Protokoll der Sitzung vom 10.02.2014

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Weil Sie all das nicht sehen, nehmen Sie einfach mit: Auch das gehört zur Wahrheit dieses Hauses.

Ich glaube, Sie wollen gar keine Auseinandersetzung mit der Regierung, Sie wollen eine Showbühne - und dazu missbrauchen Sie das Parlament; Kollege Ness hat es bereits gesagt. Das ist, finde ich, ein unerhörter Vorgang. Ihre Respektlosigkeit auch gegenüber den Menschen unseres Landes hat ein Ausmaß erreicht, dass es mich nicht mehr wundert, dass Politikerinnen und Politiker allgemein keinen guten Ruf genießen.

Meine Damen und Herren, nehmen Sie doch endlich zur Kenntnis, dass von Ihren haltlosen Unterstellungen nichts, aber auch gar nichts als heiße Luft geblieben ist. Da können Sie sich noch so sehr aufspielen.

Es hilft Ihnen im Übrigen auch nicht, wenn Sie Daten und Ereignisse willkürlich durcheinanderwürfeln. Der mündige Bürger und auch die mündige Bürgerin lassen sich kein X für ein U vormachen.

Wenn Sie über Odersun oder HBS reden: Allein in der Förderperiode von 2007 bis 2013 wurden 5 500 Projekte mit insgesamt 1,35 Milliarden allein an Euromitteln gefördert, 5 700 Arbeitsplätze konnten damit geschaffen und unter anderem 333 Kilometer Straßen instand gesetzt werden. Wenn das nichts ist, dann, glaube ich, leiden Sie an Realitätsverlust.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Zu Odersun sei gesagt: Hier geht es um die Frage der politischen Intervention, die sich über Empfehlungen und Entscheidungen der Verwaltung hinwegsetzt. Dass Minister Christoffers dabei nach Recht und Gesetz gehandelt hat, ist mittlerweile mehrfach belegt,

(Gelächter bei der CDU)

auch, wenn dies hier von der Opposition logischerweise weiter bestritten wird.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Das Risiko, das er einging, war zudem ein abgesichertes Risiko; Sie hätten es wissen können, wenn Sie die Akten gelesen hätten.

(Zurufe von der CDU)

Dabei ging es - Sie wissen es - um die Chance, Arbeitsplätze zu erhalten. Hätte er es nicht getan, wäre die Debatte eine andere, und ich höre förmlich Herrn Homeyer rufen: Ein linker Wirtschaftsminister hat 260 Arbeitsplätze vernichtet, ein Skandal, ein Skandal!

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ach, Ihr Spiel ist so durchschaubar!

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie waren zehn Jahre in der Regierung. Sie wissen ganz genau, dass ein Minister einen verantwortbaren politischen Spielraum haben muss.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Ansonsten wären wir beim Verwalten. Das mag für Sie reichen, wir wollen gestalten. Das unterscheidet uns grundsätzlich.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Und, ja - beim Gestalten bleibt ein Risiko, ein sogenanntes Restrisiko.

(Zurufe von der CDU)

Dies im Interesse des Landes so gering wie möglich zu halten ist unsere Aufgabe. Doch kein Mensch ist unfehlbar, auch wenn sich manche, wie Sie, dafür halten.

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! So etwas hatten wir schon mal, so etwas haben einige von uns auch schon mal durchlebt - Apparate, in denen bis zur Spitze Entscheidungsunfähigkeit, Risikoangst, Obrigkeitsgläubigkeit und die Abkehr von den Herausforderungen des wirklichen Lebens herrschte. Nein, das will ich nicht mehr. Und Sie, meine Damen und Herren von der CDU, sagen doch immer, das, was in der DDR war, wollten Sie nie wieder haben. Dann bleiben Sie doch endlich einmal konsequent, wenn es um die Lehren der Geschichte geht, ein einziges Mal nur!

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Wenn man sich aber zum vertretbaren Risiko bekennt, ist die politische Intervention nur dann denkbar, wenn man davon ausgehen kann, dass die politische Klasse des Landes im Falle des Scheiterns schon ein Auge zudrücken wird; das wäre dann Kumpanei statt basispolitischen Handelns, die Recht und Gesetz kollektiv ausblenden würde. Sie wäre aber auch nicht viel besser, wenn sie sich in einem Raum ausbreiten würde, der durch Recht und Gesetz nicht oder nicht hinreichend geregelt ist.

Ein Minister muss Handlungsfreiheit haben, natürlich auf der Basis von Recht und Gesetz. Aber die Spielräume für Recht und Gesetz dürfen auch nicht durch moralischen Rigorismus, durch Hasenjagd eingeschränkt werden. Sonst nehmen am Ende auch Recht und Gesetz Schaden. Allerdings, Recht und Gesetz müssen auch davor bewahrt werden, durch Interpretierbarkeit, durch eigene Widersprüchlichkeit Schaden zu nehmen, dadurch, dass Sie auf komplizierter werdende, sich wandelnde Bedingungen nicht mehr so recht passen. Das aber ist unsere gemeinsame Aufgabe, meine Damen und Herren, auch die der Opposition.

Wir sind das Parlament, und das Parlament ist dazu da, gute Gesetze zu machen, gute Gesetze, auf deren Basis es sich dann aber auch bitte gut regieren lässt. Unsere - meine Damen und Herren, ich sage: unsere - Gesetzgebung muss so gut, so präzise und so zielorientiert sein, dass Zweideutigkeiten, innere Widersprüchlichkeiten und eklatante Lücken ausgeschlossen sind. Und natürlich haben wir auch die Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren.

Kommen wir zur HBS, ganz kurz nur:

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Es wundert mich schon, dass immer wieder Zeiträume, Zeitpunkte, Daten von Berichten, Vermerken, E-Mails entweder auf den Monat reduziert oder einfach weggelassen werden - um zu skandalieren. Wer genau liest und genau hinsieht, sieht klarer, in vielerlei Hinsicht.

Dass der Firma überhaupt Zuschüsse bewilligt wurden, geht auf Ihre Kappe - mein Kollege sagte es schon - liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU. Der rechtmäßige Zuwendungsbescheid 2008 - wer hatte ihn erteilt? Herr Junghanns, CDU,

(Zuruf von der CDU: Dazu gab es aber auch Förderbe- dingungen!)

nicht Ralf Christoffers.

Und dann gibt es bei dem Durcheinander über den Zeitpunkt das Phänomen, dass jedes Jahr wieder September wird. Man sollte es nicht glauben! Hier sollte tatsächlich Klartext geredet werden. Gehaltsausfälle gab es im September 2013, die Zahlung der ILB erfolgte im September 2012.

(Senftleben [CDU]: Unter Junghanns?)

Erst im November 2012 erhielt die ILB durch die Aktenanforderung der Staatsanwaltschaft den Hinweis, dass staatsanwaltschaftliche Ermittlungen eingeleitet wurden. Und es gab im April 2012 auch nicht 90 Hinweise auf Unzulänglichkeiten oder Zahlungshemmnisse, sondern das Referat 90 der ILB wies im April 2013 darauf hin, dass zahlreiche Hinweise vorliegen, die einer weiteren Zahlung entgegenstehen. - Nun, Zahlen haben es in sich.

Dies also führte im Mai 2013 dazu, dass Minister Christoffers der HBS mitteilte, dass bis zum Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen keinerlei weitere Zahlungen erfolgen werden.

Meine Damen und Herren, wir alle beschwören so gerne das Denken über die Legislaturperiode hinaus. Dabei geht es aber nicht nur um schöne Visionen. Jede Regierung hat verantwortungsbewusst mit dem Erbe ihrer Vorgängerin umzugehen. Man kann als neue Regierung Weichen für die Zukunft anders stellen, neue Schwerpunkte beschließen, alte Regelungen auslaufen lassen. Aber was man nicht kann, ist, rückwirkend Gesetze zu ändern oder zurückzunehmen. Was nach Recht und Gesetz zugesagt worden ist, ist zugesagt. Aber es ist natürlich sehr wohl möglich, dass sich die Dinge bei den langen Innovationsprozessen und in einem komplexen, mitunter schnelllebigen Marktgeschehen anders entwickeln, als bei der Bewilligung vorauszusehen war. Dann muss der Lage entsprechend entschieden werden. Das ist ja nicht nur ein Problem im Wirtschaftsgeschehen. Es ist ein Problem von Investitionen insgesamt. Ich erinnere da auch einmal an Stuttgart 21.

(Gelächter des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Unsere Instrumentarien für solche Situationen sind starr und passen nicht mehr auf die neuen Dynamiken heutiger Wirtschaftsprozesse - im Guten nicht, aber leider auch nicht im Schlechten.

Und die Schemata unseres Parteienstreites, meine Damen und Herren von der CDU, passen schon gar nicht, frei nach dem Motto: Wir haben etwas Gutes richtig angefangen, aber ihr vergurkt die Sache, und deswegen gehört ihr aus dem Amt getrieben! - Das funktioniert nicht, und wenn Sie es hier noch und noch wiederholen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Und ja, es ist doch völlig klar: Wir brauchen ein funktionierendes Frühwarnsystem bei der Umsetzung von Gesetzen, Runderlassen, Bescheiden usw. Manches haben wir Politikerinnen und Politiker ja im Bauch. Manches kann man aus politischer und genereller Lebenserfahrung heraus erahnen. Aber ein rundum zuverlässiges Frühwarnsystem ist das noch nicht. Es braucht eine Verwaltung, die das leistet und in der entsprechende Impulse zum gemeinsamen Nutzen des Hauses zusammengeführt werden. Das muss eben auch dann klappen, wenn der Minister oder die Ministerin aus übergeordneten Erwägungen auf der Basis von Recht und Gesetz letztlich eine andere Entscheidung trifft, als es einer Verwaltung zustehen würde und als es die Verwaltung auch verantworten dürfte. Aber, meine Damen und Herren, ich darf daran erinnern: Deshalb werden Politiker und nicht Verwaltungen gewählt.

Ob es so, wie eben beschrieben, zwischen Verwaltung und politischer Spitze klappt, ist nicht nur eine Frage der internen Organisation und persönlicher Loyalitäten - es ist übrigens auch nicht eine Frage, Herr Beyer, ob Männer miteinander können oder nicht; auch Frauen können manchmal nicht miteinander, und Mann und Frau, wie wir wissen, noch öfter nicht -, sondern es ist eine Frage der politischen Kultur insgesamt, und die, so denke ich, hat durch Ihr Agieren, meine Damen und Herren der CDU, wesentlich gelitten.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Aber - und das will ich hier deutlich sagen - für diese politische Kultur sind wir gemeinsam verantwortlich, nicht wir allein, aber maßgeblich bestimmen wir mit, wie es um die politische Kultur in diesem Lande bestellt ist.

Deutlich gesagt, meine Damen und Herren: Der Wechsel zu Rot-Rot vor gut vier Jahren war von einigen hier im Saal und darüber hinaus nicht als normaler demokratischer Wechsel, sondern als Tabubruch - das meine ich übrigens mit politischer Kultur -, als märkische und nationale Ungeheuerlichkeit verstanden worden, als ein politisches Unding, das unbedingt ausgemerzt werden muss. Das ist genau die Stimmung, die Sie hier zu produzieren versuchen. Dann ist es natürlich eine fatale Logik, wenn es heißt: Der Zweck heiligt die Mittel - egal, worum es geht. Hauptsache wir schießen; mal sehen, wen wir treffen. Wo der Eindruck entsteht, dass es hier so zugeht, hat es Loyalität tatsächlich schwer.

Meine Damen und Herren, ich will hier nicht den Eindruck erwecken, dass bei Rot-Rot alles fehlerfrei sei und dass alles, was wir anpacken, auch so aufgehe, wie wir es uns wünschten. Natürlich nicht. Wer handelt, kann Fehler machen. Wer Risiken eingeht, kann verlieren. Aber wir sorgten dafür, dass Risiken zugunsten des Landes abgefedert wurden, siehe Odersun. Wir haben niemandem Wunder versprochen, und wir haben auch nicht den Ehrgeiz, Wunder zu vollbringen. Aber - und das darf

ich hier im vollen Bewusstsein der vergangenen vier Jahre sagen -: Dieses Land wird ordentlich regiert.