Protokoll der Sitzung vom 21.05.2012

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Politik beginnt mit der Betrachtung der Realität. Realität ist, dass die erneute Verschiebung der Flughafeneröffnung ein Debakel ist. Auch zwei Wochen, nachdem von Aufsichtsrat und Geschäftsführung zugegeben wurde, was viele schon vermutet hatten, lässt die Empörung über die Zustände am künftigen Flughafen nicht nach. Zu viele Fragen sind nicht beantwortet, zu viele Dinge nicht geklärt.

Zum zweiten Mal nach 2010 mussten Sie, Herr Ministerpräsident, eingestehen, dass die eigenen Ziele zur Fertigstellung des Flughafens nicht erreicht werden können. Damit wurde unsere gesamte Region in Deutschland und darüber hinaus blamiert; auch Sie haben das festgestellt.

Für viele tüchtige Geschäftsleute, die am neuen Flughafen ihr Auskommen finden wollten, lassen sich die wirtschaftlichen Folgen noch gar nicht abschätzen. Auch die Verluste für die Airlines sind im Moment nicht zu benennen. Auch ohne die Folgen heute genau beziffern zu können, steht fest, dass Brandenburg massiv Schaden genommen hat. Für die Fehler am Flughafenneubau werden die Bürger Brandenburgs noch lange

und viel bezahlen müssen. Das sieht im Übrigen auch Kollege Danckert von der SPD-Bundestagsgruppe so. Das aktuelle Versagen ist leider nicht der letzte Akt in einer scheinbar endlosen Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen.

Meine Damen und Herren! Im Herzen Brandenburgs entsteht ein Flughafen, der nicht über die notwendigen Kapazitäten verfügt, der mehr Geld kostet, als eigentlich vorhanden ist, und die Bürger weit stärker als versprochen mit Lärm belasten wird.

(Beifall CDU)

Sie, Herr Ministerpräsident, sagten gerade, dass man hinterher immer schlauer sei. Ich weiß nicht, ob wir von der CDU schlauer sind; auf die Probleme beim Flughafen weisen wir schon seit einer Weile hin. Wir haben Fragen gestellt, für die wir verlacht wurden.

(Frau Muhß [SPD]: Dritte Startbahn!)

Anfang des Jahres haben wir unsere Zweifel an der Einhaltung des Eröffnungstermins Juni 2012 deutlich gemacht; das ist überall nachzulesen. Aus Ihren Reihen hieß es daraufhin, dass wir uns damit isoliert hätten. Dass in einer solchen Situation die Frage nach den Verantwortlichen aufkommt, ist normal und nur allzu verständlich; auch das haben Sie eingeräumt.

Der Flughafen gehört der öffentlichen Hand. Er ist von ihr geplant worden, wird von ihr gebaut und soll von ihr betrieben werden. Die Bürger sind somit die Eigentümer des Flughafens und haben natürlich das Recht zu erfahren, wie es wirklich um den Bau bestellt ist, welche Schwierigkeiten es gibt, welche Fehler gemacht wurden, welche Kosten auf sie zukommen und natürlich auch, wer die Verantwortung trägt.

(Beifall CDU und FDP)

Um all dies aufzuklären, ist das Parlament heute zu einer Sondersitzung zusammengekommen und hat Sie, Herr Ministerpräsident, aufgefordert, Brandenburg zu erklären, wie es am Flughafen so weit kommen konnte und wie Sie gedenken, im März 2013 einen wirtschaftlichen - ich betone: wirtschaftlichen! - und akzeptierten Flughafen an den Start zu bringen.

Sie haben in Ihrer Rede zwar den Brief erwähnt, der Ihnen von der CDU-Fraktion zugesandt wurde. Wir meinten, fair zu sein, wenn wir vorher sagen, was wir wissen möchten. Ich darf aber feststellen, dass viele, viele der Fragen, die wir gestellt haben, offen sind; das stellt uns natürlich nicht zufrieden.

(Beifall CDU)

Aus den Zeitungen und von Bürgerinitiativen erfährt man mehr über die reale Situation am Flughafen als von Ihnen. Je wichtiger man als Person im öffentlichen Leben ist, desto wichtiger sind die Dinge, die man sagt - oder eben nicht sagt. Sie, Herr Ministerpräsident, haben heute nicht viel gesagt. Kein Wort zu den Kapazitätsengpässen am künftigen Flughafen, kein Wort zur Nordbahn, kein Wort zur Finanzierung der zusätzlichen Kosten, kein Wort zur Wirtschaftlichkeit des Flughafens, kein Wort dazu, wie der notwendige Schallschutz gewährleistet werden soll.

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90)

Stattdessen haben Sie sich entschuldigt - wieder einmal, könnte man sagen. Sie haben sich schon in der Vergangenheit entschuldigt, waren betroffen, stocksauer oder Ähnliches. Das hilft uns aber im Grunde nicht weiter. Wir erwarten, dass uns und damit auch den Bürgerinnen und Bürgern reiner Wein eingeschenkt wird. Dann können wir auch gemeinsam mehr Verantwortung übernehmen.

Diesmal versprechen Sie bessere Steuerung und Kontrolle. Das haben Sie schon 2010 getan - von 2003 ganz zu schweigen, als Sie selbst feststellten, dass man sich jetzt keine Fehler mehr leisten dürfe.

Sie verlangen Transparenz von der Geschäftsführung; aber wie genau Sie Transparenz für den Bürger herstellen wollen, verschweigen Sie. Stattdessen tagt heute die Fluglärmkommission mal wieder - ohne Beteiligung der betroffenen Bürger.

Wir verlangen auch Transparenz, aber auch vom Aufsichtsrat, also auch von Ihnen, Herr Ministerpräsident. Von diesem Parlament sind Sie in den Aufsichtsrat entsandt worden. Sie vertreten hier nicht Ihre eigenen Interessen, sondern die Interessen Brandenburgs und dieses Parlaments. Gegenüber diesem Parlament müssen Sie somit auch Rechenschaft ablegen. Dieses Parlament ist sozusagen der Aufsichtsrat der Landesregierung. Das sollte uns auch allen bewusst sein. Es hilft auch nicht, auf andere Aufsichtsräte, Herrn Bomba oder Herrn Henkel, hinzuweisen.

(Frau Lehmann [SPD]: Das ist wichtig!)

- Ja, ja, warten Sie mal, Frau Kollegin!

Uns als CDU-Fraktion ist Herr Bomba völlig schnuppe. Wenn Herr Minister Ramsauer sagen würde: „Den berufe ich ab“, dann wäre es uns völlig egal.

(Vereinzelt Lachen bei der SPD)

- Lachen Sie mal nicht zu früh! Aber wenn wir die Abberufung von Herrn Bomba fordern würden, was sollen wir dann bitte vom stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden fordern?!

(Beifall CDU)

Von daher, meine Damen und Herren: Als CDU sind wir eine Rechtsstaatspartei, und das heißt, es gibt kein Urteil ohne Beweisaufnahme. Wir wollen in dem Verfahren mitwirken.

(Zuruf von der SPD)

- Und wir auch nicht.

Ich finde es aber keinen guten Stil, wenn aus der Staatskanzlei eine Pressemitteilung kommt, in der dann von Herrn Henkel und Herrn Bomba - bei Bomba ist es mir egal, habe ich gesagt steht, dass Herr Henkel an zwei von 104 Aufsichtsratssitzungen teilgenommen hat, weil er nicht im Amt war. Es ist ziemlich armselig, wenn man dann auf solche Leute verweist.

(Beifall CDU)

Ich würde mir wünschen, dass mit dem Umzug des Parlaments in ein neues Gebäude auch ein bisschen mehr Würde in dieses Haus Einzug hält.

Meine Damen und Herren, ich sagte: Politik beginnt mit der Betrachtung der Realität. Realität ist es, dass es bei der Verschiebung nicht nur um den nicht funktionierenden Brandschutz geht. Man kann einen Flughafen nicht eröffnen, ohne dass für die Sicherheit der Passagiere gesorgt ist. Das versteht sich ja wohl von selbst. Wie man aber überhaupt erst auf eine zusammengeschusterte Last-Minute-Mensch-Maschine-Lösung beim Brandschutz setzen konnte, bleibt uns - und nicht nur uns schleierhaft. Genauso ging das wohl auch dem verantwortlichen Planungsbüro, das letztendlich seine Unterschrift unter diesen Antrag verweigerte und, wie wir jetzt wissen, anschließend oder später gekündigt wurde.

Es liegt weit mehr im Argen. Der halbe Flughafen scheint eine Baustelle zu sein. Vom TÜV Rheinland bekommen gerade mal 42 % der Gebäude die Fertigstellung bescheinigt. Leider sind die Richtlinien für Gebäude für die Passagiere nicht dabei. Auch von den Airlines kamen Beschwerden, dass der Flughafen zur Eröffnung am 3. Juni nicht den Qualitätsansprüchen genügt hätte.

Neben diesen Schwierigkeiten, die durch die mangelhafte Einhaltung von Terminen entstanden sind, gibt es auch das ganz grundlegende Problem: Der Flughafen ist zu klein konzipiert und zu klein gebaut worden. Die Anbauten und Zelte unterstreichen dies nachdrücklich. Wenn Schönefeld 2013 in Betrieb geht, wird es keine zwei Jahre dauern, bis die vorhandenen Kapazitäten vollständig ausgeschöpft sind. Wo Tegel und Schönefeld im vergangenen Jahr zusammen 176 Check-in-Schalter für 24 Millionen Fluggäste hatten, wird der neue Flughafen dann für 27 Millionen Fluggäste nur über 92 Check-in-Schalter verfügen. Das bedeutet, dass selbst bei vorsichtiger Schätzung an Spitzentagen pro Check-in-Vorgang durchschnittlich weniger als eine Minute zur Verfügung stehen wird. Jeder, der einmal geflogen ist, weiß, dass das deutlich knapp bemessen ist. Das kann auch jeder wissen.

Hinzu kommen die unzureichende Anzahl an Gepäckbändern und der mangelnde Platz für die Sicherheitskontrollen, die Abflug und Ankunft am Flughafen stark verzögern werden. Auch die Flugbetriebsfläche, also das Vorfeld, wo die Maschinen abgefertigt werden, wird in absehbarer Zeit nicht mehr für die zu erwartende Anzahl von Flugbewegungen ausreichend sein.

Der Flughafen ist im Übrigen mit Inbetriebnahme schon in Teilen - schrecken Sie nicht zusammen! - baufällig. Die zukünftige Nordbahn wird vom alten Flughafen Schönefeld übernommen. Die fehlenden 600 m hat man angebaut, die bestehenden 3 000 m aber in ihrem veralteten Zustand gelassen. Spätestens 2016/2017 wird eine vollständige Sanierung der Nordbahn notwendig. Wie das im laufenden Betrieb funktionieren soll, konnte mir bis heute niemand erklären, auch nicht, wie es finanziert werden soll. Allen Dementis zum Trotz wird der Flughafen zu einer Dauerbaustelle werden, und der Flughafen wird vor allem massive zusätzliche Kosten verursachen, die nicht einkalkuliert sind.

(Beifall CDU)

Von daher bleibt die Dauerfrage, die wir heute nicht beantworten können, die aber beantwortet werden muss: Wie soll dieser Flughafen am Ende wirklich wirtschaftlich arbeiten? Das ist die Frage. Realität ist, dass der Flughafen ein finanzielles Debakel zu werden droht. Schon heute ist mehr Geld verplant und

verbaut worden, als eigentlich für den Flughafen vorgesehen war. Die gut 400 Millionen Euro aus den Landeskassen Berlins und Brandenburgs sind längst verbraucht. Auch der Kreditrahmen ist, wie wir wissen, so gut wie ausgeschöpft. Die gewaltigen Mehrkosten für jeden Tag der Verzögerung der Inbetriebnahme und die zu erwartenden Schadenersatzansprüche werden die Gesamtkosten bis zur Betriebsfähigkeit des Flughafens wohl auf über 3 Milliarden Euro steigern. Das ist dann rund eine Milliarde mehr, als ursprünglich geplant war.

Zusätzlich konnte man erst gestern im „Spiegel“ lesen, dass scheinbar große Teile der Kreditfinanzierung über Zinswetten abgesichert wurden - wenn man da von „Absichern“ sprechen kann. Dabei hat man sich wohl auch verzockt, wodurch die Kreditlast auf dem Flughafen noch einmal erheblich gesteigert werden konnte oder musste.

Welche Folgen dies für unseren Landeshaushalt haben kann, kann sich jeder an drei Fingern abzählen. Ich kann an dieser Stelle nur sagen: Überlegen Sie sich gut, ob Sie unser Angebot zur Zusammenarbeit ablehnen oder nicht. Ansonsten wünsche ich insbesondere den Kolleginnen und Kollegen von den Linken viel Vergnügen dabei, den Bürgern das zu erklären.

(Beifall CDU)

Die Kredittilgung soll der Flughafen nämlich aus dem laufenden Geschäft heraus bewerkstelligen. Wie soll das angesichts der verschobenen Eröffnung funktionieren? Das ist unklar. Klar ist hingegen, wer bei Zahlungsunfähigkeit des Flughafens einspringt: natürlich durch Beschluss des Landtages dann der Steuerzahler. Wir bürgen für fast 900 Millionen Euro. Wie die notwendige Haushaltskonsolidierung unter diesen Umständen gelingen soll, bleibt fraglich. Wichtige Investitionen in die Zukunft unseres Landes werden wir auf jeden Fall überprüfen müssen. Der Spielraum wird auf keinen Fall größer.

Meine Damen und Herren, so sehr die Kosten auch aus dem Ruder gelaufen sind, es gibt einen Bereich, wo man fleißig gespart hat, nämlich am Lärmschutz der betroffenen Anwohner.

(Beifall CDU)

Anstatt sich an den Planfeststellungsbeschluss zu halten, hat man versucht, die Kriterien aufzuweichen, um möglichst wenig Schallschutz bezahlen zu müssen. Der geschätzte Kollege Danckert sagte dazu wortwörtlich, dass „die Bürger mit Billigschallschutz abgespeist werden“. Da wird am falschen Ende gespart. Die Akzeptanz für den neuen Flughafen ist genauso wichtig wie dessen Wirtschaftlichkeit. Mit der Art und Weise, wie der Lärmschutz bis jetzt umgesetzt wurde, macht man allerdings eine Akzeptanz unmöglich.

Herr Ministerpräsident, Sie sagten einmal:

„... Belastungen wird man nicht durch Transparenz und Bürgerbeteiligung wegorganisieren können.“

Das mag sein; aber nur mit Transparenz und Bürgerbeteiligung kann man die Akzeptanz von Belastung erzeugen oder steigern und darüber hinaus auch die Linderung von Belastungen besser organisieren. Es muss jetzt endlich Schluss sein mit der mangelnden Transparenz um den Flughafenstandort in Berlin-Brandenburg. Es müssen endlich alle Betroffenen am weiteren Vor

gehen beteiligt werden. Alle Fakten gehören auf den Tisch und besprochen. Nur dann können die richtigen Entscheidungen für einen zukunftsfähigen Flugverkehr organisiert werden.