Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne! Ein altes polnisches Sprichwort besagt: Eine Kuh, die viel muht, gibt wenig Milch. - Ich finde, dieser Spruch passt sehr gut zur derzeitigen Haltung Deutschlands gegenüber unseren polnischen Nachbarn.
reden viel über gemeinsame europäische Werte und Interes sen - wie in diesem Wohlfühlantrag der Linken und der SPD. Die Deutschen erwecken den Anschein, einen Diskurs über Europa und seine Werteordnung führen zu wollen. Wenn man dann aber Dinge hinterfragt und tiefer bohrt, wie die Polen oder andere osteuropäische Nachbarn es tun, kommt nur we nig. Die deutsche Europakuh muht viel, gibt aber wenig Milch.
Anders in Polen: Unsere Nachbarn wollen über Europa und un sere gemeinsame Werteordnung reden. Sie wollen aber die ein gefahrenen Wege des europäischen Wertediskurses verlassen. Ich darf dazu den bekannten bulgarischen Philosophen Iwan Krastew zitieren:
„Die Polen sehen sich nicht mehr deshalb als Europäer, weil sie den Westen imitieren, sondern weil sie für etwas stehen, was sie für die wahren europäischen Werte halten.“
Denn sie glauben, nur sie dürften bestimmen, was die europä ische Werte-, Rechts- und Interessengemeinschaft ausmacht. Genau diese arrogante und selbstherrliche Haltung bezeichnet Iwan Krastew als „Tugendhochmut“ der Deutschen. Was wir derzeit gegenüber Polen erleben, ist nichts anderes als antide mokratischer Tugendhochmut.
Nein. - Die etablierten deutschen Politikeliten halten es nicht aus, dass die Menschen in Polen mit großer Mehrheit eine Re gierung gewählt haben,
Früher sind die Deutschen mit Panzern in Polen einmarschiert, heute machen es die deutschen Eliten anders:
Sie schwingen die Wertekeule. Wer sich ihrem Werteverständ nis nicht unterordnet, wird niedergemacht und bedroht.
Meine Damen und Herren, wir werden uns zu diesem Antrag enthalten. Wir werden nicht gegen ihn stimmen, weil das ein falsches Zeichen an die vielen Menschen an der Basis wäre.
Sehr viele Brandenburger leben Tag für Tag die deutsch-pol nische Freundschaft: Sie engagieren sich in vielen grenzüber schreitenden Projekten - viele davon haben Sie in Ihrem Antrag erwähnt. Ich selbst bin mit einer Polin verheiratet und küm mere mich sehr aktiv um die deutsch-polnische Zusammenar beit.
Wir werden dem Antrag aber auch nicht zustimmen; denn er strotzt vor deutscher Selbstherrlichkeit und Selbstgefälligkeit.
Der Antrag ist ein Beispiel für den deutschen antidemokra tischen Tugendhochmut. Bedenken Sie, liebe Kollegen von SPD und der Linken: Hochmut kommt vor dem Fall.
Der am 17.06.1991 unterzeichnete Vertrag zwischen der Bun desrepublik Deutschland und der Republik Polen hat dazu bei getragen, die Spaltung und Feindschaft zwischen den beiden Ländern zu überwinden. Dieser Vertrag über gute Nachbar schaft und freundliche Zusammenarbeit ist bis heute die Grundlage des intensiven politischen Dialogs und der vielfäl tigen gesellschaftlichen Kooperationen.
Insbesondere für Brandenburg hat der Prozess der Aussöhnung und Annäherung in den vergangenen Jahren die politische, wirt schaftliche und gesellschaftliche Zusammenarbeit verfestigt und intensiviert. So gibt es zum Beispiel derzeit 261 brandenbur gisch-polnische Schulkooperationen und mehr als 80 kommu nale Partnerschaften. Einige bestehen schon seit den 70er-Jah ren - dafür ein großes Dankeschön an alle beteiligten Akteure!
All dies dürfen wir jedoch nicht als selbstverständlich ansehen, sondern müssen auch zukünftig dafür sorgen, dass wir gemein sam die europäischen Werte bewahren und stärken. Viele der im Antrag von SPD und der Linken aufgeführten Punkte wie die wirtschaftliche Zusammenarbeit, die gemeinsame Verbrau cherberatung, die polizeiliche Kooperation und der Jugendaus tausch sind bereits heute etablierte Bausteine der guten nach barschaftlichen Zusammenarbeit. Diese Erfolgsgeschichte müssen wir in den kommenden Jahren fortschreiben und an man chen Stellen gegebenenfalls nachsteuern: Genannt seien hier unter anderem der Energiepolitische Dialog, die Bereiche Landwirtschaft und Umweltschutz sowie der grenzüberschrei tende Nah- und Fernverkehr.
Trotz Positivbeispielen wie dem Kulturzug Berlin-Wrocław oder der Direktverbindung von Zielona Góra über Frankfurt nach Berlin kommt der Ausbau der Bahnverbindungen zwi schen Deutschland und Polen nur zögerlich voran. Wir brau chen daher endlich ein Gesamtkonzept für den grenzüber schreitenden Bahnverkehr.
Es ist bedauerlich, dass diesen Bahnverbindungen im Bundes verkehrswegeplan keine besondere Bedeutung beigemessen wird. Weder die Strecke Berlin - Stettin noch die Strecke Ber lin - Wrocław sind in die Kategorie „vordinglicher Bedarf“ ein gestuft. Die sogenannte Ostbahn fehlt gänzlich. Da sehen wir dringenden Handlungsbedarf. Und - wie im Zusammenhang mit Bahnverkehr auch heute Vormittag mehrfach gesagt wur de - nur an den Bund und die Deutsche Bahn zu appellieren reicht hier nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Dass wir Bündnisgrüne die Energiepolitik Polens kritisch be trachten und hinterfragen, ist sicherlich keine Überraschung. Wir haben hier lange für den Ausstieg aus der Atomenergie ge kämpft und setzen uns nach wie vor dafür ein, die Kohle verstromung zeitnah auslaufen zu lassen. Die geplanten Atom kraftwerke und der Ausbau der Kohle in Polen sind für die eu ropäische Klimapolitik und die Energiewende kontraproduktiv.
Wir erwarten von unserer Landesregierung und vor allem vom Koordinator für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, Diet mar Woidke, einen Energiepolitischen Dialog, der auf eine Re duzierung der Kohleverstromung,
keine neuen Atomkraftwerke und die Förderung von erneuer baren Energien abzielt. Dafür muss Brandenburg bei der Kohle natürlich mit gutem Beispiel vorangehen.