Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

Jetzt zu sagen, wir warten wieder ein halbes Jahr, ist Unsinn. Ich muss ehrlich sagen: Ich habe um diesen Antrag gebeten. Soll ich Ihnen sagen, warum?

(Zurufe des Abgeordneten Schulze [BVB/FREIE WÄH LER Gruppe] sowie von der CDU)

Weil ich wusste, dass das Papier heute auf den Tisch kommt. Und weil ich wusste, sonst kommt alle Welt und fragt: Was ma chen wir denn jetzt?

(Frau von Halem [B90/GRÜNE]: Ja, was machen wir denn jetzt?)

Und weil genau wie Sie niemand Verständnis hat, wenn ich, nachdem ich ein paar Stunden vorher das Papier bekommen habe, keine Lust habe, nach wenigen Minuten zu sagen, wie das Konzept aussieht. Sie würden mir sofort den Vorwurf ma chen: Das hat er ohne den Runden Tisch und ohne den Wissen schaftlichen Beirat gemacht usw. - Genau diese Vorwürfe müsste ich mir anhören. Darum finde ich es gut, dass wir heute beschließen, dass wir im nächsten Jahr ein Konzept vorlegen - was nicht heißt, dass wir es nicht schon eher machen können - und das, was da herauskommt, in Ruhe mit dem Runden Tisch und dem Wissenschaftlichen Beirat diskutieren werden und nicht jetzt, weil Baaske gefragt wird, in die Kameras, Mikro fone und Kulis diktieren: Das und das müssten wir machen, und so und so machen wir es. - Natürlich haben wir Ideen und Vorstellungen. Ich finde es aber fair und richtig, das am Run den Tisch und im Beirat zu diskutieren.

(Zuruf der Abgeordneten von Halem [B90/GRÜNE])

Frau Dannenberg, ich wünschte mir auch, wir könnten noch mehr kleine Klassen machen. Glauben Sie mir: Die Kolle ginnen und Kollegen - und wir haben viel mehr Kollegen in unseren Klassen als manch andere Bundesländer; Frau von Halem hat dazu eine Anfrage gestellt - sind nicht heute Abend bei mir zu Hause und schmücken den Weihnachtsbaum. Son dern die Kolleginnen und Kollegen sind im Unterricht. Wir sind bei FLEX und dem gemeinsamen Unterricht sehr weit und haben mehr Ganztagsschulen als andere Länder.

Wenn ich kleinere Klassen haben will - wenn ein Drittel über 23 Schüler hatte, lagen zwei Drittel unter 23; das Vielfache von 23 sind 46 und 69 in einer Schule, wobei es immer Abwei chungen nach unten oder oben gibt -, brauche ich mehr Kolle ginnen und Kollegen. Fragen Sie einmal Ihren Kollegen Fi nanzminister - der ist gerade nicht da. Wenn Sie sich mit ihm geeinigt haben, geben Sie mir ein Zeichen; dann schreibe ich ihm einen Brief.

Ich kann keine kleineren Klassen einrichten, wenn ich die Kol leginnen und Kollegen dafür nicht habe. Aber ich finde, unsere Schulen sind gut ausgestattet. Selbst Schulen wie in Bad Lie benwerda, wo es einen Riesenärger um die Zusammenlegung der Klassen gab, haben inzwischen ihren Frieden gemacht. Denn wenn in einer Schulklasse einmal 25 oder 26 Kinder sind, heißt das keinesfalls, dass sie deswegen schlechter ausge stattet ist. Dann gibt es eben eine höhere Zuwendung in Form von Sonderpädagogen oder anderem; das wird natürlich ge währleistet. Auch Teilungsunterricht kann man anders machen, wenn man solche Schulen hat.

Frau von Halem, das Konzept wird sehr konkret sein und nicht nur Zahlen, Formen und Möglichkeiten enthalten. Wir müssen uns auch darüber unterhalten, wie wir es hinkriegen. Schauen Sie einmal nach: Wo kriegen wir noch Sonderpädagogen her? Dass wir im nächsten Jahr alle Schulen im PING-System oder in den Modellprojekten haben werden, können Sie vergessen. Wir suchen bundesweit händeringend Sonderpädagogen, ob wohl wir welche ausbilden. Wir werden keine ausreichende Anzahl bekommen. Auch da muss man sich über neue Kon zepte pädagogischer Art Gedanken machen. Das schüttelt nie mand aus dem Ärmel und schon gar nicht sofort für alle Schu len. Das preiswerte System ist immer das Förderschulsystem; aber damit werden wir nicht durchkommen und das wollen wir

auch nicht. Das heißt, wir brauchen ein System mit mehr Kol leginnen und Kollegen, insbesondere mit Sonderpädagogen oder anderweitig eingesetzten Pädagogen. Die werden wir, selbst wenn wir das Geld hätten, nicht aus dem Ärmel schüt teln können, sondern werden sie qualifizieren müssen, und das wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Wie gesagt: Ich habe keinen Bock, mich auf unseren Lorbeeren auszuruhen. Am Ende des Tages muss das alles auch funktio nieren und kann nicht einfach nur festgelegt und beschlossen werden, und dann wissen wir nicht, woher wir die Kolleginnen und Kollegen kriegen, die das machen. Das Konzept wird kon kret, und ich freue mich auf den Auftrag. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir danken Ihnen. - Wir sind am Ende der Aussprache ange langt und kommen zur Abstimmung. Wir stimmen zuerst über den Antrag der Fraktionen SPD und DIE LINKE in Drucksa che 6/3157 ab - Inklusion im Bildungssystem Brandenburg weiter kontinuierlich vorantreiben. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegen stimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich angenommen worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksa che 6/3200 - Endlich konkrete Schritte für mehr Inklusion! - Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Damit ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 17 und rufe Tagesordnungs punkt 18 auf:

Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen erhal ten

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 6/3162

Die Aussprache wir von der Abgeordneten Kircheis eröffnet. Sie spricht für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die einen nennen es Ausverkauf der öffentlichen Infrastruktur, die anderen sprechen von einem Rettungsprogramm für die unter ei ner Niedrigzinsphase leidenden Versicherungskonzerne. Eine Revolution für den Straßenbau nannte es der Bundesverkehrsmi nister. Wir in Brandenburg nennen es unausgegoren. Das Thema ist - ganz klar - die Idee unseres Bundesverkehrsministers, sämt liche Bundesfernstraßen in einer zentralen Gesellschaft zu bün deln und den Ländern ihre Zuständigkeit zu nehmen.

Der Bau und die Unterhaltung der Bundesautobahnen und der Bundesfernstraßen werden bisher vom Bund finanziert. Pla

nen, Bauen und Betreiben müssen sie die einzelnen Länder. Das ist - kurz gesagt - das bisherige System der Auftragsver waltung.

Klar ist auf jeden Fall: Mit unserer Verkehrsinfrastruktur muss etwas geschehen. Noch vor fünf Jahren war sie die weltbeste, aktuell liegt sie nur noch auf Rang 7. Um sie wieder nach vorn zu bringen, zu erhalten und auszubauen, brauchen wir nach Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln in den nächsten zehn Jahren die immense Summe von mindestens 120 Milliarden Euro.

Die Finanzierungslücke ist groß, so groß, dass sie in ihrer Dra matik den politisch Verantwortlichen offensichtlich schlaflose Nächte bereitet. Den Ausweg soll eine private Lösung brin gen - und viel, viel privates Kapital. Rasen für die Rente - so ließe sich kurz und knapp das Vorhaben der sogenannten Fratz scher-Kommission beschreiben. Wenn es nach dem Bundes wirtschaftsminister und der von ihm eingesetzten Experten kommission geht, dann sichern womöglich bald die Autofahrer die Altersvorsorge. Unsere Autobahnen würden zur maut pflichtigen Einnahmequelle für Kleinanleger, Finanzindustrie, Banken und Versicherungen.

Der gravierende Investitionsstau ist nicht aus dem Nichts ent standen, sondern der bisherige Sparkurs der Bundesregierung und frühere Steuersenkungen verursachten in der Vergangen heit Mindereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen von jährlich 45 Milliarden Euro, und diese sind zum großen Teil mitverantwortlich für die Investitionslücke. Das verheerende Ergebnis ist bekannt: Öffentliche Aufgaben wurden gekürzt, viele öffentliche Dienstleistungen sind dem Rotstift zum Opfer gefallen oder wurden privatisiert. Jetzt sollen ausgerechnet ei ne öffentlich-private Partnerschaft und ein privatrechtliches Unternehmen in Bundesbesitz, eine sogenannte Bundesfern straßengesellschaft, die Lösung sein?

Bevor die Fratzscher-Kommission einberufen wurde, haben Allianz, ERGO und andere Versicherungen in einer groß ange legten Werbekampagne alle Welt wissen lassen, dass sie drin gend nach Anlagemöglichkeiten suchen, die mehr abwerfen als normale Staatsanleihen, zum Beispiel die Infrastrukturfinan zierung, bei der sie gern mitmachen wollen, die aber für sie at traktiver gemacht werden müsse. Das hat der Bundeswirt schaftsminister sogar indirekt bestätigt. Zitat:

„Ich kann mir … gut vorstellen, dass wir Lebensversiche rungskonzernen attraktive Angebote machen, sich an der Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur zu beteiligen.“

Diese suchten angesichts des niedrigen Zinsniveaus Anlage möglichkeiten.

Die Experten der Kommission wollen vor allem Regeln lo ckern, damit große Versicherungskonzerne und Pensionsfonds beim Bau von Straßen, Brücken oder Verwaltungsgebäuden mitmachen können.

Glauben Sie mir, meine Damen und Herren, die machen nur mit, wenn sie etwas Ordentliches für ihr investiertes Geld ge boten bekommen.

Letztlich sollen also mit der Idee einer privatrechtlich organi sierten Bundesstraßen- bzw. Bundesautobahngesellschaft Ka

pitalanlagegesellschaften auf Kosten der Steuerzahler und Au tofahrer subventioniert werden.

Privaten Investoren Beteiligungsmöglichkeiten an einer ver selbstständigten Bundesfernstraßengesellschaft einzuräumen wäre ein fundamentaler Paradigmenwechsel, und im Ergebnis würde faktisch ein Teil der Straßeninfrastruktur privatisiert. Das wäre eine Privatisierung, deren Risiken und Nebenwir kungen heute nicht einmal ansatzweise durchdacht sind. An ders ausgedrückt: Zuerst wird mit der Euro-Rettungspolitik der Zins faktisch abgeschafft, anschließend binden wir uns selbst mit der Schuldenbremse, und jetzt sollen für Versicherungen und Kapitalsammelstellen auskömmliche Anlagemöglichkeiten zulasten des Steuerzahlers eröffnet werden.

Eine privatrechtlich organisierte Betreibergesellschaft in Bun desbesitz, die sich an der österreichischen ASFINAG orien tiert, hätte für unseren Finanzminister außerdem den großen Vorteil, dass er mit seiner schwarzen Null und der Einhaltung des Fiskalpaktes gut dastehen kann, ohne auf das Schuldenma chen verzichten zu müssen. Warum? Weil die Schulden, folgt man dem erwähnten österreichischen Vorbild, einfach so aus gelagert werden könnten.

Sieht so eine verantwortliche und der ökonomischen Vernunft verpflichtete Infrastrukturpolitik aus? Ich sage: Nein. Ich bin der Auffassung, dass wir nicht alles mitmachen müssen, was der Bund vorschlägt. Soweit die Fratzscher-Kommission auf das österreichische Modell verweist, greift der Verweis nur be dingt. Möglicherweise bringt eine solche haushaltsferne Infra strukturgesellschaft Nettovorteile, allerdings nur, wenn die An reiz- und Risikomechanismen in geeigneter Weise ausgeschal tet sind. Hier steckt der Teufel im Detail.

Hinzu kommt, dass öffentlich-private Partnerschaften, die ei gentlich billiger sein sollten als eine öffentliche Auftragsverga be und -abwicklung, in der Regel teurer werden. Als Beispiel nehmen wir die Autobahnen. Der Bundesrechnungshof hat sechs bereits realisierte Projekte untersucht und zieht ein ver nichtendes Fazit. Von wirtschaftlichen Vorteilen konnten die als konservativ geltenden Gutachter nicht berichten. Ein Zitat aus dem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages:

„Vielmehr haben Berechnungen des Bundesrechnungs hofs zu fünf der sechs bereits vergebenen ÖPP-Projekte ergeben, dass allein diese um insgesamt über 1,9 Milliar den Euro teurer sind, als es eine konventionelle Realisie rung gewesen wäre.“

Ich könnte hier auch das Beispiel der schier endlosen Ge schichte mit Toll Collect nehmen, wo man sich elf Jahre nach der ursprünglich vorgesehenen Inbetriebnahme

(Genilke [CDU]: Das hat Herr Stolpe gemacht!)

noch immer um die Milliarden wegen der eingetretenen Verzö gerung streitet.

Aus diesem Grund finden wir von der SPD in Brandenburg es eher angebracht, das bestehende, sehr gut funktionierende Sys tem der Auftragsverwaltung zu erhalten und vielleicht zuerst einmal in geeigneter Weise zu verändern und nicht einfach ab zuschaffen.

(Einzelbeifall SPD)

Auch die Verkehrsministerkonferenz hat festgelegt:

„Die Auftragsverwaltung hat sich bewährt. Die Verkehrs ministerkonferenz weist darauf hin, dass die gegebenen Möglichkeiten zur Optimierung der bestehenden Auf tragsverwaltung, vor allem zur Verbesserung der vorhan denen Abläufe im Hinblick auf Kosten- und Termintreue, Effizienz und Transparenz, genutzt werden müssen.“

Und weiter:

„Die Verkehrsministerkonferenz rät von vorschnellen Entscheidungen ab. Mögliche Veränderungen des bishe rigen Systems der Auftragsverwaltung müssen fundiert und in enger Zusammenarbeit mit den Ländern unter sucht und bewertet werden.“

Die bestehenden Synergieeffekte und Effizienzvorteile durch gemeinsame Straßenbauverwaltungen und Ortskenntnisse und eingespielte Verfahren in den Ländern würden sonst verloren gehen.

Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks hat bei der Gründung einer privaten Betreibergesellschaft für Fern straßen bzw. Autobahnen und dem Ausbau von PPP Bauch schmerzen.

„Solche Modelle verdrängen den Mittelstand aus dem öf fentlichen Bauen. Im Ergebnis führen sie neben langfri stig steigenden Preisen und dem Verlust von Know-how und regionaler Wertschöpfungen zur Gefährdung von Ar beits- und Ausbildungsplätzen vor Ort.“

Voreilige Entscheidungen sind also nicht angebracht. Es ist vielmehr in Zusammenarbeit mit den Ländern über Lösungen nachzudenken.