen geben? Weil dort die Klassen kleiner sind, weil die Wege kürzer sind oder aus anderen Gründen privater Natur, das will ich jetzt gar nicht zensieren. Wir schätzen die freien Schulen, und das haben wir seitens der Linken auch heute mit einer Erklärung noch einmal betont. Es wird hier kein grundsätzliches Infragestellen geben. Aber wir haben doch als klar feststellbare Realität das ausgedünnte Netz der öffentlichen Schulen, die großen Klassen in den öffentlichen Schulen, eine problematische Qualität trotz guter Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer in den öffentlichen Schulen. Übrigens sind auch öffentliche Schulen innovativ, Herr Büttner, sie sind modern, sie arbeiten nach neuen pädagogischen Konzepten.

(Starker Beifall DIE LINKE und SPD)

Dennoch haben wir eine schwierigere Situation in den öffentlichen Schulen.

(Zuruf von der CDU: Dann ändern Sie es doch!)

Schauen Sie sich das bitte politisch an! Diese schwierige Situation führt dazu, dass die privaten Schulen bei den Finanzierungsbedingungen, die für sie in Brandenburg sehr gut sind, automatisch immer mehr Geld bekommen; das belegt sogar der jetzige Haushalt. Dann lassen Sie uns überlegen, ob es so, wie es jetzt ist, richtig ist. Aber wir sind verantwortlich dafür - übrigens alle Abgeordneten dieses Landtages -, dass das öffentliche Schulsystem im Land Brandenburg modern, zukunftsfähig, gut ist, dass es allen Kindern zugutekommt. Dazu erwarte ich auch einmal Solidarität auf den Plakaten. Ich erwarte, dass da auch steht: „Eine gute Schule für alle Kinder im Land Brandenburg!“

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich möchte auch, dass alle Lehrerinnen und Lehrer im Land Brandenburg, auch die der freien Schulen, nach Tarif bezahlt werden.

(Beifall DIE LINKE und SPD - Zuruf des Abgeordneten Wichmann [CDU])

Es gibt hier nämlich die verschiedensten Verwerfungen. Wir sind gehalten, Bildung als Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge solidarisch für alle Kinder im Land zu organisieren, sodass es nicht eine Frage des Glücks ist, was ein Kind an Bildungschancen hat. Diese dürfen nicht davon abhängig sein, wo es geboren wird, welche Eltern und welche Begabungen es hat. Wir müssen sichern, dass alle Kinder hier ihren Zukunftsweg gehen können. Das ist die Aufgabe, und wir werden das jetzt im parlamentarischen Verfahren diskutieren. Lassen Sie uns das tun!

(Zuruf des Abgeordneten Wichmann [CDU])

- Das ist kein Spagat, das ist Dialektik.

(Lachen bei der CDU - Heiterkeit bei der SPD)

Und zwar sage ich Ihnen von der CDU - das mögen Sie nicht hören -: Politik von heute muss die Ergebnisse der Politik von gestern als Realität anerkennen, so wie Sie Ihre eigene Realität im Verhältnis zur Entscheidung Schönefeld auch anerkennen

und sagen müssen: Jetzt haben wir eine bestimmte problematische Situation, und dann bleibe ich jetzt bei Schönefeld. - Erklären Sie mir, wie Sie das alles machen wollen. Warum um Gottes willen beschimpfen Sie ständig den Ministerpräsidenten? Ich habe bald das Gefühl, Frau Ludwig kann ihn nicht leiden.

(Vereinzelt Lachen bei der SPD)

Warum gehen Sie nicht zu Frau Merkel - abgesehen davon, dass sie mit „Einstieg“ und „Ausstieg“ auch schon ihr Vorbild hingelegt hat. Frau Ludwig hat ja bei den Wendungen noch eine gut.