Protokoll der Sitzung vom 08.06.2016

(Zurufe von der SPD, CDU, der Fraktion DIE LINKE und AfD)

Ich denke, Frau Nonnemacher muss man davon ausklammern - vielen Dank für den rationalen und sachlichen Umgriff. Ich denke, die Menschen in diesem Lande wissen, was los ist, und ihnen kann man keinen Sand in die Augen streuen; auch die Kollegen bei der Polizei wissen dies. Ich bin sicher nicht der Einzige, dem es so geht, Ihnen wird es ähnlich gehen: Wenn Kolleginnen und Kollegen kommen und erzählen, wie die Wirklichkeit ist, merkt man, dass Theorie und Praxis häufig nicht zueinander passen; es ist eben alles auf Kante genäht.

Herr Lakenmacher, Sie sagen, es gehe um Hab und Gut. Meine Erfahrungen sind ein wenig anders als Ihre. Die Leute haben zwar Angst um Hab und Gut, aber wichtiger ist Ihnen die Frage der Gesundheit und Unversehrtheit. Wenn Sie durchs Land ge hen und mit den Leuten reden, dann ist es manchmal sehr be ängstigend, was Sie von Familien mit Kindern, insbesondere mit Mädchen, zu hören bekommen. Da werden Kinder bei nur 1 km Schulweg zur Schule gefahren, weil die Leute Angst ha ben, ihre Kinder diese Strecke laufen zu lassen. Da kann es einem schon eiskalt über den Rücken laufen, denn das Ent scheidende, worum es geht, ist, dass den Menschen das Sicher heitsgefühl abhanden gekommen ist. Das ist das eigentlich Dramatische - das Vertrauen, dass der Staat die Rahmenbedin gungen so setzt, dass Familien in Ruhe leben können, ist er schüttert.

Meine Damen und Herren, dass es heute so ist, wie es ist, ist auch kein Wunder: Die Polizeireform 2010 hat dies herbeige führt. Diese Polizeireform hat auch drei Namen - sie heißen Herr Speer, Herr Woidke und Herr Holzschuher, Sie können sich also nicht herausreden.

Man muss eines zugeben: Herr Innenminister Schröter ver sucht, die größten Probleme zu beseitigen, allerdings ist es so: Wenn man einen Scherbenhaufen zusammenkehrt, bleibt es trotzdem ein Scherbenhaufen.

Meine Damen und Herren, im Randgebiet von Berlin häufen sich Wohnungseinbrüche und viele andere Straftaten. Der Hö hepunkt bzw. die Krönung des Ganzen war in meiner Region

der Versuch, die Polizeiwache Zossen zu schließen. Wir hatten das vor einem Jahr hier diskutiert. Rot-Rot hat damals gesagt, dass sie dem Antrag nicht zustimmen, und im März dieses Jah res sickerte dann allmählich durch, dass die Polizeiwache all mählich ausgehöhlt werden soll und es nur eine Frage der Zeit sei, wann sie geschlossen werde. Daraufhin gab es das Engage ment der Bürgerinnen und Bürger, die sich wirklich in breiter Bewegung erhoben haben, es gab eine Welle der Empörung, und dann musste die Regierung einen Rückzieher machen. Herr Stohn, da können Sie jetzt Ihre Stirn krausziehen, das ist einfach die Lebenswirklichkeit. Dass Sie nicht aus Zossen kommen und dort nicht Bescheid wissen, sei Ihnen zugestan den, aber in Jüterbog sieht die Situation nicht viel besser aus.

(Zuruf des Abgeordneten Stohn [SPD])

Herr Dr. Scharfenberg, wenn Sie hier angeben, dass die Anzahl der registrierten Straftaten deutlich gesunken sei, dann sage ich Ihnen einmal, was meine Lebenserfahrung ist. Mir sagen viele Bürger: Ich erstatte keine Anzeige mehr, es lohnt sich ja eh nicht; man bekommt nach vier Wochen die Mitteilung, dass die Untersuchungen eingestellt wurden und ein Täter nicht ermit telt werden konnte.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe sowie vereinzelt AfD und CDU - Frau Schade [AfD]: Genau so sieht es aus!)

Genau das ist der Grund, warum die Leute sagen, dass sich ei ne Anzeige nicht mehr lohnt. Die Leute wollen auch das Ange bot der Internetwache nicht wahrnehmen, weil sie möchten, dass sich ein Polizist die Sache vor Ort anschaut und die Spu ren sichert. Frau Nonnemacher hat es schon ausgeführt: Wel chen Sinn macht es, Anzeige zu erstatten, wenn niemand kommt, um die Spuren zu sichern? Ich könnte dazu aus eigener Erfahrung eine nette Geschichte erzählen, aber dafür reicht meine Redezeit hier nicht aus.

Jedenfalls bekommt man nach vier oder acht Wochen die Mit teilung, dass kein Täter ermittelt werden konnte. Da fragt man sich: Wie denn auch? Es war ja kein Polizist da, der Spuren gesichert hat - dann kann man natürlich auch nichts finden.

Meine Damen und Herren, ich warte einfach einmal ab, was die Bemühungen von Innenminister Schröter bringen. Ich denke, wir können alle nur hoffen, dass er sich in der Regie rung durchsetzt. Ich möchte auf Rabulistik im Hinblick auf die Zahlen verzichten - am Ende gilt: Es muss funktionieren. Der zeit funktioniert es nicht. Es reicht vorne und hinten nicht. Wenn Herr Dr. Scharfenberg einräumt, dass es schon schwierig sei, die 124 Streifenwagen auf die Straße zu bringen, dann kann ich wirklich nur sagen: Das ist mehr als ein Armutszeug nis in einem Flächenland wie Brandenburg!

(Vereinzelt Beifall CDU)

Da muss man sich ein bisschen mehr Mühe geben und entspre chende Prioritäten setzen.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Witzig fand ich heute - Frau Tack ist leider nicht mehr anwe send -, dass Frau Tack heute früh beim Thema Mobilität und bei der Diskussion um die Schließung der Güterverladestellen

sagte, die Bahn habe ja ein Problem, sie habe sich Stuttgart 21 auf den Hals geladen. Deshalb könne sie sich jetzt diese Güter verteilzentren oder -verladestellen nicht mehr leisten. Da dach te ich: Hm, sehr lustig, mit dem Finger auf andere zu zeigen! Brandenburg hat sich den Flughafen BER an den Hals geholt und kann jetzt die Polizisten nicht mehr bezahlen. Das ist das Gleiche.

(Beifall AfD - Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Dazu muss ich sagen: Wer mit einem Finger auf andere zeigt, der muss darauf achten, dass nicht drei Finger auf ihn zurück zeigen.

Meine Damen und Herren, wir werden den Antrag der CDUFraktion unterstützen. Was wir uns aber eigentlich erhoffen, wäre eine umfassende Regierungserklärung des Ministerpräsi denten oder des Innenministers zur Lage in Brandenburg und dazu, wie Sie die Situation in den Griff bekommen wollen. Das wäre angemessen. Der Antrag der CDU-Fraktion ist nur ein hilfloser Versuch der Opposition, die Regierung dazu zu zwin gen. - Vielen Dank.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe und AfD)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Schröter.

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Gestatten Sie, dass ich zunächst, auch wenn es hier schon mehrfach anklang, den Dank an unsere Po lizei ausspreche.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Sie hat tagtäglich schwere Aufgaben zu bewältigen und tut das mit hoher Professionalität und großem Engagement.

Herr Schulze, Sie haben Recht: Die Menschen im Land wissen, was los ist.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Zu diesen Menschen zählen wir alle, und auch wir wissen, was los ist. Auch wir, Herr Schulze, haben gelegentlich Sorgen. Deshalb nehmen wir die Sorgen der Menschen sehr ernst. Das ist keine Worthülse. Ich komme darauf zurück.

Wenn man sich den vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion anschaut, dann stellt man fest, dass er an vielen Stellen Dinge der Evaluierung aufgreift, denen selbstverständlich auch ich zustimme, und in einigen Teilen darüber hinausgeht. Dies ist überhaupt nicht zu kritisieren. Ganz im Gegenteil, es ist schön, wenn man sieht, dass man in vielen Fällen die gleiche Wahr nehmung hat.

Meine Damen und Herren, wir nehmen die Sorgen der Men schen sehr ernst. Deshalb hat diese Regierung, haben Sie, die die Regierung tragenden Fraktionen, den Polizeiabbau schon im vergangenen Jahr gestoppt. Gegenwärtig haben wir

8 113 Polizeistellen. Weil wir die Sorgen der Menschen auch zukünftig sehr ernst nehmen, werden in den gegenwärtigen Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2017/2018 diese Stellen nicht weiter abgebaut, sondern gehen Sie bitte davon aus, dass wir die Stellenanzahl in der Polizei erhöhen werden.

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, wir nehmen die Sorgen der Men schen sehr ernst. Deshalb hat sich der Einstellungskorridor an unserer Polizeifachhochschule schon im vergangenen Jahr auf 300 erhöht, und er erhöht sich weiter, in diesem Jahr auf 350 Anwärterinnen und Anwärter.

Weil wir, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Uni on, die Sorgen der Menschen sehr ernst nehmen, habe ich ver fügt, dass es keine Schließung von Revieren geben wird. Selbst jene Reviere wie Zossen, die mit Ministererlass, im Übrigen von Minister Schönbohm, geschlossen werden sollten, werden an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden geöffnet bleiben, und zwar nicht nur als Feigenblatt.

(Beifall SPD)

So viel zu Worthülsen und so viel zu Fakten und Zahlen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sehr gerne.

Bitte, Herr Schulze.

Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, dass Sie den Einstel lungskorridor an der Polizeihochschule erhöht haben. Sie ha ben von 350 Stellen in diesem Jahr gesprochen. Ich möchte fragen: Wie viele haben angefangen, und wie viele haben die Ausbildung in den Vorjahren auch tatsächlich beendet?

Ich kann die Zahl derer, die wir für die erste Tranche einstellen konnten, nicht exakt sagen. Es waren 175 Einstellungen vorge sehen. Es gab etwa in der Stärke einer Klasse nicht ausreichend geeignete Bewerberinnen und Bewerber, sodass etwa 25 der angebotenen Plätze nicht besetzt werden konnten. Das ist aber nicht so problematisch, weil die Herbsttranche in der Regel diejenige ist, die sich leichter finden lässt, weil der Abschluss der Schulausbildung unmittelbar davor stattgefunden hat, so dass wir guter Dinge sind, die 350 angebotenen Ausbildungs plätze vollständig vergeben zu können.

In keinem Jahrgang wird erreicht, dass die volle Anzahl derer, die die Ausbildung begonnen haben, zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden. Durchschnittlich gehen wir davon aus, dass 5 bis 10 % derer, die die Ausbildung begonnen haben, sie nicht erfolgreich abschließen. Die genaue Zahl, Herr Schul

ze, reiche ich Ihnen gerne nach. Dann können wir auch einmal schauen, wie die Abbruchzahlen in der Vergangenheit waren.

Der Antrag der CDU geht auf die Bekämpfung des Wohnungs einbruchsdiebstahls ein. Es ist richtig, die Fallzahlen steigen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass dies kein Branden burger, sondern ein bundesweites Phänomen ist. Ich teile im Übrigen die Einschätzung der Herren de Maizière und Bouil lon, dass sehr häufig diese Erhöhung im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität, und zwar aus dem ost- bzw. südost europäischen Raum, steht. Ich teile auch die Einschätzung der Herren, wie man diesem Phänomen begegnen muss:

Erstens: durch noch bessere Zusammenarbeit der Polizei, ver besserte Auswertung, mehr Prävention. Auf diesen Feldern tut unsere Polizei bereits sehr viel. Berlin und Brandenburg arbei ten seit Jahren bei der Aufklärung von Wohnungseinbrüchen im Grenzbereich zwischen Berlin und Brandenburg sehr eng zusammen. Hier gibt es eine erfolgreiche Ermittlungsgruppe. Allerdings haben wir hier einen Kampf gegen eine Hydra zu verzeichnen. Ist eine Gruppe gefasst und entsprechend inhaf tiert, kommt in der Regel sehr schnell eine neue Gruppe in die ses Gebiet.

Zweitens: durch die Zusammenarbeit mit der Republik Polen. Auch hier haben wir sehr stark verbesserte Voraussetzungen. Ich erwähne nur die gemeinsame Ermittlungsgruppe, die sehr erfolgreich bei der Bekämpfung der Grenzkriminalität aktiv ist, allerdings immer nur in einer anlassbezogenen Zusammen arbeit. Hier wäre es schön, wenn wir eine grundsätzliche Zu sammenarbeit organisieren könnten.

Darüber hinaus, meine sehr verehrten Damen und Herren, ha ben die Polizeidirektionen mit der Aufstellung spezialisierter Ermittlungsgruppen auf die neuen Herausforderungen reagiert. Mindestens so wichtig wie die Reaktion ist aber die Präventi on. Hier, meine Damen und Herren, haben wir in Brandenburg ganz offensichtlich noch Nachholbedarf. Denn die Anzahl der nichtvollendeten Einbrüche ist in Brandenburg geringer als im Bundesdurchschnitt. Deshalb halte ich es für gut und richtig, dass die Große Koalition in Berlin eine Förderung von Nachrüstungsmaßnahmen für Wohnungen und Häuser beschlossen hat. Dies wird sicherlich dazu beitragen, den Einbruchsdieb stahl zu erschweren.

Meine Damen und Herren, gestern stand im „Tagesspiegel“ ein Kommentar, der zu diesem Thema ausgesprochen gut passt. Deshalb möchte ich Ihnen vortragen, was Frank Jansen zu die sem Thema schreibt:

„Nötig ist aber auch, das Sicherheitsbewusstsein in Deutschland selbst weiter zu steigern. Da tut sich ja auch was. Kaum jemand protestiert noch dagegen, dass die Poli zei personell verstärkt wird, auch und vor allem wegen der hohen Anschlaggefahr. Selbst die Grünen fordern inzwi schen mehr Beamte zur Bekämpfung von Terror und unpo litischer Kriminalität. Solche Einsicht ist gerade in diesen Zeiten auch dringend nötig. Aber reicht das? Alle im Bun destag vertretenen Parteien sollten offensiv, nicht getrieben durch rechte Schreihälse, der Bevölkerung die Notwendig keit vermitteln, dass die Sicherheitsbehörden auf unabseh bare Zeit mehr Geld, mehr Personal und immer wieder modernere Ausrüstung benötigen. Die niedrigen Aufklä rungsquoten bei Einbrüchen sind da nur ein Argument.“