Zum Antrag: Die rot-rote Landesregierung will die im Raum stehende Idee einer Infrastrukturgesellschaft des Bundes ableh nen. Das Argument lautet - sehr komprimiert -: Das Alte hat sich bewährt, weiter wie bisher! - Warum dann kein sofortiger, vehementer Widerspruch auf der Landesverkehrsministerkon ferenz erfolgte, wird ein Geheimnis der Frau Ministerin blei ben.
„Ein Grund für die Leistungsfähigkeit Deutschlands ist die föderale Struktur unseres Landes... Eine Abkehr von diesem Prinzip braucht gute Argumente... “
Das stimmt, auch wir befürworten die föderale Struktur, wie sie festgeschrieben ist. Aber es gilt eben auch der Grundsatz: Das Schema tötet den Geist.
Die rot-rote Landesregierung möchte offensichtlich über dieses Thema nicht zu intensiv reden. Ich muss sagen: Ich fand die Ausführungen der Kollegin Kircheis nicht so erhellend, im Ge gensatz zu den Ausführungen der Kollegin Tack, die ganz klare Argumente aufgezeigt hat. Trotzdem denke ich, dass dieses Thema nicht dazu angetan ist, es im Antrag in dieser Form, auf einer DIN-A4-Seite, mal eben so abzuhandeln. Dazu ist es zu bedeutsam.
Fakt ist: Es gibt erhebliche föderale Hemmnisse in der Organi sationsstruktur der Bundesfernstraßen. Die Auftragsverwal tung durch die Länder wird mit signifikanten Unterschieden in der Ausstattung und vor allem auch in der Leistungsfähigkeit wahrgenommen. Eine Bündelung der Strukturen könnte - nach sorgsamer Prüfung - sehr wohl eine bessere Qualität von Auto bahnen und Bundesstraßen bewirken. Die Komplexität der Bauprojekte und der steigende Verwaltungsaufwand ermögli chen bei einer zentralen Aufhängung möglicherweise auch sehr wohl effizientere Bearbeitung.
Was sind etwaige Probleme? Das sind Abspracheprobleme an den Verantwortungsgrenzen zwischen Bund und Land, die - zumindest gefühlte - Überschreitung der Länderkompetenz und der Einfluss auf die lokalen Bundesfernstraßen. Eine klei ne Nebenrolle spielen Aspekte wie der Wegfall von Planstellen in den Landesämtern, um nur einige Punkte zu nennen.
Dieses Thema gehört aus unserer Sicht intensiver behandelt. Ich sehe keinen Grund, warum die Landesregierung Befürch tungen hat, solche Themen im Ausschuss zu behandeln. Viel leicht erhoffen Sie sich da einen Informationsvorsprung und gleichzeitig, dass sich die Oppositionsparteien so langsam in der Lebkuchenlähmung der Weihnachtszeit befinden - das wer den wir ab Januar wieder geändert haben.
Wir denken: Dieser Antrag sollte in dieser Form verworfen werden, nicht nur, weil er als nicht sachgerecht erscheint - es bleibt eben zu diskutieren -, sondern dem demokratischen Mei nungsbildungsprozess angesichts dieser Bedeutung nicht ge recht wird. Ich bin der Überzeugung: Wir sollten gemeinsam
darüber sprechen, Vor- und Nachteile genau abwägen, die lang fristigen Auswirkungen beurteilen und dann eine gemeinsame Entscheidung treffen - nach dem Motto: ansprechen, beurtei len, folgern.
Wir sind keine Apologeten des Privatisierungsfetischismus. Das Argument der Kollegin Tack, dass solche Aspekte der Da seinsvorsorge in die öffentliche Hand gehören, können wir in vielen Fällen durchaus nachvollziehen. Wir werden den Antrag in dieser Form ablehnen. Wir denken, dass die Form des An trags nicht der Bedeutung des Problems gerecht wird, und be antragen die Überweisung an den Ausschuss. - Vielen Dank.
Danke. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Jungclaus für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nahezu al le Verkehrsexperten in den Bundesländern - natürlich ausge nommen die der Union - betrachten das Vorhaben der Bundes regierung, eine Bundesfernstraßengesellschaft zu gründen, mit einem mehr oder weniger großen Maß an Skepsis. Eine Bun desfernstraßengesellschaft würde ÖPP-Projekte zum Nachteil der Steuerzahler begünstigen - da bin ich durchaus bei der Kol legin Tack -, könnte zu ineffizienten Doppelstrukturen führen und vermutlich die Bürgerbeteiligung verschlechtern; so die nahezu einhellige Meinung.
Ein nachvollziehbarer Schritt war daher die Schaffung der Kommission „Bau und Unterhaltung des Verkehrsnetzes“ im Juli dieses Jahres. Diese wird bis Februar 2016 verschiedene Szenarien analysieren und bewerten und das Ergebnis auf der Verkehrsministerkonferenz Ende Februar vorstellen. Bis dahin soll der Bund sein Konzept für eine Bundesfernstraßengesell schaft ruhen lassen.
Grundsätzlich begrüßen wir den Ansatz des vorliegenden An trags, sich mit dem Thema auch hier im Landtag kritisch aus einanderzusetzen, da er ein für Brandenburg nicht unwesent liches Thema auf die Tagesordnung setzt. Nicht nachvollziehen können wir allerdings, dass der Antrag nicht in den Infrastruk turausschuss zur weiteren Beratung überwiesen werden soll, zumal hier überhaupt keine Eile geboten ist: Vor Februar 2016 wird der Endbericht der Kommission nicht vorliegen; klar ist auch, dass für eine Änderung der Bundesauftragsverwaltung im Fernstraßenbau eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat not wendig ist. Schließlich sieht selbst die Länderkammer in dieser Legislaturperiode keinen Entscheidungsbedarf. Daher hätten wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, ausreichend Zeit und Ge legenheit, über dieses Thema im Ausschuss in Ruhe zu spre chen und entsprechende Sachverständige anzuhören.
Das Straßennetz in Brandenburg umfasst etwa 12 200 Kilome ter, davon ca. 800 Kilometer Autobahn und 2 700 Kilometer Bundesstraßen. Dieses Fernstraßennetz muss ebenso wie die Landesstraßen stets erhalten und Engpässe müssen nach Be darf beseitigt werden. Die Straßenbaukompetenz liegt bei den Ländern. Dabei kommt es aber auch in Brandenburg immer
wieder zu erheblichen Kostenexplosionen. Allein in den ver gangenen zehn Jahren waren die gebauten Bundesstraßen und Autobahnen in Brandenburg im Schnitt um 73 % teurer als geplant. Hier entstanden immerhin Mehrkosten von über 500 Millionen Euro. Die Landesregierung hat die Kosten für den Bau von Autobahnen und Bundesstraßen - bewusst oder unbewusst - viel zu niedrig angesetzt, oder sie hat ihre Auf sichtspflicht bei der Kostenkontrolle vernachlässigt. Zu erwäh nen ist in diesem Zusammenhang ein Bericht des Landesrech nungshofs zum Landesbetrieb für Straßenwesen, in dem er feststellt:
„Bisher stützte sich das Ministerium bei seiner mittelfristigen Planung auf ein vom Landesbetrieb Straßenwesen Brandenburg erstelltes und jährlich fortgeschriebenes Projektprogramm. Diesem fehlte es aber insbesondere an einer Dringlichkeitsbewertung der vorgesehenen Straßen baumaßnahmen.“
Ebenfalls problematisch bei den vielschichtigen Aufgaben - Fi nanzierung, Planung, Bau, Unterhalt und Betrieb - ist die Zu ständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern. Wir kön nen also nicht so tun, als ob es hier im Land Brandenburg keine Probleme im Straßenbau gäbe. Die Weiterentwicklung der Auftragsverwaltung oder eine Kombination aus Auftragsver waltung und einer zentralen Finanzierungsgesellschaft könnten dabei zu diskutierende Varianten sein, wie diese Probleme be hoben werden können.
Ich glaube, niemandem ist damit geholfen, wenn von vornhe rein bestimmte Vorschläge ausgeschlossen werden. Eine Anhö rung im zuständigen Ausschuss wäre auch angesichts der Tat sache, dass derzeit in Brandenburg ca. 600 Kilometer Bunde straßen einen mittel- und langfristigen Sanierungsbedarf auf weisen, mehr als hilfreich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und DIE LINKE, ich habe das starke Gefühl, dass Sie sich bei diesem Thema ziemlich treiben lassen. Wir haben vermutlich alle - jedenfalls die verkehrspolitischen Sprecher - in den vergangenen Wochen Dutzende von Briefen und E-Mails von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesbetriebs für Straßenwesen erhalten, in denen wir dazu aufgefordert werden, uns für den Erhalt der Auftragsverwaltung und gegen die Bundesfernstraßengesell schaft auszusprechen. Ich würde mir trotzdem wünschen, dass Sie der Versuchung widerstehen, hier mit einem Schaufens terantrag ohne fachliche Auseinandersetzung eine Position festzuzurren,
zumal Sie selber in der Begründung Ihres Antrags schreiben: „Eine Abkehr von diesem Prinzip braucht gute Argumente... “ Nur hören wollen Sie diese Argumente anscheinend nicht.
Lassen Sie sich also nicht treiben, sondern geben Sie uns die Zeit, dieses Thema gemeinsam mit Expertinnen und Experten im Fachausschuss zu diskutieren, und stimmen Sie der Über weisung zu. An dieser Stelle auch von mir: Ein frohes Fest und ein gesundes neues Jahr! - Danke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Genilke, ich habe heute noch etwas gelernt: Ich wusste bisher nicht, dass die brandenburgische CDU so ve hement eine Bundesfernstraßengesellschaft will.
Wir wollen die nicht. Warum wollen wir sie nicht? Weil wir keine Zustände haben wollen, wie wir sie im Schienennetz und bei den Wasserstraßen haben.
Wenn wir uns das ansehen, fragen wir uns: Gibt es dort einen akzeptablen Zustand? Gibt es Effizienz? Gibt es Transparenz oder etwa Termintreue? - In vielen Fällen Fehlanzeige.
Wir haben vorhin mit Vertretern der Wirtschaft zusammenge sessen und überlegt, wie wir im Bereich Wasserstraße die Blo ckade des Bundes, hier in Brandenburg zu investieren, aufbre chen. Wir möchten nicht, dass uns das im Bereich der Bundes fernstraßen auch noch passiert.
Herr Jungclaus, die Union ist bei den Verkehrsexperten dabei. Wir haben einen 16:0-Beschluss in der Verkehrsministerkonfe renz. Und wenn ich mich recht entsinne, waren die Bayern die Ersten, die einen dem vorliegenden Antrag ähnlichen Be schluss gefasst haben.
Wir haben kein Finanzierungsproblem, wir haben allerhöchstens ein Refinanzierungsproblem. Das wird eine Bundesfern straßengesellschaft nicht ändern. Wir sind offen für organisato rische Verbesserungen, wenn sie insgesamt für das System, für die verkehrs- und strukturpolitischen Ziele des Landes Vorteile bringen. Das ist auch ein wichtiger Punkt im Beschluss der Verkehrsministerkonferenz vom Oktober 2015. Die Länder sind zum Beispiel schon lange der Meinung, dass der Bund viel zu wenig Planungskosten refinanziert, weil auch diese Kosten in den vergangenen Jahren ständig gestiegen sind. Wir wer den gerne mit dem Bund ins Gespräch kommen, damit sich das ändert, um effizienter zu werden.
Im Übrigen hat der Bund ein Gutachten zur Verbesserung der Effizienz der Bundesauftragsverwaltung in Auftrag gegeben. Die Arbeit an diesem Gutachten geht aber leider nur langsam voran.
Die Länder haben die Bodewig-II-Kommission eingesetzt und wollen mit dem Bund über Effizienzverbesserung reden. Der Bericht soll im ersten Quartal nächsten Jahres vorliegen. Er soll den Schwerpunkt allerdings auf die Verbesserung der ge genwärtigen Abläufe legen. Die Länder lehnen Schnellschüsse ab. Der Antrag unterstützt diesen Weg, das kann ich nur gut finden. Ich empfehle Ihnen die Zustimmung zu diesem An trag.
Wir stimmen zunächst über den Überweisungsantrag ab, und zwar haben die Fraktionen der CDU und der AfD die Überwei sung des Antrags in der Drucksache 6/3162 an den Ausschuss für Infrastruktur und Landesplanung beantragt. Wer diesem Überweisungsantrag der Fraktionen der CDU und der AfD sei ne Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ge genstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Überweisungsan trag abgelehnt worden.
Wir kommen zur direkten Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 6/3162 der Fraktionen der SPD und DIE LINKE „Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen erhalten“. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist diesem Antrag gefolgt worden.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch eine Einladung aussprechen: Zwischen dem Ende des letzten Plen artages und dem Parlamentarischen Abend von Rolls-Royce wird eine parlamentarische Preisverleihung stattfinden. Ich denke, mit einem Lächeln werden sich die meisten von Ihnen noch an die letzte Preisverleihung erinnern, „Die goldene Pla nierraupe“. Heute sind wir eingeladen, unter der Rubrik „Un term weißen Adler“ - vor dem Parlamentarischen Abend von Rolls-Royce - die Revanche zu erleben. Ich lade Sie also alle herzlich ein, daran teilzunehmen, und bitte Sie, auch danach noch zu bleiben: Rolls-Royce hat zu einem sehr netten Parla mentarischen Abend eingeladen.
Ich wünsche Ihnen eine schöne, ruhige, besinnliche Weih nachtszeit, einen guten Start ins neue Jahr. Und bleiben Sie alle schön gesund!