Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, im vorliegenden Ge setzentwurf wird der Stichtag 2. Oktober 2000 infrage gestellt. Durch den Gesetzentwurf soll zum einen die Ungleichbehand lung vor und nach dem Stichtag 2. Oktober 2000 beseitigt wer den. Es war allerdings der Bundesgesetzgeber, der die Verjäh rungsfrist auf den 2. Oktober 2000 festgelegt hatte. Es ist frag lich, ob das Unterlaufen dieser Verjährungsfrist mit einer Lan desgesetzgebung möglich ist, während sie für andere Bundes länder im Beitrittsgebiet weiterhin gilt. Die Länder Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind wie unser Bundesland Brandenburg von der Verjährungsfrist betroffen, und sie waren alle nicht bereit, eine gemeinsame Bundesratsinitiative zu starten.
Nach dem Urteil im Jahr 2007 hat das Finanzministerium ver schiedene Anstrengungen zur Ermittlung der Erben unternom men. Gemeinsam mit meinen Kollegen Andreas Gliese und Udo Folgart habe ich vor dieser Sitzung ein Gespräch mit Be troffenen geführt. Und ja: Es gibt Härtefälle, die wir uns auch im Einzelfall anschauen müssen.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion wird dem Gesetz entwurf nicht zustimmen, weil es Gesetze gibt, weil Gerichte entschieden haben und weil bislang keine neuen Tatsachen die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Dombrowski für die CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, es ist der zweite Versuch, dieses Gesetz auf den Weg zu bringen bzw. für die Betroffenen doch noch eine Lösung zu erarbeiten. Damals gab es seitens der Regierungsfraktionen SPD und DIE LINKE nicht einmal die Bereitschaft, den Gesetzentwurf zur Beratung in die Ausschüsse zu überweisen. Wenn ich den Kollegen Schmidt richtig verstanden habe, hat sich daran auch nichts ge ändert.
Ich verweise wie der Kollege Schmidt auf die Enquetekommis sion, deren stellvertretender Vorsitzender ich war. Die Enquete kommission hat eindeutig Handlungsbedarf formuliert. Ich be dauere - auch im Interesse der Betroffenen -, dass diesem Handlungsauftrag bisher nicht ausreichend nachgekommen wurde. Entscheidender Ausgangspunkt der Diskussion war und ist das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 07.12.2007. Darin wird klipp und klar festgestellt, dass das Land Brandenburg „sittenwidrig“ handelte, indem es sich selbst als Eigentümer ehemaliger Bodenreformgrundstücke ins Grundbuch eintragen ließ, ohne zuvor die rechtmäßigen Erben dieser Grundstücke ermittelt oder dies ernsthaft versucht zu haben. Seitdem wur den zwar einige Anzeigen geschaltet, um Erben zu finden. Bis heute fehlt aber eine echte Lösung bzw. Wiedergutmachung - bald zehn Jahre nach dem beschämenden Urteil.
Der materielle Schaden und die psychische Belastung für viele Betroffene wurden weder politisch noch rechtlich anerkannt, geschweige denn in irgendeiner Form beglichen bzw. beseitigt. Es ist schön, Herr Kollege Schmidt, dass Sie zumindest von einigen Härtefällen sprechen, bei denen man etwas tun muss. Es besteht offensichtlich doch Handlungsbedarf. Es geht um Menschen, die Privatinsolvenz beantragen mussten, weil das Land ihnen ihre Grundstücke entzogen hat oder weil sie sich in langjährigen Rechtsstreitigkeiten ohne Erfolg nicht nur nerv lich, sondern auch materiell aufgerieben haben. Mitunter sind Gerichtskosten höher als der Grundstückswert. Man kann sich fragen: Warum machen die das? - Es ist ganz klar, warum sie das tun: Es geht eben nicht nur um materielle Fragen, sondern auch um Familienbesitz, Tradition und ein Stück persönlicher Heimat.
Auf die Enquetekommission, Herr Schmidt, habe ich Sie schon hingewiesen. Sie sagten, es gebe keine neue Rechtsprechung und bei Ihnen, den Koalitionsfraktionen, auch keine neue Rechtsauffassung. Es ist bedauerlich, das zu hören, zumal es auch ein bisschen dem widerspricht, was Sie gerade gesagt ha ben, dass Sie Härtefälle ausgemacht hätten; Sie wollen keine Hoffnungen wecken, die nicht erfüllt werden können. Es geht
aber nicht darum, Hoffnungen zu wecken, die erfüllt oder nicht erfüllt werden können. Der Bundesgerichtshof hat sittenwid riges Verhalten des Landes Brandenburg festgestellt. Darum geht es. Daher gibt es selbstverständlich zumindest eine mora lische Verpflichtung, egal ob Verjährungsfristen eingetreten sind oder nicht. Auch der Verweis auf andere Bundesländer ist unzutreffend: Bei denen hat der Bundesgerichtshof kein sitten widriges Verwaltungshandeln in dieser Frage festgestellt. Wir sind moralisch verpflichtet - auch aus Respekt vor den Betrof fenen -, alles zu tun, um zu zeigen, dass wir uns gemeinsam bemühen, ein Stück Gerechtigkeit wiederherzustellen - auch wenn es nicht in jedem Fall gelingen wird.
Auch dieser Gesetzentwurf ist keine einfache Rechtsmaterie, und es wird sicherlich den einen oder anderen Punkt geben, über den man diskutieren kann und an dem man eventuell Ver änderungen vornehmen muss. Dafür brauchen wir auch wis senschaftliche Unterstützung, die wir mit dem Parlamenta rischen Beratungsdienst im Hause haben.
Ich darf Sie also bitten, auch wenn Herr Schmidt das für die Koalitionsfraktionen anders angekündigt hat, aus Respekt vor den Betroffenen und auch in Anbetracht des sittenwidrigen Ver waltungshandelns des Landes Brandenburg gegen seine Bürger zumindest den Versuch zu unternehmen, Schaden abzuwenden, Schaden wiedergutzumachen, aber zumindest zu zeigen, dass wir uns nicht auf dem Fehler des Verwaltungshandelns ausru hen und das als gegeben hinnehmen, sondern uns ernsthaft be mühen, den Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden. Deshalb werbe ich noch einmal darfür, diesen Gesetz entwurf in den Fachausschuss zu überweisen, damit wir ihn dort in aller Ruhe beraten können. - Danke schön.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Abgeordneten Mächtig fort. Sie spricht für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste - man sieht Sie sonst gar nicht, wenn man hinten sitzt!
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unternimmt nun den zweiten Anlauf, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, welches bereits am 21. November 2013 keine Mehrheit im Landtag fand. Ich finde es bemerkenswert, Herr Dombrowski, mit welcher Leidenschaft Sie heute für Recht und Gesetz ein treten und dabei völlig außer Acht lassen, zu welcher Zeit die ser - übrigens damals schon von der PDS so bezeichnete - Rechtsbruch begangen wurde. Die historische Verantwortung bzw. der daraus entstandene Schaden soll möglicherweise da mit wiedergutgemacht werden, dass Sie sagen: Wir müssen schauen. - Sie wissen zugleich, dass politische Entscheidungen Rechtsprechung nicht ersetzen dürfen. Von dieser Gesell schaftsform haben wir alle uns entfernt.
Nein, danach bitte. - Es ist legitim, dass wir uns heute noch einmal mit dieser Frage beschäftigen, weil sich die Zusammen setzung des Landtages geändert hat und einige Kolleginnen und Kollegen den Hintergrund nicht kennen.
Insofern sei der eine oder andere noch einmal daran erinnert, worum es eigentlich geht: Nach dem Zweiten Weltkrieg wur de in der sowjetischen Besatzungszone der landwirtschaft liche Grundbesitz von Kriegsverbrechern und Nationalsozia listen, aber auch der gesamte private Großgrundbesitz von mehr als 100 ha Größe entschädigungslos enteignet und an landlose und landarme Bauern, Landarbeiter, Flüchtlinge und Umsiedler verteilt. Durch sogenannte Besitzwechselverord nungen wurden im Einzelnen die Fälle geregelt, in denen Land in den Bodenfonds zurückgegeben werden musste oder Bodenreformgrundstücke an Dritte übertragen werden durf ten. Voraussetzung für die Übertragung dieses Eigentums war dabei stets, dass der neue Eigentümer die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzflächen sicher stellt.
Als einzige Partei hat meine Partei - als PDS oder DIE LIN KE - von Anfang an gegen die Abwicklung der Bodenreform - wie in Artikel 233 § 11 ff. des Einführungsgesetzes des Bürger lichen Gesetzbuches bestimmt - gestritten. Dies belegen mehr als 30 Initiativen der PDS und der Linken im Bundestag und in den ostdeutschen Landtagen.
Union und FDP haben 1992 das DDR-Bodenreformgesetz vom 6. März 1990 geändert - hier ging es um die sogenannten Mo drow-Gesetze. Dabei wurde festgelegt, dass in Fällen, in denen Erben nicht in der Landwirtschaft tätig waren, das Land nach der Besitzwechselverordnung in den Bodenfonds zurückzufüh ren ist. In der Folge mussten rund 20 % der Bodenreformerben ihre Grundstücke zugunsten des Landesfiskus auflassen. Das haben wir Linken niemals akzeptiert, das wissen Sie.
Hier wird so getan, als hätte Rot-Rot nur darüber geredet und nichts getan - nein, das stimmt nicht. Seit 2009, seit Rot-Rot die Landesregierung stellt, nehmen wir dieses Problem sehr ernst. 2010, 2012 und 2013 - Sie wissen es - hat unser Finanz minister in Zeitungen und Amtsblättern Aufrufe zur Suche nach Erben sowie die Einzelgrundstücke, für die diese Rückga be erfolgen sollte, veröffentlichen lassen.
5 300 Grundstücksrückgabeanträge sind bis 2013 eingegangen. Der Versuch des Landes Brandenburg, 2014 eine gemeinsame Bundesratsinitiative auszulösen und das Recht wiederherzu stellen, ist an dem Desinteresse der anderen Ost-Bundesländer gescheitert. Vom BGH-Urteil vom 07.12.2007 waren 8 745 Er ben betroffen. Bis 2015 waren ca. 3 400 Fälle erledigt, das darf man bitte nicht vergessen - Ergebnis der Arbeit von Rot-Rot. Bei rund 5 600 Fällen waren die Erben noch unbekannt. Bis 2015 wurden 1 100 Fälle recherchiert, 20 % der Erben bereits gefunden. Ja, es sind noch 4 574 Erbrecherchen erforderlich; diese sollen bis 2019 erfolgen. Ich glaube, damit hat Rot-Rot bewiesen, dass es sich nicht nur dieser Aufgabe stellt, sondern zugleich erkannt hat, welche Herausforderungen gerade in Fra gen der Gerechtigkeit bestehen.
Ich hatte es schon bei meiner Rede 2013 gesagt: Hochge schätzte Kollegen der Grünen, als es im Bundestag die parla mentarische Chance gab, genau dieses Gesetz nicht zuzulas sen, haben Sie und Ihre Genossen versagt. Und das werden wir hier nicht ändern können -
Lassen Sie mich abschließend sagen, vor allem für die vielen Gäste hier im Saal: Eine Rückabwicklung ist aus unserer Sicht tatsächlich nicht möglich. Es gibt für eine rechtliche Entschei dung keinen politischen Beschluss, sie aufzuheben. Einigen ha be ich in persönlichen Gesprächen bereits gesagt, dass wir der Auffassung sind: Es gibt immer nur dann, wenn es neue recht liche Beweggründe gibt, noch einmal die Chance einer Recht sprechung. Es geht meiner Meinung nach eben nur dann,...
Frau Abgeordnete, Sie müssten zum Schluss kommen, denn es wurden noch Zwischenfragen angezeigt. Bitte kommen Sie zum Schluss.
... wenn neue Tatsachen durch Sie beigebracht werden, die die damaligen Entscheidungen revidieren können. Es tut mir leid, ich kann Ihnen keine andere Hoffnung machen.
Frau Kollegin, Sie haben in Ihrem Redebeitrag - nach meiner Rede - gefragt: Wissen Sie denn noch, wer damals regiert hat? - Ich weiß, wer damals regiert hat, ich weiß auch, wer Fi nanzminister war. Aber ich möchte nachfragen, ob Sie das wirklich ernst meinen, dass bei der Beurteilung von rechtlich fehlerhaftem oder sittenwidrigem Handeln und dem Umgang
damit von Bedeutung ist, wer wann regiert hat. Oder ist nicht, wenn eine Vorgängerregierung falsch gehandelt hat, eine Lan desregierung - egal, wer das politisch zu verantworten hat - in der Pflicht, wieder Recht zu setzen? Dass Ihre Partei sich mit der Geschichte der Bodenreform besonders gut auskennt, ist nachvollziehbar. Dennoch ist doch die Frage, ob man nicht ver suchen muss, das, was durch Urteil belegt ist, bürgernah umzu setzen, ohne dass jedes Mal eine neue Rechtsprechung kom men muss?
Herr Dombrowski, seit 2009 machen wir nichts anderes, als genau die Fehler zu korrigieren, die Sie gemacht haben - was ich anstrengend genug finde, nicht nur im Bereich der Boden reformgrundstücke.
- Darf ich jetzt zum eigentlichen Problem kommen? Gehen Sie sich umziehen, dann haben Sie zu tun. - Das Hauptproblem ist, dass von diesem Urteil vom 07.12.2007, das Sie erwähnten, genau die Fälle, über die wir immer wieder miteinander reden, eben nicht betroffen sind. Sondern es geht um die Fälle, die Herr Vogel sehr exakt beschrieben hat: Waren sie in der Land wirtschaft tätig oder nicht? - Es ist beschlossen worden, dass sie in der Landwirtschaft hätten tätig sein müssen, wenn eine Erbfolge eintreten soll. Die Linke hat von Anfang an gesagt, dass sie das für falsch hält. Aber Recht sprechen darf die Linke nicht, das muss ein Gericht tun.
Vielen Dank. - Bevor wir die Aussprache fortsetzen, möchte ich Gäste begrüßen: Seniorinnen und Senioren aus Spremberg sowie Seniorinnen und Senioren der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Elbe-Elster. Herzlich willkommen hier bei uns im Plenarsaal!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Die AfD-Fraktion begrüßt ausdrücklich den vorliegenden Gesetzesvorschlag zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse an Bodenreformgrundstücken. Mit diesem Gesetz kann vielleicht für einen Teil der von der sogenannten Bodenreform und Zwangskollektivierung Betroffenen Gerechtigkeit hergestellt werden - 55 Jahre nach den Ereignissen. Denn bei der Boden reform und Zwangskollektivierung ging es ja nicht um Gerech
tigkeit oder soziale Umverteilung im positiven Sinn, sie waren Mittel im sogenannten Klassenkampf zur Realisierung sozia listischer Gewaltfantasien.