Damals waren Sie nämlich nicht nur mit der Einkreisung von Brandenburg und Frankfurt einverstanden, sondern ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass Sie um 10 Minuten Auszeit baten, als wir Ihnen ein Papier zur Sondierung vorlegten, in dem die Formulierung stand, dass wir eine Kreisgebietsreform mit maximal 10 Kreisen und der Einkreisung der kreisfreien Städte anstreben.
Danach kamen wir wieder herein, und Sie als CDU hatten nur einen Wunsch: dass nicht mehr die Formulierung „und der Einkreisung der kreisfreien Städte“ darin steht, sondern „und der Einkreisung aller kreisfreien Städte“.
Das werden Sie in dieser ganzen Debatte nicht mehr los. Wenn Sie sich also heute hinstellen und meinen, sich als Verteidiger der Kreisfreiheit von Städten, die schrumpfende Einwohnerzahlen und große finanzielle Probleme haben, darstellen zu wollen, werde ich Ihnen das immer wieder vorhalten.
Das ist eine Position, die Sie, glaube ich, nicht durchhalten, Herr Senftleben. Denn Sie waren persönlich dabei, als wir diese Gespräche geführt haben. Jetzt stellen Sie sich hin und können sich an nichts mehr erinnern, erklären uns aber ersatzweise, warum sich die Koalitionsparteien mit der Kreisgebietsreform an den Menschen im Land ganz furchtbar versündigen werden. Sie sprachen sogar von Wahlbetrug. Ich glaube, dieses Wort sollten Sie in Zukunft knicken.
Das ist, Herr Senftleben, genau die Art von staatspolitischer Unzuverlässigkeit und Unberechenbarkeit, die Brandenburg in durchaus schwierigen Zeiten am allerwenigsten brauchen kann. Ernsthafte, berechenbare und verantwortungsbewusste Politik sieht deutlich anders aus. Die Brandenburger CDU, auch nach dem gestrigen Tag, ist in ihrer gegenwärtigen Verfassung hierzu ganz offensichtlich nicht in der Lage.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Verantwortung müssen wir alle in diesem Raum tragen. Seit dem 14. September hat sich die Zusammensetzung dieses Parlaments verändert. Heute haben wir eine neue Fraktion hier im Parlament, und deshalb möchte ich Sie, Herr Gauland, beim Stichwort Verantwortung auch ganz direkt ansprechen. Wir kennen uns lange. Sie haben mich mit Ihren Texten in der Vergangenheit immer wieder zum Nachdenken angeregt. Wir haben sehr anregende Debatten miteinander geführt. Aber jetzt mache ich mir doch Sorgen, und das wissen Sie.
Herr Gauland, ich kenne Ihre konservative Gedankenwelt recht gut, auch wenn ich mich nicht in ihr zu Hause fühle, wie Sie
wissen. Ihnen - so habe ich Sie jedenfalls bisher immer verstanden - geht es um Respekt vor gewachsenen Traditionen, Ihnen geht es um Bewahrung und Behutsamkeit beim Erneuern. Ihr intellektueller Held ist der konservative Antirevolutionär Edmund Burke, auf den Sie sich auch in Ihrer Rede neulich hier im Plenum berufen haben. In dieser Rede war besonders viel von Gemeinwohl und Gemeinwohlorientierung die Rede. Das alles hört sich sehr gut an, teilweise auch überzeugend.
Ich bin mir sicher, der Erfolg meiner Partei, der Brandenburger SPD, seit 1990 hat eine ganze Menge damit zu tun, dass wir in der Tat immer sehr viel Respekt vor den gewachsenen Traditionen im Land an den Tag gelegt haben. Da lag in der Vergangenheit auch die Schnittmenge zwischen Ihnen als Person und möglicherweise uns als Sozialdemokraten. Sie haben nämlich ganz genau verstanden, dass Manfred Stolpe und Matthias Platzeck keine revolutionären Umstürzler waren, und Sie wissen genau, dass der Brandenburger Sozialdemokrat Dietmar Woidke vor einem Kurs der Mitte, der Kontinuität und des Augenmaßes steht, vor einem Kurs, der eigentlich ganz in Ihrem Sinne sein müsste.
Aber ich mache mir Sorgen, denn inzwischen haben Sie selbst eine Kehrtwende um 180 Grad hingelegt. Inzwischen haben Sie sich einer, wie Matthias Geis sie in der aktuellen „Zeit“ nennt, „wutgetriebenen Partei“ angeschlossen. In dieser Partei gibt es zwei Flügel, die sich erbittert bekämpfen, einen wirtschaftsliberalen-neoliberalen Flügel und einen reaktionären deutschnationalen Flügel. Ich habe den Eindruck, Sie selbst versuchen, sich in der AfD an die Spitze des deutschnationalen Flügels zu setzen, um Ihre neoliberalen Gegner um Hans-Olaf Henkel aus der Partei zu vertreiben.
Herr Gauland, Ihre AfD, das ist eine Partei, in deren Dunstkreis auch Verschwörungstheoretiker wie Jürgen Elsässer eine Bühne gefunden haben; mit dem gemeinsam bestreiten Sie sogar eine Veranstaltung, natürlich nur, wenn sich Herr Elsässer erst von den Hooligans distanziert. Mir wären bei Jürgen Elsässer noch ein paar mehr Vorschläge für Distanzierung eingefallen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Mit Menschen wie Jürgen Elsässer möchte ich nicht auf derselben Straßenseite gesehen werden.
Ihre AfD, das ist eine Partei, die Stimmung macht gegen Minderheiten, gegen Verfolgte, gegen Flüchtlinge,
gerade erst in diesen Tagen wieder im Kreistag Dahme-Spreewald unter dem Beifall der NPD. Ihre AfD, das ist eine Partei, die den Erfolg sucht, indem sie Gruppen von Menschen gegen andere Gruppen von Menschen aufwiegelt.
Sie persönlich haben sich in den letzten Tagen vor der Wahl an diesem verwerflichen Spiel beteiligt, als Sie Ängste vor einer neuen Asylunterkunft in Doberlug-Kirchhain geschürt haben. Das war und ist ein Spiel mit dem Feuer.
Ich sage Ihnen, und zwar ganz im Ernst: Das alles hat rein gar nichts mehr zu tun mit behutsamer Erneuerung, mit Bewahrung oder Respekt vor gewachsenen Traditionen. Wir sollten hier eines sehr klar festhalten: Wer ein politisches Projekt daraus macht, Menschen gegeneinander aufzuwiegeln, Wut anzuheizen und auf nationalistischen Ressentiments zu reiten, der ist alles Mögliche, aber eines ganz sicher nicht, nämlich konservativ. Er ist ganz sicher nicht konservativ im Sinne von Bewahrung, von Tradition und behutsamer Erneuerung.
Von Ihrem wahren Helden, Herr Gauland, von Edmund Burke stammt ein sehr wahrer Satz, ein Satz, über den Sie in diesen Tagen vielleicht noch einmal gründlich nachdenken sollten. Edmund Burke hat nämlich gesagt:
„Wut und Verblendung können in einer halben Stunde mehr niederreißen, als Klugheit, Überlegung und weise Vorsicht in hundert Jahren aufzubauen imstande sind.“
Sie haben in der Vergangenheit immer für Klugheit, Überlegung und weise Vorsicht geworben, jetzt aber betreiben Sie mit der AfD das Geschäft von Wut und Verblendung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb mache ich mir Sorgen. Denn es stimmt: Wut und Verblendung sind niemals gute Ratgeber. Mit Wut und Verblendung kann nichts Gutes geschaffen werden. Wut und Verblendung reißen nieder, was mit viel Mühe aufgebaut wurde.
Die Menschen in Brandenburg haben sich seit dem Aufbruch von 1989 aus dem Nichts ein neues, lebenswertes und aufstrebendes Land aufgebaut, mit Klugheit, Überlegung und weiser Vorsicht, auch mit großem Willen zum Fortschritt, zu Zusammenhalt, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit. Dieses junge Land Brandenburg ist bestimmt kein perfektes Land. Uns bleibt gemeinsam noch viel zu tun. Aber dieses aufstrebende Land Brandenburg ist ein Land, dem ganz sicher nicht gedient ist mit populistischer Wut, mit Verblendung, mit der Aufwiegelung von Ressentiments und Hass.
Die überwältigende Mehrheit der Brandenburgerinnen und Brandenburger weiß das auch. Die überwältigende Mehrheit der Menschen im Land erwartet von ihren politischen Vertretern Vernunft, Verantwortung und Augenmaß.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Vernunft, Verantwortung und Augenmaß - genau diese Brandenburger Tugenden verkörpert die neue Landesregierung unter Führung von Dietmar Woidke. Die SPD-Landtagsfraktion wird ihre Arbeit daher konstruktiv und engagiert begleiten. Brandenburg wird auch in den kommenden fünf Jahren in guten Händen bleiben. Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident! Lieber Herr Ness, für mich ist das jetzt etwas schwie
Aber wir können natürlich auch über Edmund Burke und über die AfD sprechen. Nur, Ihre Analyse der AfD, lieber Herr Ness, ist einfach falsch. Ich habe nicht die Absicht, jetzt hier im Parlament sozusagen all dem, was Sie gesagt haben, zu widersprechen. Darüber können wir uns lange auseinandersetzen. Aber, Herr Ness, ich gebe Ihnen nur einen Einwand zurück. Dass wir 12,2 % der Wählerstimmen in Brandenburg bekommen haben, heißt doch, dass es ein gesellschaftliches Bedürfnis für bestimmte Dinge gibt, die wir offen und ehrlich ansprechen, und dass in der Vergangenheit nicht Sie persönlich, aber Parteien dieses Parlaments es offensichtlich versäumt haben, diese Dinge anzusprechen.
Wir sind nicht ressentimentgeladen, das ist völlig falsch. Aber, Herr Ness, es kann nicht sein, dass kurz vor einer Landtagswahl Entscheidungen getroffen werden - Sie denken und ich denke auch an Doberlug-Kirchhain -, in die die Menschen nicht einbezogen werden, sondern den Menschen etwas vorgeschrieben wird. Und dann, wenn wir das öffentlich machen und sagen: „Freunde, lasst uns darüber reden, lasst uns mit den Menschen darüber reden“, sagen Sie, das werfe Ressentiments auf. Das kann man nicht machen; denn das Problem, das wir in unserer Gesellschaft in der Tat haben - ich komme noch zur Regierungserklärung -, ist, dass wir viele Jahre lang nicht mehr ehrlich mit den Menschen umgegangen sind. Wir sind nicht ehrlich mit ihren Ängsten umgegangen. Wir sind nicht ehrlich mit der Frage umgegangen: Warum gibt es zum Beispiel schon an der Grenze Bürgerwehren? Warum sind Menschen so unsicher, dass sie nicht mehr das Gefühl haben, der Staat hilft ihnen? Das heißt, wir haben im Grunde genommen alle eine bestimmte Sicht des Lebens und eine bestimmte Sicht des Landes eingenommen und gehofft, dass es immer so weitergeht. Aber die Menschen sind nicht so, und sie wollen von uns ehrliche Antworten.
Ich gebe Ihnen völlig Recht: Die Menge an Zuziehenden Flüchtlinge, Asylbewerber - ist in Brandenburg bei weitem kein so großes Problem wie in westdeutschen Großstädten. Das stimmt. Aber die Menschen haben das Gefühl, das könnte auch hier passieren, und sie wollen von der Politik eine Antwort haben. Sie wollen, Herr Ness, dass Sie ehrlich mit ihnen umgehen. Das tun Sie nicht.
Sie weichen den Fragen aus. Sie versuchen, uns in eine bestimmte Ecke zu drängen, in die wir nie gehört haben. Wir sind jetzt diejenigen - das ist schwierig für Sie, völlig klar, das ist aber auch schwierig für die CDU und andere Parteien -, die den Menschen eine Stimme geben, die lange danach gesucht haben. Das hat nichts mit Frustration oder der Auseinandersetzung in der AfD zu tun.
Wir können uns gern einmal in Ruhe über die AfD unterhalten, ich wollte jetzt aber keine AfD-Erklärung im Landtag abgeben.
Ich möchte gern auf die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zurückkommen. Wir können gern auch einmal eine richtige Debatte über die AfD führen - dazu bin ich gern bereit -, aber nicht in diesem Moment.
Nach Ihrer Regierungserklärung, Herr Ministerpräsident - da sind wir wieder bei dem, was ich gerade angesprochen hatte -, habe ich mich gefragt, in welchem Land wir eigentlich leben. Wäre das alles so wunderbar, wie Sie es schildern, hätte dieses Land so gut wie keine Probleme, und die paar übriggebliebenen lösen Sie im Vorbeigehen zusammen mit Herrn Ness.
Nun ist es erstaunlich, dass das offensichtlich nicht dem Lebensgefühl der Menschen entspricht. Unser Wahlergebnis von 12,2 % müssen Sie bitte schön alle zur Kenntnis nehmen und analysieren. Wie kommt man - Sie alle kennen den mühsamen, langsamen Aufstieg der Grünen; Sie kennen die Situation bei den Piraten - aus dem Stand zu einem solchen Wahlergebnis? Nicht, weil wir so toll sind, nein, sondern weil die Menschen plötzlich das Gefühl haben: Endlich gibt es eine Partei, die ausspricht, was wir schon die ganze Zeit denken. Und Sie wollen uns daran hindern, dass wir das denken.