Protokoll der Sitzung vom 26.06.2014

Drucksache 5/9183

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion. Herr Abgeordneter Büttner, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einen herzlichen Dank an Frau Ministerin Dr. Münch für die Beantwortung der Großen Anfrage, insbesondere an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Große Anfrage, die wir gestellt haben, sehr umfangreich beantwortet haben. Das war mit Sicherheit viel Arbeit. Ich musste schmunzeln, als ich die Antwort auf eine Frage gelesen habe, in der Sie sagten: Wir können diese Frage nicht beantworten; wir müssten dafür 18 000 Personalakten durchschauen - in Klammern: Das erscheint unverhältnismäßig. Ich gebe Ihnen Recht: 18 000 Personalakten sollen Sie wirklich nicht durchschauen. Das wäre wirklich unverhältnismäßig.

Die Beantwortung der Großen Anfrage gibt uns jetzt die Möglichkeit, hier heute das Thema Bildung insgesamt zu diskutieren und eine Art Generaldebatte zum Thema Bildung zu führen.

Ich möchte zunächst auf die frühkindliche Bildung eingehen. Herr Ministerpräsident, Sie haben heute Morgen in der Aktuellen Stunde zwischengerufen, es sei eine Lüge, wenn ich Ihnen sage, dass sich der Personalschlüssel seit Anfang der 2000erJahre nicht verbessert habe.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Dr. Woidke)

- Lassen Sie mich einmal ausreden. - Von 1992 bis 1997 gab es den Personalschlüssel bei den 0- bis 3-Jährigen von 1:6. Da

nach gab es eine Verschlechterung auf 1:7 - in der Altersgruppe der 3- bis 6-Jährigen war der Schlüssel 1:13 -

(Zuruf des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])

und jetzt sind wir wieder in dem Bereich 1:6.

Das heißt: Im Ergebnis ist es richtig, was ich gesagt habe, mit einer ganz minimalen Veränderung, nämlich hinsichtlich der Betreuung bis sechs Stunden und ab sechs Stunden. Ansonsten hat sich der Betreuungsschlüssel - auch nach Aussagen des Bildungsministeriums - seit 1992 in diesem Land tatsächlich nicht verändert.

Da haben wir schon die Grundproblematik. Das Ergebnis ist, dass die Landesregierung keinen Bedarf für eine bessere Personalausstattung sieht. Ich möchte Ihnen das auch anhand der veränderten Öffnungszeiten deutlich machen. Diese sind in den Landkreisen ganz unterschiedlich, einige Kitas haben mittlerweile Öffnungszeiten von zehn bis zwölf Stunden. Das wird aber nicht refinanziert. Ich bin der Auffassung: Auch das Land steht da in der Verantwortung, weil Sie hier doch immer in allen möglichen Bereichen diskutieren, dass wir die Vereinbarkeit von Beruf und Familie brauchen. Dies setzt natürlich insbesondere längere Öffnungszeiten von Kitas voraus.

Meine Damen und Herren, es bleibt dabei: Wir brauchen einen Stufenplan zur Verbesserung des Betreuungsschlüssels.

(Beifall FDP und B90/GRÜNE)

Es bleibt dabei: Wir brauchen eine Leitungsfreistellung für Kita-Leiterinnen und -Leiter, die natürlich auch Gespräche mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen müssen. Wir brauchen für Konsultations-Kitas bessere Regelungen. Ich will nicht akzeptieren, Frau Ministerin, dass unsere Erzieherinnen und unsere - leider wenigen - Erzieher - ich würde mir noch viel mehr wünschen - außerhalb ihrer Arbeitszeit, teilweise bis tief in die Nacht hinein, Portfolios erstellen müssen, was ihnen niemand bezahlt. Dass sie diese Arbeit freiwillig in ihrer Freizeit erledigen müssen, ist nicht akzeptabel. Da steht das Land in der Verantwortung, dringend nachzubessern.

Folgendes Grundproblem besteht weiterhin: Wir alle stimmen überein, dass die frühkindliche Bildung in den Kitas die Grundlage im gesamten Bildungssystem darstellt, unsere Erzieherinnen und Erzieher aber diejenigen sind, die in unserem Bildungssystem am allerschlechtesten verdienen. Für dieses Problem muss mittel- bis langfristig eine Lösung gefunden werden, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP und B90/GRÜNE)

Ich möchte noch auf ein, zwei Problematiken hinweisen. In der Antwort auf die Große Anfrage haben wir festgestellt, dass pauschale Höchstsätze nicht mit dem Kita-Gesetz vereinbar sind, organisatorischer Leitungsanteil und Ähnliches.

Frau Mächtig, ich freue mich, dass Sie hier sind.

(Abgeordnete Mächtig schüttelt den Kopf.)

- Was schütteln Sie den Kopf? Ich freue mich wirklich. - Ich habe eine Bitte an Sie. Sie sind ja, soweit ich weiß, auch Vorsit

zende der Kreistagsfraktion der Linken im Barnim. Frau Kollegin Mächtig, im Landkreis Barnim gibt es einen verminderten Rechtsanspruch. Das ist ein Verstoß gegen das Kita-Gesetz. Ich würde Sie hier als Regierungsfraktionen und auch in Ihren Kreistagen dringend auffordern, sich dafür einzusetzen, dass diese unhaltbare Situation im Barnim endlich beendet wird. Das betrifft nämlich nicht nur den verminderten Betreuungsanspruch, sondern auch die Finanzierung von Tagesmüttern und Tagesvätern. Der Barnim ist in diesem Bundesland das schlechteste Beispiel. Da liegt eine Verantwortung für alle Barnimer Kolleginnen und Kollegen im Landtag wie im Kreistag.

(Beifall FDP und B90/GRÜNE - Frau Mächtig [DIE LINKE]: Sie dürfen die Fakten nicht weglassen!)

- Das können Sie ja nachlesen, Frau Mächtig. Das können Sie gern nachlesen; es steht doch in der Antwort auf die Große Anfrage.

(Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Das würde ja bedeuten, dass das Bildungsministerium die Fakten nicht kennt. Dass Sie das als Angehörige einer Regierungsfraktion sagen, wundert mich ein bisschen.

Ich möchte noch einen zweiten Punkt ansprechen. Dummerweise sind zehn Minuten Redezeit für das Thema Bildung furchtbar kurz. Aber so ist das eben.

Meine Damen und Herren, die Situation an unseren allgemeinbildenden Schulen ist schlicht und ergreifend schlecht. Wir haben heute Morgen schon darüber diskutiert: Über eine Million Stunden werden nicht nach der Unterrichtstafel erteilt. Es ist interessant, wenn Kollege Ness sagt, über 2 000 Lehrer seien eingestellt worden. Das sei ganz toll. Ich finde es gut, dass diese Lehrer eingestellt wurden. Aber es reicht nicht. Das ist das Problem. Wenn eine Million Stunden nicht nach der Unterrichtstafel erteilt werden, so ist das nicht akzeptabel für ein Land wie Brandenburg.

(Beifall FDP)

Wenn 4 000 Schülerinnen und Schüler, die in einzelnen Fächern gar keine Noten bekommen haben, frage ich Sie, meine Damen und Herren: Können und wollen wir uns das wirklich leisten? Nein, wir müssen ganz dringend und schnell gegensteuern. Ich glaube, es ist auch klar geworden, dass dies in Ihrem Haus, Frau Ministerin, leider noch nicht angekommen ist. Denn Sie schreiben in der Antwort auf die Große Anfrage, die Bedarfe könnten in der Regel durch die staatlichen Schulämter, durch die Vertretungsreserve und durch die Schulleiter selbst gedeckt werden. Das funktioniert eben nicht.

Gerade in der flexiblen Eingangsphase der Grundschulklassen finden Teilungsstunden und Förderstunden teilweise über ein Jahr nicht mehr statt. Ich könnte Ihnen einige Schulen nennen. Nur wird Ihnen das gar nicht gemeldet, weil ausgefallene Teilungsstunden und Förderstunden in keiner Statistik über Unterrichtsausfall auftauchen. Das ist schon ein Problem. Das heißt: Die ganze Unterrichtsausfallstatistik, so detailliert, wie sie sein mag, ist letztlich verfehlt.

Wir brauchen ganz dringend mehr Lehrer in diesem Land. Es reicht eben nicht aus, die Lehrer, die das System verlassen, zu

ersetzen. Das werden in der nächsten Legislaturperiode 3 600 Lehrerinnen und Lehrer sein. Es müssen mehr eingestellt werden. Die 400 Lehrerinnen und Lehrer, von denen in Ihrem Wahlprogramm die Rede ist, brauchen Sie für die Inklusion. Das heißt: Wir haben dadurch nicht eine einzige Stunde Unterrichtsausfall vermindert. Dieses Problem ist ganz dringend anzugehen.

Wir als FDP-Fraktion haben in diesem Landtag sehr oft deutlich gemacht, dass uns das Thema Bildung besonders wichtig ist und wir dafür einstehen, dass diese Priorität im Bereich Bildung endlich umgesetzt werden muss.

(Beifall der Abgeordneten Vogdt [FDP])

Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen und Ihnen, Frau Ministerin, ausdrücklich für Ihr Verhalten danken, welches Sie bei der Aufarbeitung der Problematik Haasenburg gezeigt haben. Am Anfang waren wir kritisch. Am Ende war ich sehr froh, dass Sie sich mit Ihrer Position durchgesetzt haben und wir das Thema Haasenburg hoffentlich -

(Zuruf)

- ja, ich weiß, deswegen sage ich hoffentlich - ein für alle Mal in diesem Land los sind. Das haben die Kinder in unserem Land nicht verdient. Dafür haben wir Sie unterstützt. Dafür gebührt Ihnen auch der Dank, Frau Ministerin.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, das Thema Bildung wird uns über viele Jahre hinweg verfolgen. Ich freue mich auf die weitere Debatte. Ich habe mir noch ein wenig Redezeit aufgespart und bin gespannt auf Ihre Argumente.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Günther übernimmt dies.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gut zwei Zentimeter Kantenhöhe Bildungspolitik haben wir vor uns liegen. Die Statistikabteilung des MBJS hat einmal wieder Überstunden gemacht und uns, wie ich glaube, auch noch die letzte Zahl aus der EDV herausgequetscht. Ich finde es eher erschreckend, was alles erfasst wird, nicht, was nicht erfasst wird. Es werden zum Beispiel Kinder mit Migrationshintergrund in Kitas erfasst. Ich frage mich: warum eigentlich? Aber egal.

(Frau Lehmann [SPD]: Das ist doch wichtig!)

- Ich finde, man muss nicht alles statistisch erfassen, auch wenn Landtagsabgeordnete sehr neugierig sind.

(Büttner [FDP]: Ich finde es auch gut, dass das erfasst wird!)

Angesichts so vieler Informationen dürfte alles klar sein. Ein jeder weiß, dass wir in unseren Kindertagesstätten - Andreas Büttner hat vorgetragen, dass das Glas halbleer ist

(Büttner [FDP]: Ganz friedlich!)

- er hat ganz friedlich auf das halbleere Glas verwiesen - den Personalschlüssel in den letzten fünf Jahren verbessert haben. Dennoch ist er weiterhin unbefriedigend und soll - das sagen alle Parteien - noch einmal verbessert werden. Da müssen wir zulegen.

Ein jeder weiß aus der Antwort auf diese Große Anfrage aber auch: Wir haben bundesweit eine der besten Versorgungsquoten. Schon deutlich über 80 % der Zwei- und Dreijährigen besuchen eine Kita oder eine Tagespflege. Wir haben den Personalschlüssel verbessert und zusätzlich 1 000 Erzieherinnen und Erzieher eingestellt. Der Landeszuschuss für die Kindertagesbetreuung hat sich in den letzten fünf Jahren von 137 Millionen Euro auf 218 Millionen Euro erhöht. Sie werden, wenn Sie den Haushalt insgesamt betrachten, wohl kaum eine Ausgabeposition finden, die eine derart rasante Steigerung hinter sich hat. Auch die Ausgaben pro Kind haben in diesem Zeitraum um 52 % zugenommen.

Was den Bereich Schule angeht, so haben wir jetzt schwarz auf weiß: Die Summe der investierten Gelder hat sich auch hier kontinuierlich erhöht. Ich verweise auf die sehr interessante Anlage 10, die ein deutliches Plus bei allen allgemeinbildenden Schularten sowohl in öffentlicher als auch in privater Trägerschaft ausweist. Das Highlight sind die Ausgaben für private weiterführende Schulen, die sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt haben. Das wird übrigens nur noch getoppt von den Versorgungsausgaben, die sich im gleichen Zeitraum fast verzehnfacht haben. Trotzdem sage ich als Fazit: Bildung ist uns nicht nur gut und teuer. Bildung ist uns etwas wert.