Protokoll der Sitzung vom 20.01.2010

ative für die Abschaffung des Artikels 7 Abs. 5 des Grundgesetzes zu starten.

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

- Auf die Qualität muss man nun wirklich nicht eingehen.

Mit der Abschaffung des Absatzes können wir ein offensichtliches Hemmnis in der Bundesrepublik Deutschland zur Gründung privater Grundschulen beseitigen. Artikel 7 Abs. 4 regelt die Errichtung von privaten Schulen mit der klaren Maßgabe der Genehmigung des Staates und dass diese den Landesgesetzen und damit selbstverständlich auch der Schulaufsicht unterstehen. Mehr gibt es nicht zu regeln: Gleiches Recht für alle Schulen - egal, ob sie staatlich oder privat sind!

Es gibt aber noch Artikel 7 Abs. 5, der hohe und höchste Hürden für die Errichtung einer privaten Volksschule aufbaut - übrigens eine Regelung, die eins zu eins aus der Weimarer Reichsverfassung in einem völlig anderen Umfeld übernommen wurde und spätestens jetzt - nach mehr als 60 Jahren des Bestehens der Bundesrepublik - überprüft werden muss.

Die Denkschrift der evangelischen Kirche zu Schulen in evangelischer Trägerschaft weist auf diesen Missstand hin. Sehr zurückhaltend in ihren Formulierungen stellt sie fest, dass die Genehmigungsbedingungen sehr eingehend interpretiert werden, sowohl hinsichtlich der Interpretation des alten Begriffs der Volksschule als auch hinsichtlich der konkreten Genehmigungspraxis.

Unser Antrag hat ein klares Ziel: Kein Sonderrecht für Grundschulen, es soll ein Recht für Privatschulen geben, sonst nichts.

Welche Folge hätte die Änderung des Artikels des Grundgesetzes? Im Falle der Aufhebung des Artikels 7 Abs. 5 GG würde sich die Zulassung von Grund- und Hauptschulen in privater Trägerschaft durch die hierfür zuständigen Länderbehörden nach den Voraussetzungen richten, die für alle privaten Schulen bestimmt sind. Die Aufhebung würde die unterschiedliche Entwicklung in den Ländern bei der Zulassung freier Ersatzschulen befördern, so die Bundesregierung im Jahre 2007, als diese noch aus der sogenannten Großen Koalition bestand.

Ich möchte an dieser Stelle auf einen für uns bedeutsamen Zahlenzusammenhang hinweisen. Im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung sind in der Bundesrepublik Deutschland etwa 62 % der Einrichtungen in der Hand privater Träger. Zwei Drittel aller Einrichtungen sind also nicht staatlich. Das zeigt, die privaten Träger haben ein Angebot, das sich großer Beliebtheit erfreut. Politisch wollen wir das auch. Es zeigt aber auch: In den privaten Trägern haben wir einen verlässlichen Partner, einen Partner, dem wir offensichtlich großes Vertrauen bei der Erziehung, bei der Sprachstandsdiagnose und bei der Entwicklung sozialer Kompetenzen entgegenbringen. Die wichtigen ersten drei Jahre der frühkindlichen Bildung werden in der Bundesrepublik Deutschland zu zwei Dritteln von freien Trägern - inklusive der Kirchen - gestaltet. Schaut man sich aber den Anteil der privaten Träger an den Grundschulen an, stellt man fest, dass er in der Bundesrepublik Deutschland bei nur etwa 3 bis 4 % liegt.

(Frau Wöllert [DIE LINKE]: Gott sei Dank!)

Hieran wird deutlich: Artikel 7 Abs. 5 des Grundgesetzes verhindert massiv ein Engagement der privaten Träger im Primarbereich. Das ist schon deswegen bildungspolitisch falsch, weil wir Kindergarten und Grundschule als Bildungsphase aus einer Hand begreifen müssen. Jeder Andersdenkende ist nicht im 21. Jahrhundert angekommen.

Schulen in freier Trägerschaft, so die Denkschrift der evangelischen Kirchen in Deutschland, sind ein wichtiger Bestandteil der Pluralität des öffentlichen Bildungswesens und eines vielfältigen Bildungsangebots. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Wir bitten darum, dass dieses Hohe Haus die Landesregierung auffordert, mit der Bundesratsinitiative ein Zeichen für die freien Träger zu setzen, um endlich auch in diesem Bereich zu einem freien Bildungssystem zu kommen. Um darüber zuvor auch gern ausgiebig im zuständigen Ausschuss zu diskutieren, haben wir die Überweisung an den Bildungsausschuss beantragt. - Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Büttner. Ihnen verbleibt eine Restredezeit von dreieinhalb Minuten. - Das Wort erhält jetzt der Abgeordnete Günther für die SPD-Fraktion. Bitte sehr.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Besonders in Wahlkampfzeiten kommen Menschen zu mir, die sagen, sie wüssten nicht mehr, wen sie wählen sollten, die Parteien seien sich alle ähnlich, man merke keine Unterschiede. - Für solche Diskussionen lege ich mir jetzt eine Mappe an, in die FDP-Anträge hineinkommen; da kann man wunderbar auch grundsätzliche Unterschiede deutlich machen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich hoffe, die Mappe wird nicht zu voll, dann könnte ich sie nicht mehr in der Gegend herumtragen.

Aber zur Sache: Sie wollen eine von Ihnen empfundene Benachteiligung privater Grundschulen per Grundgesetzänderung abschaffen. Dazu erst einmal ein Blick in die Praxis: Die Praxis von Brandenburg sagt: Von den 446 Grundschulen im Land sind 58 in freier Trägerschaft. Wir stellen schon einmal fest: Die Praxis sagt: So unüberwindlich können die Hürden nicht sein. Aber es ist richtig: Der angesprochene Grundgesetzartikel enthält Beschränkungen, besonders für Grundschulen.

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben die Formulierung nicht einfach so aus der Weimarer Verfassung abgeschrieben, sondern sie haben sich etwas dabei gedacht. Ziel war es, dass es für Kinder solche Grundschulen, wie sie es vor der Weimarer Verfassung gegeben hat, nämlich Grundschulen für so würden Sie es vielleicht formulieren - Besserverdienende, nicht mehr geben sollte.

(Frau Prof. Dr. Wanka [CDU]: So ein Unsinn!)

Grundschulen für Besserverdienende hat es gegeben, sollte es aber nicht mehr geben, und das seit der Zeit der Weimarer Ver

fassung. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes trafen eine kluge Entscheidung, als sie formulierten, dass nicht schon die Kleinsten die Erfahrung machen sollten, sehr früh sortiert statt integriert zu werden. Ziel war ganz bewusst das gemeinsame Lernen.

Sie von der FDP, wie immer einer Klientel verschrieben, sagen, die Gründe, die die Mütter und Väter des Grundgesetzes damals hatten, hätten heute keine Bewandtnis mehr. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht 1992 entschieden: Ja, diese Gründe haben noch eine Bewandtnis. - Auch die rot-rote Koalition in Brandenburg hat festgelegt: Wir wollen möglichst langes gemeinsames Lernen fördern. Das beginnt am besten wo? In der Grundschule. In diesem Punkt haben wir grundsätzliche inhaltliche Unterschiede zu Ihnen von der FDP.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Herr Günther, es gibt eine Zwischenfrage. Wollen Sie diese zulassen?

Ja, natürlich.

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass evangelische Grundschulen mit Ganztagsschulangeboten, auch wenn Schulgeld genommen wird, in der Summe im Regelfall günstiger, das heißt billiger sind als staatliche Grundschulen mit nachgeschaltetem Hort? Die staatlichen Grundschulen sind also der teurere Weg, die evangelischen Grundschulen der günstigere. Nach Ihrer Theorie würden die Besserverdienenden die staatlichen Schulen wählen, weil diese die höheren Aufwendungen haben.

Es ist keine Frage des Preises, welche Schule gerade günstiger ist, sondern es ist eine inhaltliche Frage. Ich habe es erläutert: Die ersten Jahre sollen von den Schülern gemeinsam verbracht werden. Das steckt dahinter.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich möchte noch ein paar Anmerkungen zu dem von Ihnen in der Begründung aufgeführten „Wettbewerb“ machen. Wenn wir Marx kennen oder die Marktwirtschaft beobachten, wissen wir, dass Wettbewerb, auch Konkurrenz genannt, etwas ganz Bestimmtes zum Ziel hat: die Schwächung des Konkurrenten, am besten sogar dessen Verschwinden vom Markt. Dieses Prinzip mag in bestimmten Bereichen seine Berechtigung haben, aber im Bildungsbereich, noch dazu zwischen Grundschulen, finde ich Wettbewerb völlig unangebracht.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich weiß, welcher Einwand jetzt erhoben wird, bitte aber darum, die Unterschiede in der Formulierung zu beachten. Ich bin sehr für Profilierung und Vielfalt, aber nicht für einen ruinösen Wettbewerb um Schüler. Bei unserem System der Finanzierung von privaten Schulen fände ich das geradezu absurd, hieße das doch, dass wir quasi alle am „Markt“ agierenden

Konkurrenten fast vollständig aus öffentlichen Mitteln finanzieren würden.

Herr Abgeordneter, es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Dombrowski. - Bitte.

Herr Kollege Günther, Sie haben sich soeben gegen Wettbewerb im Bildungsbereich ausgesprochen. Möchten Sie, die Koalitionsfraktionen oder die Landesregierung jetzt vielleicht auch gegen die Mathematikolympiaden im Land vorgehen?

(Ah! bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Herr Dombrowski, wir kennen uns schon gut fünf Jahre. Ich glaube, Sie wissen selbst, dass diese Frage unter Ihrem Niveau war.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Wettbewerb hat immer Gewinner und Verlierer zur Folge. Bei dem eng gestrickten Schulsystem wir wissen, dass wir in Brandenburg um jeden Schüler ringen wäre Wettbewerb gerade im Grundschulbereich ein Verpulvern von Steuergeldern. Von einer Partei, die sehr knauserig mit Steuergeldern umgeht und diese dem Staat eher nichts gönnt, finde ich einen solchen Antrag schon außergewöhnlich.

Herr Abgeordneter, es gibt noch eine Zwischenfrage von Herrn Goetz. - Bitte sehr.

Herr Kollege, Sie sprechen sich gegen Wettbewerb im Bildungsbereich aus. Verstehe ich Sie richtig, dass Sie erst dann glücklich und zufrieden sind, wenn alle Grundschulen gleich schlecht sind?

(Widerspruch SPD und DIE LINKE)

Ich hätte nicht gedacht, dass das Niveau der Zwischenfragen noch sinken kann.

(Beifall SPD - Frau Prof. Dr. Wanka [CDU]: Ihr Beitrag provoziert diese Zwischenfrage!)

Deshalb gehe ich auf diese Zwischenfrage nicht ein. Sie können nicht ernsthaft von mir erwarten, dass ich sage, ich sei in diesem Punkt anderer Meinung als Sie.

Ich schließe meine Rede,

(Senftleben [CDU]: Gute Einsicht!)

weil sonst noch weitere Zwischenfragen ähnlicher Qualität zu befürchten wären.

(Heiterkeit bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE - Lachen bei der CDU und der FDP)

Dennoch möchte ich mich bemühen, noch ein paar ernsthafte Sätze zu diesem Thema zu sagen, denn der Antrag ist ernsthaft. Er ist auch nicht neu; die FDP-Bundestagsfraktion hat ihn vor einigen Jahren bereits erfolglos in den Bundestag eingebracht.