Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

- Dann lesen Sie einmal, Frau Mächtig, die Kritik der Famili enverbände, auch bezüglich der Grunderwerbsteuer. Das hat viel mit Familienpolitik zu tun.

(Genilke [CDU]: So ist es! - Beifall CDU - Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Auch bei der Kindertagesbetreuung, die im vorliegenden An trag erwähnt ist, gibt es mehr als genug zu tun. Die verbesserte Qualität wurde nicht zuletzt beim Betreuungsschlüssel auf Drängen der CDU-Fraktion vorzeitig umgesetzt - wir sind sehr dankbar dafür, Herr Minister Baaske. Dennoch bleibt in Bran denburg ein Flickenteppich unterschiedlicher und vor allem ungerechter Kitagebühren, der die Eltern allerorts auf die Bar rikaden bringt.

(Genilke [CDU]: So ist es! - Beifall CDU)

Wenn wir uns die Kindertagespflege - die Tagesbetreuung durch Tagesmütter oder -väter - anschauen, sehen wir, dass die Situation noch brenzliger ist. Ich möchte nicht weiterhin zu schauen, wie Tagesmütter gezwungen sind, sich vor Gericht Recht zu erstreiten, weil in den Landkreisen offensichtlich ge

gen geltendes Landes- und Bundesrecht verstoßen wurde. Das kann nicht die Qualität in der Kindertagesbetreuung in Bran denburg sein.

(Starker Beifall CDU)

Und weil ich nun einmal sehr nachtragend bei gescheiterten Anträgen bin, muss ich noch einen Antrag erwähnen: Ich bin ja sehr glücklich darüber, dass Sie der lange von der CDU gefor derten Schaffung der Stelle eines Tierschutzbeauftragten zuge stimmt haben. Aber ich verstehe nicht, warum Sie, liebe Kolle ginnen und Kollegen von den Linken und der SPD, meinen Antrag vom April 2015, in dem ich den Landeskinderbeauf tragten gefordert habe, abgelehnt haben.

(Wichmann [CDU]: Zum zweiten Mal!)

Und das, obwohl die Linke einen solchen in ihrem Wahlpro gramm verankert hat. Bitte erklären Sie mir das wenigstens heute.

(Beifall CDU)

Aber nun genug der Kritik. Eine Förderung und Unterstützung von familienpolitischen Maßnahmen ist wichtig und richtig. Wir stimmen der Sache an sich - wenn sie denn gut umgesetzt wird - und damit dem Antrag zu. Ich kann die Koalitionsfraktionen aber nur eindringlich davor warnen, mit Scheuklappen auf Maßnahmenpaketen durch das Land zu galoppieren. Sie sollten links und rechts des Wegs die wirklichen Bedarfe der Familien - auch bezüglich der anderen Maßnahmenpakete - wahrnehmen. - Danke schön.

(Beifall CDU sowie der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE])

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Abgeord nete Alter.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kol legen! Liebe Kollegin Augustin, gestern - beim Sommerfest der Handwerkskammer - wurde uns mitgeteilt: Es boomt nur so, die Auftragsbücher sind knackevoll. - Und es sind vorran gig sehr viele junge Familien, die im Baugewerbe Aufträge ausgelöst haben. Also die Grunderwerbsteuer kann es nicht sein, was unsere Familien kaputtmacht.

(Beifall SPD)

Seit 2005 gibt es das Familien- und Kinderpolitische Pro gramm im Land Brandenburg, und vieles ist in den letzten Jah ren auf den Weg gebracht worden. Manche Maßnahmen waren nur auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt, wie das Förder programm für Spielplätze, im Rahmen dessen aufgrund von 228 Bescheiden ein Finanzvolumen von 5,2 Millionen Euro eingesetzt wurde: Fährt man durch das Land, sieht man viele innovative Spielplätze, die von Kindern sehr gut angenommen werden, wo sich Mütter, Väter oder ganze Generationen treffen und Kinder gemeinsam spielen.

Der größte Teil der geplanten Maßnahmen wurde mit Leben erfüllt; zum Beispiel sind die 56 lokalen Bündnisse eine Er folgsgeschichte und Motor vieler gemeinsamer Aktivitäten in Stadt und Land. Hier erfolgt Familienbildung, Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Organisation verschiede ner Veranstaltungen und generationenübergreifende Zusam menarbeit vieler Akteure.

Die Sprachstandsfeststellung und Sprachförderung sind ein ganz wichtiger Punkt in diesem Programm und haben in der heutigen Zeit noch viel mehr an Gewicht gewonnen. Ebenso das „Netzwerk Gesunde Kinder“, bei dem es darum geht, Kin der und Eltern durch geschulte ehrenamtliche Paten, von der Schwangerschaft an bis zum 3. Lebensjahr des Kindes, unter stützend zu beraten und zu begleiten. Das ist für Deutschland beispielgebend. Über 1 300 Ehrenamtler betreuen ca. 4 300 Fa milien.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist besonders für Al leinerziehende ein entscheidender Faktor für die Einkommens sicherung und zur Vorbeugung gegen Kinderarmut.

49 Maßnahmen umfasste das Programm, wobei einige Maß nahmen schon abgeschlossen sind, andere fortlaufend weiter geführt werden. Lassen Sie mich kurz einige Maßnahmen auf zählen, wobei ich hoffe, dass Sie Ihnen allen bekannt sind: das familien- und kinderfreundliche Wohnumfeld, die sprachliche und musische Bildung für alle, Initiative Oberschule, Schulverweigerungsprojekte, Berufsorientierungstool, Senkung der Schulabbrecherquote, das schon genannte Netzwerk Gesunde Kinder, gesunde Ernährung an Schulen, Frühstücksaktionen, der 11. Familienpass - als inzwischen fester Bestandteil dieses Programms wird er für das Schuljahr 2016/2017 auf 414 Seiten 683 Angebote vorstellen -, der Landeswettbewerb Familien- und kinderfreundliche Gemeinde, der alle zwei Jahre durchge führt wird, und vieles mehr.

Unser Ziel muss es sein, eine Chancengleichheit - unabhängig vom Geldbeutel und Status der Eltern - herzustellen, damit un sere Kinder gesund, selbstbewusst und mit einer guten Bildung aufwachsen können. Kinder und Familien, die es allein nicht schaffen, benötigen unsere Unterstützung. Oft helfen schon kleinteilige Angebote, die mit Familienpatenschaften und indi viduellen Gesprächen eine große Hilfe sein können.

Ich erlebe in meinen Sprechstunden oft die Unsicherheit im Umgang mit Schriftstücken, die den Eltern zugestellt werden. Hier mein wiederholter Appell an die Ministerien und Verwal tungen, Schriftstücke so zu verfassen, dass sie verstanden wer den können und nicht zur weiteren Verunsicherung beitragen. Wer outet sich schon gern damit, ein Schreiben nicht verstan den zu haben? Das gilt auch für Anträge auf Inanspruchnahme des Bildungs- und Teilhabepakets. Diese Möglichkeit der fi nanziellen Unterstützung wird aus Unkenntnis oder dem Un vermögen der Beantragung oft nicht in Anspruch genommen.

Schon in der vergangenen Legislaturperiode haben wir festge stellt, dass unsere Kinder unsere Zukunft sind, dass sie gesund und in sozialer Sicherheit in starken Familien aufwachsen sol len. Wir müssen dieses Thema noch stärker ressortübergreifend angehen. Alle Entscheidungen, die wir hier in diesem Hohen Haus treffen, tangieren immer wieder alle Menschen - Groß und Klein. Sprechen wir zum Beispiel über die arbeitsmarktpo litischen Maßnahmen, betrifft das an erster Stelle die Eltern,

aber letztendlich die gesamte Familie, denn ohne Arbeitsein kommen steht der Familie weniger Geld zur Verfügung. Die Konsequenz: finanzielle Einschnitte in die Lebensqualität aller Familienmitglieder. Infrastrukturmaßnahmen zum Wohnum feld, zum öffentlichen Nahverkehr, zu Einkaufs- und Freizeit einrichtungen sind Querschnittsaufgabe aller Ministerien.

Familie ist da, wo Eltern, Kinder und Großeltern Verantwor tung übernehmen, egal, in welcher Form und in welchem Zu sammenleben. Flexibles Reagieren auf den Arbeitsmarkt mit oft weiten Wegen erfordert den unterstützenden Zusammenhalt von Familien, Freunden und entlastenden Diensten. Hier neh men wir auch die notwendige familienfreundliche Entwicklung in den Unternehmen wahr. Ein Unternehmen, welches sich die sem Thema nicht stellt, soll sich dann nicht über Fachkräfte mangel beklagen.

Unsere Pflicht ist es, die unterschiedlichen Programme der Landespolitik besser miteinander zu verzahnen und schneller auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren. Die neu zu uns ge kommenen Familien und natürlich auch die Alleinstehenden müssen wir aktiv in die Programme einbeziehen. Ich finde, das ist eine sehr spannende Aufgabe, bei der wir in der Zusammen arbeit mit Menschen aus unterschiedlichen Ländern wunderba re Erfahrungen machen können. Vielfalt bereichert uns alle. Auch hier ist wichtig: informieren, mitnehmen, aber bitte in verständlicher Sprache - das wird in verschiedenen Flyern schon gemacht.

Abschließend möchte ich anmerken: Ja, wir sind auf einem gu ten Weg und haben viel erreicht. Aber gemeinsam mit allen Be teiligten - Kommunen, unterschiedlichen Trägern und Privatinitiativen - können wir noch mehr leisten. Meine Fraktion arbei tet mit mir daran, dass unser Land Brandenburg in Deutsch land - ich betone: in Deutschland - als familien- und kinder freundliches Bundesland wahrgenommen wird. Dabei sind mir statistische Zahlen zwar wichtig, noch wichtiger ist mir aber, wie das, was wir hier beschließen, bei den Menschen vor Ort ankommt und das Leben in Brandenburg lebenswert macht. Ich bitte Sie, mit uns gemeinsam an diesen Zielen zu arbeiten.

(Beifall SPD sowie des Abgeordneten Domres [DIE LIN KE])

Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie diesen Gedanken in einer guten Minute zu Ende bringen konnten. - Es spricht jetzt der Abgeordnete Königer für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Die Tribüne ist leider schon leer. - Über einen Fakt bin ich bei dem Antrag zur Kinder- und Familienpolitik der Regierungskoa lition wirklich froh: Da hat es doch die Kinder- und Familienpo litik gerade noch so vor den Regierungsantrag zur 200-JahreParty für Theodor Fontane geschafft. Herzlichen Glückwunsch!

Nichts gegen Fontane, aber aktuell und prioritär ist etwas ande res. Aber was erwartet man schon von einer Landesregierung, die in einem Regierungsstil wie zu Fontanes Zeiten agiert?

(Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Ich muss wieder einmal feststellen, dass sich die Regierungs fraktionen wohl nur noch als parlamentarischer Durchreicher von Ministeriumsvorlagen verstehen, denn erneut wird uns ein Antrag präsentiert, der nicht Handlungsvorhaben beschreibt, sondern eher aus der Rubrik „Ist schon fertig, gebt uns mal ei nen Schriebs dazu!“ stammt. Und wieder werden uns Rot-Rot und die beiden anderen fraktionellen Erfüllungsgehilfen dafür kritisieren, dass wir gern vorab darüber geredet hätten.

In der letzten Legislaturperiode haben die Regierungskoalitionä re zumindest noch den Anschein einer parlamentarischen Betei ligung aufrechterhalten. Aber mittlerweile scheint Demokratie in den Augen dieser Regierung und des angeschlossenen parlamen tarischen Appendix eher ein lästiges Relikt zu sein. Von dieser „modernen Form des Feudalismus“ einmal abgesehen ist es schon ziemlich dreist, von einer herausragenden Bedeutung der Familien- und Kinderpolitik in Brandenburg zu erzählen, zeit gleich aber keine qualitativ vernünftige Beförderung unserer Kinder zu ihren Bildungseinrichtungen sicherstellen zu können.

Die Linken müssten auch real dunkelrot werden und sich was schämen, wenn man an die Diskussion über steigende Kitagebühren denkt. War nicht Ihre zentrale Forderung, meine Da men und Herren von der Linksfraktion, diese unsozialen Ge bühren abzuschaffen?

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Wir werden schauen!)

Gehen wir weiter mit diversen Programmen: Ihre Regierung protzt mit diversen Aktionen. Schaut man aber hinter die ach so kinderfreundliche Fassade von Rot-Rot, kommt das mor sche Fundament zum Vorschein. Denn faktisch jede vernünfti ge Aktion zum Wohle der Kinder und Familien in diesem Lan de entspringt Bundes- oder EU-Mitteln. Und wenn jemand von der AfD einmal positiv über die Europäische Union spricht, können Sie sich selbst ausmalen, wo Sie dann stehen.

Meine Damen und Herren, diese Regierung hat keine eigenen Ideen und auch nicht die Motivation, tatsächlich etwas für die Zukunft unseres Landes zu tun.

(Frau Große [DIE LINKE]: Aber die AfD?)

Denn darum geht es. Nur Familien, also Vater, Mutter und - hoffentlich - reichlich Kinder, garantieren das Überleben unse res Landes. Sie diskutieren aber lieber prioritär über Randgrup pen - wie gestern - als über den eigenen Nachwuchs. SPD, Lin ke, CDU und Grüne oder - um mit den Worten von Herrn Petke zu sprechen - „La Partei“, „La Volkskammer“, „La Paloma“ haben sich längst von diesem Land und seinen Menschen ver abschiedet. Darum begnügt man sich mit zahnlosen Anträgen und lauwarmen Versprechungen. Aber feiern Sie ruhig weiter, um es in Anspielung auf den nächsten Tagesordnungspunkt und mit Theodor Fontane zu sagen: Es gibt viele Hähne, die meinen, dass ihretwegen die Sonne aufgeht.

(Zuruf der Abgeordneten Große [DIE LINKE])

Wenn Sie der Meinung sind, dass Ihr Antrag tatsächlich etwas mit der Realität in unserem Land zu tun hat, machen Sie ruhig weiter so! Die AfD wird diesen Antrag nicht mittragen. - Vie len Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt die Abgeordnete Nonnemacher, bitte.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Schon im rot-roten Koalitionsvertrag von 2009 war zu lesen, dass Bran denburg eine der familienfreundlichsten Regionen in Europa werden solle. Dieses ambitionierte Ziel steht auch jetzt wieder im rot-roten Antrag, der - ganz ehrlich - ein einfaches Abarbei ten des aktuellen Koalitionsvertrages darstellt.

(Beifall der Abgeordneten Augustin [CDU])

Lauter gute Absichtserklärungen sollen den bisherigen Weg der Familien- und Kinderpolitik fortführen, die landesweit „Wir kung gezeigt“ hat. Über die Qualität der Wirkung steht im An trag nichts.

Angesichts der bisher dürftigen qualitativen Berichterstattung wünschen wir uns von der Landesregierung, dass sie ihre fami lienpolitischen Maßnahmen erst einmal ordentlich evaluiert. Brandenburg auf dem Weg zu einer der familienfreundlichsten Regionen Europas? Das bleibt ohne Zahlen eine bloße - unbe legte - Behauptung.

Gerade vor einigen Wochen habe ich den zunehmenden Trend kritisiert, spezielle touristische Angebote zu unterbreiten, von denen Kinder ausgeschlossen werden, zum Beispiel der Cam pingplatz in Oberhavel, der keine Kinder unter 14 Jahren auf nimmt, oder der Ausschluss von Gästen unter 16 Jahren in ei nem Hotel in Bad Saarow. Die Betreiberinnen bzw. Betreiber verweisen auf das Ruhebedürfnis älterer Menschen und argu mentieren, es gebe ja schon genug andere Angebote für Kinder. Diese Haltung finde ich bigott. Kinderlärm gehört zu unserem Leben wie Vogelgezwitscher und Sommerregen. Seit Jahrzehn ten werden in Deutschland niedrige Geburtenraten beklagt. Ebenso lange fragen wir uns, wie unsere Gesellschaft kinder freundlicher werden kann.

Unserer Gesellschaft täte - auch hier im Land - mehr Gemein schaftsgefühl und Toleranz gut, ein Klima, in dem Andersartig keit - sei es durch das Alter, die Existenz von Kindern, Hautfar be, sexuelle Orientierung oder Religion - als normal und nicht als Bedrohung angesehen wird. Das muss in einem Antrag zur Familien- und Kinderpolitik auch einmal ganz oben stehen. Stattdessen binden die Koalitionsfraktionen inhaltlich einen bunten Strauß aus diversen politischen Bereichen. Sie stellen den generationsübergreifenden Ansatz ganz nach oben, kurz dahinter rangiert der Ansatz der Großelternkompetenz.