Protokoll der Sitzung vom 15.07.2016

(Frau Vandre [DIE LINKE]: Der ist nicht hausgemacht!)

- Doch! - Diese Regierung hat es nämlich jahrelang versäumt,

(Frau Vandre [DIE LINKE]: Ihr wart das doch!)

die Lehrer einzustellen, die man gebraucht hätte.

(Beifall CDU)

Sie haben es in den letzten sieben Jahren versäumt, vorzusor gen,

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

und jetzt haben wir den Salat. Mittlerweile ist der Bedarf näm lich enorm.

(Zwiegespräche zwischen Abgeordneten von CDU und SPD)

In den nächsten zehn Jahren müssen wir in Brandenburg beina he jede zweite Lehrerstelle ersetzen. Jede zweite Lehrerstelle muss in den nächsten zehn Jahren neu besetzt werden!

(Frau Große [DIE LINKE]: Und warum ist das so?)

Das sind fast 1 000 Lehrer pro Jahr. Die Universität Potsdam bildet nicht einmal halb so viele Lehrer aus. Hinzu kommt, dass nur jeder dritte Potsdamer Student in Brandenburg bleibt. Und wir dürfen nicht vergessen, dass wir auch mit unseren Nachbarn im Wettbewerb stehen und diese im großen Stil Leh rer einstellen wollen - allen voran Berlin. In diesem Wettbewerb hat beispielsweise eine Dorfschule in der Prignitz schlechte Karten, weil es die jungen Lehrer oftmals nicht aufs Land, sondern eher in die Städte zieht - auch wenn ich als patriotischer Prignitzer das unverständlich finde.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sehr gerne.

Lieber Gordon Hoffmann, ich möchte Ihnen eine Frage stellen: Wie viele Lehrkräfte hat denn die Landesregierung unter Betei ligung der CDU in den Jahren 2004 bis 2008 einstellen kön nen? Liegt Ihnen eventuell ein Vergleich zur Anzahl der Lehr kräfte, die seit 2009 eingestellt wurden, vor?

(Schulze [BVB FREIE WÄHLER Gruppe]: Ausfallstun den!)

Frau Vandre, das ist eine sehr interessante Frage, über die ich mich richtig freue und die ich gerne beantworte - ich habe auch noch Zeit dazu. Das liegt etwas vor Ihrer Zeit - nicht, bevor Sie geboren wurden, aber bevor Sie hier waren.

(Heiterkeit bei CDU und DIE LINKE)

Ich erkläre Ihnen das gerne: Brandenburg ging damals einen Sonderweg. Nach der Wende hatten wir mit einem Einbruch der Schülerzahlen zu kämpfen, und Brandenburg war eines der Länder, die gesagt haben: Wir passen unseren Lehrerbestand nicht an diese Situation an, wir entlassen niemanden. - Das heißt, dass wir über Jahre mehr Lehrer hatten, als wir brauch ten.

(Zuruf der Abgeordneten Große [DIE LINKE])

- Frau Große, Sie können doch reden, melden Sie sich zu einer Kurzintervention. Das Gebrüll ist ja fürchterlich.

(Heiterkeit und Beifall CDU)

Ich möchte die Frage Ihrer Kollegin beantworten.

Man konnte also über Jahre hinweg keine neuen Lehrer einstel len. Das führte dazu, dass weniger junge Lehrer an die Schulen kamen. Und die große Gruppe von Kollegen, die im gleichen Alter waren, wuchs gleichzeitig heraus. Ziemlich genau 2008, 2009 kehrte sich das um; man erkannte: Jetzt erreichen wir langsam den Punkt, an dem alle Lehrer, die relativ alt sind, zur gleichen Zeit in den Ruhestand gehen. Das konnte man an den Lehrermodellrechnungen sehr genau sehen.

Bereits da, vor sieben Jahren, haben wir gemeinsam mit den Grünen und der FDP - diese Partei gab es damals noch im Landtag - immer wieder beantragt, mehr Lehrer einzustellen. Das haben Sie immer abgelehnt.

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Deshalb sind nicht wir für die Misere verantwortlich, sondern Sie!

(Zuruf von der SPD - Senftleben [CDU]: Danke für die Frage!)

Jetzt möchte ich fortfahren, wir können die Zeit also wieder laufen lassen.

(Heiterkeit CDU)

Das Problem ist einfach, Kollegin Vandre, dass wir jetzt diesen enormen Bedarf haben, der nicht gedeckt werden kann. Wir müssen uns etwas einfallen lassen.

Man muss Minister Baaske zugutehalten, dass er es versucht: Er versucht mit einer Prämie von 300 Euro im Monat Leute zu ködern - die berühmte „Buschprämie“ für Lehrer, die 300 Euro im Monat extra erhalten, wenn sie dahin gehen, wo sich sonst niemand finden lässt. Ich drücke dem Minister ehrlich beide Daumen, dass dieses Experiment gelingt. Ich glaube, dieses Daumendrücken hat er auch bitter nötig: Bislang ist der Erfolg sehr überschaubar. Bislang konnte auf diese Art und Weise noch kein einziger Lehrer gewonnen werden. Auch in Zukunft wird es relativ schwierig.

An dieser Stelle sage ich: Es ist zwar spät, aber noch nicht un bedingt zu spät für kluge Planung. Wir dürfen also nicht nur auf den aktuellen Stand blicken, sondern müssen auch in die Zukunft schauen. Deshalb schlagen wir ein Landlehrer-Stipendium vor. Es richtet sich an Lehramtsstudenten aus ganz Deutschland, die in zwei oder drei Jahren ihr Referendariat be ginnen. Denn die Lehre aus den vergangenen Jahren ist: Wenn die Studenten erst einmal ihren Abschluss in der Tasche haben und dann von allen umworben werden, wird es für uns schwie rig, sie hier aufs Land zu locken - „Buschprämie“ hin oder her. Deshalb wollen wir mit unserem Landlehrer-Stipendium früher ansetzen: Wir wollen versuchen, die Studenten schon frühzei tig an eine Region zu binden und ihnen hier das bessere Ange bot zu machen.

(Beifall CDU sowie des Abgeordneten Schulze [BVB/ FREIE WÄHLER Gruppe])

Wir sagen den Studenten: Wir unterstützen euch mit monatlich 300 Euro, und zwar dann, wenn ihr es besonders braucht, näm lich im Studium. Dafür erklärt ihr euch dazu bereit, dass ihr nach Ausbildungsende genauso lange, wie ihr das Stipendium

bekommen habt, an eine Schule geht, an der wir euch beson ders brauchen. - Ich finde, das ist ein wirklich fairer Deal, ins besondere wenn man ihn mit Minister Baaskes „Buschprämie“ vergleicht. Wir dürfen nicht vergessen: Für einen Studenten sind 300 Euro im Monat ein ganz anderer Betrag als für jeman den, der mit seiner Lehrerausbildung fertig ist und ohnehin ganz normal bezahlt wird. 300 Euro im Monat als Student - das ist fast die Hälfte der BAföG-Zahlung obendrauf.

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Netto!)

Das ist etwas ganz anderes, zumal man sagen muss, dass man die „Buschprämie“ versteuern muss und sie zu einer Zweiklas sengesellschaft im Lehrerzimmer führt: aus den Lehrern, die schon die ganze Zeit dort waren, die diese Prämie nicht erhal ten, und denjenigen, die genau die gleiche Arbeit machen, aber dafür eine Prämie obendrauf kriegen.

(Genilke [CDU]: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!)

Das sorgt für Unfrieden. Das sehen nicht nur wir, sondern auch die Lehrer so, und das wird auch von den Gewerkschaften be klagt, die sich im Übrigen auch für unser Landlehrer-Stipendi um ausgesprochen haben.

(Beifall CDU und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Meine Damen und Herren, Sie haben das sicherlich klug re cherchiert, wir haben auch kein Geheimnis daraus gemacht. Wir haben mit diesem Antrag das Rad nicht neu erfunden - das muss man auch nicht ständig -, sondern uns an unserem Nach barn, am Sachsenstipendium orientiert. Das Stipendium ist dort bereits ein großer Erfolg. Schon in der ersten Bewerbungsrun de gab es mehr als dreimal so viele Bewerber, wie man Plätze hatte. Die sächsische Landesregierung konnte dort die besten Bewerber auswählen. Man überlegt jetzt natürlich, ob man die Anzahl der Plätze ausweitet.

Für Nachwuchsgewinnung gibt es aber auch gute Beispiele in Brandenburg, nicht unbedingt im Bereich der Lehrer, aber im Bereich der Mediziner, wo wir Vorbilder haben. In Elbe-Elster, Ostprignitz-Ruppin - dort wirbt der Kreis bzw. die Medizini sche Hochschule mit ähnlichen Stipendien, um Mediziner an zuwerben - und das mit Erfolg.

Meine Damen und Herren, wir wissen natürlich, dass Geld al lein noch keine Landlehrer macht. Das war auch ein Ergebnis der Landlehrerstudie, die von unseren Kollegen, den Grünen durchgeführt wurde. Deswegen wollen wir dieses Stipendium mit einer ideellen Förderung abrunden, die die Stipendiaten auf ihre künftigen Aufgaben vorbereitet. Dazu brauchen wir Men toren an den Schulen, die die jungen Leute aufnehmen, die die jungen Kollegen im Lehrerzimmer einführen. Wir wollen au ßerdem, dass Gemeinden die jungen Lehrer willkommen hei ßen, ihnen den Umzug nicht nur schmackhaft, sondern auch leichter machen. Auch da machen es die Sachsen vor: Im Erz gebirge gibt es Dörfer, in denen sich Eltern zusammentun und gemeinsam mit dem Schulamt nach Lehrern für die Dorfschule suchen. Das sind alles gute Beispiele, und ich glaube, wir müs sen uns dringend an ihnen orientieren.

Ein weiterer Grund, dessentwegen ich für dieses Stipendium werbe - das, finde ich, ist die interessanteste Geschichte über haupt -: Es geht nicht nur darum, dass wir mit diesem Stipendi

um die Möglichkeit haben, Lehrer dorthin zu schicken, wo wir sie dringend brauchen, sondern auch darum, dass wir dringend versuchen müssen, die Lehrerausbildung stärker zu steuern, dass wir genau die Lehrer mit den Fächerkombinationen und die Lehrer mit den Lehrämtern für die richtigen Schulen aus bilden, die wir brauchen. Wir wissen doch alle, dass die Lehrer, die wir derzeit nicht wirklich brauchen können, die für die gymnasiale Oberstufe mit Fächern wie Deutsch und Geschich te sind. Schauen Sie, welche Fächer die meisten Lehramtsstu denten an der Uni Potsdam studieren: Es sind genau diese Fä cher. Deswegen haben wir in unserem Antrag gesagt: Wir wol len nicht nur die Regionen ausschreiben, in die die jungen Leu te gehen sollen, sondern auch bestimmte Fächerkombinationen oder Lehrämter fördern, weil wir damit Anreize schaffen kön nen.

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Jetzt kommt natürlich die Frage nach den Kosten. Natürlich kostet das Geld, aber es kostet nicht mehr als die „Buschprä mie“ von Minister Baaske. Ich glaube, die Kosten liegen hier im überschaubaren Rahmen; wir haben sie im Antrag aufge führt. Für das Schüler-BAföG, das einen nur sehr geringen Nutzen zeigt, haben Sie das Geld auch immer gefunden. Ich glaube, hier wäre der Nutzen wirklich größer.

Meine Damen und Herren! Regieren heißt gestalten, sich etwas einfallen lassen, nicht jedes Jahr das Gleiche zu machen und zu hoffen, dass es noch einmal gut geht, und manchmal heißt Re gieren sogar, dass man Anträgen der Opposition so begegnet, dass man möglichst wenig Gesichtsverlust erleiden muss. So betrachten wir Ihren Entschließungsantrag. Ich glaube, Ihnen ist schon die Einsicht gekommen, dass unsere Forderungen ei ne gute Idee sind. Jetzt geben Sie sich noch einen Ruck und stimmen Sie unserem Antrag zu! Dann müssen wir nicht bis zum nächsten Jahr oder sonst wann warten, sondern können in ein paar Jahren die ersten Lehrer in die Dorfschulen schicken. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)