Protokoll der Sitzung vom 18.11.2015

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Zuletzt möchte ich mich im Namen der SPD-Fraktion bei den Kommunen für das, was sie in dieser schwierigen Zeit vor Ort leisten, bedanken. Viele von uns erleben ja die Diskussionen vor Ort mit, wenn es darum geht, Unterbringungsmöglich keiten zu suchen und zu schaffen. Die Diskussionen führen die Kommunen und oftmals auch wir vor Ort. Wir alle wissen: Das sind nicht immer leichte Diskussionen. Daher herzlichen Dank dafür!

Im Namen der SPD-Fraktion möchte ich mich auch bei den vielen ehrenamtlichen Helfern und den Willkommensinitiati ven bedanken. Ich weiß nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie es Ihnen geht: Wenn ich mit den Ehrenamtlichen spreche, dann schöpfe ich auch für meine Arbeit, für mein Tun und Handeln Kraft. Es stärkt sogar mein Selbstbewusstsein, und ich erkenne in dem, was sie tun, wie sie es tun und wie sie argu mentieren, dass ich in meinem Tun und Handeln auf der rich tigen Seite stehe. Dies stärkt meine innere politische Haltung. Dafür gleichermaßen herzlichen Dank! Werden Sie nicht mü de, liebe Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler! Ich sage auch immer vor Ort: Wir Berufspolitiker wären ohne das Ehrenamt oftmals sehr allein und stünden manchmal ganz erbärmlich da.

(Beifall SPD sowie vereinzelt B90/GRÜNE und DIE LINKE)

Zu uns spricht nun der Abgeordnete Christoffers für die Frakti on DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte eine weitere Aussage des Ministerpräsidenten ausdrücklich unter streichen: wesentlich für die Integration wird sein, ob es uns gelingt, zu verhindern, dass soziale Interessen von länger hier

Lebenden gegen die Interessen von Migranten und Flüchtlin gen ausgespielt werden. Das ist die zentrale Frage.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie vereinzelt B90/GRÜ NE)

Jeder, der dies nicht zu verhindern bzw. es öffentlich sogar zu forcieren versucht, leistet keinen Beitrag zur Bewältigung der Situation, sondern verschärft das innenpolitische Klima und schafft Ablehnung und Hass. Das ist etwas, was wir gemein schaftlich nicht zulassen werden!

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie vereinzelt B90/GRÜ NE)

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund muss die Koalition gegenwärtig sehr intensiv und ernsthaft über anste hende Entscheidungen reden, und zwar im Interesse aller hier Lebenden. Da geht es um den angesprochenen sozialen Woh nungsbau genauso wie um die Schaffung von Arbeitsplätzen, Schulen und viele weitere Fragen. Natürlich werden wir ge zwungen sein, eine Reihe von Entscheidungen, die wir sowieso treffen müssten oder wollten, vorzuziehen.

(Zurufe von der CDU)

Insofern kann ich Ihnen - sicherlich auch im Namen meines Koalitionspartners - die Gewissheit geben: Wir werden als Ver antwortliche der Politik, als Brandenburger Koalition alles da für tun, dass genau diese Situation nicht entsteht. Wir werden soziale Stabilität, wirtschaftliche Entwicklung und Integration politisch miteinander verbinden. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Zu uns spricht nun Frau Ministerin Golze für die Landesregie rung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Sommer 2011, als ein rechtsextremer Attentä ter in Norwegen ein Massaker angerichtet hatte, war ich gerade vier Wochen zuvor in Oslo. Mit einer Delegation des Deut schen Bundestages haben wir damals auch das Regierungsvier tel besucht und dort mit Ministern und Staatssekretären gespro chen. Als ich dann - vier Wochen später - die Bilder im Fernse hen sah, äußerte ich gegenüber der Staatssekretärin im Familienministerium mein Beileid und mein Entsetzen über diesen Anschlag. Dabei übermittelte sie mir mit ihrer Antwort auch ein Zitat aus der Rede des damaligen Ministerpräsidenten Stol tenberg, der sagte:

„Ihr werdet unsere Demokratie und unser Engagement für eine bessere Welt nicht zerstören. Wir sind entrüstet über das, was uns getroffen hat, aber wir werden nie un sere Werte aufgeben. Unsere Antwort wird mehr Demo kratie sein, mehr Offenheit und mehr Menschlichkeit.“

Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen!

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie GRÜNE/B90)

Das ist so einfach wie treffend. Natürlich, meine Damen und Herren: Auch ich bin eine besorgte Bürgerin; das will ich gar nicht abstreiten. Wen lässt das denn kalt? Das kann man nicht ausblenden - wenn ich mit meinen Kindern zu einem HerthaSpiel ins Olympiastadion fahre, dann frage ich mich auch: Was könnte passieren? - Das kann man nicht ausblenden. Aber soll man davon sein Leben bestimmen lassen? Soll man anderen Menschen noch mehr Angst machen über das hinaus, was sie sich selbst schon an Fragen stellen, anstatt gemeinsam nach Antworten zu suchen? Es müssen Antworten sein, die nicht auf dem Rücken derer ausgetragen werden, die selbst Angst haben und die sich aus Angst vor Terror auf den Weg zu uns gemacht haben. Nein, das dürfen wir, das darf unsere Demokratie nicht zulassen!

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Wenn wir hier heute in einer Schweigeminute solidarisch mit den Französinnen und Franzosen zusammenstehen, dann sollten wir uns einmal fragen, wie es wäre, wenn sich diese Menschen jetzt aus Angst auf den Weg nach Deutschland ma chen würden, weil sie sich in ihrem Herkunftsland nicht mehr sicher fühlen. Sie würden um Aufnahme und Schutz bitten, und dieselben, die sich heute in zum Teil geheuchelter Solidarität den Pariserinnen und Parisern an die Seite stellen, würden als Erste sagen: Ihr kommt doch aus einem sicheren Herkunfts land - geht dorthin zurück!

Wir müssen zusammenstehen, aber wir müssen es ehrlich tun. Ich nehme dem größten Teil dieses Hauses ehrliche Solidarität ab.

Meine Damen und Herren, Syrien ist wie Paris - allerdings 365 Tage im Jahr. Es gab gestern Abend eine Lichtinstallation in Rathenow, bei einem solchen angeblichen Trauermarsch durch die Stadt. Sehr viele Menschen äußern Solidarität. Die Frage ist allerdings, wie viele davon es ernst meinen. Natürlich müssen wir in dieser Situation nicht nur reagieren, sondern auch agieren. Damit komme ich zu den Dingen, die hier schon angesprochen worden und die auch Thema der Aktuellen Stun de sind: Die Integration von Flüchtlingen muss gelingen und gerade jetzt noch weiter vorangebracht werden.

Wir müssen über die Unterbringung und die Versorgung hinaus denken; die tatsächliche Gemeinschaftsaufgabe steht uns noch bevor. Ich bin dem Ministerpräsidenten sehr dankbar, dass er nach Unterstützung sucht und versucht, ein Bündnis all derer zu schmieden, die jeden Tag vor Ort aktiv sind und mit uns, dem Landtag und der Landesregierung, gemeinsam vorankom men wollen.

Ziel muss es sein, die Zuwandernden nicht nur unterzubringen und ihnen ein Dach über dem Kopf zu geben, sondern wichtig ist auch, dass sie ihren Teil leisten können. Die Bereitschaft da zu ist enorm. Die Menschen sind hoch motiviert, die deutsche Sprache zu lernen - es geht ihnen gar nicht schnell genug; sie sind ungeduldig. Sie möchten, dass wir ihre Berufsabschlüsse anerkennen, und wollen auch neue erwerben. Sie wollen ihren Teil leisten. Ich erwähne immer wieder gern das Beispiel eines Elektrikers aus dem Libanon, den ich im Landkreis Prignitz kennengelernt habe, der den schönen Satz sagte: „Ich würde so gerne Steuern zahlen.“

Das fand ich auf den Punkt gebracht. Sie wollen nicht das von einigen Kräften propagierte Klischee, Flüchtlinge würden sich

auf unsere Kosten ein gutes Leben machen wollen, Deutsch land sei aber nicht das Sozialamt der Welt, erfüllen. Nein, sie wollen ehrlich von ihrer Hände Arbeit leben, und zwar nach den Maßstäben, die in Deutschland gelten. Dem müssen wir gerecht werden.

Dafür werden wir Angebote, die sich in erster Linie an Flücht linge richten, schaffen bzw. ausweiten müssen. Sprachkurse sind ein Angebot, das sich in erster Linie an die Geflüchteten richtet, damit sie die deutsche Sprache lernen. Aber alle ande ren Angebote, die wir in diesem Bündnis besprechen werden, stehen allen offen, die eine solche Förderung brauchen. Wir stellen ja jetzt nicht unsere ESF-Programme zur Förderung Langzeiterwerbsloser ein und fördern mit diesen Mitteln die Erwerbsintegration von Flüchtlingen. Das wäre aberwitzig. Diese Programme stehen natürlich allen offen. Wir müssen se hen, ob sie sinnvoll angelegt sind und vom Umfang her rei chen. Wir müssen sehen, wo wir noch mehr Unterstützung her bekommen - vom Bund, auch von Brüssel -, um diese Ange bote wirklich für alle offenzuhalten.

Der Ministerpräsident hat über Wohnungen gesprochen. Natür lich, wenn wir sozialen Wohnraum schaffen, steht er allen zur Verfügung, genauso, wie wir keine Sonderschulen für Flücht linge schaffen, sondern sie in unsere Bildungseinrichtungen integrieren. Das ist doch selbstverständlich und Teil des Pro blems: Die große Zahl der nach Deutschland und Brandenburg kommenden Flüchtlinge macht deutlich, wo wir bisher schon vielleicht zu große Löcher im sozialen Netz hatten, wo das An gebot für Betroffene vielleicht vorher schon knapp war und jetzt noch mehr Menschen auf dieses Angebot angewiesen sind. Aber die Antwort kann nicht lauten: Ihr, die ihr jetzt zu uns kommt, seid schuld daran, dass dies überlastet wird und uns an die Grenzen bringt. - Die Antwort darauf kann nur sein, das soziale Netz so zu stärken, dass es für alle reicht, die von diesem Angebot profitieren sollen und die darauf angewiesen sind. Das ist die Aufgabe von Integrationspolitik.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie B90/GRÜNE)

Die Zwischenrufe, die ich in diesem Haus gehört habe, finde ich erschreckend, und wenn hier von „Volkstod“ die Rede ist, so lässt mich das an der Ernsthaftigkeit der hier geführten De batte zweifeln.

(Zurufe von der AfD)

Ich bitte Sie, mit Fakten und Daten zu arbeiten und die Realität anzuerkennen. Schicken Sie den Kollegen Ihrer Fraktion nicht nur zum Schlusswort des Runden Tisches gegen Kinderarmut nach Brandenburg an der Havel. Hätte er von Anfang an zuge hört, dann hätte er die aktuellen Zahlen gehabt. Diese habe nicht ich, die hat nicht die rot-rote Landesregierung erhoben, der Sie nicht trauen, sondern das sind Ergebnisse der Langzeit studien wissenschaftlicher Institute. Jedes Kind, das in Armut lebt, ist eins zu viel. Aber hier Schreckensbilder von Werten über 30 % an die Wand zu malen und damit weitere Ängste zu schüren: „Man nimmt uns jetzt noch mehr weg, weil noch Flüchtlingskinder dazukommen“, das ist dermaßen entfernt von der Realität, dass ich es einfach nicht fassen kann.

(Beifall SPD, CDU, DIE LINKE, B90/GRÜNE sowie BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Daher muss es unser Anliegen sein, keine Parallelgesellschaf ten zuzulassen, keine Stadtviertel wie in Paris und Brüssel, in die man keinen Fuß mehr setzen kann,

(Zurufe von der AfD)

keine „national befreiten Zonen“, in die ein Mensch mit roten Haaren keinen Fuß mehr setzen kann. Was wir nicht wollen, was wir nicht zulassen dürfen, sind Viertel, in denen sich Men schen grundsätzlich abgehängt fühlen. Wir brauchen die Soli darität aller, die auf den Sozialstaat angewiesen sind. Das ist die politische Herausforderung! - Vielen Dank.

(Beifall SPD, CDU, DIE LINKE, B90/GRÜNE sowie BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Vielen Dank. - Zum Schluss spricht noch einmal der Abgeord nete Ness für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Ich finde, diese Debatte hat etwas sehr Grundsätzliches klargemacht, nämlich welche Auseinandersetzungen wir in den nächsten Monaten und Jahren führen müssen. Da gibt es eine kleine radikale Min derheit, die sitzt da rechts außen,

(Lautes Lachen des Abgeordneten Dr. Gauland [AfD])

die die Sorgen, die es im Land gibt, aufzunehmen und zu ver stärken versucht. Sie versucht, daraus Ängste zu entwickeln, Hass reifen zu lassen, und sie versucht daraus politisches Kapi tal zu schlagen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Und es gibt die große Mehrheit der Demokraten in diesem Par lament.

(Zurufe von der AfD)

Die nehmen die Ängste und Sorgen auch wahr, ringen aber da rum, Lösungen zu finden.

(Zurufe von der AfD)

Die Mehrheit versucht, mit den Menschen darüber zu reden, wie wir Mitmenschlichkeit in diesem Land aufrechterhalten und unser Land durch die eintretenden Veränderungen stärken. Diesen Kampf - davon bin ich völlig überzeugt - wird die Seite der Demokraten gewinnen. Wir haben aus unserer Geschichte gelernt.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir werden Integrationsarbeit leisten, und sie wird uns gelin gen. Deshalb begrüße ich ausdrücklich die Initiative des Mini sterpräsidenten, das Bündnis für Brandenburg auf die Beine zu stellen. Wir haben gestern in der Runde der Vorsitzenden der demokratischen Fraktionen darüber geredet. Es gab große