Protokoll der Sitzung vom 15.07.2016

Herr Kollege Wichmann hat es schon angesprochen: Hier sind natürlich die Qualitätsstandards der DGE, der Deutschen Ge sellschaft für Ernährung, der Maßstab. Das ist eine gute Grund lage mit guten, realistischen und umsetzbaren Vorgaben. Wir setzen genau hier an: Mit diesen Qualitätsstandards wollen wir in einen Dialog mit den Schulträgern, den Trägern der Einrich tungen, mit Eltern, mit Lehrerinnen und Lehrern, mit Erziehe rinnen und Erziehern, aber eben auch - und das ist ganz wich tig - mit den Essenanbietern treten. Sie brauchen wir, um mit

ihnen gemeinsam zu diskutieren: Wie gelingt es uns, flächen deckend im Land ein wirklich gutes, gesundes Essen für alle Kinder anzubieten?

Wir sind da gut unterwegs. Es gibt schon wunderbare Projekte, die von der Vernetzungsstelle Schulverpflegung begleitet wer den. Daher auch von meiner Seite noch einmal recht herzlichen Dank für die geleistete Arbeit!

Weil uns die Arbeit der Vernetzungsstelle so wichtig ist, haben wir auch ganz bewusst und deutlich in diesem Antrag fixiert, dass wir die Finanzierung über das Jahr 2017 hinaus gesichert haben wollen und - das ist mir besonders wichtig - dass wir es nicht nur auf den Bereich Schule begrenzen, sondern wir wol len, dass diese Vernetzungsstelle irgendwann eine Vernet zungsstelle für Schul- und Kitaverpflegung wird, wie es in elf anderen Bundesländern bereits der Fall ist.

(Beifall DIE LINKE)

Ich möchte abschließend kurz noch auf einen Punkt eingehen: Brandenburg wird oft als der „Gemüse- und Obstgarten von Berlin“ bezeichnet. Aber unser Land ist nicht nur für Berline rinnen und Berliner der Gemüsegarten, sondern auch für uns Brandenburgerinnen und Brandenburger. Genau da wollen wir ansetzen, wenn es um das Thema gesunde Ernährung für unse re Kleinsten geht: Wir wollen das, was wir hier vor Ort haben, nutzen, damit auch regionale Kreisläufe und den Gedanken der Nachhaltigkeit stärken, um unsere regionalen Anbieter einzu beziehen - für ein gesundes Essen für alle Kinder. Denn es ist wichtig, dass jedes Kind im Land Brandenburg die Chance hat, ein gesundes und ausgewogenes Essen zu bekommen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Schröder.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Alle Bildung entsteht im Kopf. Die Kultur dafür ent steht im Magen. Was bereits Friedrich der Große wusste, ist nun im Jahre 2016 im brandenburgischen Landtag als Tages ordnungspunkt wiederzufinden.

Zugegeben, Ihr Antrag lässt beim ersten Lesen die Hoffnung aufkommen, die rot-rote Landesregierung würde nun endlich konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der landesweiten Schul verpflegung ergreifen. Spätestens beim zweiten Lesen wird je doch klar: Dieser Antrag dient der politischen Selbstdarstel lung. Ihre Forderungen gehören zum normalen Alltagsgeschäft des zuständigen Ministeriums!

(Zurufe: Ach so! Ah!)

Meine Damen und Herren, die Forderung, die Schulverpfle gung neu zu zertifizieren, ist im Grunde unnötig. Denn wir ha ben bereits anerkannte Qualitätsstandards der Deutschen Ge sellschaft für Ernährung. Sie müssten nur langsam anfangen, diese auch konsequent anzuwenden und umzusetzen, wie es viele andere Bundesländer bereits tun.

Wie so oft ist es eine Kostenfrage, welcher Essenanbieter unse re Kinder versorgt. Genau hier liegt auch der größte Problem punkt: Die gesunde Schulverpflegung der Kinder darf nicht nur eine Frage des Preises sein. Unsere Kinder brauchen keine Caterer, die Erdbeeren aus China importieren und ihr Essen in Wärmeboxen transportieren, sodass jegliche Vitamine und Nährstoffe bei der Essenausgabe längst nicht mehr vorhanden sind.

(Vereinzelt Beifall AfD)

Die aktuelle Situation an brandenburgischen Schulen ist in höchstem Maße ungesund für die Kinder, da die Verpflegung zumeist aus Convenience Food besteht. Dies ist eine klare Fol ge der kostenorientierten Auswahl.

Meine Damen und Herren, Sie möchten die Lehrkräfte fortbil den und Qualifizierungsangebote unterbreiten. Das ist löblich, hat jedoch mit dieser Thematik schlichtweg nichts zu tun. Die Praxis zeigt nämlich, dass es den Schulen schlicht an geeigne tem Personal für ihre Schulküchen fehlt, wodurch die Ausgabe der Schulverpflegung nicht mehr qualitätsgerecht gewährleis tet werden kann und vom Personal eines Essenanbieters über nommen werden muss.

Kommen Sie doch bitte den Schulträgern entgegen und schaffen Sie neue Stellen für die Schulküchen unseres Landes. Dass das Landesprogramm für Schulobst ab dem Schuljahr 2017/2018 eingeführt werden soll, ist von der Sache her lobenswert, liegt jedoch wohl eher darin begründet, dass das EU-Parlament die Finanzierungsordnung geändert hat und der Kostenanteil des Landes somit von 50 % auf 25 % reduziert wurde.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich fast zum Schluss meiner Ausführungen folgende Worte mit auf den Weg geben: Gute Bildung benötigt gutes Essen. Dazu brauchen wir lokale Anbieter, welche mit frischen und regionalen Produkten stets saisonale Essensangebote für die Schulen und Kitas bereitstel len.

(Beifall des Abgeordneten Jung [AfD])

Ein solches Vorgehen kostet natürlich Geld. Daher appelliere ich an die Landesregierung: Unterstützen Sie die Brandenbur ger Eltern und subventionieren Sie einheitlich einen Teil der Schulverpflegungskosten, wie es zum Beispiel das Bundesland Berlin tut. Investieren Sie in eine gesunde Jugend und schaffen Sie somit das Fundament für ein breit geschichtetes Spektrum an zukünftigen brandenburgischen Leistungsträgern.

Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der Regierungskoa lition, ist unpräzise und in der Sache schlichtweg nicht weitrei chend genug, um die aktuelle Situation tatsächlich und effektiv zu verbessern. Deswegen werden wir von der AfD-Fraktion uns bei diesem Antrag enthalten. Mit einem solchen Antrag lassen wir uns nicht abspeisen. Dem Änderungsantrag der CDU-Fraktion können wir jedoch zustimmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete von Halem.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Ein voller Bauch studiert nicht gern. Das war natürlich der Grund, aus dem die Reihen hier zu Beginn dieses Tages ordnungspunktes so leer waren. Sie sind damit natürlich voll ends entschuldigt.

Aber das Gegenteil vom vollen Bauch, der nicht gern studiert, macht auch keinen Sinn: Wenn der Magen leer ist, funktioniert das Gehirn nicht richtig; denn der Blutzuckerspiegel muss aus geglichen sein. Gegessen werden muss also mit Maß. Darüber hinaus - das brauche ich als Grüne hier eigentlich nicht extra zu betonen - muss das Ganze natürlich gesund sein - gesund für die Kinder und auch für die Umwelt, in der es produziert wird. Regional wäre natürlich auch nicht schlecht.

Gesundes Essen ist wichtig. Das haben wir jetzt schon von vie len Seiten gehört. Lebensweise und Esskultur werden in der Kindheit erlernt.

Wir reden schon sehr lange über dieses Thema. Wir haben be reits vor ziemlich genau einem Jahr in der Debatte über die Veränderung des Kindertagesstättengesetzes beantragt, dass die DGE-Standards verbindlich in das Gesetz aufgenommen wer den. Das wurde von der Koalition damals leider abgelehnt.

Vor allem im Kita-Bereich, wo es so wichtig ist, dass es gesun de Ernährung gibt, wäre die Beachtung der DGE-Empfehlun gen schon sehr hilfreich. Im Kita-Alter wird gelernt, wie Ge müse schmeckt, wie Obst schmeckt. Da brauchen wir eine Qualitätsoffensive, und zwar gemeinsam mit allen Beteiligten - den Eltern, den Kommunen, den freien Trägern und dem Land Brandenburg. Wir brauchen Kriterien für gesundes Essen in den Kindertagesstätten - dringend. Zu einer vernünftigen Kos tenaufteilung müssen wir alle beitragen.

Ähnlich sieht es im Schulbereich aus. Wir haben schon mehr fach in die Debatte eingebracht, dass das Schulgesetz in § 113 dringend geändert werden muss. In diesem Paragrafen ist bis her nur festgelegt, dass die Schulträger im „Benehmen“ mit den Schulen Verpflegung anbieten müssen. Aus unserer Sicht muss das dringend in „Einvernehmen“ geändert werden. Viele Schulträger machen es schon freiwillig und sehr erfolgreich vor: Sie binden die Schulen ein. In den Schulen gibt es Pro beessen; verschiedene Caterer werden eingeladen; mit den Schulkonferenzen wird darüber diskutiert, welche Standards man an der eigenen Schule haben will. Das ist ausgesprochen gut. Das tut auch der Partizipation und dem Schulklima gut. Letztlich hilft es den Kindern. Der Zuspruch zum Essenange bot ist in der Regel viel größer, als wenn diese Einbindung nicht stattfindet.

Es gibt aber auch Kommunen in diesem Land - einige -, die den Schulen einfach irgendein Essen vorsetzen. Da gibt es gar keine Diskussion. Über den Caterer entscheidet der Schulträ ger - und Punkt. Wie das funktioniert, ist eigentlich klar: schlecht.

Niemand will noch einmal einen solchen Lebensmittelskandal, wie er 2013 durch Erdbeeren ausgelöst wurde. Im Nachgang dieses Skandals hat es eine große Debatte gegeben, dabei ist es eigentlich schon lange klar: Das Essen wird zu lange warm ge halten, es gibt zu wenig Gemüse, zu viel Fleisch, und das Es

sen ist zu billig, um wirklich gesund sein zu können. Viele Ein richtungen und Caterer haben daraus gelernt, aber gutes Essen hat natürlich seinen Preis, und auch darüber müssen wir reden.

Die Vernetzungsstelle Schulverpflegung leistet in diesem Zu sammenhang eine hervorragende Arbeit. Ich habe mich sehr gefreut, in der Debatte zu hören, dass sich die Koalition ver pflichtet - auch wenn es im Antrag noch nicht genau so formu liert ist -, die Vernetzungsstelle Schulverpflegung über 2017 hinaus zu finanzieren. Es gibt aber noch einen anderen Punkt. Es geht nicht nur um die Finanzierung der Vernetzungsstelle, sondern auch um die Ausweitung auf Kindertagesstätten, wie es zum Beispiel das Bündnis Gesund Aufwachsen schon seit längerer Zeit fordert. Ich denke, da sind dringend konkrete Schritte nötig.

(Einzelbeifall)

Das EU-Schulobstprogramm ist schon fast so etwas wie ein Dauerbrenner, seit ich dem Landtag angehöre. Bereits 2009 gab es eine Kleine Anfrage von Frau Richstein zur Anwendung des Schulobstprogramms.

(Frau Richstein [CDU]: Stimmt, seitdem werde ich ver tröstet!)

Im Nachgang folgten vier mündliche Anfragen und drei Kleine Anfragen zu dem Thema. Seit 2009 wird geprüft, Ergebnis: nichts.

(Frau Richstein [CDU]: Ja!)

Aber ich versuche jetzt einmal, optimistisch zu sein: Nachdem die Koalitionsfraktionen die Initiative ergriffen haben, diesen Antrag einzubringen, dem wir uns gern anschließen, hoffe ich sehr, dass das jetzt vielleicht ein Indiz dafür ist, dass die jahre langen Prüfungen auch einmal zu einem konkreten Ergebnis führen. - „Ein voller Bauch studiert nicht gern“ lässt sich näm lich ergänzen: „… und mit leerem Magen gibt’s nur Versagen“.

(Heiterkeit - Beifall B90/GRÜNE, vereinzelt SPD sowie des Abgeordneten Büchel [DIE LINKE])

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Ludwig.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Weil zu dem Thema heute gern mit Zitaten begonnen wird, will ich sagen, dass dieser Tagesordnungspunkt wieder ein Beleg dafür ist, dass „das einzige Kriterium für die Wahrheit die Praxis“ ist. Nach § 113 des Brandenburgischen Schulgesetzes haben die Schulträger

„im Benehmen mit den Schulen dafür zu sorgen, dass die Schülerinnen und Schüler der allgemein bildenden Schu len bis zur Jahrgangsstufe 10 und der Ganztagsschulen an den Schultagen, außer an Sonnabenden, an einer warmen Mittagsmahlzeit zu angemessenen Preisen teilnehmen können.“

Allerdings werden keine Aussagen zur Qualität des Essens oder zu geeigneten Rahmenbedingungen wie Räumlichkeiten oder angemessenen Pausenzeiten getroffen.

Herr Wichmann, hier liegt im Detail das Problem. Es gibt Schulträger - nehmen wir zum Beispiel die mit 35 000 Ein wohnern zehntgrößte brandenburgische Stadt im südlichen Berliner Umland gelegen -, bei denen quasi alles nach Lehr buch abläuft: Da gibt es engagierte Eltern, die dafür sorgen, dass sich die Schule mit dem Schulträger der Stadt ins Beneh men setzt; es gibt engagierte Stadtverordnete, die mit der Ver waltung einen sehr großen Auswahlmodus geltend machen, und dann einigt man sich auf einen namhaften, größeren Trä ger, der auch noch ganz in der Nähe der Schule eine Küche hat. Das Essen wird also nicht lange warmgehalten, die Qualitäts standards stimmen, alle sind zufrieden. Es gibt plötzlich Ge müse an der Schule, und die Schüler essen es trotzdem.

(Günther [SPD]: … nicht! - Heiterkeit)

- Nein, sie haben es gegessen. - Und ausgerechnet dieser Cate rer importiert die Erdbeeren aus China. Somit war alles für die Katz. - Wie wird man den wieder los? Das Vertrauen der Kin der und vor allen Dingen der Eltern ist zerstört. Die Zahl der an der Schulspeisung teilnehmenden Kinder sinkt wieder. Deswe gen bin ich gerade als Jurist etwas zurückhaltend, wenn es darum geht, verbindliche Standards ins Gesetz zu schreiben und dann anzunehmen, damit könne man das Problem beseiti gen. Das ist noch kein Verneinen, aber ich will darauf aufmerk sam machen: Selbst wenn man es so macht und alle Standards einhält, kann es schiefgehen. - Da muss man sensibel bleiben und vor allen Dingen das Vertrauen zurückgewinnen.

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Übergewicht - das wurde zu Recht angesprochen - ist erschreckend hoch und die Tendenz zur Fehlernährung stark. Nur jedes zweite Schulkind in Brandenburg - oder sagen wir einfach: die Hälfte aller Schü ler - nimmt das Schulessen überhaupt in Anspruch. Hier be steht Handlungsbedarf - auch hinsichtlich der Ernährungsbil dung. Es freut mich sehr, dass Frau Fischer angesprochen hat, dass das auch etwas mit Bildung zu tun hat. Da gibt es schon heute in der Elterngeneration Nachholbedarf. Die Berührung mit hochwertiger Schulverpflegung muss bei einigen erst ein mal hergestellt und die Akzeptanz der Schülerinnen und Schü ler gefunden werden.

Das will die Landesregierung verbessern; sie will dem hier be schriebenen negativen Trend entgegentreten. Ich will mich dem zusammen mit dem Teil meines Hauses, der sich schwer punktmäßig Verbraucherschutz widmet, stellen und bedanke mich auch bei den Rednerinnen und Rednern für die Anerken nung, welche Sie den drei beteiligten Ministerien entgegenge bracht haben, und schließe mich Ihrem Lob an die Vernet zungsstelle ausdrücklich an.

Bereits seit 2009 fördern das Verbraucherschutz- und das Bil dungsministerium die Vernetzungsstelle. Aufgabe des Projekts ist, die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Er nährung im Bereich der Schulverpflegung bekannter zu ma chen. Es geht darum, neben den Qualitätskriterien, wie lange das Essen warmgehalten wird, was es kostet und wer es ausgibt - ich erinnere auch an den unsäglichen Mehrwertsteuer streit, der bei einigen wieder Vertrauen vernichtet hat -, diese Standards gerade der Elterngeneration, aber auch den Stadtver

ordneten, Gemeindevertretern und Kreistagsmitgliedern, die darüber zu entscheiden haben, näherzubringen.