Protokoll der Sitzung vom 18.11.2015

Meine Damen und Herren, ich bin froh, dass dieses gesamtge sellschaftlich wichtige Thema mittlerweile auf allen Ebenen diskutiert und ernst genommen wird, angefangen von den Ver einten Nationen über die europäische und nationale Ebene bis hin zu uns in Brandenburg. Nachdem der gemeinsame Antrag von CDU und Bündnisgrünen am 10. März in den Verbrau cherschutzausschuss des Landtags überwiesen wurde, haben wir uns im September in einer Anhörung eingehend mit diesem Problem befasst und die unterschiedlichsten Sachverständigen dazu angehört. Ziel der Anhörung war, Maßnahmen zu finden, wie auch wir in Brandenburg den Anteil der vermeidbaren bzw. teilweise vermeidbaren Lebensmittelabfälle entlang der Her stellungs- und Wertschöpfungskette weiter reduzieren können. Deshalb freut es mich, dass wir am Ende der Beratung in der letzten Woche zu einem fraktionsübergreifenden Ergebnis ge kommen sind, welches Ihnen heute vorliegt.

Neben einer bundesweiten Strategie mit Maßnahmen zur Ver meidung von Lebensmittelabfällen und verbindlichen Zielmar ken muss das Thema auch stärker in der Verbraucherbildung Beachtung finden. Nur eine gezielte Aufklärungs- und Bil

dungsarbeit kann Sensibilität für Lebensmittel erzeugen, das Wissen darum fördern und individuelle Entscheidungen er möglichen.

Darüber hinaus haben wir uns auf eine Arbeitsgruppe aus Ver tretern von Schulträgern, Unternehmer- und Verbraucherver bänden verständigt, die Maßnahmen gegen Lebensmittelver luste im Bereich der Schulverpflegung erarbeiten und beför dern sollen. Auch bei öffentlichen Ausschreibungen des Lan des im Catering-Bereich soll ein sparsamer Umgang mit Le bensmitteln berücksichtigt werden.

Meine Damen und Herren, wir werden uns im I. Quartal 2017 erneut im Fachausschuss mit diesem Thema befassen und hof fentlich auch die ersten Ergebnisse bewerten können, denn dann soll das Verbraucherschutzministerium über den ersten Umsetzungsstand unseres heutigen Landtagsbeschlusses be richten.

Persönlich würde ich mir wünschen - das möchte ich abschlie ßend noch sagen -, dass jeder Einzelne von uns wieder be wusster darüber nachdenkt, wie unsere Lebensmittel herge stellt werden, woher die Produkte kommen und was wir zu uns nehmen.

Wir können und wollen niemandem vorschreiben, was er wann isst. Aber wir können sensibilisieren, aufklären und unterstüt zen. Wenn die Wertschätzung für unsere Lebensmittel wieder steigt, sagt sich hoffentlich der eine oder andere, wenn er vor seinem Kühlschrank oder im Supermarkt steht: Nein, das ist zu gut für die Tonne, daraus lässt sich noch etwas machen. Das würde ich mir wünschen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abge ordnete Dr. Bernig. Bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde zunächst einmal das Geheimnis um den Gast auflösen. Das ist Leon Troche, Schüler der 10. Klasse. Ihm gefällt der Landtag so toll, dass er fast seine gesamte Freizeit hier verbringt.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Wir haben heute ein wichtiges Thema auf der Tagesordnung. Spätestens seit dem eindrucksvollen Film „Taste the Waste“ von 2011 ist es ins öffentliche Bewusstsein gerückt: Lebens mittelverschwendung ist ein ethisches, soziales, ökologisches und wirtschaftliches Problem. Es ist in den Ausschüssen und hier heute schon viel gesagt worden. Ich will das nicht alles wiederholen. Aber mit anderen Worten ausgesprochen, worauf Tina Fischer schon hingewiesen hat, möchte ich sagen, dass Schätzungen zufolge 30 % der weltweit verfügbaren landwirt schaftlichen Anbauflächen zur Produktion unnötig weggewor fener Lebensmittel genutzt werden.

Vor diesem Hintergrund bewegt sich unsere Diskussion über Ernährungssicherheit, Land Grabbing, Nutzungsintensivierung mit ihren ökologischen Folgen, Gentechnik usw. Der Umgang

mit Lebensmitteln ist eine Bewusstseinsfrage. Für die Genera tion, die die Hungerzeit der Nachkriegsperiode durchlebt hat, ist das Wegwerfen von Lebensmitteln bis heute oft undenkbar.

Die Wertschätzung von Lebensmitteln hat sich gewandelt. Wäh rend 1950 noch die Hälfte des Budgets eines durchschnittlichen Haushalts für Lebensmittel ausgegeben wurde, sind es heute un ter 10 %. Nun ist es zweifellos eine soziale Errungenschaft, dass Ernährung nicht mehr in dem Maße eine Geldfrage ist, wie das früher der Fall war. Aber der Lebensmittel-Billigmarkt, wie er vor allen Dingen von den Monopolisten im Lebensmittelhandel mit Dumpingangeboten auf Kosten der Erzeuger immer weiter geschürt wird, hat eben auch seine Schattenseiten.

Seit Oktober 2012 gab es im Deutschen Bundestag zwei Anträge mit dem Ziel, Lebensmittelverschwendung einzudämmen. Der Antrag von vier Fraktionen setzte auf Information und Diskussion, auf freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft zu bran chenspezifischen Zielmarken und zur Reduzierung des Lebens mittelabfalls. Das Ziel, bis 2020 die Entsorgung genusstaug licher Lebensmittel zu halbieren, wurde bekräftigt. Die Linke war in ihrem Antrag weiter gegangen, wollte mehr Verbindlich keit für den Handel, hier und da auch Vorgaben, beispielsweise zu Verpackungsgrößen, Sortimentsangeboten und Güteklassen, oder Regelungen, um die Verwertung ungenutzter Lebensmittel etwa über Tafeln zu erleichtern. Zu groß war damals die Skepsis, dass allein Information und Freiwilligkeit zum Ziel führen.

Was ist seitdem geschehen? Die Bundesregierung führt eine Informationskampagne „Zu gut für die Tonne“ durch. Das ist eine gute Sache und stößt offenbar auf viel Resonanz. Anderes ist nicht so gut gelaufen. So wurden die vom Bundestag beauf tragten freiwilligen Zielvereinbarungen mit der Wirtschaft - das zeigt eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag vom Oktober 2014 - nicht abgeschlossen. Man überlässt die Dinge dem Selbstlauf. Das böse Erwachen kommt wahrscheinlich, wenn neuere Zahlen zur Lebensmittelverschwendung vorge legt werden.

Ich freue mich sehr, dass wir nach der Anhörung im Fachaus schuss fraktionsübergreifend zu einem Ergebnis gekommen sind, denn nicht alle Vorschläge im ursprünglichen CDU-An trag waren sinnvoll. Es wäre nicht zielführend gewesen, auf Landesebene mit den Akteuren der Wertschöpfungskette - da runter auch bundesweit agierende Handelskonzerne - regionale Lösungsvorschläge auszuarbeiten. Denn es macht doch wohl wenig Sinn, in 16 Bundesländern 16 verschiedene Strategien für ein bundesweites Problem zu entwickeln.

Inzwischen hat sich die Verbraucherschutzkonferenz noch ein mal für die Erarbeitung einer bundesweiten Strategie gegen Lebensmittelverschwendung eingesetzt. Das ist der richtige Weg. Im Land tun wir das, was auf Landesebene zu tun ist. Dazu gilt es, die verbraucherpolitische Strategie zu erweitern und schon jetzt das Thema der Verbraucherbildung innerhalb und außerhalb der Schulen stärker zu berücksichtigen. Insofern ist Ihr Vorschlag, Herr Vida, in unserem Beschluss aufgegan gen. Ich glaube auch, dass die Frage des Umgangs mit Lebens mitteln ein viel breiteres Band ist, als dass man sie nur im Fach LER behandelt. Das gehört auch in den Unterricht von WAT und in die Politische Bildung. Wir möchten etwas gegen Le bensmittelverluste in der Schulverpflegung tun und dafür das Know-how der damit Befassten nutzen.

Letztlich müssen alle Maßnahmen auf Bundes- und Landese bene darauf abzielen, einerseits die Rahmenbedingungen für die Reduzierung von Lebensmittelverlusten in Produktion, Verarbeitung und Handel zu verbessern und andererseits das Bewusstsein für einen sparsameren Umgang mit Lebensmitteln bei den Verbraucherinnen und Verbrauchen zu fördern. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Wiese.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich begrüße auch den Gast. Ich habe Ihren Namen nicht ganz verstanden, aber es kommt von Herzen.

Die Altparteien haben den Antrag „Taten statt Worte - Lebens mittelverschwendung wirksam eindämmen!“ eingebracht. Ei gentlich müsste der Antrag „Worte statt Taten“ heißen. Dieser Antrag besteht praktisch nur aus Selbstverständlichkeiten. Mich wundert es, dass Sie nicht auch noch den Weltfrieden in den Antrag aufgenommen haben.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE: Warum eigentlich nicht? Genau!)

- Eben. - Kommen wir zum ersten Ihrer Punkte. Sie schreiben, dass Sie sich weiterhin dafür einsetzen wollen, dass die Be schlüsse der Verbraucherschutzministerkonferenz umgesetzt werden. Sie sind doch in der Regierung. Wieso setzen Sie die Beschlüsse nicht einfach um, statt hier Druckerschwärze und Papier zu verschwenden?

(Beifall AfD - Zurufe von der SPD und der Fraktion DIE LINKE: Das ist Sache der Regierung!)

- Ach, Ihr seid jetzt alle eine Regierung.

(Heiterkeit SPD und DIE LINKE)

Ich kann Ihnen sagen, was passieren wird: die nächsten fünf Jahre erst einmal gar nichts.

Des Weiteren steht in dem Antrag, dass Sie die verbraucherpo litische Strategie des Landes Brandenburg fortschreiben und zwei Arbeitsgruppen zum Thema einsetzen wollen. Vielleicht sollten Sie auch noch eine Enquetekommission einsetzen; das machen Sie ja gern, wenn Sie sich vor Entscheidungen drü cken.

Wo sind nun die Taten statt Worte? Sie wollen wohl so lange tagen und beschließen, bis der Antrag hier kompostiert ist. Wie soll bei öffentlichen Ausschreibungen des Landes für Catering der sparsame Umgang mit Lebensmitteln berücksichtigt wer den? In der Anhörung haben wir doch gehört, dass es Tausende verschiedene Vorschriften gibt, die genau hier Lebensmittel verschwendung fördern. Wäre es nicht einfacher, ein paar un nötige Vorschriften zu entsorgen?

Ich finde es gut, wenn Sie die regionale Verarbeitung und Ver marktung von Agrarprodukten unterstützen wollen. Aber sagen Sie mir: Wie wollen Sie es machen? Man kann viel auf das Pa pier bringen und dann nichts mehr machen. Da braucht man sich nur einmal die ganzen Enquetekommissionen der letzten Legislaturperiode anzuschauen. Deren Empfehlungen verstau ben jetzt in den Schränken der Landesregierung.

(Dr. Scharfenberg [DIE LINKE]: Sie haben gar keine Ah nung!)

Zu einem ganz wichtigen Punkt kann man nichts in Ihrem An trag lesen: Wo werden denn die meisten Lebensmittel wegge worfen? Das sind nicht die Verbraucher oder die Landtagskan tine. Ein großer Teil der Lebensmittelabfälle fällt in der Indus trie und im Handel an, unter anderem wegen irgendwelcher Vorschriften.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Scharfenberg [DIE LINKE])

- Sie kommen sich heute sehr gut vor. - Denken Sie einmal an das Mindesthaltbarkeitsdatum. Das ist eine von der EU vorge schriebene Kennzeichnung. Wem wollen Sie erklären, dass ein 3,5 Millionen Jahre altes Salz, wenn es in die Dose kommt, nur noch eine Mindesthaltbarkeit von zwei Jahren hat und nach deren Ablauf - nach zwei Jahren - nicht mehr verkauft werden darf? Ganz klar, hier muss dringend der Vorschriftendschungel gelichtet werden. Daran verschwenden Sie aber keinen Gedan ken, denn dann müsste man sich mit Brüssel anlegen.

Was Sie auch total ausklammern, ist, wie man nicht vermeid bare Abfälle einer sinnvollen Nutzung zuführen kann. Das sind immerhin 35 % der Lebensmittelabfälle. Seit dem 1. Januar dieses Jahres gibt es eine Getrenntsammelpflicht. Das heißt, Lebensmittelabfälle kommen auf den Kompost oder in die Bio tonne. Diese Pflicht wird aber immer noch nicht von allen öf fentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern - also kreisfreien Städ ten, Landkreisen und Abfallzweckverbänden - umgesetzt. Zu mindest in MOL habe ich in den Plattenbausiedlungen noch keine einzige Abfalltonne für Lebensmittel gesehen. Hier ist Brandenburg Schlusslicht. Hier sollte die Landesregierung ih rer Kommunalaufsicht nachkommen; stattdessen passiert nichts. Es werden nur blumige Anträge formuliert, die dann in der Schublade landen.

Wenn Sie sich schon nicht mit Brüssel anlegen wollen, meine Damen und Herren von der Landesregierung, dann sorgen Sie dafür, dass die Generation der Heranwachsenden diesen Vor schriftendschungel zukünftig nicht mehr benötigt. Lebensmit telverschwendung hat auch etwas mit gesunder Ernährung zu tun. Dieses Thema gehört in den Unterricht der Grund- und Oberschulen - vielleicht mit einer Wochenstunde in den Klas sen 1 bis 10.

(Frau Dannenberg [DIE LINKE]: Schule kann nicht alles machen, es gibt auch die Eltern!)

Dazu braucht es keine Enquetekommission. Bringen wir den Kindern bei, wie man es richtig macht. Denn was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

Auch wir sind gegen Lebensmittelverschwendung; aber einem solch inhaltsleeren Antrag stimmen wir nicht zu. - Danke schön.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun der Abgeordnete Jungclaus. Bitte schön.

(Herr Jungclaus seufzt ins Mikrofon. - Heiterkeit B90/ GRÜNE und DIE LINKE)

Also … Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Lieber Gast! Weltweit werden derzeit 1,3 Milliarden Tonnen essbarer Lebensmittel weggeworfen, so die Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen. Die Ursa chen dafür sind vielfältig. In Ländern mit niedrigen Einkom men ist die Lebensmittelverschwendung vor allem auf die feh lende Infrastruktur zurückzuführen. In Ländern mit hohen Ein kommen gehen Lebensmittel eher am Ende der Wertschöp fungskette verloren - zum Beispiel, weil sie Norm und Ästhetik nicht entsprechen.

Allein in Deutschland landen jährlich über 18 Millionen Ton nen Lebensmittel im Müll. Dies entspricht fast einem Drittel unseres Verbrauchs. Circa 10 Millionen Tonnen davon wären vermeidbar, was laut WWF der Vermeidung von 22 Millionen Tonnen Treibhausgasen entspräche - immerhin einem Drittel der landwirtschaftlichen Emissionen unseres Landes. Auch diese Zahlen machen deutlich, wie wichtig es ist, hier endlich tätig zu werden.

Sowohl die EU als auch die Bundesregierung haben sich das Ziel gesetzt, bis 2020 die Menge der Lebensmittelabfälle zu halbieren. Eine nationale Strategie zur Vermeidung von Le bensmittelabfällen fehlt jedoch bislang. Gemeinsam fordern wir die Landesregierung daher auf, sich weiterhin gegenüber der Bundesregierung für eine nationale Strategie zur Reduzie rung von Lebensmittelabfällen stark zu machen. Die Strategie der Bundesregierung darf sich dabei nicht auf freiwillige Ab sichtserklärungen beschränken, sondern muss konkrete Maß nahmen zur Umsetzung enthalten.

Daneben können wir aber auch in Brandenburg selbst tätig werden, wie uns die befragten Experten im Ausschuss deutlich gemacht haben. Die Anhörung hat für mich vor allem eins deutlich gemacht - und ich bin froh, dass dieser Punkt noch Bestandteil unserer Beschlussempfehlung geworden ist: Die regionale Verarbeitung und Vermarktung konventionell und ökologisch hergestellter Produkte muss seitens der Landesre gierung stärker gefördert werden.

Pfarrer Eckhard Zemmrich hat es sehr schön ausgedrückt, dass ein bewusster, sorgsamer Umgang mit Nahrungsmitteln „inne re Bescheidenheit und eine Ehrfurcht vor der Kostbarkeit von Lebensmitteln“ voraussetzt. Je mehr ich als Verbraucher über ein Produkt weiß, je enger der Kontakt mit der Nahrungsmit telherstellung ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich es wegwerfe. Er meint: Wer ökologische und fair ge handelte Produkte kauft, wird mit Sicherheit auch weniger da von wegwerfen. Ich bin ebenfalls davon überzeugt: Informati on und Nähe zum Produkt fördern das Verantwortungsbe wusstsein im Umgang mit Lebensmitteln.

Zudem leistet die verstärkt regionale Vermarktung von Pro dukten auch aufgrund kürzerer Transportwege einen Beitrag zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen. Bei der Produkti