Protokoll der Sitzung vom 02.04.2014

Sie tragen also Mitschuld! Wann endlich begreifen Sie, dass wir heute gemeinsam in diesem Dilemma sitzen?

(Beifall DIE LINKE und SPD - Lakenmacher [CDU]: Wir haben diesen Schrott-Flughafen nicht verbrochen!)

Ich kann mich an keinen einzigen Tag und keine einzige Situation erinnern, wo wir von CDU-Seite auch nur einen Hauch von Unterstützung für das Brandenburger Begehren nach mehr Nachtruhe tatsächlich gehört und Bemühungen tatsächlich erfahren hätten.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Sie, meine Damen und Herren von der FDP, haben schon immer erklärt, dass Ihnen die scheinbar höhere, aber nicht bewiesene Wirtschaftlichkeit des BER bei Verzicht auf eine Nachtruhe wichtiger ist als der notwendige Erholungsschlaf der in der Region des BER wohnenden Menschen. An Ihrer Stelle würde ich heute still und beschämt in der Ecke sitzen und hier nicht so vollmundig kritisch dröhnen.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD - Oh! bei der CDU - Zurufe von CDU und FDP)

Aber auch heute wieder lassen Sie sich zu Ihren oppositionellen Affekten hinreißen, anstatt ein einziges Mal die Interessen der Menschen in diesem Land wichtiger zu nehmen als Ihre Abneigung gegen diese rot-rote Koalition. Meine Damen und Herren, das ist keine Politik mehr!

(Goetz [FDP]: Das ist platte Ignoranz, was Sie hier brin- gen!)

Vor einem Jahr hatten wir das erste erfolgreiche Volksbegehren in Brandenburg.

(Zurufe von der CDU)

106 332 Bürgerinnen und Bürger hatten sich für eine deutlich längere Nachtruhe am künftigen Flughafen BER ausgesprochen. Die Linke und zuvor die PDS hatten sich seit der Neugründung unseres Landes stets für die Ausweitung der direkten Demokratie stark gemacht. Wir wollten und wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger zunehmend selbstbewusst ihre Dinge in die Hand nehmen und über ihre Belange mitentscheiden dürfen. Schon deswegen hatten wir den erfolgreichen Ausgang des Volksbegehrens begrüßt, auch wenn wir den damals in Rede stehenden Weg nicht in jeder Hinsicht für richtig und gangbar hielten. Wir haben in unserer Fraktion und wir haben in der Koalition nach dem Abstimmungserfolg sehr gründlich abgewogen, was nun die richtigen, die realistischen, die politisch verantwortbaren und auch nachhaltigen Antworten sind.

Am Ende war völlig klar: Der demokratisch artikulierte massive Wille der Betroffenen muss von der Landesregierung respektiert und ernst genommen werden. Es war nicht nur eine politische und demokratische, sondern letztendlich auch eine ökonomische Entscheidung. Denn zur ökonomischen Abwägung gehört auch die Akzeptanz in der Region. Ein solches Projekt wie der BER kann nicht dauerhaft gegen die Anwohnerinnen und Anwohner betrieben werden. Das zu berücksichtigen gehört eben auch zur ökonomischen Verantwortung.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Akzeptanz der Anwohnerschaft aber gibt es nur bei normaler Nachtruhe sowie - ich sage es immer wieder - einem exzellenten Schallschutz. Nein, wenn es nach uns geht, dann geht dieser Flughafen erst an den Start, wenn der Schallschutz abgeschlossen ist.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD - Zurufe des Abgeordneten Genilke [CDU])

Schließlich gilt auch - das muss gerade heute noch einmal gesagt werden -: Für eine falsche Standortentscheidung dürfen nicht die Anwohnerinnen und Anwohner büßen, weder kurznoch mittel- oder langfristig. Diese Entscheidung haben - ich sagte es bereits - 1994 wissentlich und heute mit dem Wissen um die gegenteiligen Gutachten fahrlässigerweise Sie getroffen.

Ich will aber auch zur ökonomischen Abwägung im engeren Sinne etwas sagen: Gegner der Umsetzung eines Nachtflugverbotes machen den wirtschaftlichen Erfolg stets von längeren Betriebszeiten abhängig: Jede Stunde, die der BER früher für reguläre Flüge schließt und später öffnet, schränke aus deren Perspektive den Luftverkehr in Berlin und Brandenburg sowie die internationale Anbindung der Region dramatisch ein. Bei näherer Betrachtung erweist sich diese Behauptung jedoch als zumindest fragwürdig. In Tegel herrscht Nachtflugverbot von 23 bis 6 Uhr, in Schönefeld besteht gegenwärtig gar keine Beschränkung. Dennoch schreiben die Berliner Flughäfen im Vergleich zu anderen deutschen Flughäfen seit Jahren eine Erfolgsgeschichte. So stieg die Zahl der Passagiere im Jahr 2013 um mehr als 4 %, während die Luftfracht sogar um fast 10 % zugelegt hat; gleichzeitig nahm die Zahl der Flugbewegungen um 1,2 % ab. Erfahrungsgemäß starten nämlich Businesslinien selten oder gar nicht vor 6 Uhr, weil schlicht und ergreifend dieses Segment gar nicht gefragt ist - wer steht schon gern mitten in der Nacht auf? In den Randzeiten von 23.30 bis 24 Uhr sind lediglich Verspätungen vorgesehen, worauf Herr Ness schon aufmerksam gemacht hat. Angesichts dieser Tatsache ist die Forderung „Von 22 bis 6 Uhr Ruhe über den Dächern der Gemeinden!“ für niemanden eine Zumutung, sondern erwächst aus der Realität des gelebten Lebens.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Es ist politisch vertretbar, vermittelbar, rechtlich machbar und wirtschaftlich verkraftbar. Andere wenden ein, Brandenburg könne und müsse die Sache im Alleingang regeln, schließlich liege die rechtliche Genehmigungsverantwortung bei Brandenburg; das habe ich ja gestern gesagt. Wir haben auch das prüfen lassen, und wieder und wieder kamen wir zu dem Ergebnis: Es fallen zwar wichtige Entscheidungen formell allein in die Ver

antwortung Brandenburgs, die für unser Anliegen nötigen rechtlichen Spielräume sind aber außerordentlich gering. Will man sich diese ertrotzen, so muss völlig klar sein, dass dies mit hohen Risiken für das Land und auch mit weiteren hohen finanziellen Risiken verbunden ist.

(Goetz [FDP]: Im Vergleich zu den 8 Milliarden macht das nicht viel aus!)

Diese müssten letztlich wiederum die Bürgerinnen und Bürger mittragen, auch die Anwohnerinnen und Anwohner des BER; damit wären sie doppelt belastet und bestraft.

Inzwischen ist eine weitere Variante in die Debatte gekommen, nämlich die Aufkündigung der Gemeinsamen Landesplanung mit Berlin. Auch das will in der Sache genau geprüft sein. Hier ist jetzt nicht der Zeitpunkt und auch nicht der Raum, dies zu erörtern. Allerdings will ich aus politischer Sicht anmerken: Die Gemeinsame Landesplanung ist alles in allem kein Knebel für Brandenburg,

(Bretz [CDU]: Wie könnt ihr das nur ertragen?)

sondern sie ist eine wichtige Basis für eine gedeihliche und einvernehmliche Entwicklung der gesamten Region BerlinBrandenburg im Interesse der Bürgerinnen und Bürger.

(Unruhe bei FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, sie ist nicht vom Himmel gefallen. Die Landesplanung Berlin-Brandenburg umfasst mehr als einen Flughafen am Rande der Stadt.

- Sie schaffen es nicht, oder?

(Bretz [CDU]: Lohnt sich nicht - es hört keiner mehr zu!)

Wie immer, wenn man die Sache betrachtet: Die Rahmenbedingungen für eine gedeihliche Entwicklung des BER konnten und können nur alle Anteilseigner gemeinsam schaffen und gewährleisten.

Das übrigens nicht nur aus finanziellen Gründen: Brandenburg, wo das Volksbegehren erfolgreich war, liegt auch immer noch in der Bundesrepublik Deutschland. Das Volk, das hier aufbegehrt, begehrt auch gegen den Bund auf. Der BER wird nicht umsonst so abgekürzt, denn er ist nicht allein der Airport für die Brandenburger und seine Gäste; er ist vor allem das Tor nach und von Berlin.

Meine Damen und Herren, angesichts all dessen verbietet sich jedwede Behauptung, Rot-Rot suche jetzt nach externen Schuldigen für das Scheitern vermeintlicher populistischer Versprechungen im Umgang mit dem Volksbegehren.

(Lakenmacher [CDU]: Ihr macht doch sowieso, was ihr wollt!)

Nein, unsere Politik ist menschlich und vernünftig. Acht Stunden ruhiger Schlaf sind wahrlich nicht die Ausrufung des Schlaraffenlandes in Brandenburg. Unsere Politik ist ökonomisch vertretbar und an Stabilität und Wohlergehen - auch des Unternehmens BER - orientiert.

Auch ist unsere Politik geradezu alternativlos, wenn man Demokratie in all ihren Ausdrucksformen ernst nimmt

(Lachen der Abgeordneten von Halem [B90/GRÜNE])

und sich nicht auf ein vermeintliches Primat der repräsentativen Demokratie verlässt. Es ist völlig verständlich, wenn die Menschen dann sagen, die Politik hebe ab. Unsere Politik baut letztlich auf eine einzige externe Voraussetzung, nämlich auf Respekt und Anstand im Umgang miteinander im bundesstaatlichen System. Genau das wird gegenwärtig verweigert!

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, vor 20 Jahren haben der Bund und Berlin dem Land Brandenburg den von Anfang an falschen Standort Schönefeld wider besseres Wissen aufgezwungen; ich hatte bereits daran erinnert.

(Zurufe des Abgeordneten Goetz [FDP])

Heute lassen uns Berlin und der Bund allein und eiskalt mit den absehbaren Folgen dieser eigennützigen, falschen und letztlich unverantwortlichen Standortentscheidung stehen. Selbst diejenigen, die in Blankenfelde-Mahlow wohnen und täglich mit der Arbeit in Berlin zum Wohlergehen der Hauptstadt beitragen, sind dem Senat egal.

(Lakenmacher [CDU]: Gute Rede!)

Nur weil sie in Brandenburg wohnen? Sorry, das ist Zynismus.

(Lakenmacher [CDU]: Danke für die Bestätigung.)

Heute, meine Damen und Herren, ist nicht der Tag kleinlicher Streitereien und ich werde mich auf parteipolitische Profilierungen hier nicht einlassen.

(Lachen bei der FDP - Zurufe von CDU und FDP - Zuruf des Abgeordneten Bretz [CDU])

- Solange ich das Mikrofon habe, haben Sie doch sowieso keine Chance, Herr Bretz!

Heute ist aus meiner Sicht der Tag, an dem Brandenburg sich geschlossen erheben und mit einer einzigen gemeinsamen Faust den Vorschlag des Ministerpräsidenten auf den Verhandlungstisch knallen sollte. Herr Büttner, falls Sie es nicht gehört haben, wiederhole ich es gerne: Ausdehnung der Nachtruhe auf die Randzeiten, weitere Maßnahmen zur Verminderung von Lärm, eine Änderung durch eine unterschiedliche Nutzung von Start- und Landebahnen sowie natürlich ein effektiver Schallschutz - wieso hören Sie das nicht? Oder verstehen Sie es nicht? Sagen Sie uns den Unterschied!

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD - Zurufe von CDU und FDP)

Die Entscheidung am 7. April ist für den Bund und Berlin auf längere Sicht die letzte Chance, sich einen letzten Rest von politischem und menschlichem Anstand gegenüber den Brandenburgerinnen und Brandenburgern, gegenüber den Anwohnerinnen und Anwohnern des Flughafens zu bewahren. Aber selbst dann bliebe es noch eine Schande, den Menschen eine entscheidende Stunde ihrer Nachtruhe abgefeilscht zu haben.

Allerdings - daraus will ich keinen Hehl machen - sind meine Hoffnungen, dass der Bund und Berlin diese Chance nutzen werden, gering, weil Arroganz der Macht immer zur Negierung berechtigter Interessen anderer führt.